Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen

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Schlussbericht
Schadensbegrenzung für die Kleine Hufeisennase an Straßen Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen
SWILD - Stadtökologie, Wildtierforschung, Kommunikation (Zürich) &
NACHTaktiv - Biologen für Fledermauskunde GbR (Erfurt)
12. Dezember 2007 / Version 2
im Auftrag der DEGES, Berlin
SWILD & NACHTaktiv (2007): Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen an Straßen für die Kleine Hufeisennase
Projektpartner:
SWILD
Dr. Fabio Bontadina
Alex Theiler, Landschaftsarch. HTL/BSLA
Dipl.-Biol. Michael Dicht
NACHTaktiv
Dipl.-Biol. Wigbert Schorcht
Dipl.-Biol. Inken Karst
Dipl.-Biol. Martin Biedermann
Dipl.-Ing. Michael Franz
Kontakt: www.swild.ch & www.nachtaktiv-biologen.de
Zürich und Erfurt, den 12.12.2007
Zitatvorschlag:
SWILD & NACHTaktiv (2007): Schadensbegrenzung für die Kleine Hufeisennase an Straßen Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen. Unveröffentlichter Bericht im Auftrag der
DEGES, Berlin, 31 Seiten.
Auftraggeberin:
DEGES, Deutsche Einheit Fernstraßenplanung und -bau GmbH
Zimmerstr. 54, 10117 Berlin
2
SWILD & NACHTaktiv (2007): Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen an Straßen für die Kleine Hufeisennase
Inhalt
Zusammenfassung.........................................................................................................................4
1. Einleitung ...................................................................................................................................5
1.1 Anlass und Aufgabenstellung ...............................................................................................5
1.2 Vorwissen .............................................................................................................................6
1.3 Problem ................................................................................................................................7
1.4 Ziel des Experiment..............................................................................................................7
1.5 Spezifische Fragestellungen ................................................................................................8
2 Material und Methoden ...............................................................................................................9
2.1 Auswahl der Untersuchungsorte ..........................................................................................9
2.2 Vorgehen bei Experimenten .................................................................................................9
2.3 Zaunkonstruktion ................................................................................................................10
2.4 Datenaufnahme ..................................................................................................................11
2.5 Datenauswertung ...............................................................................................................12
3. Resultate und Bewertungen.....................................................................................................15
3.1 Auswahl der Untersuchungsorte ........................................................................................15
3.2 Experimente .......................................................................................................................17
4. Folgerungen .............................................................................................................................21
4.1 Empfehlungen für die Praxis ..............................................................................................22
4.2 Ungelöste Fragen / Forschungsbedarf ...............................................................................22
5. Literatur ....................................................................................................................................23
Dank.............................................................................................................................................23
Anhang.........................................................................................................................................24
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SWILD & NACHTaktiv (2007): Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen an Straßen für die Kleine Hufeisennase
Zusammenfassung
Bisher fehlten belastbare Aussagen zur Wirksamkeit von „Fledermausschutzzäunen“ entlang
von Straßen, um Kollisionen von tief fliegenden
Fledermausarten wirksam zu vermeiden.
In Sachsen wurden an einer Staatsstraße
(S170n)
derartige
Schadensbegrenzungsmaßnahmen planfestgestellt, da die Trasse in
enger räumlicher Nähe zu einer Kolonie Kleiner
Hufeisennasse führt und eine hohe Kollisionswahrscheinlichkeit prognostiziert wurde. Da
fachliche Zweifel zur Wirksamkeit der Schutzzäune bestanden, sollte in einem Feldversuch
geklärt werden, ob Zäune als erfolgreiche Schadenbegrenzungsmaßnahme eingesetzt werden
können, um den tiefen Überflug der Kleinen Hufeisennase über Straßen mit hohem Kollisionsrisiko zu vermeiden und ob Schutzzäune eine
Ableitungsfunktion erbringen.
Da die sächsische Kolonie der Kleinen Hufeisennasen aus verschiedenen Gründen nicht für
eine Erfolg versprechende Durchführung der
Zaunexperimente in Frage kam, wurden 10 bekannte Kolonien in Mitteldeutschland (Sachsen
und Thüringen) und in der Schweiz evaluiert. An
drei offenen Stellen in der Nähe größerer Wochenstuben wurden im Sommer 2007 jeweils
zwei parallele, 20 m lange und 4 m hohe Zäune
quer zur bevorzugten Durchflugroute der Kleinen
Hufeisennase aufgestellt. Der Abstand (also die
getestete Trassenbreite) betrug 5 m, 8 m und 12
Meter.
Um die Wirkung des Zaunes wissenschaftlich
gesichert belegen zu können, wurden Vergleiche
zu einer Kontrollphase ohne Zaun („Vorher“,
Etappe K1) mit einer Kontrollphase nach dem
Zaun („Nachher“, K2) durchgeführt. Ein möglicher Gewöhnungseffekt an den neu errichteten
Schutzzaun wurde dadurch evaluiert, dass Beobachtungen nach Aufstellen des Zauns („Zaun
neu, E1“) mit der Situation nach einem Monat
(„Zaun etabliert“, E2) verglichen wurden. Um
möglichst alle Durchflüge direkt beobachten und
dokumentieren zu können, wurden mit InfrarotVideotechnik und Ultraschall-Detektoren alle
Flugbewegungen aufgezeichnet. Um den Anteil
der Tiere feststellen zu können, die auf hoher
Flughöhe bleiben (über LKW-Höhe, ≥3 m) oder
abtauchen, wurde die beobachtete Flughöhe in 3
Abschnitten innerhalb der simulierten Trasse
geschätzt.
Bei den Beobachtungen konnten insgesamt
1561 Durchflüge beobachtet werden. Bei den
1126 Durchflügen während der drei Zaunexperimente kamen nur 45 (Ø 2.9%, N=3) tatsächliche Zaunüberflüge vor, wobei der Anteil Über-
flüge mit zunehmender Trassenbreite abnahm.
Bei allen anderen Flügen handelte es sich um
Umwege um einen Überflug zu vermeiden. Häufig flogen die Tiere direkt oder in Bögen entlang
des Zaunes bis zu dessen Ende, um dort die
Trasse niedrig zu überqueren.
Aus den Resultaten wird deutlich, dass die Kleinen Hufeisennasen durch den Zaun von der
Trasse abgeleitet wurden und den ZaunÜberflug mehrheitlich vermieden haben. Von
1126 beobachteten Querungen erfolgten nur 45
über die beiden Zäune. Wenn es zu Überflügen
kam, dann lagen diese meist im Kollisionsbereich. Überflüge über die Trasse mit und ohne
Zaun erfolgten bei 98% von 965 gemessenen
Durchflügen auf < 3m, im Durchschnitt auf einer
Höhe von 1.30 m. Die Schutzzäune bewirkten
nur eine minimale Steigerung der Flughöhe um
durchschnittlich 50 cm. Die Kleinen Hufeisennasen „tauchten“ nach dem Überflug über den
Zaun mehrheitlich auf Fahrzeugniveau ab.
Die Funktion des Kollisionsschutzes durch Steigerung der Flughöhe kann somit bei Kleinen
Hufeisennasen mit 4m hohen Kollisionsschutzzäunen nicht erreicht werden. Bereits bei der
Regelbreite einer zweispurigen Landstraße (8 m)
sind bei nahe liegenden Querungsstellen kaum
noch Überflüge zu erwarten. Hingegen bewirken
die Schutzzäune eine effektive Umleitung der
Kleinen Hufeisennasen, mindestens über eine
Distanz von 10-20 Metern.
Für die Planungspraxis lässt sich für die Kleine
Hufeisennase aus den Ergebnissen ableiten,
dass 4 m hohe Schutzzäune sich nicht als Kollisionsschutz eignen, jedoch effiziente Leitlinien
darstellen. Da die Zäune als Umleitung wirken,
sollen bei Trassenabschnitten, die regelmäßig
von Kleinen Hufeisennasen überflogen werden,
Ableitungen und sichere Querungsmöglichkeiten
geschaffen werden. Zwischen den Querungshilfen sollten durchgehend 4 m hohe Schutzzäune
oder andere geeignete Leitstrukturen stehen, die
die Tiere zu den Querungshilfen hinführen.
