Affektive Störungen - Heilpraktiker – Wissen

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Fachausbildung Heilpraktiker für Psychotherapie Affektive Störungen – ICD-­‐10 F3 Depressive Episode ICD-­‐10: F32 Definition: die depressive Episode ist gekennzeichnet durch eine depressive Verstimmung, Hemmung von Antrieb und Denken sowie Schlafstörungen. Leitsymptome: Störung der Affektivität: • depressive Verstimmung (Schwermut bis zum „Gefühl der Gefühllosigkeit“), • Freud-­‐ und Hoffnungslosigkeit. Antriebsstörungen: • Hemmung des Antriebs, • Initiativ-­‐ und Entscheidungslosigkeit bis hin zum depressiven Stupor oder innerer Unruhe (Agitiertheit). Formale Denkstörungen: • Konzentrations-­‐ und Aufmerksamkeitsstörungen, • eingeengtes Denken, • Grübelneigung, • Wortkargheit, • verlangsamtes Denken bis hin zur Denkhemmung. Inhaltliche Denkstörung: • Wahnideen. Zusätzlich Symptome (somatische Symptome): Gedrückte Vitalgefühle: • mangelnde Leistungsfähigkeit, • Energielosigkeit, • Schmerzzustände, • Schweregefühl in Brust/Bauchraum oder in den Beinen. Vegetative Symptome: • Schlafstörungen mit Früherwachen, • Appetitverlust à Gewichtsabnahme, • Libido -­‐Verlust, • Magen-­‐Darm-­‐Probleme, • Ausbleiben der Menstruation. Tipp: Merksatz zum leichteren Einprägen der sechs Leitsymptome: „ Denk an viermal S-­‐S-­‐S-­‐
S!“ − Denkstörung − Antriebsstörung − Schlafstörung − Stimmungsstörung − Suizidgefahr − Somatische Begleitsymptome © Tanja Witzgall, Seminarleiterin Heilpraktikerin für Psychotherapie – Poststraße 5 – 96328 Küps/Schmölz 1 Fachausbildung Heilpraktiker für Psychotherapie Affektive Störungen – ICD-­‐10 F3 Wahninhalte depressiver Menschen Hypochondrische Wahn krankhafte Überzeugung an einer unheilbaren Krankheit zu leiden. Verarmungswahn unbegründete Überzeugung keine ausreichende finanzielle Absicherung zu haben oder z.B. durch Erkrankung die Familie in den Ruin zu treiben. Versündigungswahn krankhafte Überzeugung durch Fehler in der Vergangenheit Unheil über sich selbst, seine Familie oder über die ganze Menschheit gebracht zu haben. Nihilistische Wahn Der Patient hat das Gefühl nicht mehr zu sein, keine Familie, keine Organe oder nichts mehr zu haben. Diagnostik: Die depressive Symptomatik sollte mindestens 2 Wochen anhalten und es müssen mindestens zwei Hauptsymptome und zwei Nebensymptome bestehen. Schweregrad der depressiven Episode nach ICD-­‐10: − Leichte depressive Episode mit oder ohne somatisches Syndrom. − Mittelgradige depressive Episode mit oder ohne somatisches Syndrom. − Schwere depressive Episode ohne/mit psychotische Symptome. Psychotische Symptome können zusätzlich bei schweren depressiven Episoden auftreten. Es handelt sich dabei vor allem um Wahnideen, aber auch akustische Halluzinationen, diese treten meist in Form von Stimmen auf , die dem Patienten Versagen und Wertlosigkeit vorwerfen oder imperativen Charakter haben und zum Suizid auffordern. Von der Schizophrenie unterscheiden sich diese Wahnideen dadurch, dass sie nicht bizarr oder kulturell unangemessen sind; sondern stimmungskongruent sind, d.h. sie passen zur depressiven Stimmung. Differenzialdiagnosen: − Organische Ursachen (somatogene Depression) sind vor der Diagnosestellung auszuschließen. − Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion − Schizoaffektive Störung − Postschizophrene Depression Klinische Sonderformen der Depression: Larvierte oder somatisierte Depression: Betroffene stellen sich oft wegen körperlichen Beschwerden dem Hausarzt vor. Die Depression ist dabei wie in einer „Larve“ versteckt. Die körperlichen Beschwerden sind also Ausdruck einer nicht gelebten depressiven Verstimmung. © Tanja Witzgall, Seminarleiterin Heilpraktikerin für Psychotherapie – Poststraße 5 – 96328 Küps/Schmölz 2 Fachausbildung Heilpraktiker für Psychotherapie Affektive Störungen – ICD-­‐10 F3 Typischen Symptome sind Vitalstörungen und vegetative Beschwerden, z.B. Kopfschmerzen, Gelenk-­‐, Nerven-­‐ und Muskelschmerzen, Appetitmangel, Unterleibsschmerzen oder Störung der Sexualfunktion. Hinzu kommen Brennen, Taubheitsgefühle, Schluckbeschwerden, für die keine organische Ursache gefunden werden kann. Depressive Episode
Larvierte Depression
Die körperlichen Beschwerden sind Begleitsymptome der depressiven Erkrankung. Typische Symptome der Depression sind klar erkennbar.
