DIE RADIODOKTOR-INFOMAPPE Ein Service von: ORF A-1040 Wien, Argentinierstraße 30a Tel.: (01) 50101/18381 Fax: (01) 50101/18806 Homepage: http://oe1.ORF.at und Österreichischer Apothekerkammer A-1091 Wien, Spitalgasse 31 Tel.: (01) 404 14-600 Fax: (01) 408 84 40 Homepage: www.apotheker.or.at RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 1 RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT Die Sendung Die Sendereihe „Der Radiodoktor“ ist seit 1990 das Flaggschiff der Gesundheitsberichterstattung von Ö1. Jeden Montag von 14.05 bis 14.40 Uhr werden interessante medizinische Themen in klarer informativer Form aufgearbeitet und Ö1-Hörerinnen und -Hörer haben die Möglichkeit, telefonisch Fragen an das hochrangige Expertenteam im Studio zu stellen. Wir über uns Seit September 2004 moderieren Univ.-Prof. Dr. Manfred Götz, Univ.-Prof. Dr. Karin Gutiérrez-Lobos, Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger und Dr. Christoph Leprich die Sendung. Das Redaktionsteam besteht aus Mag. Nora Kirchschlager, Uschi Mürling-Darrer, Dipl. Ing. Eva Obermüller, Dr. Doris Simhofer, Mag. Xaver Forthuber, Dr. Michaela Steiner, Dr. Ronny Tekal-Teutscher und Dr. Christoph Leprich. Das Service Seit dem 3. Oktober 1994 gibt es das, die Sendereihe flankierende, Hörerservice, das auf größtes Interesse gestoßen ist. Unter der Wiener Telefonnummer 50 100 ist „Der Radiodoktor“ mit Kurzinformationen zur aktuellen Sendung die ganze Woche per Tonband abrufbar. Die zu jeder Sendung gestaltete Infomappe mit ausführlichen Hintergrundinformationen, Buchtipps und Anlaufstellen komplettiert das Service und stellt in der Fülle der behandelten Themen eigentlich bereits ein kleines Medizin-Lexikon für den Laien dar. Der Partner Ermöglicht wird die Radiodoktor-Serviceleiste durch unseren Partner: die Österreichische Apothekerkammer. An dieser Stelle wollen wir uns ganz herzlich bei unserem Partner für die Zusammenarbeit der letzten Jahre bedanken! Wir bitten um Verständnis, dass wir aus Gründen der besseren Lesbarkeit in dieser Infomappe zumeist auf die weiblichen Endungen, wie z.B. PatientInnen, ÄrztInnen etc. verzichtet haben. RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 2 KRANK OHNE AUFFINDBARE URSACHE? BEHANDLUNGSMÖGLICHKEITEN „SOMATOFORMER STÖRUNGEN“ Mit Univ.-Prof. Dr. Manfred Götz 23. Mai 2011, 14.05 Uhr, Ö1 Redaktion und Infomappe: Uschi Mürling-Darrer RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 3 INHALTSVERZEICHNIS INHALTSVERZEICHNIS KRANK OHNE AUFFINDBARE URSACHE? 6 Vielfältige Beschwerdebilder ohne Ursache?! 6 Definition – Ein Erklärungsversuch Arten der Störungen Typische Symptome und Beschwerden 7 7 8 Beginn und Verlauf Genetische und Umweltfaktoren erhöhen das Risiko Schlechte Prognose durch Teufelskreis Vorurteile gegenüber somatoformen Störungen 9 9 10 10 Entstehung somatoformer Störungen Bedingungen zur Entstehung somatoformer Beschwerden 10 11 Häufige ärztliche Betrachtungsweise Umgang mit Patienten „doctor hopping“ Erster Ansprechpartner Hausarzt 11 12 12 12 Diagnosemöglichkeiten Diagnostik via Fragebogen Simultandiagnostik 13 13 13 Therapien und Behandlungsansätze Verhaltensmuster ändern Mögliche Therapieformen Ziele und Visionen 14 14 15 15 Die PISO-Therapie Studienergebnisse 15 16 RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 4 INHALTSVERZEICHNIS Konzentrative Bewegungstherapie (KBT) Theorie der Konzentrativen Bewegungstherapie Praktische Anwendung der Konzentrativen Bewegungstherapie Wirkungsweise der Konzentrativen Bewegungstherapie 16 17 17 17 Das Achtsamkeitsbasierte Verfahren Wahrnehmen, was gegenwärtig ist Wohlwollen gegenüber der eigenen Person Mehr Hirnfunktionalität durch Achtsamkeit 18 18 19 19 ANLAUFSTELLEN LINKS BUCHTIPPS SENDUNGSGÄSTE 22 25 27 29 RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 5 SOMATOFORME STÖRUNGEN KRANK OHNE AUFFINDBARE URSACHE? Der Begriff „somatoforme Störungen“ leitet sich von „soma“ (griechisch: Körper) und „forma“ (lateinisch: Form, Gestalt) ab und wurde 1980 in die offiziellen Krankheits-Klassifikationssysteme eingeführt. „Somatoforme Störungen“ sind vereinfacht ausgedrückt Beschwerden, für die keine oder keine ausreichenden körperlichen Ursachen gefunden werden können. Traditionelle Bezeichnungen für Krankheitsbilder aus diesen Kategorien sind z.B. psychogene Störungen, funktionelle Störungen, vegetative Dystonie, allgemeines psychosomatisches Syndrom, Konversionshysterie oder psychische Überlagerung. Somatisierungsstörungen bzw. somatoforme Störungen gehören zu den häufigsten Beschwerdebildern bei Patienten in allgemeinärztlichen Praxen und Allgemeinkrankenhäusern. Mindestens 20 Prozent der Patienten, die einen Hausarzt aufsuchen, leiden an einer somatoformen Störung. In stationären Abteilungen werden somatoforme Störungen in einer Häufigkeit von 10 bis zu 40 Prozent der Patienten beschrieben. Patienten mit somatoformen Störungen gelten generell als „anstrengend“. Sie verhalten sich „schwierig“ beim Hausarzt und „unmotiviert“ beim Psychotherapeuten. Die Kosten für die Behandlung dieser Patientengruppe sind immens und liegen bis zu 14-mal höher als die durchschnittlichen Pro-Kopf-Behandlungsausgaben. Quelle: Prim. Prof. Dr. Dr. Dipl. Psych. Andreas Remmel VIELFÄLTIGE BESCHWERDEBILDER