Steroidhormone steuern Entwicklung und Alterung

Werbung
001_046_BIOsp_0108.qxd:001_046
01.02.2008
10:04 Uhr
Seite 25
25
C. elegans-Steroide
Steroidhormone steuern Entwicklung
und Alterung
BIRGIT GERISCH
MAX-PL ANCK-INSTITUT FÜR MOLEKUL ARE GENETIK, BERLIN
Der 1 mm lange Fadenwurm Caenorhabditis elegans, der in Kompost und
Blumenerde vorkommt, ist aufgrund seiner einfachen Kultivierung, gut
erforschten Genetik und Entwicklung ein idealer Modellorganismus, um
evolutionär konservierte Signalwege zu entschlüsseln und so zum besseren Verständnis molekularer Mechanismen beim Menschen beizutragen.
Caenorhabditis elegans development and aging are regulated by the
nuclear receptor DAF-12 and its bile acid-like steroid ligands.
Umweltbedingungen beeinflussen die
Entwicklung
ó C. elegans ist in der Lage, auf unterschiedliche Umwelteinflüsse zu reagieren,
indem er seine Entwicklung entsprechend
anpasst. Unter günstigen Lebensbedingungen entwickelt sich C. elegans innerhalb von
wenigen Tagen vom Ei über vier Larvenstadien zu einem fortpflanzungsfähigen, adul-
ten Tier (reproduktive Entwicklung). Dieses
produziert während der ersten Tage seiner
bis zu drei Wochen andauernden Lebensspanne etwa 300 Nachkommen. Bei Nahrungsmangel oder Überbevölkerung stoppen
die Würmer hingegen ihre Entwicklung vor
der sexuellen Reife und gehen stattdessen in
ein Dauerstadium (Dauer-Diapause) über. Dieses ermöglicht es ihnen, mehrere Monate
ohne Nahrungsaufnahme zu überleben. Bei
günstigeren Bedingungen entwickeln sich
diese Dauerlarven wieder zu fortpflanzungsfähigen adulten Tieren mit normaler Lebensspanne.
Reproduktive Entwicklung oder
Dauer-Diapause
Diese grundlegende Entwicklungsentscheidung wird durch den Kernrezeptor DAF-12
getroffen[1]. Kernrezeptoren koordinieren in
Antwort auf Liganden die Genexpression im
ganzen Körper. In Abwesenheit des Liganden
bildet DAF-12 einen Komplex mit dem Korepressor DIN-1 und die Würmer gehen in das
Dauerstadium über. In Anwesenheit des
Liganden wird der Korepressor-Komplex aufgelöst und der Ligand an DAF-12 gebunden.
Die Würmer entwickeln sich zu fortpflanzungsfähigen adulten Tieren (Abb. 1).
Der DAF-12-Ligand war lange Zeit unbekannt. An seiner Bildung sind verschiedene
Proteine wie die Monooxygenase DAF-9[2, 3]
˚ Abb. 1: DAF-12 ist der zentrale Schalter zwischen reproduktiver Entwicklung und Dauer-Diapause. Entsprechend den Umweltbedingungen werden
DAF-12-Liganden gebildet oder nicht. Ligandengebundenes DAF-12 oder der DAF-12-Korepressor-Komplex koordiniert die Genexpression.
BIOspektrum | 01.08 | 14. Jahrgang
001_046_BIOsp_0108.qxd:001_046
26
01.02.2008
10:04 Uhr
Seite 26
WISSENSCHAFT
funktionsfähige DAF-12-Liganden gebildet
werden und führen zu Langlebigkeit. Solche
Tiere bilden trotz günstiger Lebensbedingungen partielle Dauerlarven, die sich nach
wenigen Tagen zu sterilen Adulten weiterentwickeln und bis zu 40 % länger leben[2].
Die Langlebigkeit der daf-9-Mutanten bedarf
der Anwesenheit des Kernrezeptors DAF-12
und des Korepressors DIN-1[5]. Der DAF12/DIN-1-Komplex funktioniert somit möglicherweise als hormonregulierter Schalter zwischen langem Leben (Ruhe) und normalem
Leben (Reproduktion).
Wie sieht der DAF-12-Ligand aus?
Kann die DAF-12-Hormon-Hypothese
bestätigt werden?