Die körperlichen Symptome stehen im Vordergrund der Beschwerden. Typische Symptome der Depression sind nicht oder kaum erkennbar.
Typische Aussage: „Ich fühle mich so niedergeschlagen, dazu habe ich Herz-­‐ und Rückenschmerzen“.
Typische Aussage: „Ich habe Herz-­‐ und Rückenschmerzen, aber kein Arzt kann mir helfen. Depressiv bin ich eigentlich nicht“.
Bei Verdacht auf eine larvierte Depression sollte durch eine ausführliche Exploration gezielt depressive Symptome erfragt werden und durch einen fachärztlichen Therapeuten abgeklärt werden. Spät-­‐ und Altersdepression (Involutionsdepression) Der Begriff Involutionsdepression ist eine ältere Bezeichnung für eine schwere depressive Episode des höheren Lebensalters, auch Altersdepression genannt. Unterschieden werden: Spätdepression: Erstmaliges Auftreten einer depressiven Episode nach dem 45. Lebensjahr. Altersdepression: Erstmaliges Auftreten einer depressiven Episode nach dem 65. Lebensjahr. 3 © Tanja Witzgall, Seminarleiterin Heilpraktikerin für Psychotherapie – Poststraße 5 – 96328 Küps/Schmölz Fachausbildung Heilpraktiker für Psychotherapie Affektive Störungen – ICD-­‐10 F3 Abgrenzung der depressiven Pseudodemenz von der Demenz Depressive Pseudodemenz
Demenz
Kognitive Leistungseinbußen; Denk-­‐ und Konzentrationsstörungen (Verlangsamung des Denkens, Denkhemmung), im Tagesverlauf häufig Schwankungen, dem Patienten sind seine Defizite bewusst, Klagen über kognitive Einbußen. Typische Antwort bei Exploration: „ich weiß nicht“.
Kognitive Leistungseinbußen; Gedächtnisstörungen (Auffassungs-­‐, Wortfindungsstörungen), im Tagesverlauf relativ konstant, dem Patienten sind Einbußen nicht bewusst, Überspielen der kognitiven Defekte. Beinahe richtige Antworten in der Exploration sind typisch. Stimmung meist depressiv mit ggf. besonderer Ausprägung am Morgen (Morgentief).
Stimmung und Verhalten wechselnd, Verschlechterung oft nachts.
Gefühl der Gefühllosigkeit
Apathie und Interessenlosigkeit
Schlafstörungen (Früherwachen)
Schlafstörungen (Durchschlafstörungen)
Vitalstörungen
Altersbedingte körperliche Erkrankungen
Selbstanklage, Schuldgefühle, Grübelzwang.
Organische Wesensänderung (Affektlabilität, Veränderung des Sozialverhaltens).