OHNE URSACHE?! Psychosomatische Störungen können sich in einer Vielzahl von Symptomen ausdrücken: Es stehen neben Müdigkeit und Erschöpfung vor allem Schmerzbilder an erster Stelle, gefolgt von Herz-Kreislauf-Beschwerden, Magen-DarmBeschwerden, sexuellen und pseudoneurologischen Störungsbildern. Betroffene klagen auch häufig über Schwindel, Atemnot, Zittern, Herzstolpern oder ein RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 6 SOMATOFORME STÖRUNGEN Beklemmungsgefühl. Weitere Beispiele sind chronische Unterleibsbeschwerden, psychogener Bluthochdruck oder das Sick Building Syndrome, bei dem Menschen davon ausgehen, dass sie ein Gebäude krank macht. Parallel zu den somatoformen Störungen treten nicht selten Depressionen, Angst- oder Persönlichkeitsstörungen auf. DEFINITION – EIN ERKLÄRUNGSVERSUCH Laut Definition der ICD-10-Kriterien (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) sind somatoforme Störungen anhaltende oder häufig wiederkehrende, subjektiv als beeinträchtigend erlebte körperliche Beschwerden, für welche auch nach angemessener Diagnostik keine ausreichende Erklärung im Sinne einer kausalen Organpathologie gefunden werden kann. Arten der Störungen Somatoforme Störungen werden in der ICD-10 nach Häufigkeit, Art und Organbezug der Körperbeschwerden klassifiziert. Demnach gibt es folgende Unterformen somatoformer Störungen: Somatisierungsstörung (F 54.0): Seltene Extremformen mit zahlreichen Körperbeschwerden über mindestens 2 Jahre Undifferenzierte somatoforme Störungen (F 45.1): etwas leichtere Verlaufsform mit mehreren Beschwerden über mindestens 6 Monate Hypochondrische Störungen (F 45.2): Dabei stehen weniger die Körperbeschwerden selbst als die Angst im Vordergrund, an einer bedrohlichen Krankheit zu leiden Somatoforme autonome Funktionsstörungen (F 45.3): das sind Störungen, die sich klar einem vegetativ versorgten Organsystem zuordnen lassen – z.B. Beschwerden des Atmungssystem, des Herzkreislauf-Systems o.ä. Anhaltende somatoforme Schmerzstörungen (F 45.4): Hier stehen psychogene Schmerzbeschwerden im Zentrum, die organisch nicht ausreichend erklärbar sind. Typischerweise gehen Betroffene von einer körperlichen Ursache ihrer Beschwerden aus. Nicht selten wird diese einseitige somatische Betrachtungsweise von den ärztlichen Behandlern, zumindest teilweise, übernommen. Dies führt häufig zu nicht indizierten und gelegentlich sogar risikoreichen und invasiven, zumeist jedoch ergebnislosen diagnostischen RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 7 SOMATOFORME STÖRUNGEN Maßnahmen, zu wiederholten und nicht indizierten Therapieversuchen und letztlich zu langwierigen Krankheitsverläufen. Zwar tritt bei der Hälfte bis drei Viertel der Personen mit somatoformen Beschwerden mit der Zeit eine Besserung ein. Bei 10 bis 30 Prozent ist jedoch eine zunehmende Verschlechterung zu beobachten. Typische Symptome und Beschwerden Die Beschwerden können meist einer von drei Hauptgruppen zugeordnet werden: Schmerzen unterschiedlichster Lokalisation und Qualität Funktionsstörungen in verschiedenen Organsystemen wie Palpitationen, Schwindel, Verdauungs- oder Empfindungsstörungen und Beschwerden aus dem Formenkreis von Müdigkeit, chronischer Erschöpfung und subjektive verminderter Belastbarkeit. Im Detail können sich Somatoforme Störungen jedoch in einer Vielzahl subjektiver Beschwerden und Symptomen äußern: im Bereich der Atmung, z.B. als Gefühl der Atemhemmung, Globussyndrom, Halsenge, Luftnot im Bereich des Herzkreislaufsystems, z.B. Druckgefühl, Stiche, Beklemmungsgefühl in der Brust, Herzstolpern im Magen-Darm-Trakt: als Reizmagen und Reizdarm, mögliche Symptome sind Übelkeit, Völlegefühl, Bauchschmerzen, Stuhlunregelmäßigkeiten in der Gynäkologie: chronische Unterbauchschmerzen, Pelvipathiesyndrom – es handelt sich dabei um Schmerzen, die über sechs Monate anhaltend oder rezidivierend auftreten und unabhängig sind von Geschlechtsverkehr und Zyklus, Schmerzen im Unterbauch mit Ausstrahlung in Leisten und Kreuzbein in der Urologie: Reizblase, Urethralsyndrom, Prostadynie, mögliche Beschwerden sind: häufiges und/oder schmerzhaftes Wasserlassen, Gefühl erschwerter Miktion, Schmerzen im Unterbauch/Damm als somatoforme Schmerzstörung: Anhaltende Schmerzen ohne erklärenden organmedizinischen Befund. Zusätzliche bedeutsame Aspekte bei somatoformen Störungen sind: Störung der Affektwahrnehmung, d.h. körperliche oder geistige Anspannung oder Erregung werden nicht mehr adäquat wahrgenommen RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 8 SOMATOFORME STÖRUNGEN erhöhte physiologische Reaktionsbereitschaft und somatosensorische Amplifizierung (verstärktes Schmerzerleben) Biografische Vulnerabilität (psychische „Dünnhäutigkeit“ aufgrund negativer biografischer Erfahrungen, wie z.B. Missbrauch oder Gewalt in der Vorgeschichte) Kognitive Fehlbewertung (Katastrophisierung) und Konfliktbewältigungsstrategien, somatische Beschwerdeattribution (körperlichen Beschwerden werden immer Ursachen zugeschrieben) Bahnung durch körperliche Vorschädigungen Komorbidität affektiver Störungen – soziale und gesellschaftliche Aspekte der Symptomentstehung und Aufrechterhaltung iatrogene Chronifizierung (durch Fehleinflüsse erzeugte chronische Störung). Die