˚ Abb. 2: Das daf-9-Gen ist in zwei spezifischen Neuronen im Kopfbereich, in der Haut
und der Spermatheka aktiv. Die daf-9-Expression wurde mithilfe eines grün fluoreszierenden Proteins sichtbar gemacht. Maßstab: 10 μM. Abbildung modifiziert nach [2].
und die Oxygenase DAF-36[4] beteiligt, wobei
DAF-9, das den letzten Schritt der Ligandensynthese vollführt, von zentraler Bedeutung
ist. Umweltinformationen, die über Signalwege in den Körper geleitet werden, beeinflussen die Expression des daf-9-Gens. Seine
Regulation ist kompliziert und auch endogene Faktoren wie z. B. DAF-12 selbst sind daran beteiligt. Das daf-9-Gen ist in zwei Nervenzellen im Kopfbereich, in der Haut und
der Spermatheka aktiv (Abb. 2)[2]. Bestimmte Mutationen im daf-9-Gen verhindern, dass
Anfangs gab es verschiedene Hinweise, dass
es sich bei dem DAF-12-Ligand möglicherweise um ein Steroidhormon, das aus Cholesterin gebildet wird, handeln könnte. Der
Wurm kann Cholesterin nicht selbst herstellen und muss es mit der Nahrung aufnehmen. Wachsen die Würmer in Abwesenheit
von Cholesterin auf, so zeigen sie Phänotypen, die daf-9-Mutanten ähneln (Dauerlarven,
Gonadendefekte)[6]. Auf ein Hormon als DAF12-Liganden weist hin, dass Zelltypen, in
denen daf-9 aktiv ist, Drüsenfunktion zugesprochen wird.
Klarheit konnte letztendlich erst durch die
Identifizierung des DAF-12-Liganden geschaffen werden. 2006 wurden nicht nur ein, sondern gleich drei Liganden von DAF-12 identifiziert[7, 8]. Und tatsächlich handelte es sich
dabei um (gallensäureartige) Steroidhormone.
Das Vorhandensein von mehreren Liganden
ist möglicherweise ein Hinweis auf deren
unterschiedliche Funktion, d. h. bei Bindung
der verschiedenen Liganden an DAF-12 werden möglicherweise auch verschiedene Gene
aktiviert[7].
¯ Abb. 3: Alterungsexperiment. daf-9-Mutanten ohne funktionsfähiges daf-9-Gen sind langlebig. Eine Ligandenverfütterung reduziert die
Langlebigkeit der daf-9Nullmutanten auf den
Wildtyplevel und hat keinen Einfluss auf die
Wildtyp-Lebensspanne.
Die Anzahl
lebender/toter Würmer
wurde täglich bestimmt.
Abbildung modifiziert
nach [9].
Durch Verfütterung von chemisch hergestelltem DAF-12-Liganden konnten DauerPhänotypen von Hormon-defizienten daf-9und daf-36-Mutanten aufgehoben und DAF12-aktiviert werden[7]. Somit wurde auch
bestätigt, dass die DAF-12-Liganden für die
reproduktive Entwicklung nötig sind. Ebenso
wurde der Einfluss der DAF-12-Liganden auf
die Alterung gezeigt[9]. Die Verfütterung der
Liganden verkürzt die Lebensspanne von
langlebigen daf-9-Mutanten (Abb. 3). In diesem Zusammenhang wirkt der Ligand „proalternd“. Auch die Keimbahn spielen bei der
Regulation der Lebensspanne des Wurms eine
wichtige Rolle. In daf-9- und daf-36-Mutanten
mit zerstörten Keimbahnzellen wirkt der
Ligand jedoch entgegengesetzt, „anti-alternd“,
d. h. die Tiere leben nach Ligandenverfütterung länger[9]. Die gallesäureartigen Steroide modulieren die Lebensspanne des Wurmes im Zusammenspiel mit zahlreichen anderen Faktoren.
Bedeutung des DAF-12-Hormonsignalwegs für den Menschen
Der daf-12-Hormonsignalweg zeigt, wie Umwelt- und physiologische Signale vereint
werden, um zahlreiche Aspekte der Entwicklung, Reproduktion und Alterung zu
koordinieren. Die Abwesenheit von DAF-12Liganden führt zu Langlebigkeit und Überdauerung als Antwort auf ungünstige Bedingungen wie Nahrungs- und Cholesterinmangel. Umgekehrt signalisiert die Produktion
von gallensäureartigen Steroidhormonen ausreichend Nahrung und der Wurm induziert
Reproduktion. Die zentrale Frage ist: Lassen
sich solche Befunde auf Menschen übertragen?
Die Identifizierung von gallensäureartigen
Steroidhormonen als DAF-12-Liganden zeigt,
dass verschiedene Aspekte der Steroidhormon-Signale möglicherweise evolutionär konserviert sind. In Vertebraten spielen Gallensäuren in der Fettabsorption und auch als Signalmoleküle z. B. in der Cholesterin- und
Energie-Homäostasis eine wichtige Rolle[10]
und signalisieren so möglicherweise, genau
wie im Wurm, den „genährten“ Zustand des
Tiers, während ihre Reduktion einen Hungerzustand anzeigt. Auch die Komponenten
des DAF-12-Signalwegs sind evolutionär konserviert. Zum Beispiel ähnelt DAF-12 funktionell dem Estrogenrezeptor, der reproduktive Reife mit Umweltsignalen wie Nahrung
koppelt[11], strukturell den Leber-X- und Vitamin D-Rezeptoren, die beide auf Gallensäure
reagieren. Eine Überaktivität des Vitamin DBIOspektrum | 01.08 | 14. Jahrgang
001_046_BIOsp_0108.qxd:001_046
01.02.2008
10:04 Uhr
Seite 27
27
Rezeptors ist sogar mit vorzeitiger Alterung
der Maus assoziiert[12].