Die Ergebnisse beziehen sich auf die Kleine
Hufeisennase und können nicht zwingend auf
andere Fledermausarten analog übertragen
werden. In der Studie wird ein weiterhin notwendiger Forschungsbedarf zur Wirksamkeit von
Schadensbegrenzungsmaßnahmen aufgezeigt.
SWILD & NACHTaktiv (2007): Schadensbegrenzung für die Kleine Hufeisennase an Straßen Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen. - Unveröffentlichter Bericht im Auftrag der
DEGES, Berlin, 31 Seiten.
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SWILD & NACHTaktiv (2007): Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen an Straßen für die Kleine Hufeisennase
1. Einleitung
1.1 Anlass und Aufgabenstellung
Bei Straßenprojekten werden zunehmend mögliche Probleme wie Kollisionen und Barriereeffekte bei tieffliegenden Fledermausarten bereits bei der Planung berücksichtigt. Die Berücksichtigung des Fledermausschutzes gewinnt insbesondere bei Arten, die im FFH-Anhang II aufgeführt
sind an Bedeutung. Das betrifft im besonderen Maße Landschaftsräume, in denen die vom Aussterben bedrohte Fledermausart Kleine Hufeisennase Rhinolophus hipposideros vorkommt.
Der Neubau der Staatsstraße S170n (OU Friedrichswalde-Ottendorf/Sachsen) führt in unmittelbarer Nähe einer ca. 100-köpfigen Kolonie der Kleine Hufeisennase vorbei (Bestandteil des
FFH-Gebietes „Separate Fledermausquartiere im Raum Dresden“).
Im Rahmen der Planung fanden 2003/4 sowie 2006 spezielle Sonderuntersuchungen statt, um
fachliche Grundlagen zu erarbeiten, damit die negativen Einflüsse auf diese Kolonie möglichst
gering gehalten werden (Schadensminimierung). Dabei wurde festgestellt, dass einige Flugwege
der Kleinen Hufeisennasen im Bereich von Trassenabschnitten verlaufen, für die die bestehende
Planung keine Querungshilfen zur Minimierung des Kollisionsrisikos vorgesehen hatte.
In der Folge wurden beidseitig der Trasse Fledermausschutzzäune aus 4m hohem Stahlgeflecht
(Kollisionsschutzzäune) als Schadensbegrenzungsmaßnahme gewählt und planfestgestellt.
Leider fehlen bislang belastbare Aussagen zur Wirksamkeit dieser Maßnahme. Bei einem vergleichbaren Straßenbauprojekt in Wales (Großbritannien) waren trotz der Errichtung von Kollisionsschutzzäunen Kleine Hufeisennasen als Verkehrsopfer zu beklagen. Somit bestanden fachlich begründete Zweifel, ob derartige Zäune als Schadensbegrenzungsmaßnahme für die Ortsumfahrung Ottendorf geeignet sind.
Die DEGES (Berlin) beauftragte deshalb die Hufeisennasen-Experten von NACHTaktiv (Erfurt)
und SWILD (Zürich), den Effekt von Kollisionsschutzzäunen auf das Flugverhalten von Kleinen
Hufeisennasen zu untersuchen (Auflage im Planfeststellungsbeschluss). Daraus sollten Ableitungen getroffen werden, die nicht nur für die Planung der S170n Gültigkeit besitzen, sondern
auch zukünftigen Planungen mehr Sicherheit geben. Dies war u. a. notwendig, da längere Strecken von Kollisionsschutzzäunen auch einen ökonomischen Faktor bei Straßenbauprojekten
darstellen.
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SWILD & NACHTaktiv (2007): Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen an Straßen für die Kleine Hufeisennase
1.2 Vorwissen
Seit einigen Jahren werden Fledermausschutzzäune als Maßnahmen zur Schadensbegrenzung
an Straßen eingesetzt. Diesen werden zwei Funktionen zugeschrieben:
1. Beeinflussung des Flugverhaltens von Fledermäusen, so dass diese in ausreichender
Höhe die Verkehrstrasse queren („Kollisionsschutz“).
2. Abhalten der Fledermäuse vom direkten Trassenbereich sowie ggf. Hinleitung zu punktuellen Querungshilfen („Ableitung“).
Abgesehen davon, dass die beiden erwarteten Funktionen teilweise Zielkonflikte darstellen, liegen bislang kaum Ergebnisse über die Wirksamkeit von Zäunen vor.
Dies liegt v. a. darin begründet, dass in der Vergangenheit bei den meisten Straßenbauprojekten
keine Erfolgskontrollen für die realisierten Querungshilfen erfolgten. (BRINKMANN et al. 2003)
Seit 2005 läuft das Forschungsvorhaben des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (FE-Nr. 02.0256/2004/LR) „Quantifizierung und Bewältigung verkehrsbedingter
Trennwirkungen auf Arten des Anhangs der FFH-Richtlinie, hier Fledermauspopulationen“. Dabei sollten 2006 Experimente mit einer strukturgebundenen Fledermausart, der Bechsteinfledermaus, an experimentell errichteten Zäunen durchgeführt werden. Die Versuche wurden jedoch auf das Jahr 2007 verschoben (Dr. J. LÜTTMANN, FÖA Trier, briefl. Mitt.). Laut mündlicher
Auskunft der Forschungsnehmer liegen bislang nur exemplarische Untersuchungen an Fledermausschutzzäunen für das Große Mausohr Myotis myotis – einer nur bedingt strukturgebunden
fliegenden Fledermausart - vor. Die Untersuchungen im Rahmen dieses Projektes sind abgeschlossen. Doch auch bei einem möglichen Folgeprojekt wird die Kleine Hufeisennase nicht
speziell untersucht, womit schlüssige Ableitungen für diese Fledermausart im Rahmen des Bundesforschungsprojektes nicht zu erwarten sind.
Die Kleine Hufeisennase zählt zu den extrem strukturgebunden fliegenden Arten, sie orientiert
sich fast immer an Geländestrukturen (z.B. Gehölzstreifen), meidet meist den Überflug strukturfreier Flächen und überfliegt Offenland nur tief über dem Boden. Wegen dieser speziellen Verhaltensweise können wirksame Maßnahmen für andere Fledermausarten nicht ohne weitere
Überprüfung auf die Kleine Hufeisennase übertragen werden.
Nach aktuellen Studien aus Wales (BILLINGTON 2001, 2003, WRAY et al. 2006; Zusammenfassung in NACHTaktiv & SWILD 2006) scheinen Fledermausschutzzäune keinen ausreichenden
Kollisionsschutz für eng strukturgebunden fliegende Arten, wie die Kleine Hufeisennase, zu bieten.
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SWILD & NACHTaktiv (2007): Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen an Straßen für die Kleine Hufeisennase
Aufgrund dieser vorliegenden Studien erscheinen Zäune nicht als taugliches Mittel, um Kleine
Hufeisennasen am bodennahen Überqueren der Straße zu hindern, wenn die Tiere den Zaun
als Hindernis überfliegen können und über der Fahrbahn (also zwischen den Zäunen) wieder auf
eine niedrige Höhe „abtauchen“. Leider sind Wirksamkeit und Mängel der in Wales ergriffenen
Maßnahmen nicht ausreichend untersucht worden. Zudem besteht die Vermutung, dass die dort
eingesetzten Kollisionsschutzzäune eine zu geringe Höhe (2 und nur teilweise 4 Meter) hatten.
Für die zweite Funktion, die den Kollisionsschutzzäunen zugeschrieben wird (Abhalten der Fledermäuse vom direkten Trassenbereich sowie ggf. Hinleitung zu punktuellen Querungshilfen)
fehlen bislang ebenfalls belastbare Aussagen. Es konnte bereits gezeigt werden, dass eine
neue Hecke mit genügend Angewöhnungszeit erfolgreich als lineare Leitstrukturen für die Kleine
Hufeisennase eingesetzt werden kann (Heckenexperiment, BMS GbR & SWILD, 2003). Ob Fledermausschutzzäune eine derartige Funktion auch wahrnehmen können, war bislang nicht bekannt.
1.3 Problem
Es fehlen belastbare Aussagen zur Wirksamkeit von Zäunen als Schadensbegrenzungsmaßnahmen bezüglich der Funktionen „Kollisionsschutz“ und „Ableitung“ für die gefährdete
Kleine Hufeisennase. Daher bestehen auch begründete Zweifel, die Fledermausschutzzäune
entlang der S 170n in der planfestgestellten Ausführung umzusetzen – nicht zuletzt auch aus
ökonomischen Gesichtspunkten.