Symptome können häufig auf eine starke Erregung des autonomen Nervensystems zurückgeführt werden. Aber auch Fehlfunktionen, die über das nicht-autonome Nervensystem vermittelt sind, wie Zittern und muskulärer Hartspann oder Abweichungen im Hormonsystem sind zu beobachten. Daneben findet man bei Patientinnen und Patienten mit somatoformen Störungen nicht selten andere psychische Störungen, insbesondere Depressionen, Angsterkrankungen und Persönlichkeitsstörungen. Quellen: Interview mit Prim. Prof. Dr. Dr. Dipl. Psych. Andreas Remmel und Privatdozent Dr. med. Claas Lahmann BEGINN UND VERLAUF Eine soamtoforme Störung oder Somatisierungsstörung beginnt in der Regel im jungen Erwachsenenalter. Ein eindeutig zuordenbares Beschwerdebild ist meist bis zum 25. Lebensjahr erreicht. Bei Frauen häufen sich die Probleme während der Monatsblutung. Ein zweiter Erkrankungsgipfel ergibt sich bei Menschen zwischen dem 45. und 55. Lebensjahr. Frauen sind häufiger betroffen als Männer bzw. wird bei ihnen diese Störung häufiger diagnostiziert. Genetische und Umweltfaktoren erhöhen das Risiko Laut dem „Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“ (Diagnostisches und Statistisches Handbuch Psychischer Störungen), kurz DSM-IV-TR, findet sich bei Frauen mit Somatisierungsstörung bei etwa 10 bis 20 Prozent der weiblichen RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 9 SOMATOFORME STÖRUNGEN Verwandten 1. Grades ebenfalls eine Somatisierungsstörung. Männliche Verwandte von Frauen mit dieser Störung weisen ein erhöhtes Risiko für eine antisoziale Persönlichkeitsstörung sowie Störungen im Zusammenhang mit psychotropen Substanzen auf (Alkohol, Rauschdrogen, Nikotin, Medikamente). AdoptionsStudien zeigen, dass sowohl genetische als auch Umfeldfaktoren das Risiko für die Somatisierungsstörungen erhöhen können. Schlechte Prognose durch Teufelskreis Der Verlauf ist chronisch fluktuierend, das heißt, ein über Jahre oder Jahrzehnte andauerndes ständiges Auf und Ab. Dieser permanente, zermürbende Leidensdruck und Faktoren negativer Selbstwahrnehmung führen zu einer ungünstigen Prognose. Es bestehen Schwierigkeiten, Gefühle und Bedürfnisse zu regulieren. Es kommt zu zwischenmenschlichen, partnerschaftlichen, familiären, beruflichen Problemen und Konsequenzen. Oft versuchen Betroffene sich selbst zu behandeln und greifen zu Medikamenten oder Alkohol, Nikotin und Drogen. Vorurteile gegenüber somatoformen Störungen Oft bestehen noch Vorurteile, dass Menschen mit somatoformer Störungen sich ihre Beschwerden nur „einbilden“ bzw. ihre Leiden eine „eingebildete Krankheit“ sei. Ein weiteres Vorurteil ist, dass diese Menschen nur darauf spekulieren würden in Pension gehen zu können. Derartige Beurteilungen gehen noch immer damit einher, dass körperliche und psychische bzw. psychosomatische Erkrankungen unterschiedlich wahrgenommen und bewertet werden. Wenngleich sich daran langsam, nicht zuletzt durch mediale Berichterstattung, etwas ändert. Quelle: Prim. Prof. Dr. Dr. Dipl. Psych. Andreas Remmel ENTSTEHUNG SOMATOFORMER STÖRUNGEN Bisher existiert kein einheitliches Erklärungsmodell für die Entstehung somatoformer Beschwerden. Hinsichtlich Prädisposition, Auslösung und Aufrechterhaltung können dennoch folgende individuelle Faktoren in Betracht gezogen werden: genetische Veranlagung biographische Belastungsfaktoren RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 10 SOMATOFORME STÖRUNGEN Persönlichkeitsmerkmale somatische Vor- bzw. Grunderkrankungen erhöhte Körperaufmerksamkeit soziokulturelle Gegebenheiten Als erwiesen gilt, dass Menschen mit traumatischen Lebenserfahrungen häufiger unter somatoformen Körperbeschwerden – vor allem Schmerzen – leiden. Bedeutsam sind hier vor allem frühkindliche Traumatisierungen. Bedingungen zur Entstehung somatoformer Beschwerden Kognitive Fehlbewertung (katastrophisierende Bewertung von Schmerzempfindungen) Modelllernen in der Familie Erhöhte physiologische Reaktionsbereitschaft (Herabsetzung der Schmerzschwelle) Traumatisierung (Mißhandlung, Mißbrauch) Deprivation (Störungen der Emotionswahrnehmung,) Wenig Achtsamkeit im Umgang mit körperlichen Signalen Unsichere Bindungsentwicklung Körperliche Vorschädigung mit Schmerz Lernerfahrungen bzw. der Mangel an Lernerfahrungen durch wichtige Bezugspersonen erhöhen das Risiko für somatoforme Störungen. Emotionale Reaktionen, z.B. Wut, Ärger, Angst etc. werden dann sehr körpernah und weniger als Emotionen mit seelischen und körperlichen Anteilen erlebt. Dies führt zu dem subjektiven Erleben körperlich erkrankt zu sein. HÄUFIGE ÄRZTLICHE BETRACHTUNGSWEISE Der Umgang mit Patientinnen und Patienten, die an einer somatoformen Störung leiden ist oft schwierig. Sie stehen unter einem hohen subjektiven Leidensdruck und sind gleichzeitig davon überzeugt, es seien primär „körperliche Gründe“ für diese Beschwerden verantwortlich. Nicht selten wird diese einseitige körperliche Betrachtungsweise von Ärztinnen und Ärzten teilweise übernommen. Dies führt oft zu nicht indizierten und gelegentlich sogar risikoreichen und invasiven, zumeist jedoch vergeblichen diagnostischen Maßnahmen und letztendlich zu langwierigen Krankheitsverläufen. RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 11 SOMATOFORME