Die Parallelen zwischen Wurm und Vertebraten sind zahlreich. Dies deutet auf gemeinsame Mechanismen hin, die Entwicklung,
Reproduktion und Alterung beeinflussen
könnten. Modulieren möglicherweise gallensäureartige Steroidhormone auch die Alterung des Menschen? Wie hängen Nahrungsaufnahme, Entwicklung und Alterung zusammen? Letztendlich können sich aus den
Wurmbefunden zahlreiche neue Forschungsansätze ergeben.
ó
Literatur
[1] Antebi, A., Yeh, W. H., Tait, D., Hedgecock, E. M., Riddle,
D. L. (2000): daf-12 encodes a nuclear receptor that regulates
the dauer diapause and developmental age in C. elegans.
Genes Dev. 14: 1512–1527.
[2] Gerisch, B., Weitzel, C., Kober-Eisermann, C., Rottiers, V.,
Antebi, A. (2001): A hormonal signaling pathway influencing
C. elegans metabolism, reproductive development, and life
span. Dev. Cell 1: 841–851.
[3] Jia, K., Albert, P. S., Riddle, D. L. (2002): DAF-9, a cytochrome P450 regulating C. elegans larval development and adult
longevity. Development 129: 221–231.
[4] Rottiers, V., Motola D. L., Gerisch, B., Cummins, C. L.,
Nishiwaki, K., Mangelsdorf, D. J., Antebi, A. (2006): Hormonal
BIOspektrum | 01.08 | 14. Jahrgang
control of C. elegans dauer formation and life span by a
Rieske-like oxygenase. Dev. Cell 10: 473–482.
[5] Ludewig, A. H., Kober-Eisermann, C., Weitzel, C., Bethke,
A., Neubert, K., Gerisch, B., Hutter, H., Antebi, A. (2004): A
novel nuclear receptor/coregulator complex regulates C. elegans lipid metabolism, larval development, and aging. Genes
Dev. 18: 2120–2133.
[6] Gerisch, B., Antebi, A. (2004): Hormonal signals produced
by DAF-9/cytochrome P450 regulate C. elegans dauer diapause in response to environmental cues. Development 131: 1765–
1776.
[7] Motola, D. L., Cummins, C. L., Rottiers, V., Sharma, K. K.,
Li, T., Li, Y., Suino-Powell, K., Xu, H. E., Auchus, R. J., Antebi,
A., Mangelsdorf, D. J. (2006): Identification of ligands for
DAF-12 that govern dauer formation and reproduction in C.
elegans. Cell 124: 1209–1223.
[8] Held, J. M., White, M. P., Fisher, A. L., Gibson, B. W.,
Lithgow, G. J., Gill, M, S. (2006): DAF-12-dependent rescue of
dauer formation in Caenorhabditis elegans by (25S)-cholestenoic acid. Aging Cell 5: 283–291.
[9] Gerisch, B., Rottiers. V., Li, D., Motola, D. L., Cummins, C.
L., Lehrach, H., Mangelsdorf, D. J., Antebi, A. (2007): A bile
acid-like steroid modulates Caenorhabditis elegans lifespan
through nuclear receptor signaling. Proc. Natl. Acad. Sci. USA
104: 5014–5019.
[10] Houten, S. M., Watanabe, M., Auwerx, J. (2006):
Endocrine functions of bile acids. EMBO J. 25: 1419–1425.
[11] Tatar, M., Bartke, A., Antebi, A. (2003): The endocrine
regulation of aging by insulin-like signals. Science 299: 1346–
1351.
[12] Razzaque, M. S., Sitara, D., Taguchi, T., St-Arnaud, R.,
Lanske, B. (2006): Premature aging-like phenotype in fibroblast growth factor 23 null mice is a vitamin D-mediated process. FASEB J. 20: 720–722.
Korrespondenzadresse:
Dr. Birgit Gerisch
Max-Planck-Institut für molekulare Genetik
Ihnesstraße 63–73
D-14195 Berlin
Tel.: 030-8413 1690
Fax: 030-8413 1128
[email protected]
AUTORIN
Birgit Gerisch
1987–1993 Biologiestudium an
der Freien Universität Berlin.
1998 Promotion bei Prof. Dr.
Korge am Institut für Allgemeine Genetik der FU. Seit 1999
Postdoktorandin am MaxPlanck-Institut für molekulare
Genetik in Berlin in der Nachwuchswissenschaftlergruppe
von Professor Dr. Adam Antebi
und dann in der Abteilung von
Professor Dr. Hans Lehrach.
Herunterladen