Typischer depressiver Wahn
Keine oder unsystematische Wahnideen
Rascher Beginn
Abrupte Verschlechterung
Voll orientiert
Schleichender Beginn
Langsame Verschlechterung
Orientierungsstörungen
Wochenbettdepression: Es ist schwierig Wochenbettdepressionen auf den ersten Blick von vorübergehenden Störungen im Wochenbett wie die „Heultage“ abzugrenzen. Diese treten meist zwischen dem 3. und 5. Tag nach der Entbindung auf und klingen schnell wieder ab. Eine postnatale Depression kann sich innerhalb von Stunden nach der Entbindung entwickeln. Als Ursache werden eine hormonelle Veränderung und die situative Belastung nach der Geburt diskutiert. Dauer: Beginn spätestens 2 Wochen nach Entbindung und bildet sich häufig innerhalb einer Woche zurück und hat in der Regel eine gute Prognose, wenn die Suizidalität beachtet und in schweren Fällen Antidepressiva eingenommen werden. © Tanja Witzgall, Seminarleiterin Heilpraktikerin für Psychotherapie – Poststraße 5 – 96328 Küps/Schmölz 4 Fachausbildung Heilpraktiker für Psychotherapie Affektive Störungen – ICD-­‐10 F3 Agitierte Depression: Leitsymptom der agitierten Depression („Jammerdepression“) ist die psychomotorische Unruhe in Verbindung mit typisch depressiven Symptomen. Rededrang, motorische Unruhe und das ständige Kreisen der Gedanken dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich aufgrund der übrigen Symptomatik (Schlaflosigkeit, Antriebslosigkeit, Schuldgefühle, Konzentrationsstörungen) um eine depressive Störung handelt. Saisonale Depression: Ist eine Form, die regelmäßig im Spätherbst und Winter auftritt und oft gekennzeichnet ist durch Heißhunger, Gewichtszunahme und vermehrtem Schlafbedürfnis. Neben einem depressiven Affekt ist sie auch durch Gereiztheit und Ängstlichkeit gekennzeichnet. Sie spricht besonders gut auf Lichttherapie an. Anankastische Depression: Hier stehen Zwangssymptome im Vordergrund und der Betroffenen zeichnet sich durch übermäßige Gewissenhaftigkeit und Ordnungsliebe aus. Erschöpfungsdepression: Tritt eine Depression nach langjähriger Dauerbelastung oder nach wiederholten Traumatisierungen auf, kann man von Erschöpfungsdepression sprechen. Wichtig: somatische Beschwerden vor einer Psychotherapie ärztlich abklären lassen und eine klare Einschätzung der Suizidalität vornehmen! Rezidivierende depressive Störung F33 = depressive Episoden treten wiederholt auf, ohne dass sich in der Anamnese unabhängige Episoden mit gehobener Stimmung und vermehrtem Antrieb (Manie) finden. Einteilung nach ICD-­‐10 nach dem Schweregrad in - gegenwärtig leichte depressive Episode (mit/ohne somatisches Syndrom), - gegenwärtig schwere (mit/ohne psychotisches Syndrom). Beginn: akut oder schleichend. Die erste Episode kann in jedem Alter auftreten und die Dauer reicht von wenigen Wochen bis zu vielen Monaten. Synonyme: rezidivierende Episoden, Episoden von depressiver Reaktion, psychogene Depression, reaktive Depression, saisonale Depression. Anhaltende affektive Störungen F34 Es werden zwei Formen unterschieden: Dysthymia und Zyklothymia. Die Verstimmungen dauern meist jahrelang an, beginnen früh im Erwachsenenalter und beeinträchtigen dieses in erheblichem Maße. © Tanja Witzgall, Seminarleiterin Heilpraktikerin für Psychotherapie – Poststraße 5 – 96328 Küps/Schmölz 5 Fachausbildung Heilpraktiker für Psychotherapie Affektive Störungen – ICD-­‐10 F3 Vor Diagnosestellung sollte geklärt werden, ob die Symptomatik nicht Folge eines Substanzmissbrauchs (Drogen, Alkohol) oder Medikamenteneinahme ist. Ebenso ist eine organische Ursache auszuschließen. Dysthymia F34.1 (veraltete Neurotische Depression) = leichte chronische Form depressiver Verstimmung. Sie ähnelt der Symptomatik der leichten depressiven Episoden, erfüllt jedoch nicht