STÖRUNGEN Zwar tritt bei der Hälfte bis drei Viertel der Patienten mit somatoformen Beschwerden mit der Zeit eine Besserung ein, jedoch ist bei 10 bis 30 Prozent eine zunehmende Verschlechterung zu beobachten. Umgang mit Patienten Häufen sich die Untersuchungen mit unauffälligen Befunden, werden die Beschwerden zudem chronisch und verfallen Betroffene in Hilflosigkeit und Verzweiflung, werden sie auch zunehmend offen für eine erweiterte Sichtweisen auf ihre allgemeine Lebenssituation und Lebensgeschichte. Hier sind Haus- und Allgemeinärzte besonders wichtig, um ergänzende psychosomatische und psychologische Diagnostik- und Behandlungspfade zu eröffnen. Eine weitere Motivationsquelle können manchmal Angehörige sein, im Extremfall auch zunehmende Familien- oder Beziehungsprobleme, oder auch eine verstärkte Hilflosigkeit dieser Angehörigen, die die Erkrankten motivieren, fachliche Hilfen in Anspruch zu nehmen. Ebenso haben die Betroffenen oft erhöhte Krankenstände oder Ausfallszeiten, was ebenfalls neue Schritte auslösen kann. „doctor hopping“ Enttäuschung über die andauernden Beschwerden trotz anfänglicher Hoffnung in den jeweils nächsten Therapieversuch führen häufig zu einer Unzufriedenheit mit dem aktuellen Behandler und in Folge zu Therapieabbrüchen oder Arztwechseln („doctor hopping“). Somatoforme Beschwerden und Störungen bedingen somit eine überproportionale, dysfunktionale und kostenintensive Inanspruchnahme des Gesundheitssystems. Erster Ansprechpartner Hausarzt Die Hausärzteschaft ist außerdem gefordert, auch für die psychischen und sozialen Lebensbedingungen dieser Patientinnen und Patienten ein offenes Ohr zu haben und sie darauf anzusprechen. Daraus können oftmals die Weichen für eine weitere differenzierte Diagnostik und Therapie gestellt werden. Das heißt, nicht die x.te technische Untersuchung zu veranlassen oder selbst durchzuführen, sondern die Patienten zu fachpsychosomatisch ausgebildeten Ärztinnen und Ärzten oder in spezielle Fachkliniken zu überweisen. Ein Ziel ist es daher, Haus- und Fachärzte für die Erkennung somatoformer Beschwerden zu sensibilisieren und die Fähigkeiten zur Diagnostik und basalen Therapie in der Primärversorgung zu verbessern. Hier liegt ein großes Potential, RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 12 SOMATOFORME STÖRUNGEN da die meisten Betroffenen somatoformer Störungen im Bereich der Primärversorgung behandelt werden und meist erst nach Jahren in psychosomatische Spezialabteilungen überwiesen werden oder diese selbst aufsuchen. DIAGNOSEMÖGLICHKEITEN Die Diagnose einer somatoformen Störung beruht zunächst auf dem Ausschluss einer „primär organischen Ursache“ der Körperbeschwerden. Damit verbunden ist eine differenzierte psychosomatische und psychologische Diagnostik, die die gegenwärtige Lebenssituation des Menschen, seine Affekte und psychischen Konflikte, Aspekte der Persönlichkeitsentwicklung, biographische Belastungen und soziale und kulturelle Faktoren berücksichtigt. Parallel zur Klassifikation somatoformer Störungen existiert innerhalb der somatischen Medizin eine Reihe funktioneller Syndrom-Diagnosen. Etwa die Fibromyalgie, manche Rheumaerkrankungen, das Reizdarmsyndrom etc. Diese funktionell-somatischen Syndromdiagnosen umfassen lediglich die somatisch nicht ausreichend erklärbare Hauptbeschwerde. Diagnostik via Fragebogen „Während die Somatisierungsstörung in beiden Diagnosesystemen als prototypische somatoforme Störung gedacht ist, hat sich in der Praxis gezeigt, dass die undifferenzierte somatoforme Störung am häufigsten diagnostiziert wird“, so Privatdozent Dr. med. Claas Lahmann. „Dieser Zustand wird schon seit längerer Zeit kritisiert. Daher gibt es Überlegungen, die Kriterien neu zu definieren. Allerdings gibt es von Experten dazu noch keine einhellige Meinung.“ Zur Diagnosestellung existieren auch verschiedene strukturierte klinische Interviews und Fragebögen. Claas Lahmann: „In Deutschland ist neben der allgemeinen Symptom-Checkliste das Screening für somatoforme Störungen der verbreitetste Fragebogen, der zur Diagnose benutzt wird.“ Simultandiagnostik Zusammenfassend kann gesagt werden, dass bei somatoformer Störungen die so genannte Simultandiagnostik sinnvoll ist. Dabei werden von Beginn an sowohl organische als auch psychosoziale Faktoren berücksichtigt. Besonders Augenmerk wird auf aktuelle und frühere Beschwerden, auf die Zahl der vorangegangenen Untersuchungen und therapeutische Bemühungen gelegt. Im Rahmen eines Erstgespräches schildern Patientinnen und RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 13 SOMATOFORME STÖRUNGEN Patienten ihre Beschwerden. Die behandelnde Ärztin oder der Arzt fasst diese Aussagen mit den Befunden und Diagnosen bisheriger Untersuchungen zusammen. Ergänzend kann eine psychologische Diagnostik mittels Fragebögen sinnvoll sein. Quellen: Prim. Prof. Dr. Dr. Dipl. Psych. Andreas Remmel Privatdozent Dr. med. Claas Lahmann THERAPIEN UND BEHANDLUNGSANSÄTZE „Es stehen mittlerweile gut begründete fachspezifische psychosomatische Behandlungen zur Verfügung“, erklärt Prim. Prof. Dr. Dr. Dipl. Psych. Andreas Remmel: „Die Diagnostik und Therapie sollte aber auf verschiedenen Ebenen erfolgen. Etwa in einem Kompetenzzentrum wie dem „Psychosomatischen Zentrum Waldviertel“ besteht die Möglichkeit, eine ausführliche Diagnostik durchzuführen und die Patientinnen und Patienten können auch von Beginn an allgemeinmedizinisch oder internistisch behandelt werden. Zudem wird zunächst auch eine bestehende medikamentöse Behandlung weitergeführt, um die Erkrankten mit ihren Sichtweisen und Überzeugungen ‚dort abzuholen, wo sie gerade stehen‘. Parallel dazu versuchen wir aber auch, sie über die Metapher von ‚Stress‘ und ‚Belastungen‘ oder ‚Burnout‘ für ihre psychische und soziale Seite ihrer Beschwerden und Krankheit zu sensibilisieren.