Reparatur-Funktion: Gen-Trick lässt Gliedmaßen nachwachsen

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SPIEGEL ONLINE - 20. November 2006, 17:10
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REPARATUR-FUNKTION
Gen-Trick lässt Gliedmaßen nachwachsen
Nur wenige Tiere können verlorene Gliedmaßen ersetzen, und Küken gehören nicht dazu. Doch im
Experiment kalifornischer Genforscher bildeten sie noch im Ei verlorene Flügel nach. Ein körpereigener
Signalweg ist dafür verantwortlich. Die Forscher vermuten, dass auch Menschen ihn besitzen.
"Ein wunderschöner, perfekter Flügel" sei dem Kükenembryo gewachsen, berichtet Juan Carlos Izpisúa Belmonte.
Das würde man auch von Küken erwarten, normalerweise jedenfalls. Doch die Küken im Experiment von Belmonte
und seinem Team am Salk Institute im kalifornischen La Jolla waren verkrüppelt: Mit einer scharfen Nadelspitze
hatten die Forscher den Versuchstieren zuvor ein Gliedmaß entfernt. Diese Amputation jedoch konnte die Tiere
kompensieren: Die "wunderschönen, perfekten Flügel", von denen Belmonte schwärmt, sind Ersatzgliedmaßen.
Küken-Experiment: Natürlicher Reparaturmechanismus
Salamander,
Zebrabärblinge oder
Frösche - nur von
wenigen Tieren ist
bekannt, dass sie den
●
Verlust von
Gliedmaßen so leicht
wegstecken können.
Doch das Küken-
●
Experiment ist etwas
besonderes, weil sie
von Natur aus nicht
mit einer
●
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Regenerationsfähigkeit
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für die Neubildung von Flügeln ausgestattet sind - wie die meisten anderen Tiere auch. Die Beobachtung lege also
nahe, "dass diese Regenerationsfähigkeit allen Wirbeltieren angeboren ist - einschließlich Menschen", schreibt das
Salk Institute.
Der Schlüssel scheint in einem "kraftvollen Signalweg" zu liegen. "In diesem einfachen Experiment haben wir dem
Kükenembryo den Flügel entfernt, die Wnt-Signalisierung aktiviert und den gesamten Flügel zurückbekommen",
sagte Belmonte. Das Forscherteam berichtet im Wissenhschaftsmagazin "Genes and Development" von dem
Experiment; der Beitrag wurde vorab online veröffentlicht. Die Wnt-Genfamilie war ursprünglich bei der Erfoschung
flügelloser Fruchtfliegen entdeckt worden. Dass diese Gene eine Schlüsselrolle bei der Zellentwicklung spielen, ist
bekannt.
Der Signalweg steuert Wachstum, Neubildung - und Krebs
Im Jahr 1995 konnten Genetiker ebenfalls am Salk Institute demonstrieren, dass Wnt für das Wachstum
überzähliger Flügel verantwortlich ist. 2001 fanden sie heraus, dass von Wnt gleichsam normales als auch
abnormales Wachstum ausgelöst wird.
Die Wissenschaftler machten sich für ihre jüngstes Experiment die Signalwege des Wnt-Komplexes zunutze:
Sowohl hemmende als auch anregende Faktoren konnten sie gezielt an verletzten Stellen einsetzen. Sie zeigten
deren Funktionen mit einer Reihe von Versuchen:
●
Bei erwachsenen Zebrabärblingen und Salamandern, die von Natur aus über die Fähigkeit zur GliedmaßenNeubildung verfügen, konnten die hemmenden Faktoren diese erstaunliche Regeneration verhindern.
Mutanten, die ihre Regenerationsfähigkeit eingebüßt hatten, erlangten sie im umgekehrten Experiment
unter dem Einfluss stimulierender Faktoren zurück.
●
Frösche haben nur während ihres Wachstum die Fähigkeit, verlorene Gliedmaßen neuzubilden. Mit dem
Hemmer konnten die Forscher sie dessen berauben. Behandelten sie die Tiere danach mit einer WntStimulanz, kam der Reparaturmechanismus zurück.
Daher vermuteten Belmonte und seine Kollegen, dass Signale, die den Wnt-Komplex anregen, auch bei den Küken
einen Effekt zeigen würden. Die Wissenschaftler interpretieren ihre Beobachtung als eine Art Umkehrung der
Erkenntnisse aus der Entwicklung von Stammzellen, die sich zu bestimmten Gewebeformen spezialisieren - und
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damit ihre universellen Fähigkeiten verlieren. Möglicherweise geschehe hier das genaue Gegenteil, sagte Belmonte.
Schließlich produzierten die Zellen am Ort der Verletzung alle nötigen Zutaten. Nur indem man ändere, wie ein
paar Gene in Proteine übersetzt würden, sagte er, "kann man Wirbeltiere dazu bringen, ihre Gliedmaßen
neuzubilden - mit Blutgefäßen, Knochen, Muskeln, Haut und allem, was gebraucht wird."
Zwar bezogen sich die Küken-Experimente auf Embryos, nicht auf geschlüpfte oder gar ausgewachsene Tiere.
Jedoch schreiben die Wissenschaftler am Ende ihres Artikels: "Die Feinregulierung dieser Entwicklungs-Regulatoren
zu verstehen könnte als Grundlage dazu dienen, auch bei erwachsenen Tieren ohne Neubildungs-Fähigkeit diese
Gewebe-Regeneration anzuregen."
An eine Anwendung beim Menschen sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber noch lange nicht zu denken, betonte
der Forscher. Selbst bei Vesuchstieren ist der Vorgang riskant. Werden sie den aktivierenden Faktoren zu lange
ausgesetzt, hat das fatale Folgen. "Tatsache ist, dass dieser Signalweg an der Zellbildung beteiligt ist", sagte
Belmonte, "sei es zur Neubildung von Gliedmaßen, bei der Kontrolle von Stammzellen oder der Krebsbildung."
stx
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Zum Thema im Internet:
Nachwachsende Gliedmaßen:"Genes and Development"-Artikel von Kawakami, Belmonte et al.
http://www.genesdev.org/cgi/content/abstract/gad.1475106v1
Salk Insitute, La Jolla, Kalifornien
http://www.salk.edu
http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,druck-449663,00.html (4 de 4)12/01/2007 17:32:23
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