Besonders wegen der zahlreichen Überflüge, die im Landschaftsabschnitt S5 der geplanten
Trasse nachgewiesen werden konnten (NACHTaktiv & SWILD 2006) und der unmittelbaren Nähe dieses Vorhabens zum Wochenstubenquartier (300 m Luftlinie) besteht die Sorge, dass die
vorgesehenen Zäune das Kollisionsrisiko möglicherweise nicht hinreichend minimieren können,
so dass eine Gefährdung der lokalen Population (Kolonie) nicht sicher ausgeschlossen werden
kann. In diesem Fall wären die Annahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung unzutreffend und
somit die Bedingungen des Planfeststellungsbeschlusses nicht erfüllt.
1.4 Ziel des Experiment
Die Untersuchung soll verlässliche Aussagen zur Wirksamkeit von Kollisionsschutzzäunen für
die Kleine Hufeisennase bringen. Aus den Ergebnissen müssen belastbare, wissenschaftlich
abgesicherte Aussagen über die von den Zäunen zu erwartenden Schutzfunktionen für die Kleine Hufeisennase abgeleitet werden können. Insbesondere soll überprüft werden, ob Zäune als
erfolgreiche Schadenbegrenzungsmaßnahme eingesetzt werden können, um den tiefen Überflug der Kleinen Hufeisennase über Straßen mit Kollisionsrisiko zu vermeiden und ob Schutzzäunen eine Ableitungsfunktion erbringen.
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SWILD & NACHTaktiv (2007): Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen an Straßen für die Kleine Hufeisennase
1.5 Spezifische Fragestellungen
Folgende Fragen sollen durch quantitative Verhaltensbeobachtungen beantwortet werden:
„ Wie überqueren Kleine Hufeisennasen quer zur Flugbahn stehende Zaun-Barrieren (4m
hoch)?
„ Wie verhalten sich Kleine Hufeisennasen zwischen zwei Barrieren, die in einer Straßenbreite
auseinander stehen (bleiben sie auf einer genügenden hohen Flughöhe von ≥3m oder pendeln sie nach unten in den kollisionsgefährdeten Bereich)?
Da bei Fledermäusen bekannt ist, dass sie ihr Verhalten an eine neue Situation im Verlaufe der
Zeit anpassen, war es notwendig, die Dauerhaftigkeit der Wirkung mit zu untersuchen:
„ Bleibt die Schutzwirkung auch über eine längere Zeit erhalten? Es soll insbesondere untersucht werden, ob die hohe Flughöhe von ≥3m nicht durch Gewöhnungseffekte reduziert wird
(aus praktischen Gründen Überprüfung für die Zeitperiode eines Monats).
Darüber hinaus ist anzustreben - nach Möglichkeit - auch andere Maßnahmen zur Kollisionsvermeidung zu testen.
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SWILD & NACHTaktiv (2007): Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen an Straßen für die Kleine Hufeisennase
2 Material und Methoden
2.1 Auswahl der Untersuchungsorte
Es ist bekannt, dass bei der Kleinen Hufeisennase die Flugwege aufgrund von lokalen Gegebenheiten und Traditionen sehr spezifisch verlaufen. Um die Frage der Wirksamkeit von Kollisionsschutzzäunen grundsätzlich klären zu können und belastbare Ergebnisse zu erhalten, haben
wir Experimente im Feldversuch (Zaunexperimente) an drei unterschiedlichen Standorten
durchgeführt.
Für eine Erfolg versprechende Durchführung der Zaunexperimente wurden bekannte Kolonien in
Deutschland (Sachsen und Thüringen) und der Schweiz nach folgenden drei Kriterien evaluiert:
1) sie mussten unterbrochene lineare Leitstrukturen zwischen den Quartiergebäuden und
den mutmaßlichen Jagdgebieten im Wald besitzen,
2) die Größe der Kolonie sollte hinreichend groß sein (> 30 Tiere), um Überflüge von mindestens 10 Tieren pro Beobachtungsblock entlang der unterbrochenen Leitstruktur zu
gewähren
3) die technischen und rechtlichen Voraussetzungen zur Durchführung der Experimente
mussten gegeben sein (Absprachen mit den Flächennutzern und -eigentümern).
Potentiell geeignete Untersuchungsstandorte wurden zunächst anhand von Luftbildern der bekannten Kolonien evaluiert.
2.2 Vorgehen bei Experimenten
Es wurde ein experimenteller Ansatz gewählt, der eine Evaluation der direkten Auswirkungen
eines neu aufgestellten Schutzzaunes in den Flugwegen einer Kolonie erlaubte. Um die Wirkung
des Zaunes wissenschaftlich gesicherte belegen zu können, wurden Vergleiche zu einer Kontrollphase ohne Zaun („Vorher“) mit einer Kontrollphase nach dem Zaun („Nachher“) durchgeführt. Damit können saisonbedingte Veränderungen des Flugweges ausgeschlossen werden.
Ein möglicher Gewöhnungseffekt an den neu errichteten Schutzzaun wurde dadurch evaluiert,
dass Beobachtungen nach Aufstellen des Zauns („Zaun neu“) mit der Situation nach einem Monat („Zaun etabliert“) verglichen wurde. Es wurde also folgender Untersuchungsaufbau mit vier
Etappen bei den Experimenten (mit den Kurzbezeichnungen K1, E1, E2 und K2) angewendet:
Phase
Bezeichnung
Kurzbezeichnung
Minimale Dauer
Vorher
Zaun neu
Zaun etabliert
Nachher
Kontrolle
Experiment
Experiment
Kontrolle
K1
E1
E2
K2
≥2 Tage
≥2 Tage
≥2 Tage
≥2 Tage
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SWILD & NACHTaktiv (2007): Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen an Straßen für die Kleine Hufeisennase
Der Bereich zwischen den Zäunen wurde in drei gleich große Abschnitte eingeteilt (1: Trassezum Quartier hin, 2: Trasse-Mitte, 3: Trasse-von Quartier weg). Diese drei Abschnitte wurden
zur Registrierung der Flughöhe im Unterschied zur Situation ohne Zaun verwendet.
Umfang der Beobachtungen pro Standort:
Bei jeder Etappe des Experiments wurden Daten von mind. drei Beobachtungsblöcken (Durchflugphasen beim Ausflug abends oder beim Rückflug morgens) gemacht. In diesen Beobachtungsblöcken wurden möglichst alle Durchflüge direkt beobachtet sowie zusätzlich akustisch und
teilweise optisch per IR Video aufgezeichnet. Um den Anteil der Tiere feststellen zu können, die
auf hoher Flughöhe bleiben (über LKW-Höhe, ≥3 m) oder abtauchen, wurde bei jedem Beobachtungsblock angestrebt mindestens 10 bis 30 durchfliegende Tiere zu überwachen.
2.3 Zaunkonstruktion
Es wurden zwei parallele, 20m lange und 4m hohe Zäune quer zur bevorzugten Durchflugsroute
der Kleinen Hufeisennase aufgestellt. Der Abstand (also die getestete Trassenbreite) betrug in
Kleinteil 5 m, in Martinsroda 8 m und in Giswil 12 Meter. Sowohl in Giswil als auch in Kleinteil
ließen sich die Zäune nicht exakt mitten in die mehrheitlich benutzte Flugroute stellen, weshalb
die Ableitungsdistanz zu den beiden Zaunenden ungleich groß war (ca. 13 und 7m).
Als Zaungerüst dienten herkömmliche Bauzäune (Höhe 2m) die mit Holzlatten (Fichte, 4m) auf
die gewünschten 4m erhöht wurden (Martinsroda) oder direkt ein einfaches Holzgerüst (Giswil
und Kleinteil). Damit die Zäune eine einheitliche Struktur aufwiesen, wurden sie mit einem Gerüstschutznest (PEFLEX 436 Gerüstschutznetz, grün vom Hersteller TEGUM.ch, Frauenfeld,
Schweiz) bespannt (vgl. Fototafel 1). Der Innenbereich zwischen den beiden Zäunen wurde in 3
Abschnitte unterteilt, die beim Durchflug unterschieden wurden (Abschnitt 1, 2 und 3, s. oben).