“ Verhaltensmuster ändern Bei den Therapien wird versucht individuelle Denk-, Erlebens- und Verhaltensmuster oder eingefahrene Schemata zu identifizieren, zu überprüfen und zu verändern: z.B. „ich muss immer perfekt sein“ „ich darf nicht negativ auffallen“ „ich darf keine Gefühle oder Schwächen zeigen“ „ich muss immer für andere da sein“ „ich darf nie ‚nein’ sagen“, etc. Oftmals liegen bei Patientinnen und Patienten ungelöste oder schwerwiegende psychische oder soziale/familiäre Konflikte vor, die sie bislang nicht auflösen konnten. RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 14 SOMATOFORME STÖRUNGEN Mögliche Therapieformen Die gezielte psychosomatische Therapie kombiniert eine offene, vertrauensvolle und verlässliche Beziehung zu den Patientinnen und Patienten mit individuell aufeinander abgestimmten Psychotherapie-Verfahren, wie z.B. Körperorientierte Therapie entspannungstherapeutische Verfahren kognitive Verhaltenstherapie kreative Therapieverfahren Musiktherapie Bewegungstherapie physikalische Therapie Tanz und Bewegung ... und der Förderung der eigenen Genussfähigkeit und der eigenen Bedürfnisse, etwa durch achtsamkeitsbasierte Ansätze. Ziele und Visionen Die psychosomatische Forschung versucht, die spezifischen Faktoren der Prädisposition, Auslösung und Aufrechterhaltung somatoformer Störungen besser zu verstehen, um störungsorientierte Behandlungsmöglichkeiten weiter zu verbessern. Eine derartige, störungsorientierte Therapieform ist z.B. die psychodynamisch-interpersonell ausgerichtete PISO-Therapie, die sich im Rahmen einer großen multizentrischen Studien an mehreren deutschen Universitätskliniken als wirksam erwiesen hat. Quellen: Prim. Prof. Dr. Dr. Dipl. Psych. Andreas Remmel Privatdozent Dr. med. Claas Lahmann DIE PISO-THERAPIE Die Psychodynamisch-Interpersonelle Therapie (PISO) bei somatoformen Störungen ist eine manualisierte Kurzzeittehrapie. Im Vordergrund steht dabei, der Patientin oder dem Patienten Verständnis für ihre/seine Symptome entgegen zu bringen. Weiters werden die interpersonellen Prozesse der Symptomentstehung und –aufrechterhaltung geklärt. Gleichzeitig wird der Körper aktiv miteinbezogen, etwa durch Entspannungselemente. Dabei werden die Wahrnehmung von Körpersymptomen sowie das Erkennen des Zusammenhangs mit Affekten und RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 15 SOMATOFORME STÖRUNGEN Beziehungsepisoden geschult. Zudem werden Strategien für den Umgang mit den Beschwerden entwickelt. Die PISO-Therapie eignet sich für das ambulante und stationäre Setting und kann sowohl in der Einzel- als auch in der Gruppentherapie angewandt werden. Studienergebnisse Dass eine speziell entwickelte Psychotherapie selbst gegen schwere somatoforme Störungen hilft, zeigt die an sechs deutschen Kliniken durchgeführte PISO-Studie. Daran teilgenommen haben 208 Personen, die seit durchschnittlich zehn Jahren an zehn Symptomen wie Schmerzen, Schwindel, Müdigkeit oder Reizdarm litten. Eine Hälfte der Patienten wurde gemäß den aktuellen Leitlinien für somatoforme Probleme ausführlich informiert und beraten. Die übrigen unterzogen sich der so genannten Psychodynamisch-Interpersonellen Therapie: In zwölf wöchentlichen Sitzungen klärten Psychotherapie-Teams die Patientinnen und Patienten über die Hintergründe psychosomatischer Erkrankungen auf, schulten sie im Umgang mit ihren Beschwerden oder zeigten ihnen Entspannungstechniken. Anfangs wirkten beide Methoden. Während diese Entwicklung in der konventionell behandelten Gruppe bald stagnierte, besserten sich die Symptome und die Lebensqualität der übrigen Patientinnen und Patienten. Dieser Zustand hielt auch noch neun Monate nach der Therapie an. In der Standardbehandlung blieb der Anteil der Teilnehmer mit einer schweren Depression konstant. In der PISOGruppe sank er von 44 auf 26 Prozent. Während der Nachbeobachtung ging auch die Zahl der Arztbesuche zurück. Quelle: http://idw-online.de/de/news411718 KONZENTRATIVE BEWEGUNGSTHERAPIE (KBT) Die Konzentrative Bewegungstherapie – kurz KBT - ist in Österreich vor ca.12 Jahren vom Gesundheitsministerium als ein eigenständiges psychotherapeutisches Verfahren anerkannt und den tiefenpsychologischen Methoden zugeordnet worden. Ihre Wurzeln hat die KBT in der Körperarbeit von Elsa Gindler. In den 50er Jahren bekam die mittlerweile klinisch erprobte Methode durch den Arzt und Psychoanalytiker Helmut Stolze (Initiator der Lindauer Psychotherapietage) ein RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 16 SOMATOFORME STÖRUNGEN tiefenpsychologisches Fundament und ihren Namen. Sie wird beinahe auf allen psychosomatischen Stationen im deutschsprachigen Raum, aber