die Kriterien einer leichten depressiven Episode. Symptomatik: Die Betroffenen fühlen sich müde, erschöpft, depressiv und unzulänglich. Die Anforderungen des täglichen Lebens können noch einigermaßen bewältigt werden, beklagen aber die Anstrengung und schlafen schlecht. Beginn der Störung meist im frühen Erwachsenenalter. Zur Diagnosestellung muss die Symptomatik in einem Zeitraum von mindestens 2 Jahren kontinuierlich anhalten oder häufig wiederkehren. Es sollten nicht mehr als 2 Monate ohne Symptome auftreten. Abzugrenzen ist die Dysthymia gegen eine leichte rezidivierende Störung. Die rezidivierende Störung zeigt in der Regel gesunde Intervalle. Zyklothymia F34.0 = die dauernde chronisch verlaufende Instabilität der Stimmungslage. Wechsel von Phasen leichter Depression und leicht gehobener Stimmung (Hypomanie). Zur Diagnosestellung müssen die Symptome mindestens 2 Jahre vorhanden sein. Während dieser Zeit sollten die Symptome nicht länger als 2 Monate ausbleiben. Synonyme: affektive, zykloide oder zyklothyme Persönlichkeitsstörung. Trotz des Wechsels zwischen leichter depressiver und manischer Stimmungslage ist die Zyklothymia nicht zu verwechseln mit der Zyklothymie (alter Begriff für bipolar affektive Störung)! Manische Episode F30 Definition: die manische Episode ist gekennzeichnet durch ein Trias aus krankhaft gehobener Stimmung, gesteigertem Antrieb und beschleunigtem Denken. Symptomatik: Störung der Affektivität: inadäquat gehobene, leicht irritierbare Stimmung. Antriebsstörung: Antriebssteigerung mit ständigem Bewegungsdrang, geringes bis aufgehobenes Ruhe-­‐ und Schlafbedürfnis. Formale Denkstörung: Ideenflucht. Inhaltliche Denkstörung: Selbstüberschätzung und Größenideen. © Tanja Witzgall, Seminarleiterin Heilpraktikerin für Psychotherapie – Poststraße 5 – 96328 Küps/Schmölz 6 Fachausbildung Heilpraktiker für Psychotherapie Affektive Störungen – ICD-­‐10 F3 Symptomatik manischer Episoden nach ICD-­‐10 Haupt-­‐
Symptom
− Vorherrschend situationsinadäquate, anhaltende gehobene oder gereizte Stimmung.
Neben
Symptome
− Gesteigerte Aktivität oder motorische Ruhelosigkeit
− Vermindertes Schlafbedürfnis
− Selbstüberschätzung oder Größenideen
− Gesteigerter Rededrang
− Ideenflucht
− Eingeschränkte Aufmerksamkeit und Konzentration, vermehrte Ablenkbarkeit
− Verlust normaler sozialer Hemmungen (Distanzlosigkeit, Alkoholmissbrauch, Feindseligkeit)
− Leichtsinniges oder tollkühnes Verhalten
− Gesteigerte sexuelle Energie
− Wahnideen
Der Verlust der kritischen Selbstreflexion + Aktivitätssteigerung + Größenideen führt zur Selbst-­‐ und Fremdgefährdung. Manische Patienten gehören zur Abklärung und Therapie umgehend in fachärztliche psychiatrische Behandlung. Fehlende Krankheitseinsicht. In der Manie besteht in der Regel eine Schuldunfähigkeit und fehlende Testierfähigkeit. Nach Abklingen der manischen Symptomatik entwickeln die Betroffenen häufig Schuld-­‐ und Schamgefühle für das Geschehene, à Suizidgefahr!! Diagnostik: Die abnorm gehobene Stimmung muss mindestens 1 Woche anhalten und zum Hauptsymptom sollten mindestens 3 der aufgezählten Nebensymptome kommen. Synonyme: Manie, manische Psychose, endogene Manie. © Tanja Witzgall, Seminarleiterin Heilpraktikerin für Psychotherapie – Poststraße 5 – 96328 Küps/Schmölz 7 Fachausbildung Heilpraktiker für Psychotherapie Affektive Störungen – ICD-­‐10 F3 Schweregrade der manischen Episode nach :ICD-­‐10 − Hypomanie: leichte Ausprägung der Manie mit anhaltend auffallender gehobener Stimmung, gesteigertem Antrieb, Aktivität, übermäßiges Gefühl der Leistungsfähigkeit und des Wohlbefindens. − Manische Episode ohne psychotische Symptome: inadäquat gehobene Stimmung, Schwankungen zwischen sorgloser Heiterkeit und unkontrollierbarer