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SWILD & NACHTaktiv (2007): Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen an Straßen für die Kleine Hufeisennase
2.4 Datenaufnahme
Mit SW-Infrarot-Video-Kameras, deren Sichtfeld auf einer Strecke von ca. 30 m mit leistungsstarken 40-80 Watt Infrarot-LED-Scheinwerfern ausgeleuchtet wurden, konnte am jeweiligen
Standort die Querungsstelle der Kleinen Hufeisennasen überwacht und die kleinen Fledermäuse
auf den Aufnahmen sichtbar gemacht werden. Die Bilder wurden auf einem Monitor während der
Durchflüge in Echtzeit überwacht und parallel dazu als Video auf einem FestplattenÜberwachungsrecorder (AVC 773) aufgezeichnet. Es kamen bis zu 4 SW-Video-Kameras zeitgleich zum Einsatz die auf 4 Kanälen des Recorders simultan aufgezeichnet wurden (vgl. Fototafel 1 und 2).
Die Standortwahl der Kameras erfolgte mit dem Ziel, den kompletten Durchflug innerhalb der
beiden Zäune sichtbar machen zu können, damit die Flughöhen im ganzen Zaunbereich erfasst
werden konnten. Die schnelle Fluggeschwindigkeit dieser kleinen Fledermausart ließen es jedoch nicht zu, mit den Kameras den gesamten Zaun zu überwachen. Deshalb konzentrierten wir
uns auf diejenige Zaunhälfte, welche ersten Flugbeobachtungen zufolge von der großen Mehrheit der Fledermäuse als Durchflugsbereich genutzt wurde. Neben den Kameras wurden ein,
bzw. die beiden Zaunenden (Martinsroda) zusätzlich mit Beobachtern überwacht, die ihre Ergebnisse auf Diktiergeräten dokumentierten.
Die Position der vier Kameras ist beispielhaft an der Situation von Kleinteil dargestellt:
CAM 1
KAPELLE
CAM 4
BAUM
RUINE
= BAT-Dedektor
CAM 3
= Infrarot-Scheinwerfer
= Video-Kamera
CAM 2
Abb. 1. Aufsicht auf Situation in Kleinteil mit Verteilung der Kameras (Cam 1-4). BAT-Det. = Ultraschalldedektoren. Schwarze Dreiecke: Infrarot-Schweinwerfer. Das Quartier befindet sich
links in der Kapelle, die Ausflugrichtung vor der Zaunaufstellung ist mit Pfeil markiert.
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SWILD & NACHTaktiv (2007): Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen an Straßen für die Kleine Hufeisennase
Um andere Fledermausarten, die auch am Standort vorkommen, auszuschließen, wurde die
optische Überwachung mit akustischen Methoden parallelisiert. Dazu wurden in die Nähe der
Kameras Ultraschall-Detektoren (Ultrasoundadvice Mini-3, Pettersson D 240x, Pettersson D
100) installiert, die auf die spezifische Frequenz der Kleinen Hufeisennase bei 110 kHz eingestellt waren. Die Filmaufnahmen konnten bei zwei Kanälen parallel mit Ton aufgezeichnet werden. Damit die Beobachtungen später anhand der Aufzeichnungen überprüft werden konnten,
wurden Zeitpunkt und Beobachtungen vor Ort auf Diktiergeräte gesprochen oder notiert (vgl.
Fototafel 1 u. 2).
Passagen, die bereits nachts live überwacht wurden, wurden anschließend mit 4-facher Geschwindigkeit und bislang ungesehene Passagen mit 2-facher Geschwindigkeit durchgesehen.
Ausgewählte Sequenzen wurden anschließend ausgeschnitten und für Demonstrationszwecke
als kurze Videosequenzen gespeichert.
Die Protokollierung von Flughöhen und Flugwegen erfolgte später anhand der Videoaufzeichnungen und mithilfe der notierten Zeitpunkte akustisch nachgewiesener Durchflüge. Die akustische Erfassung ermöglichte nicht nur den Nachweis der Fledermausart, sondern erleichterte
auch das Wiederfinden einzelner Durchflugsereignisse auf der ununterbrochenen Videoaufzeichnung.
Flughöhe
In den einzelnen Zaunabschnitten 1, 2 und 3 wurde (mit oder ohne Zaun) jeweils die niedrigste
Flughöhe der durchfliegenden Individuen geschätzt. Als Hilfe zur Schätzung der Durchflughöhe
wurden reflektierende, vertikale Marken in 1 m Abstand angebracht. Flog eine Fledermaus
hauptsächlich außerhalb des Zaunbereichs vorbei, dann wurde die niedrigste Flughöhe außerhalb des Zauns notiert. Flog die Fledermaus im Bereich von einem oder mehreren der 3 Abschnitte, jedoch außerhalb des Zauns durch, so wurden die Flughöhen auf Höhe der einzelnen
Bereich dennoch getrennt notiert und zusätzlich bemerkt, dass sie außerhalb des Zauns geflogen war. Jeder Durchflug wurde im Detail beschrieben. Kompliziertere Routen wurden zudem
skizziert.
2.5 Datenauswertung
Die Daten wurden in einer Excel Datenbank gespeichert wobei jeder Durchflugbeobachtung eine
Zeile zugeordnet wurde. Die Auswertungen erfolgen in Excel und mit der Software PAST.
Als statistische Tests wurden randomisierte χ2 Tests mit der Software Actus 2 (Estabrook &
Estabrook 1989) und Varianzanalysen (ANOVAs) im Statistikpaket R durchgeführt.
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SWILD & NACHTaktiv (2007): Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen an Straßen für die Kleine Hufeisennase
Aufbau des Zaunes (Martinsroda)
Aufbau des Zaunes mit Fahrzeug (Giswil)
Überwachungstechnik: Infrarotstrahler (l.), Überwachungsrecorder (M.) und SW-Videokamera (r.)
Arbeit am Überwachungsrecorder (mit 3 Kameraeinstellungen) vor Ort
Einrichten der Bat-Detektoren vor dem Ausflug
Installation zur Überwachung: Hauptkamera auf Stativ,
Zeltunterstand für Überwachungsrecorder.
Fototafel 1
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SWILD & NACHTaktiv (2007): Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen an Straßen für die Kleine Hufeisennase
Situation in der Nacht von der Hauptkamera:
Zaun mit Reflexmarkierungen zur Schätzung
der Flughöhe.
Situation Aufsicht auf Zaun von einer Seitenkamera
Bildausschnitt vom Überwachungsrecorder:
Ausschnitte von 4 Überwachungskameras.
Fototafel 2
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SWILD & NACHTaktiv (2007): Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen an Straßen für die Kleine Hufeisennase
3. Resultate und Bewertungen
3.1 Auswahl der Untersuchungsorte
Nach dem Sichten der Luftbilder wurden 10 aussichtsreiche Standorte ausgewählt und dann vor
Ort bezüglich der Hauptausflugrichtungen als auch zur Identifikation der möglichen Experimentstellen überprüft (2 Sachsen, 3 Thüringen, 5 Schweiz) (vgl. Tab. 1). Die detailliert beschriebenen
Beobachtungsergebnisse befinden sich im Anhang.
Tab. 1: Überblick der überprüften Standorte für die Auswahl zur Durchführung des Zaunexperimentes.
Koloniegröße entspricht Angaben aus 2006 Zahl adulter Kleiner Hufeisennasen
lfd.
Nr.
Kolonie/Standort
1
Friedrichswalde-Ottendorf
Schloß (D-Sachsen)
Cotta
Schloß (D-Sachsen)
Martinsroda
Ehemaliges Ferienheim
(D-Thüringen)
Mühlhausen
Hainich-Klinikum (D-Thüringen)
Langenorla Einfamilienhaus (DThüringen)
2
3
4
5
6
7
8
9
10
<5
Koloniegröße
90
<5
90
20
50
Gemeinde Dohma
Privatbesitz
20
57
Klinikum
>25
120
Privatbesitz
Giswil (Kanton Obwalden,
Schweiz)1
Kleinteil (Kanton Obwalden,
Schweiz)
30
60
Militär
30
300
Kirchgemeinde
und Landwirte
Wilen (Kanton Obwalden,
Schweiz)
Toffen (Kanton Bern, Schweiz)
50
25
10
40
Kirchgemeinde
und Landwirte
Privatbesitz
5
180
Suraua (Kanton Graubünden,
Schweiz)
Unterbr.