auch in anderen Ländern, angewendet. Theorie der Konzentrativen Bewegungstherapie Die wichtigsten Grundannahmen: Der Körper ist der Ort des psychischen Geschehens. Die Leiblichkeit ist die Grundlage allen Beziehungserlebens und Beziehungsgestaltens. Wir verkörpern unsere Lebensgeschichte. In der KBT wird primärprozesshafte Körperarbeit mit sekundärprozesshaften Symbolisierungsvorgängen bis hin zur Versprachlichung verknüpft. Praktische Anwendung der Konzentrativen Bewegungstherapie Eine KBT-Stunde besteht aus: einem Wahrnehmungsangebot zur eigenen Leiblichkeit einem Erlebnis bzw. Erfahrungsangebot zum aktuellen Thema der Gruppe oder der Einzelperson einer anschließenden verbalen Reflexion über das zuvor Erfahrene Dabei wird der Mensch als Teil von etwas Größerem verstanden, erklärt die Psychotherapeutin und Spezialistin für Konzentrative Bewegungstherapie, Daniela Dorner-Kleisny: „Grundlage ist, dass unsere Bezogenheit auf Mitmenschen und Umwelt in unseren Gefühlen, unserer Körperlichkeit und schließlich in unseren Handlungen zum Ausdruck kommt.“ So spielen im therapeutischen Setting sowohl der Raum als auch unbelebte Objekte (Bälle, Stäbe, Schnüre, Decken, Naturgegenstände wie Steine, Hölzer, Muscheln … Gebrauchsgegenstände, Spielzeug und anderes) mit ihrem Symbolgehalt eine entscheidende Rolle. Die Gegenstände werden zur sensorischen Primärerfahrung, zur Kontakterfahrung, für Symbolisierungsprozesse, szenisches Gestalten oder zum Probehandeln genützt. So können Betroffene die Subjektivität der inneren Realität anschaulich begreifen, neue Lösungen ausprobieren und das eigene Handlungsspektrum erweitern. Wirkungsweise der Konzentrativen Bewegungstherapie Den Worten „Selbst-Bewusstsein“, „Selbst-Akzeptanz“, „Selbst-Wirksamkeit“ liegt das Wort „Selbst“ zugrunde. Neueste Forschungen, insbesondere die moderne Säuglingsforschung belegen die Annahme, dass das Selbst-Empfinden sich RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 17 SOMATOFORME STÖRUNGEN innerhalb der ersten Lebensmonate und Jahre, zum Teil schon in der präverbalen Zeit, konstituiert. Das heißt, unserem „Selbst“ liegt unsere frühe Körpererfahrung zugrunde. In einer körperbasierten Psychotherapie wie der KBT haben Menschen die Möglichkeit korrigierende körperbezogene Erfahrungen zu machen und so ihre Beziehung zum eigenen Körper (zur Basis des körperlichen Selbst) zu verbessern. Das konzentrative Wahrnehmen mittels unserer Sinne gibt dem Leben tatsächlich mehr Sinn. Der Begriff „Somatisierung“ bedeutet, dass der Körper stellvertretend das ausdrückt, was Betroffene somatoformer Störungen nicht bewusst zugänglich ist. Eine körperbasierte und handlungsorientierte Psychotherapie wie die KBT hilft die Botschaften des Körpers zu entschlüsseln und adäquate Lösungen zu entwickeln. In störungsspezifisch modifizierter Form ist die Methode zur Behandlung aller psychischen Leiden geeignet. Quellen: www.kbt.at Interview mit Daniela Dorner-Kleisny DAS ACHTSAMKEITSBASIERTE VERFAHREN „Achtsamkeit ist kein Therapieverfahren im engeren Sinne“, erklärt Prim. Prof. Dr. Dr. Dipl. Psych. Andreas Remmel, „sondern gelenkte Aufmerksamkeit, ein Ansatz zur Klärung eigener Wahrnehmungen, Gedanken, Gefühle und Verhaltensimpulse, und ein Weg zur Dezentrierung von starken Empfindungen, Gedankenschleifen oder Emotionen.“ Wahrnehmen, was gegenwärtig ist Der vertiefte Hintergrund achtsamkeitsbasierter Ansätze sind meditative Zugänge zum eigenen Erleben und zum eigenen Bewusstsein. Über eine formale und informelle, also alltagsbezogene Förderung von Achtsamkeit (mindfulness) werden Menschen befähigt, das wahrzunehmen, was gegenwärtig ist und dies auch als gegeben anzunehmen, ohne es sofort kategorisch als gut oder schlecht zu bewerten. Gleichzeitig wird das Bewusstsein gefördert, dass „ich“ diese Gefühle, Empfindungen, Spannungen, Gedanken oder Impulse zwar gerade habe, aber nicht mit ihnen identisch bin. Daraus ergibt sich auch die Beobachtung, dass sich diese Phänomene, wie auch Schmerzen oder Ängste, sich ständig verändern und nie über längere Zeit immer gleichförmig sind. RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 18 SOMATOFORME STÖRUNGEN Wohlwollen gegenüber der eigenen Person Neben diesen wahrnehmungs- und erkenntnisbezogenen Zugangswegen steht auf der anderen Seite die Entwicklung von Respekt und Wohlwollen, auch der eigenen Person gegenüber. Dies ist für viele Menschen und insbesondere Patientinnen und Patienten mit Somatisierungsstörungen sehr überraschend und irritierend, da sie sich zumeist nur als extreme Selbst-Kritiker oder Antreiber kennen. Die Praxis von Achtsamkeit kann so auch zu einer Erkenntnis der Veränderbarkeit von eigenen Gefühlen, Gedanken, Schmerzwahrnehmungen, Verhaltensmustern führen. Damit wird die Grundlage für gezielte therapeutische Veränderungen bereitet. In den letzten 30 Jahren wurden in Therapien Verfahren und Wege entwickelt, wie diese Achtsamkeit gefördert werden kann. Zwei Angebote sind etwa die so genannten mindfulness-based stress reduction (MBSR) oder die mindfulnessbased cognitive therapy of depression (MBCT). Hier lernen Menschen über mehrere Wochen oder Monate diese Praxis von Achtsamkeit systematisch zu entwickeln und zu kultivieren. Mehr Hirnfunktionalität durch