Erregung; berufliche und soziale Funktionsfähigkeit ist unterbrochen, Fehlen psychotischer Symptome. − Manische Episode mit psychotischen Symptomen: Reizbarkeit, Misstrauen, Selbstüberschätzung und Größenideen münden vor allem in Wahnideen und manchmal in akustischen Halluzinationen. Die Wahnideen eines Manikers sind synthym, d.h. sie stimmen mit der Gemütslage überein. Differentialdiagnosen: − Somatische Erkrankungen (zerebrale Tumore, Infektionskrankheiten, neurologische Erkrankungen, endokrinologische Störungen). − Medikamenteneinnahme: (z.B. Steroide), Alkoholmissbrauch. − Schizoaffektive Störung − Schizophrenie Bipolar affektive Störung Definition: Die bipolar affektive Störung ist gekennzeichnet durch wiederholte manische und depressive Episoden. Wechsel von manischen Episoden und depressiven Episoden, zwischen denen Intervalle ausgeglichener Stimmung liegen. Diagnostik: Zur Diagnosestellung müssen mindestens 2 Episoden aufgetreten sein. Zwischen den einzelnen Phasen finden sich gesunde Intervalle mit meist vollständiger Remission. Die manischen Episoden beginnen i. d. R. abrupt und dauern zwischen 2 Wochen bis zu 5 Monaten . Die depressiven Episoden haben meist eine längere Dauer von 6 Monaten, selten 1 Jahr. Vorsicht: der veraltete Begriff Zyklothymie wird noch häufig in den Prüfungsfragen gebraucht. Der ICD-­‐10 verwendet den Begriff: bipolar affektive Störung. Nach dem triadischen System zählt sie zu den endogenen Erkrankungen. © Tanja Witzgall, Seminarleiterin Heilpraktikerin für Psychotherapie – Poststraße 5 – 96328 Küps/Schmölz 8 Fachausbildung Heilpraktiker für Psychotherapie Affektive Störungen – ICD-­‐10 F3 Als rapid-­‐cycling wird das Auftreten von mindestens vier affektiven Episoden innerhalb eines Jahres bezeichnet. Synonyme für bipolar affektive Störung: manisch-­‐depressive Erkrankung, manisch-­‐depressive Psychose oder Zyklothymie. Schweregrad nach ICD-­‐10 − Gegenwärtig hypomanische Episode − Gegenwärtig manische Episode mit/ohne psychotischen Symptomen − Gegenwärtig leichte depressive Episode mit/ohne somatisches Syndrom, − Gegenwärtig schwere depressive Episode ohne /mit psychotischen Symptomen (zusätzlich Wahnideen) − Gegenwärtig gemischte Episode − Gegenwärtig remittiert. − Differentialdiagnosen: Organische Ursachen sind vor Diagnosestellung immer auszuschließen. − Schizoaffektive Störung − Schizophrenie Verlauf von affektiven Störungen: − Unipolar = nur manische oder nur depressive Episoden. − Bipolar = Wechsel zwischen depressiven Verläufen (65%) und manischen Verläufen (30%). Selten: nur manische Verläufe (5%). − Affektive Störungen treten entweder monophasisch (einmalig) oder polyphasisch (mehrmalig) auf. Epidemiologie: Depressionen sind die häufigsten psychischen Erkrankungen weltweit. Ca. 4 Mio. Menschen in Deutschland leiden an einer behandlungsbedürftigen Depression. Lebenszeitprävalenz: 15 -­‐18%. Bipolare Störungen: Lebenszeitprävalenz 1-­‐2%. Durchschnittliches Erkrankungsalter liegt zwischen 20 und 30 Jahren, depressive Erkrankungen haben einen zweiten Gipfel um das 50. – 60. Lebensjahr. Altersdepression ist die häufigste psychische Erkrankung bei über 65.-­‐Jährigen. Frauen erleiden etwas doppelt so häufig eine depressive Episode wie Männer. Unipolare Manien und bipolare affektive Störungen treten bei Männern und Frauen gleich häufig auf. Ätiologie der affektiven Störungen multifaktoriell Genese © Tanja Witzgall, Seminarleiterin Heilpraktikerin für Psychotherapie – Poststraße 5 – 96328 Küps/Schmölz 9 Fachausbildung Heilpraktiker für Psychotherapie Affektive Störungen – ICD-­‐10 F3 Genetische Faktoren: Befunde aus der Familien und Zwillingsforschung belegen eine genetische Disposition, die mit zunehmenden Verwandtschaftsgrad steigt. Veränderung im Neurotransmittersystem: Ungleichgewicht zwischen Serotonin und Noradrenalin. Die Wirksamkeit antidepressiver Medikation erhärtet diesen Zusammenhang. Neuroendokrinologische Faktoren: bei schweren Depressionen tritt eine Hyperkortisolismus auf, bedingt durch eine Störung der Hypothalamus-­‐Hypophysen-­‐