Leitst. m
Eigentümer
Auswahlbemerkung
Privatbesitz
Keine geeigneten Überflüge in
Nähe des Quartiers genutzt
Keine geeigneten Überflüge in
Nähe des Quartiers genutzt
ausreichend Überflüge an geeigneter Struktur
Kirchgemeinde
und Landwirte
Keine geeigneten Überflüge in
Nähe des Quartiers genutzt
Keine ausreichende Anzahl von
Überflügen an geeigneter Strukturen
knapp ausreichend Überflüge
ausreichend Überflüge und
günstige Besitzverhältnisse
(Kontakte von vorangehenden
Experimenten)
zu kleine Anzahl Überflüge, diffuse Verteilung
Problematische Besitzverhältnisse
sehr abgelegen, zu kleine Lücke
Auch die direkt betroffene Kolonie in Ottendorf wurde in diese Evaluierung miteinbezogen. Allerdings waren die notwendigen Voraussetzungen für ein Experiment in Ottendorf nicht gegeben,
da das Quartier im Schloss zu dicht an Gehölz- und Mauerstrukturen angrenzt (siehe Anhang).
Anhand der Ergebnisse dieser Vorabklärungen wurden drei Standorte gewählt, die für das
Zaunexperiment besonders geeignet erschienen. Um einen Unterschied in der Breite der zu
überfliegenden Lücke zu schaffen, haben wir anhand der lokalen Gegebenheiten und in Abstimmung mit dem Auftraggeber die beiden Zäune in unterschiedlichem Abstand aufgestellt (vgl.
Fototafel 3):
•
Kleinteil (Kanton Obwalden, Schweiz): Abstand 5m
•
Martinsroda (Thüringen, Deutschland): Abstand 8m
•
Giswil (Kanton Obwalden, Schweiz): Abstand 12m
15
SWILD & NACHTaktiv (2007): Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen an Straßen für die Kleine Hufeisennase
Zaunabstand 5m
A) Zaunlücke Kleinteil
Zaunabstand 8m
B) Zaunlücke Martinsroda
Zaunabstand 12m
C) Zaunlücke Giswil
Fototafel 3
16
SWILD & NACHTaktiv (2007): Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen an Straßen für die Kleine Hufeisennase
3.2 Experimente
Datenumfang
Insgesamt wurden an den drei Untersuchungsstandorten die Durchflüge während 49 Aus- oder
Einflugperioden (Beobachtungsblöcken) aufgezeichnet (siehe Tabelle A1 im Anhang).
Die Beobachtungen wurden in vier zeitliche Etappen eingeteilt, es erfolgten insgesamt 12 und 9
Beobachtungsblöcke zur Kontrolle vor- und nach dem Zaunexperiment (K1 und K2). Für das
eigentliche Experiment wurden in der ersten Stufe (E1) und nach einem Monat in der zweiten
Stufe (E2) je 14 Beobachtungsblöcke durchgeführt.
Bei allen Beobachtungen konnten insgesamt 1561 Durchflüge beobachtet werden (siehe Tabelle
A2 im Anhang). Es handelt sich dabei um 986 Durchflüge aus Kleinteil, 306 aus Martinsroda,
und 269 aus Giswil.
Verhalten bei quer zur Flugbahn stehenden Schutzzäunen
Von den total 1561 beobachteten Durchflügen entfielen 1126 in die Experimentphasen (mit
Zaun). Davon wurden nur 45 tatsächliche Zaunüberflüge registriert, wobei der Anteil der direkten
Zaunüberflüge nach einem Monat nochmals geringer ausfiel. Bei den anderen 1081 Flügen haben die Tiere einen Überflug vermieden und nahmen stattdessen einen Umweg um die ZaunAttrappe herum (vgl. Tab. 2).
Tab. 2: Anteil der beobachteten Durchflüge als Umweg bzw. Zaunüberflug.
Anzahl Zaunüberflüge
Zaunüberflug
Standort
Versuchsetappe
Umweg
Kleinteil
K1
150
E1
276
E2
423
K2
97
Total Experimente (E1+E2)
699
Martinsroda
Überflüge Überflüge (%)
30
10
10.87%
2.36%
40
5.72%
4
0
5.88%
0.00%
4
2.44%
K1
E1
E2
K2
Total Experimente (E1+E2)
44
68
96
94
164
Giswil
33
104
114
17
218
0
1
0.00%
0.88%
1
0.46%
1081
45
4.16%
2.87%
K1
E1
E2
K2
Total Experimente (E1+E2)
Total Experimente (E1+E2)
Durchschnittlich pro Experiment (N=3)
17
SWILD & NACHTaktiv (2007): Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen an Straßen für die Kleine Hufeisennase
Häufig flogen die Tiere mehr oder weniger direkt entlang des Zaunes oder flogen in Bögen teilweise entlang des Zaunes, drehten Kreise in Zaunnähe oder flogen in Bögen und Schleifen in
etwa parallel zum Zaun.
Lieber weiter als hoch
Aus den Resultaten wird deutlich, dass die Fledermäuse den Überflug mehrheitlich vermieden
haben und viel häufiger einen Umweg geflogen sind. Die Zaun-Attrappe hatte eine beschränkte
Länge von 20 m und war so aufgestellt, dass die meisten Tiere etwa in der Mitte auf den Zaun
gestoßen sind. Unter diesen Bedingungen kann eindeutig festgestellt werden, dass die große
Mehrheit der Kleinen Hufeisennasen einen Umweg entlang des Zauns von mindestens 10 m der
Überwindung des 4 m hohen Hindernisses vorgezogen hat.
Aus Tabelle 2 wird ersichtlich, dass sich dieses Verhalten nach einer vierwöchigen Gewöhnungsphase noch verstärkt hat. Auch die erst in der Phase E2 flugfähigen Jungtiere scheinen
den Umweg zu bevorzugen.
Zaunabstand beeinflusst Überflüge
Der Anteil der festgestellten direkten Überflüge ist mit durchschnittlich 2,87% über alle drei Experimentstandorte sehr gering. Zudem wird in Abbildung 2 deutlich, dass der Abstand zwischen
den beiden Zäunen einen starken Einfluss auf den Anteil direkter Überflüge zeigt (randomized χ2
= 12.16, N = 1126, p = 0.003). Bei einer Tassenbreite von 10 m können aufgrund der Regressionskurve weniger als 1% Durchflüge erwartet werden.
Das Verhalten der Kleinen Hufeisennasen kann so festgelegt sein, dass ein Überqueren größerer offener Lücken möglichst vermieden wird. Dies lässt sich auch daran erkennen, wie schwie-
Anteil der überfliegenden Tiere [%]
rig es war, geeignete Lücken in bestehenden Flugwegen für die Zaunexperimente zu finden.
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
0
5
10
15
Abstand zwischen Zäunen [m]
Abb. 2: Anteil der den Zaun überfliegenden Kleiner Hufeisennasen (im Verhältnis zu den total
durchfliegenden Tieren) in Abhängigkeit zum Abstand zwischen den beiden Zäunen.
18
SWILD & NACHTaktiv (2007): Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen an Straßen für die Kleine Hufeisennase
Analysen der direkten Zaunüberquerungen
Obwohl der Anteil der Kleinen Hufeisennasen, der direkt über die Zäune flog, gering war, sollen
nachfolgend diese 45 beobachteten Flugwege näher analysiert werden. Sie liefern wichtige Aussagen zur Wirksamkeit der Zäune als Überflughilfe.
ƒ
Flughöhe
Die mittlere Flughöhe bei Überflügen über die Zäune (N = 45) in den drei Abschnitten zwischen
den 4 m hohen Schutzzäunen ist um 3 m, wobei sie im dritten Abschnitt etwas höher liegt. Dennoch liegen in den drei Abschnitten 1, 2 und 3 im Durchschnitt 58%, 56% und 33% der total 45
Überflüge unterhalb der kritischen Höhe von 3 m (Abb. 3a/b).