Achtsamkeit Im „Psychosomatischen Zentrum Waldviertel“ wird dieses Verfahren durch speziell ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingesetzt. Derzeit wird dort die Wirkung von Achtsamkeit, Entspannungsverfahren und Musiktherapie auf die Schmerzwahrnehmung, Angst und Depressivität von Patienten in einer kontrollierten und randomisierten Therapiestudie systematisch untersucht. Eine ehemalige Mitarbeiterin der Universität Gießen und des „Psychosomatischen Zentrums Waldviertel“ in Eggenburg, konnte mit einer Arbeitsgruppe an der Harvard University in Boston zeigen, dass Menschen, die systematisch Achtsamkeit praktizieren, eine veränderte Hirnfunktionalität und sogar eine veränderte Zelldichte der grauen Substanz in verschiedenen Hirnregionen ausbilden können. Weitere Untersuchungen anderer Arbeitsgruppen konnten zeigen, dass Menschen in Achtsamkeitsgruppen eine nachhaltig veränderte Schmerzwahrnehmung und – verarbeitung haben. 5 JAHRE PSYCHOSOMATISCHES ZENTRUM WALDVIERTEL RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 19 SOMATOFORME STÖRUNGEN von Prim. Prof. Dr. Dr. Dipl. Psych. Andreas Remmel Wir konnten in den letzten 5 Jahren mit der Klinik Eggenburg ein österreichisches Kompetenzzentrum für Psychosomatik, Gesundheitswissenschaften und Psychotherapie aufbauen und etablieren und haben wichtige Meilensteine in der Versorgung, Forschung und Mitarbeiter-Qualifizierung erreichen können. Schwerpunkte unserer 100-Betten-Klinik sind eine intensive Diagnostik und Differentialdiagnostik von Patientinnen und Patienten mit psychischen und psychosomatischen Erkrankungen und eine intensive bedarfsorientierte Psychotherapie. Wir haben mit insgesamt 11 spezialisierten Behandlungseinheiten (Units) die jeweils maximal 8 bis 10 Patienten betreuen fünf klare Behandlungsschwerpunkte (Cluster) entwickelt: für Patienten mit chronischen Schmerzerkrankungen und Somatisierungsstörungen affektiven und stressbezogenen Erkrankungen (Angst, Depression, burnout, bipolar-affektive Störungen) Persönlichkeitsentwicklungsstörungen (Borderline-Störungen) komplexe Traumafolgestörungen, Essstörungen (Anorexie, Bulimie, Binge eating disorder, Adipositas) Sucht- und Abhängigkeitserkrankungen (Alkoholabhängigkeit, Spielsucht, Medikamentenabhängigkeit, Internet-Sucht). Wir versorgen seit Beginn an PatientInnen aus dem gesamten Indikationsspektrum psychischer und psychosomatischer Erkrankungen. 2008 haben wir mit dem Eggenburg Institute for Complex Systems, Health, and Neuroscience (EICoN) ein ergänzendes Forschungszentrum gegründet, mit dem Ziel, die klinische Forschung zur Psychosomatik und Psychotherapie weiter zu entwickeln. Wir haben inzwischen über 3600 Patienten behandeln und sehr viele MitarbeiterInnen in der fachspezifischen Psychosomatik und Psychotherapie ausbilden können. Wir entwickeln auch innovative Therapieverfahren, wie etwa achtsamkeitsbasierte Verfahren, Meditation, Körpertherapien, Musiktherapie, tiergestützte Therapien, zusätzlich zu eher sprachgebundenen Einzel- und Gruppentherapieverfahren weiter und integrieren diese in ein Gesamtbehandlungsangebot. RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 20 SOMATOFORME STÖRUNGEN Wir sind ein PPP-Modell und damit auch in dieser Hinsicht in der Gesundheitslandschaft in Österreich innovativ. RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 21 ANLAUFSTELLEN ANLAUFSTELLEN Psychosomatisches Zentrum Eggenburg Grafenberger Straße 2 A-3730 Eggenburg Tel.: +43/2984/202 28-204 51 Fax: +43/2984/202 28-204 69 E-Mail: [email protected] Homepage: www.pszw.at Universitätsklinik für Psychiatrie, Graz Univ.-Prof. DDr. Hans-Peter Kapfhammer Auenbruggerplatz 31/1 A-8036 Graz Tel.: +43/316/385/13612 od. 86257 Fax: +43/316/385/13556 E-Mail: [email protected] Homepage: http://www.medunigraz.at/psychiatrie/ Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Wien Währinger Gürtel 18-20 A-1090 Wien Tel.: +43/1/40400/3232 Fax: +43/1/40400/3238 Homepage: http://www.meduniwien.ac.at/typo3/?id=3742 Salzburger Universitätsklinikum/Sonderauftrag für Psychosomatische Medizin Müllner Hauptstraße 48 A-5020 Salzburg Tel.: +43/662/4482-4035 E-Mail: [email protected] Homepage: http://www.salk.at/5934.html Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern, Wien III. Medizinische Abteilung für Innere Medizin und Psychosomatik Vorstand: Prim. Dr. Peter Weiss RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 22 ANLAUFSTELLEN Sekretariat: Gabriele Lebisch Stumpergasse 13 A-1060 Wien Tel.: +43/1/599 88 2105 Homepage: http://www.bhs-wien.at/ Klinik Bad Aussee für Psychosomatik und Psychotherapie Sommersbergseestr. 395 A-8990 Bad Aussee Tel.: +43/3622/52 100 Homepage: http://www.klinik-badaussee.at/ Zentrum für Innere Medizin und Psychosomatik Enns Bahnhofweg 7 A-4470 Enns Tel.: 05 055466-0 E-Mail: [email protected] Homepage: http://www.lkh-steyr.at/index_EN.php Univ.-Klinik für Psychosomatische Medizin, Innsbruck Anichstr. 35 A-6020 Innsbruck Direktor: Univ.-Prof. Dr. Johann Kinzl Tel.: +43/50504/23705 E-Mail: [email protected] Leiter der Klinischen Abteilung Univ.