Heinrich- Heine- Universität Institut für Sportwissenschaften Hauptseminar: Bausteine der Bewegung Seminarleiter: Dr. Peter Wastl Sommersemester 2005 Arbeitsgruppe 4 Verfasserin: Sabine Gross Thema: Biogenetische Einflüsse auf die motorische Entwicklung 1. Genetische Grundlagen: - Gene- kleinste genetische Wirkungseinheit, Abschnitte auf DNS, auf Chromosomen lokalisiert - Chromosomen- 46 Chromosomen, 22 Autosomenpaare + 1 Geschlechtschromosomenpaar; gleiche Abschnitte auf Chromosomen eines Paares beeinflussen das gleiche Merkmal (aber evtl. unterschiedliche Merkmalsausprägungen) diese unterschiedlichen Formen des Gens am gleichen Genlocus werden Allele genannt - es befinden sich zwei Gene an einem Genlocus (eins auf väterlichem, eins auf mütterlichem Chromosom) - treten beide Gene in Form des gleichen Allels auf, wird das Individuum in diesem Merkmal homozygot genannt (Gegenteil: heterozygot) - äußere Erscheinung zwischen homozygot und heterozygot ist nicht zwingend, darum gibt es die Unterscheidung zwischen Genotyp und Phänotyp - ein Genotyp ist durch die Allelkombination definiert (ist nicht immer identifizierbar) <-> Phänotyp ist durch erfassbare Symptome definiert - ein dominantes Allel äußert sich im Phänotyp <-> rezessives Allel - sind beide Allele anhand des Phänotyps erkennbar, gibt es eine kodominante Vererbung - manchmal zeigt sich ein genetisches Merkmal nur unter bestimmten Umständen (z.B. Umweltstress), dann spricht man von Genpenetranz ð Gene begrenzen das Potenzial, Umweltfaktoren entscheiden über die Ausschöpfung dieses 2. Genetische Varianz: - additive Varianz- mehrere Genloci wirken additiv (merkmalspositive Allele erhöhen die Merkmalsausprägung um einen bestimmten Betrag); eine perfekt lineare Beziehung zwischen Gendosis und phänotypischer Merkmalsausprägung ist oft nicht realistisch - Dominanzabweichung- unterschiedliche Dominanz unter den merkmalspositiven Genen - Epistase- Interaktion der Wirkung von Genen an verschiedenen Genloci - Selektive Partnerwahl- systematische Beziehungen zwischen Phänotypen (Partner stoßen nicht zufällig aufeinenader) 3. Anlage<-> Umwelt: - neben genetischen sind auch Umwelteinflüsse bedeutsam - gezielte Züchtungen, wie sie z.B. bei Tieren möglich sind, sind beim Menschen nicht möglich, bzw. erlaubt, darum werden zumeist die Merkmalsähnlichkeiten von Individuen mit a) genetischer Ähnlichkeit, b) Ähnlichkeit der Umwelt, in der sie aufgewachsen sind, in Beziehung zueinander gestellt - zur Erforschung individueller Unterschiede sind nur Gene, die in verschiedenen Allelen auftreten, interessant, denn nur mit diesen können phänotypische, individuelle Unterschiede gezeigt werden (->Merkmalsvarianz) - genetische Faktoren und Umweltfaktoren korrelieren miteinander-> Kovarianz - - es gibt drei Arten von Kovarianz: a) passiver Typ: Kovariation, bei der die Merkmalsträger nicht beteiligt sind (Bsp.: Eltern geben ihren Kindern vorteilhafte oder nachteilige Gene und günstige oder ungünstige Umweltbedingungen mit) b) reaktiver Typ: die Umwelt reagiert differentiell auf wahrgenommene Talente und Entwicklungspotentiale (Bsp.: ein motorisch begabtes Kind wird zusäzlich gefördert) c) aktiver Typ: Individuum „sucht“ sich die besten Umweltbedingungen, bzw. stellt sie her (Bsp: Wahl der Hobbies, Freunde, Ausbildung, etc.) Interaktion zwischen genetischen Faktoren und Umweltfaktoren ist von der Kovariation zu