70%
Anteil kritischer Überflüge
Flughöhe [m]
4
3
2
1
50%
40%
30%
20%
10%
0%
0
a)
60%
1
2
Abschnitte
3
b)
1
2
3
Abschnitte
Abb. 3. a) Durchschnittliche Flughöhe in drei Abschnitten auf der Trasse während Überflügen über
den Zaun (Mittelwert + SE). b) Anteil von Überflügen (N = 45) die unterhalb von der kritischen Höhe von ≤ 3m stattfinden.
Aus diesem Ergebnis wird deutlich, dass die Mehrzahl der Überflüge (wenn es überhaupt dazu
kommt) mit hoher Wahrscheinlichkeit im kritischen Bereich (≤3 m) liegen. Dieser Befund betrifft
selbst den kleinsten Zaunabstand von nur 5 m, von welchem auch die Mehrzahl der untersuchten Überflüge stammt (Kleinteil).
Einfluss des Experiments auf das Flugverhalten
Die Errichtung der Zäune hat jedoch auch einen generellen Effekt auf alle beobachteten Durchflüge (N = 1126). Es wird deutlich, dass mit den 4 m hohen Zäunen (während der Etappen E1
und E2) die mittlere Flughöhe im Zentrum der Trasse um einen halben Meter von durchschnittlich 72 cm auf knapp 1.30 m angehoben wird (ANOVA, df = 3, N = 965, F = 29.4, p < 0.001,
Abb. 4). Das betrifft interessanterweise gerade auch die vielen Tiere, die bis zu einem der Zaunenden geflogen sind und dann dort niedrig die Trasse querten. Dieser Effekt verschwindet nach
dem Abbau der Zäune (K2) wieder. Er kann vermutlich mit Erkundungsverhalten sowie mit der
zusätzlichen Deckung erklärt werden.
19
SWILD & NACHTaktiv (2007): Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen an Straßen für die Kleine Hufeisennase
Flughöhe [m]
2
1.6
1.2
0.8
0.4
0
K1
E1
E2
Versuchsetappen
K2
Abb. 4: Flughöhe (Mittelwert + SE, 965 Durchflüge bei N=3 Experimenten) in der Mitte der Trasse.
Nur in 2.2% der Fälle von allen Durchflügen (N = 965 Durchflüge mit Flughöheschätzung im Abschnitt 2 bei den drei Experimenten) flogen Kleine Hufeisennasen auf ≥ 3m Höhe (übrigens ausschließlich mit den Zäunen, 13x bei E1 und 8x bei E2).
Unterschiedliche Flughöhe am Abend und am Morgen
Die Flughöhe bei den Durchflügen am Abend und am Morgen unterscheidet sich deutlich in allen Abschnitten (ANOVA, df = 1, all F > 43, p < 0.001, Abb. 5). Obwohl die Flughöhen in beiden
Fällen im kritischen Bereich liegen, ist dies am Abend ausgeprägter der Fall. Mit Untersuchungen am Abend wird also die kritischere Situation erfasst.
2.0
Flughöhe, Mittel+SE [m]
1.8
1.6
1.4
1.2
1.0
0.8
0.6
0.4
0.2
0.0
1
2
Abschnitte
3
Abb. 5: Unterschiedliche Flughöhe zwischen Durchflügen am Abend (hell) und am Morgen (dunkel)
(Mittelwert + SE, 1561 Durchflüge bei N=3 Experimenten).
20
SWILD & NACHTaktiv (2007): Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen an Straßen für die Kleine Hufeisennase
4. Folgerungen
Aufgrund der durchgeführten Experimente können fünf Folgerungen für die Kleine Hufeisennase
abgeleitet werden:
„ Der Anteil der Überflüge bei 4 m hohen Schutzzäunen liegt unter 5%, wenn alternative Querungsmöglichkeiten an der Trasse innerhalb von etwa 10 - 20 m vorkommen.
„ Der Anteil der Überflüge ist von der Trassebreite bzw. dem daraus resultierenden Zaunabstand abhängig: bei einer schmalen Breite der simulierten Trasse flogen deutlich mehr Kleine Hufeisennasen über den Zaun. Bereits bei einer Regelbreite einer zweispurigen Landstraße (8 m) sind jedoch (bei nahe liegenden Querungsstellen) kaum noch Überflüge zu erwarten.
„ Die beobachteten (wenigen) Überflüge über den Zaun lagen selbst beim engen Zaunabstand
von 5 m zum hauptsächlichen Anteil im kritischen Bereich für Kollisionen. Die Kleinen Hufeisennasen „tauchten“ nach dem Überflug über den jeweils ersten Zaun ab (mehr als die Hälfte unter eine Höhe von 3 m).
„ Die Schutzzäune bewirkten für alle Durchflüge eine Steigerung der Flughöhe um durchschnittlich 50 cm (von 0,72 m auf 1,30 m). Diese geringe Steigerung der Flughöhe ist nicht
ausreichend, um die Tiere außerhalb des Kollisionsbereiches zu bringen.
„ Die registrierten Flughöhen waren nach dem Ausflug am Abend niedriger, als beim morgendlichen Rückflug. Die Überprüfung von Flughöhen ist also konservativ (vorsichtig), wenn
sie während der kritischen Zeit des Abendausflugs durchgeführt wird.
Damit steht fest, dass die Funktion des Kollisionsschutzes bei Kleinen Hufeisennasen durch
Steigerung der Flughöhe mit 4 m hohen Kollisionsschutzzäunen nicht erreicht werden kann.
Hingegen bewirken die Schutzzäune eine effektive Umleitung der Kleinen Hufeisennasen, dies
kann mit den Experimenten mindestens über eine Distanz von 10 Metern belegt werden.
21
SWILD & NACHTaktiv (2007): Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen an Straßen für die Kleine Hufeisennase
4.1 Empfehlungen für die Praxis
„ Schutzzäune eignen sich nicht als Kollisionsschutz – aber als Leitstrukturen
Schutzzäune zeigen nicht die notwendige Wirkung zur Erhöhung der Flughöhe bei Querungen
der Kleinen Hufeisennase. Da die Zäune jedoch eine klare ablenkende Funktion besitzen, kann
gefolgert werden, dass bei Trassenabschnitten, die regelmäßig von Kleinen Hufeisennasen überflogen werden, Ableitungen und sichere Querungsmöglichkeiten geschaffen werden müssen.
Zwischen den Querungshilfen sollten durchgehend 4 m hohe Schutzzäune oder andere geeignete Strukturen stehen, die als Leitstrukturen wirken und die die Tiere zu den Querungshilfen
hinführen.
„ Häufigkeit von Querungshilfen unklar
Wir konnten zeigen, dass Umwege von 10-20 m Länge einem Überflug über einen 4m Schutzzaun von der Kleinen Hufeisennase bevorzugt werden. Aufgrund unserer Resultate kann jedoch
nicht abgeleitet werden, wie lange „Umleitungen“ sein dürfen, damit sie noch funktionieren, da
bei den vorliegenden Experimenten keine längeren Umwege getestet wurden.
Aufgrund der erbrachten Kenntnisse kann abgeleitet werden, dass bei Abschnitten, in denen
Überflüge erwartet werden, Querungshilfen im Abstand von 20-40 m (ergibt für auftreffende Individuen einen Umweg von 10 bis 20 m) wirkungsvoll sein sollten.
Es ist möglich, dass auch weitere Umwege toleriert werden. Dazu gibt es jedoch bisher keine
systematischen Angaben und es muss zuerst eine Nachweis erbracht werden, sei es aufgrund
von Analogie-Ableitungen durch quantitative Beobachtungen von benützten Umwegen – oder
aufgrund von Experimenten, die aufzeigen, dass längere Umwege von einer Großzahl der Tiere
toleriert werden.
4.2 Ungelöste Fragen / Forschungsbedarf
Zu folgenden anwendungsorientierten Themenbereichen fehlen Erkenntnisse, weshalb ein weiterer Forschungsbedarf besteht. Zur Lösung von Fragen in der Praxis kann es sinnvoll sein,
dass folgende Grundlagen geklärt werden:
„ Quantitative Angaben zur Länge von Umwegen, die als Flugwege von einem Grossteil der
Individuen noch akzeptiert werden (Analogie-Ableitungen oder Experimente).
„ Abklärung der Wirksamkeit von Schutzzäunen verschiedener Höhe zur Umleitung.