Nebennierenrinden-­‐Achse. Hirnmorphologische Veränderungen: Veränderung der grauen Substanz in bestimmten Hirnarealen, bestätigt durch Obduktionen und bildgebenden Verfahren. Chronobiologische Faktoren: Saisonale Häufung ist bekannt, bei Depressionen überwiegend Frühjahr und Herbst. Bei schweren depressiven Phasen sind Tagesschwankungen mit Früherwachen und dem klassischen Morgentief zu beobachten. Psychoreaktive Faktoren: Stressauslösende Lebensereignisse und –umstände können den Ausbruch einer affektiven Erkrankung begünstigen. Typische psychoreaktive Faktoren sind: • Traumatisierung • familiäre und soziale Probleme • Änderung der gewohnten Lebensumstände. Die Mehrheit depressiver Menschen berichten von einem einschneidenden „life-­‐event“, meist psychosozialer Stressoren, vor dem Auftreten der Symptomatik, die aber nur beim Vorliegen einer biologischen Disposition zur Manifestation führen à Vulnerabilitäts-­‐Stress-­‐Modell. Kognitive und lerntheoretische Aspekte: − Kognitive Triade nach Beck besagt, dass die Umwelt, die Zukunft und die eigene Person vornehmlich negativ wahrgenommen werden. Diese verzerrte negative Sichtweise unterhält die depressive Stimmungslage . Sie führt zu Enttäuschungen, fehlendem Selbstwertgefühl und sozialem Rückzug. Die erlernten , realitätsfernen und festgefügten Denkmuster neigen zur Generalisierung und sind mit einer negativen Selbstattribution verbunden. − Modell der erlernter Hilflosigkeit nach Seligmann besagt, dass depressive Menschen wiederholt negative Erfahrungen gemacht haben, die sie durch ihr eigenes Handeln nicht kontrollieren oder beeinflussen können. Es entsteht die Überzeugung des Ausgeliefertseins und die Situationen nicht allein bewältigten zu können. Folge: Resignation, depressive Denkinhalte und das Gefühl persönlich versagt zu haben. Psychodynamische Aspekte: Fehlentwicklung des Selbstwertgefühls. Störung in der oralen Phase. © Tanja Witzgall, Seminarleiterin Heilpraktikerin für Psychotherapie – Poststraße 5 – 96328 Küps/Schmölz 10 Fachausbildung Heilpraktiker für Psychotherapie Affektive Störungen – ICD-­‐10 F3 Persönlichkeitsfaktoren: Menschen, die an einer affektiven Störung erkranken haben eine klar abgrenzbare Persönlichkeitsstruktur und – eigenschaften. Damit sind die von Tellenbach als „Typus melancholicus“ bezeichneten Charaktereigenschaften gemeint: ausgeprägte Ordentlichkeit, Perfektionismus, hoher moralischer Anspruch und Leistungsbereitschaft bei gleichzeitig großem Aufopferungswillen. Therapie affektiver Störungen Grundsätzlich vollzieht sich die Therapie affektiver Störungen in 3 Schritten: − Akuttherapie − Erhaltungstherapie (6-­‐12 Monate nach Ausbruch der Erkrankung) − Rezidivprophylaxe (ab ca. 1 Jahr nach Ausbruch der Erkrankung). Eine kombinierte medikamentöse Therapie und Psychotherapie ist einer alleinigen Pharmako-­‐ oder Psychotherapie überlegen. Bestimmend für die Therapie der depressiven Episode ist die Suizidalität. Es ist unabdingbar, den Patienten nach Suizidgedanken zu fragen. Der depressive Patient erlebt Entlastung , weil er die quälenden Gedanken ansprechen kann und er fühlt sich angenommen. (Fragen zur Abschätzung der Suizidalität, siehe Skript Suizid). Medikamentöse Therapie: Antidepressive wirken antriebssteigernd, stimmungsaufhellend, sedierend. Substanzgruppe
Wirkstoff/Präparatnamen
Trizyklische Antidepressive
Amitriptylin/Saroten
Imipramin/Tofranil
Dexepin/Aponal
Selektive-­‐Serotonin-­‐