unterscheiden (verschiedene Genotypen reagieren verschieden auf gleiche Umweltfaktoren) ð gesamte phänotypische Varianz ergibt sich aus Interaktion, Kovariation und einem Messfehler (e) Vp= Vg + Vu + Vgu + 2 COVgu + Ve V- Varianz, p- Phänotyp, g- Gene (Erblichkeit), u- Umwelt, e- Messfehler 4. Erblichkeit und Erblichkeitsschätzung: - die Erblichkeit ist das Verhältinis zweier Varianzen (genetische und phänotypische) ð Erblichkeit ist keine „Naturkonstante“ ð „Finden bedeutsame Veränderungen der Umwelt für die gesamte Population in recht ähnlicher Weise statt, so werden sich trotz verbleibender hoher Erblichkeit die Merkmalsmittelwerte deutlich verschieben“ (Borkenau 1993, 84). Dies ist z.B. bei der Größe zu beobachten. Es gibt einige Studien, die versuchen, die genetischen Faktoren und die Umweltfaktoren zu zeigen. Am besten hierfür sind Zwillingsstudien geeignet, die die Unterschiede bei z.B. getrennt aufgewachsenen eineiigen Zwillinge oder eineiigen mit zweieiigen Zwillingen oder Adoptionskindern aufzeigen. Hier wird z.B. bei getrennt aufgewachsenen eineiigen Zwillingen untersucht, wie die Umwelt sich auf Individuen mit sämtlich gleichen genetischen Faktoren einwirkt (s. Abb. 1). Abb. 1: Body- Mass- Index (BMI) und Intrapaar- Korrelation bei monozygoten und dizygoten Zwillingspaaren, die getrennt oder zusammen aufwuchsen (nach Stunkard et al. 1990, 1485) Zu motorischen Fähigkeiten und Fertigkeiten kann bezüglich der Erblichkeit keine eindeutige Aussage getroffen werden. Es gibt hier zum Einen, wie in vielen anderen Bereichen, zu wenige Studien, die eine eindeutige Aussage zulassen und zum Anderen sind die Messverfahren oft zu unterschiedlich, um sie miteinander vergleichen zu können. (s. Abb. 2) Abb. 2: Ergebnisse von Untersuchungen an Zwillingen zur Erblichkeit verschiedener Fähigkeiten im Bereich „Kraft“ (* Daten nach Kovar (1981); ** Daten nach Malina (1986)) 5. Schlussfolgerungen: 1. „Der genetische Einfluß im Bereich der Motorik ist bedeutsam.“ 1 Hierzu wurde bei Studien festgestellt, dass der genetische Einfluss auf ein Individuum nicht nur sgnifikant, sondern sogar substantiell ist. 2. „Der genetische Einfluß im Bereich der Motorik kann zu verschiedenen Zeiten der Entwicklung unterschiedlich sein.“2 In den wenigen Studien, die es hierzu gibt, wurde festgestellt, dass Niveau und Geschwindigkeit der Entwicklung genetisch gesteuert werden. 3. „Im motorischen Bereich ist der Einfluß von Umweltfaktoren während der gesamten Lebensspanne bedeutsam.“3 Studien zeigten hier, dass nicht nur von einer genetischen Einflussnahme gesprochen werden kann. Bei 50% Erblichkeit bleiben 50% für die phänotypische Varianz, die nicht auf die Gene zurückzuführen ist, übrig. 4. „Welchen Einfluß Umweltfaktoren im motorischen Bereich haben, ist noch unzureichend erforscht.“4 Anhand dieser Schlusfolgerungen können wir sehen, dass der Bereich der Umwelteinflüsse noch recht unerforscht ist. Insgesamt sollte mehr auf die genetischen und auf die Umwelteinflüsse eingegangen werden, wenn es um die optimale Förderung von z.B. Kindern im Sport geht. Literatur: „Motorische Entwicklung Ein Handbuch“ von Bös et al. (1994) S. 51-71 1 Singer in „Motorische Entwicklung Ein Handbuch“ von Bös et al. (1994) S. 69 s. 1. 3 Singer in „Motorische Entwicklung Ein Handbuch“ von Bös et al. (1994) S. 70 4 Singer in „Motorische Entwicklung Ein Handbuch“ von Bös et al. (1994) S. 71 2