-Prof. Dr. Wilfried Biebl Tel.: +43/512/504 23700 Fax: +43/512/504 23687 E-Mail: [email protected] Institut für Psychosomatik und Verhaltenstherapie Alberstraße 15 A-8010 Graz Tel.: +43/316/84 43 45 Fax: +43/316/84 43 45 20 E-Mail: [email protected] Homepage: http://www.psychosomatik.at/index.php?page=somatisierungsstoerungen RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 23 ANLAUFSTELLEN Arbeitskreis Verhaltenstherapie Vierthalerstraße 8/2/8 A-5020 Salzburg Tel.: +43/662/88 41 66 Fax: +43/662/88 65 66 E-Mail: [email protected] Homepage: http://www.institut-avm.at/ratgeber_avm/Autoren.htm RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 24 LINKS LINKS 25. bis 27. Mai 2011 – Jubiläumskongress des Psychosomatischen Zentrums Waldviertel http://www.pszw.at/PSZW_Kongressinformationen_2011.pdf Somatoforme Störungen und Somatisierungssyndrome http://www.medunigraz.at/psychiatrie/VO_Klin%20Psychiatrie%20f%20Psychologen/Vorlesung%20klini sche%20Psychologie%20Somatoforme%20Stoerungen.pdf Somatisierungsstörung http://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychiatrie/somatisierung.html http://www.soma-tisierungsstoerungen.de/ Der psychiatrische Schmerzpatient http://www.schmerznetz.at/view.php?name=PsychSchmerzpatient Doctor-Shopping – Lange Leidenswege mit häufigem Arztwechsel http://www.forumgesundheit.at/portal27/portal/forumgesundheitportal/channel_con tent/cmsWindow?p_pubid=142131&action=2&p_menuid=63347&p_tabid=4 Psychodynamische Kurzzeitbehandlung lindert Symptome http://derstandard.at/1297819527651/Somatoforme-Stoerungen-PsychodynamischeKurzzeitbehandlung-lindert-Symptome Dr. Hans Morschitzky, Klinischer und Gesundheitspsychologe, über Somatoforme Störungen http://www.panikattacken.at/buch_somatoforme_stoerungen/bu_soma.htm Netzwerk Verhaltenstherapie http://www.netzwerkverhaltenstherapie.de/organisation/archiv/Sigrid_Wollersheim_im_Netzwerk_Verhalt enstherapie.htm RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 25 LINKS Informationen und Anlaufstellen http://www.netzwerkpsychosomatik.at/content/das_netzwerk/fachgesellschaften.php Doctor-Shopping – Lange Leidenswege mit häufigem Arztwechsel http://www.forumgesundheit.at/portal27/portal/forumgesundheitportal/channel_con tent/cmsWindow?p_pubid=142131&action=2&p_menuid=63347&p_tabid=4 Psychische Störungen in Österreich und der EU http://www.gpgtirol.at/fileadmin/media/Veroeffentlichungen/PsychischeStoerungenEU.pdf RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 26 BUCHTIPPS BUCHTIPPS Claas Lahmann Psychosomatische Informationsvermittlung und Funktionelle Entspannung bei Funktionellen Herzbeschwerden Deutscher Wissenschafts-Verlag 2003 ISBN-13: 978-3935176262 Prof. Andreas Remmel, Britta Richarz Praxisbuch Achtsamkeit. Entwicklung einer Lebenshaltung mit Akzeptanz und Mitgefühl Südwest Verlag 2010 ISBN 9783517084671 Hörbuch: Andreas Remmel, Britta Richarz Praxisbuch Achtsamkeit Art.Nr.: 02-01596 ISBN/EAN: 978-3-517-08467-1 Daniela Dorner-Kleisny Frühe Schädigungen, späte Störungen Facultas Universitätsverlag 1993 ISBN: 9783850764261 Wilhelm Girstenbrey Wenn der Arzt nichts findet. Kranksein ohne Befund Verlag humboldt/Schlütersche 2008 ISBN-13: 978-3899941593 Hans Morschitzky, Sigrid Sator Wenn die Seele durch den Körper spricht: Psychosomatische Störungen verstehen und heilen Verlag Patmos 2010 ISBN-13: 978-3530506365 RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 27 BUCHTIPPS Hans Morschitzky Somatoforme Störungen: Diagnostik, Konzepte und Therapie bei Körpersymptomen ohne Organbefund Verlag: Springer, Wien ISBN-13: 978-3211486375 Manfred Stelzig Was die Seele glücklich macht Ecowin Verlag 2009 ISBN-13: 9783902404589 Arbeitskreis PISO (Hrsg.) Somatoforme Störungen: Psychodynamisch-Interpersonelle Therapie (PISO) Hogrefe-Verlag (erscheint demnächst) ISBN-13: 978-3801722951 Weltgesundheitsorganisation WHO Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10, Kapitel V (F). Klinischdiagnostische Leitlinien Verlag Huber 2009 ISBN-13: 978-3456848471 Hans Lieb, Andreas von Pein Der kranke Gesunde: Psychosomatische Beschwerden verstehen. Was mir die Signale meines Körpers sagen. Wie ich mich wieder gesünder fühle Verlag Trias 2009 ISBN-13: 978-3830434375 Elisabeth Rauh, Winfried Rief Ratgeber Somatoforme Beschwerden und Krankheitsängste: Informationen für Betroffene und Angehörige Hogrefe-Verlag 2006 ISBN-13: 978-3801717810 RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 28 SENDUNGSGÄSTE SENDUNGSGÄSTE In der Sendung Radiodoktor - Medizin und Gesundheit vom 23. Mai 2011 waren zu Gast: Prim. Prof. Dr. Dr. Dipl. Psych. Andreas Remmel Ärztlicher Direktor, wissenschaftlicher und therapeutischer Leiter des Psychosomatischen Zentrums Eggenburg Grafenberger Straße 2 A-3730 Eggenburg Tel.: +43/2984/202 28-204 51 Fax: +43/2984/202 28-204 69 E-Mail: [email protected] Homepage: www.pszw.at Daniela Dorner-Kleisny Psychotherapeutin (Konzentrative Bewegungstherapie) Barnabitengasse 9A/15 A-1060 Wien Eggenstraße 14/5 A-3730 Eggenburg Tel.: +43/676/50 13 655 oder +43/2984/20228/10691 E-Mail: [email protected] Homepage: http://therapeutinnen.at/ Privatdozent Dr. med. Claas Lahmann Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München Ismaninger Str. 22 D-81675 München Tel.: +49/89/4140/4613 Fax: +49/89/4140/4985 E-Mail: [email protected], [email protected] oder [email protected] RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 29