Wiederaufnahme-­‐Hemmer (SSRI)
Paroxetin/Seroxat
Citalopram/Cipramil
Fluoxetin/Fluctin
Duale Serotonin-­‐Noradrenalin-­‐
Wiederaufnahme-­‐Hemmer (SSNRI)
Venflaxin/Trevilor
Pflanzliche Präparate
Johanniskraut/Laif
© Tanja Witzgall, Seminarleiterin Heilpraktikerin für Psychotherapie – Poststraße 5 – 96328 Küps/Schmölz 11 Fachausbildung Heilpraktiker für Psychotherapie Affektive Störungen – ICD-­‐10 F3 Die Wirkung des Antidepressivums tritt in der Regel erst nach 1-­‐2 Wochen ein. Die verzögerte Stimmungsaufhellung birgt die Gefahr der Suizidalität. Wenn depressive Menschen plötzlich antriebsgesteigert sind und unverändert depressiv, ist die Gefahr der Suizidalität erhöht Psychotherapie: Kognitive Verhaltenstherapie: − Erfassung der verzerrten Wirklichkeitswahrnehmung − Aufbau angenehmer Aktivitäten − Training sozialer Fertigkeiten. Tiefenpsychologische Therapie: − Bearbeitung des depressiven Grundkonflikts − Bearbeitung der Bewältigungsmuster. Schlafentzugstherapie: totale Schlafentzug = die ganze Nacht, partielle Schlafentzug = ab 1 Uhr morgens. Schlafentzug ist nicht geeignet für depressive Menschen, die unter akuter Suizidalität leiden. Der Schlafentzug erhöht vermutlich das Risiko einen Suizid auszuführen. Lichttherapie: zusätzlich als Maßnahme bei saisonaler Depression. Hier verbringt der Patient 1 -­‐2 Wochen täglich, vorzugsweise morgens, 1 Stunde vor einer Speziallampe mit etwa 2500 Lux. Stimmungsverbesserung schon nach wenigen Tagen. Ergotherapie (Arbeits-­‐ und Beschäftigungstherapie), kreative Therapien (Tanz-­‐, Musik-­‐,Kunsttherapie), Soziotherapie (Maßnahmen zur sozialen Integration des Patienten). Hilfreich: Tagesstrukturierungen mit klaren zeitlichen Vorgaben der Aktivitäten. Physiotherapie: fördert durch Bewegungstherapie die Aktivierung und fördert dadurch das Körpererleben positiv. Bei sehr schweren Depressionen mit psychomotorischer Hemmung bzw. einem depressiven Stupor hilft gezielte Bewegung um Langschäden zu verhindern und Verspannungen vorzubeugen. Elektrokrampftherapie: Einsatz bei therapieresistenten Patienten und schwer depressiven Menschen mit psychotischer Symptomatik. Hier wird nur in speziellen Kliniken unter Kurznarkose ein künstlicher Krampfanfall ausgelöst, Obwohl der genaue Wirkmechanismus nicht bekannt ist, führt er bei 75% der Fälle zur deutlichen Symptombesserung bzw. Symptomfreiheit. Therapie manischer Episoden: © Tanja Witzgall, Seminarleiterin Heilpraktikerin für Psychotherapie – Poststraße 5 – 96328 Küps/Schmölz 12 Fachausbildung Heilpraktiker für Psychotherapie Affektive Störungen – ICD-­‐10 F3 Medikamentöse Therapie in der Akutphase: Tranquilizer oder Neuroleptika, stimmungsstabilisierend wird Lithium, Valproinsäure und Carbamazepin eingesetzt. Bei akuten Manien werden wegen der langen Wirklatenz der Stimmungsstabilisierer Beruhigungsmittel, z.B. Diazepam eingesetzt. Psychotherapie: hier steht vor allem die Krankheitsverarbeitung im Vordergrund. Nach der Akutphase, in der die Betroffenen keine Krankheitseinsicht zeigen, bestehen massive Scham-­‐ und Schuldgefühle. Entscheidend ist neben einer guten Informationsvermittlung über die Erkrankung, eine Hilfestellung zur Verarbeitung und Integration des Erlebten in das Selbstbild. Themen können sein: − Partner-­‐ oder Arbeitsplatzprobleme − Finanzielle Probleme − Ängste vor einer erneuten Krankheitsphase. Akuttherapie bipolarer affektiver Störungen: hier gelten die gleichen Richtlinien wie bei der manischen bzw. depressiven Episode. Literaturverzeichnis: Lehrbuch Heilpraktiker für Psychotherapie, Christofer Ofenstein © Tanja Witzgall, Seminarleiterin Heilpraktikerin für Psychotherapie – Poststraße 5 – 96328 Küps/Schmölz 13 
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