„ Angaben zur Wirkung von Kunstlicht zur Fernhaltung der Kleinen Hufeisennase, unter Berücksichtigung von Lichtintensität, Verzögerung und Nachhaltigkeit der Verhaltensänderung.
„ Qualitative Auswertungen von bestehenden Kreuzungsbereichen mit dem Ziel der effizienten
Gestaltung der Anschlüsse zu Querungshilfen.
22
SWILD & NACHTaktiv (2007): Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen an Straßen für die Kleine Hufeisennase
5. Literatur
BILLINGTON, G. (2001). A 66 Stainburn & Great Clifton Bypass, Cumbria. Mitigation Assessment: Scale
Beck Woodland Bat Report, July, September & October 2001. Greena Ecological Consultancy.
BILLINGTON, G. (2003): A66 Stainburn & Great Clifton Bypass, Cumbria. Mitigation Assessment: Scale
Beck Woodland Monitoring, August 2002/July 2003. Greena Ecological Consultancy.
BMS & SWILD (2004):Sonderuntersuchung zur Wochenstube der Kleinen Hufeisennase von Friedsrichswalde-Ottendorf/Sachsen. – unveröff. Gutachten im Auftrag der DEGES.
BRINKMANN, R. ET AL. (2003): Querungshilfen für Fledermäuse – Schadensbegrenzung bei der Lebensraumzerschneidung durch Verkehrsprojekte. Unpubl. Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft
Querungshilfen. [online unter www.buero-brinkmann.de]
ESTABROOK, C.B. & ESTABROOK, G.F.. 1989. Historical Methods 22:5-8.
NACHTAKTIV & SWILD (2006): S 170 OU Friedrichswalde-Ottendorf, VKE 315.Nachuntersuchung 2006
Konfliktbereich S 5 zur Sonderuntersuchung „Kleine Hufeisennase Friedrichswalde Ottendorf/Sachsen“. - Unveröffentlichter Bericht im Auftrag der DEGES.
WRAY S, REASON P, WELLS D, CRESSWELL W AND WALKER H. (2006): Design, installation, and monitoring of
safe crossing points for bats on a new highway scheme in Wales. IN: Proceedings of the 2005 International Conference on Ecology and Transportation, Eds. Irwin CL, Garrett P, McDermott KP.
Center for Transportation and the Environment, North Carolina State University, Raleigh, NC: pp.
369-379.
Dank
Wir danken Karin Wolfram und Ulrich Möller (DEGES) für die gute Zusammenarbeit im Zeitraum
der Beauftragung sowie für die kritische Begleitung der Studie.
Für vielfältige Unterstützung der Arbeiten in Thüringen danken wir Familie Christina und Christoph Heinze (Martinsroda), Herrn Hanft (Ökumenisches Hainich Klinikum, Mühlhausen), Familie
Richter (Langenorla), Dipl.-Biol. Christian Tehenes, Verein Sisiphos e. V. Pfarrkeßlar sowie
Frank Walther.
Die Koordinationsstelle für Fledermausschutz in Thüringen unterstützte die Arbeiten technisch
(Videotechnik) und bei der Erkundung geeigneter Standorte in Thüringen.
Für die Unterstützung der Arbeiten in der Schweiz danken wir dem Leiter und den Mitarbeitern
des Forstunternehmens Abächerli für die große Unterstützung und das Entgegenkommen zur
Benützung ihrer Infrastruktur, dem Landwirt Familie Abächerli für das Verständnis für die Umtriebe, dem Schlüsselverwalter des Militärpavillons Herrn Halter sowie Hansueli Alder, Fa. Batec
(Schaffhausen).
23
SWILD & NACHTaktiv (2007): Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen an Straßen für die Kleine Hufeisennase
Anhang
Angaben zu den Standorten (Vorerkundung in Sachsen und Thüringen):
1. Friedrichswalde-Ottendorf (Sachsen, Landkreis Sächsische Schweiz)
Die Kolonie vom Schloß Friedrichswalde-Ottendorf zählt aufgrund der durchgeführten Sonderuntersuchungen von 2003/04 (Telemetrie) bzw. 2006 (Untersuchung „S5“) zu den am besten bekannten Wochenstuben Mitteldeutschlands. Das Verhalten der Tiere, insbesondere in der unmittelbaren Quartiernähe, kann durch eine Vielzahl von Einzelbeobachtungen im Vergleich zu anderen Kolonien gut eingeschätzt werden.
Ein Großteil der Tiere fliegt nach dem Ausflug direkt in eine unmittelbar angrenzende große
Weide. Von dort gelangen die Tiere in guter Deckung in und entlang von Gehölzstrukturen in
ihre angestrebten Flugrichtungen. Der überwiegende Teil der Kolonie fliegt nach Südosten, in
Richtung „Cottaer Busch“ (großes Waldgebiet) ab. Diese Tiere fliegen gebündelt an der Kirchenmauer entlang. Hier können auf wenigen Metern kurz nach dem Ausflug hintereinander
über 30 bis 40 Kleine Hufeisennasen beobachtet werden. Dabei handelt es sich aber um eine
gehölzbestandene, sehr enge Stelle.
Im Anschluss verteilen sich die Tiere im so genannten „Friedhofstälchen“ in dicht aneinander
grenzende Bäume bzw. Gehölzstrukturen. Obwohl eine sehr gute „Bündelung“ (Flugstraße) zu
beobachten ist, wäre der Aufbau des Zauns räumlich hier nicht möglich gewesen. Die Lücken
(Freiflächen), die die Tiere überfliegen, sind zu schmal.
Ein anderer Teil der Kolonie überquert in Baumkronen (Linden) am Schloß die schmale Ortsstraße und fliegt durch den Siedlungsraum von Ottendorf in Richtung Bahretal. Bereits in der
Siedlung scheinen sich die Tiere zu vereinzeln, da wir sowohl auf der Ackerfläche „S5“ als auch
in der Bahreaue ganz unterschiedliche Flugwege beobachten und dokumentieren konnten (akustische Nachweise, Wärmebildaufnahmen). Auch hier ist keine geeignete Bündelung von Tieren mehr im Gelände zu beobachten
2. Cotta (Sachsen, Landkreis Sächsische Schweiz)
In Cotta, dem Nachbarort von Friedrichswalde-Ottendorf, siedelt eine weitere Kolonie Kleiner
Hufeisennasen mit 80-100 Tieren auf dem Dachboden der Schlossvilla Cotta. Da neben der
Größenordnung der Wochenstube auch das nördliche Umfeld mit seinen lückigen Heckenstrukturen und Obstbaumreihen für eine Vorerkundung in Frage kam, wurden Ende Mai 2007 (24 bis
28.5.07) an mehreren Abenden mögliche Flugwege erkundet. Während im nördlich angrenzenden Gebiet nur Einzeltiere beobachtet werden konnten, wurden an einer Gehölzstruktur, die in
den so genannten Lohmengrund leitet, 38 vorbeifliegende Kleine Hufeisennasen gezählt. Diese
Stelle liegt ca. 600 m (Luftlinie) von der Wochenstube entfernt. Die Tiere überfliegen hier niedrig
in <1,5m Höhe eine ca. 4-5 m breite Lücke über Grünland, um in die schützenden Gehölzstrukturen des Lohmengrundes zu gelangen.
An einem Abend (28.05.07) wurde diese Stelle mit einer Infrarot-SW-Kamera überwacht. Die
Beobachtung musste nach wenigen Vorbeiflügen wegen eines Gewitters abgebrochen werden.
Gegen die Durchführung des Zaunexperimentes an dieser Stelle sprach u.a. der geringe Lückenabstand.
3. Mühlhausen (Thüringen, Unstrut-Hainich-Kreis)
Im Heizhaus des Ökumenischen Hainich Klinikums von Mühlhausen-Pfafferode siedelt seit mehreren Jahren eine Wochenstube de Kleinen Hufeisennase mit 60-70 Tieren.
24
SWILD & NACHTaktiv (2007): Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen an Straßen für die Kleine Hufeisennase
Die Tierzahlen bei den jährlichen Kontrollen zum Monitoring der Kleinen Hufeisennase in Thüringen sind seit dem Beginn der Kontrollen 2004 steigend. 2006 konnten 57 adulte und 27 juvenile Tiere gezählt werden.
Damit war eine hinreichende Anzahl von Tieren für ein mögliches Zaunexperiment gegeben. Um
das Heizhaus herum befinden sich in der parkähnlichen Anlage des Klinikums genügend Möglichkeiten, an denen die Kleinen Hufeisennasen Freiflächen evtl. passieren müssten.
Am 08.05.2007 wurden das Gebäude und das Umfeld intensiver erkundet. Insgesamt befanden
sich am Hangplatz zu dieser Zeit nur 25 Tiere. Zwei weitere Tiere wurden bei der Kontrolle des
umfangreichen unterirdischen Heizungskanalsystems auf dem Gelände des Klinikums beobachtet.
Gegen 21:14 Uhr begann der Ausflug. Dabei flogen die Tiere ausschließlich aus den Fenstern
des Heizhauses. Insgesamt wurden dabei 13 Tiere beobachtet. Sie flogen auf verschiedenen
Wegen über das Dach in westl. Richtung ab und nicht in den Park des Klinikums.
Während der Ausflugbeobachtungen konnten daher keine Überflüge über Freiflächen in nähe
des Quartiers beobachtet werden. Der Standort wurde für die Durchführung des Zaunexperimentes ausgeschlossen.
4. Langenorla (Thüringen, Saale-Orla-Kreis)
Das Quartier im Dachboden des Wohnhauses der Familie Richter ist Fledermauskundlern seit
2005 bekannt und wird seit dieser Zeit bei den jährlichen Monitoringzählungen der Kleinen Hufeisennase in Thüringen erfasst. Inzwischen werden dort bis zu 121 Alttiere gezählt. Somit handelt es sich um die zweitgrößte, bekannte Wochenstube der Kleinen Hufeisennase in Thüringen.
An das Wohnhaus schließt sich nach Norden und Westen eine ausgedehnte Streuobstwiese an,
die teilweise von Schafen beweidet wird. Ein Streifen Grünland, der ebenfalls beweidet wird,
bildet die Verbindung zum nördlich gelegenen Wald. Diesen Grünlandstreifen müssten die Hufeisennasen passieren, um in den Wald zum Jagen zu gelangen. Er ist zwischen 25 und 200m
breit. An seiner größten Ausdehnung bilden einzelne Bäume und Baumgruppen evtl. Trittsteine
für Überflüge Kleiner Hufeisennasen. Die Größe der Kolonie und die Umgebung bildeten eigentlich eine gute Voraussetzung für das Zaunexperiment.
Am 11.05.2007 wurde an dem Quartier eine Ausflugszählung durchgeführt. Gegen 21:05 Uhr
begann der Ausflug. Aus der Dachbodenöffnung des Hauses flogen insgesamt 74 Tiere aus.
Die Tiere flogen von dort in die gegenüber gelegene Scheune, kreisten dort anfänglich am Fenster zur Waldseite und flogen dann in die sich unmittelbar anschließende Haselnussstrauch ein.
Von der Haselnuss aus flog ein Großteil der Tiere in westliche Richtung und entlang der folgenden Obstbäume weiter. Scheinbar verteilten sich die Tiere rasch in unterschiedliche Bäume und
Richtungen. Flüge über das breite Grünland konnten nicht beobachtet werden. Zwei Tiere wurden beim Überflug über ca. 25m offenes Grünland/ Schafweide von einem Walnussbaum in den
anschließenden Waldsaum beobachtet, die Tiere flogen weniger als 50cm über den Erdboden
im freien Gelände schnell und direkt zur Waldkante.
Da an diesem Abend nur weniger als 3% der gezählten Tiere die Freifläche an geeigneter Stelle
überflogen, wurde das Objekt für das Zaunexperiment ausgeschlossen.
5. Martinsroda (Thüringen, Saale-Holzland-Kreis)
Im ehemaligen Gutshof und Ferienheim Martinsroda wurden 2000 die ersten Kleinen Hufeisennasen im Dachboden erfasst. Von anfänglich 16 Tieren hat sich die Kolonie auf knapp 50 Tiere
in der Wochenstube entwickelt. Die Tiere nutzen sowohl den Dachboden bei milder und warmer
Witterung als auch den kühlen Keller an heißen Tagen. Das ehemalige Ferienheim gehört heute
der Familie Christoph Heinze.
25
SWILD & NACHTaktiv (2007): Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen an Straßen für die Kleine Hufeisennase
Das Gut Martinsroda liegt isoliert auf einem Höhenzug oberhalb des Saaletals (bzw. dem Seitental „Rheinstädter Grund“). Um das Gehöft befinden sich Wiesen. Verschiedene Gehölzstreifen vermitteln zum umgebenden Wald. Eine kleine mit Obstbäumen bestandene Straße verbindet das Ferienheim mit den Ortschaften Geunitz im Norden und Kleinbucha im Süden.
Die ausreichende Tierzahl und die Freiflächen (>20m) in fast alle Richtungen bildeten die Grundlage für die Auswahl des Objektes zum Zaunexperiment.
Am 16.05.2007 erfolgte in Martinsroda eine Ausflugbeobachtung. Insgesamt flogen ca. 40 Tiere
aus dem Keller des Ferienheims aus. Fast alle Tiere flogen dicht in und entlang der das Haus
umgebenen Hecken in südwestliche Richtung ab. Zwei Tiere überflogen die Wiese in nordwestliche Richtung. Kein Tier flog nach Norden zur Straße ab.
An einer Hecke am südlichen Rand des Gebäudeensembles überflogen mindestens 15 Tiere
eine Freifläche von ca. 25m um in Deckung eines großen Holzstapels zum südlich gelegenen
Waldsaum zu gelangen. Die Kleinen Hufeisennasen passierten diese Lücke in ca. 50cm Höhe
dicht über den Erdboden.
Mehr als 30% der beobachteten ausgeflogenen Kleinen Hufeisennasen nutzten den Überflug
über diese Freifläche. Die optimale Lage, die gute und unkomplizierte Beziehung zu den Eigentümern des Ferienobjektes sowie die ausreichenden Überflüge, führten zur Auswahl dieses Objektes für das Zaunexperimentes in Thüringen.
26
SWILD & NACHTaktiv (2007): Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen an Straßen für die Kleine Hufeisennase
Die drei für das Experiment gewählten Standorte im Überblick:
Wochenstube Kleinteil
(Kanton Obwalden, Schweiz)
Luftbild: Umgebung der Wochenstube Kleinteil mit untersuchter Flugrichtung (weisser Strich) der Kleinen Hufeisennasen bzw. dem Standort des Experimentes.
27
SWILD & NACHTaktiv (2007): Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen an Straßen für die Kleine Hufeisennase
Wochenstube Martinsroda
(Thüringen)
Luftbild Umgebung Wochenstube Martinsroda mit untersuchter Flugrichtung (weisser Strich) der Kleinen Hufeisennasen bzw. dem Standort des Experimentes.
28
SWILD & NACHTaktiv (2007): Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen an Straßen für die Kleine Hufeisennase
Wochenstube Giswil
(Kanton Obwalden, Schweiz)
Luftbild: Umgebung der Wochenstube Giswil mit untersuchter Flugrichtung (weisser Strich) der Kleinen Hufeisennasen bzw. dem Standort des Experimentes.
29
SWILD & NACHTaktiv (2007): Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen an Straßen für die Kleine Hufeisennase
Tab. A1: Anzahl Beobachtungsblöcke bei den drei Experimenten.
Anzahl Beobachtungsblöcke
Standort
Versuchsetappe Datum
Kleinteil
K1
15.06.2007
18.06.2007
19.06.2007
20.06.2007
27.06.2007
18.07.2007
19.07.2007
K1 Total
E1
27.06.2007
28.06.2007
29.06.2007
07.07.2007
08.07.2007
09.07.2007
10.07.2007
11.07.2007
12.07.2007
24.07.2007
25.07.2007
E1 Total
E2
13.08.2007
10.08.2007
11.08.2007
12.08.2007
23.08.2007
24.08.2007
25.08.2007
26.08.2007
E2 Total
K2
K2 Total
Total
13.08.2007
14.08.2007
18.08.2007
19.08.2007
20.08.2007
01.09.2007
02.09.2007
Martinsroda Giswil
1
2
3
Total
1
1
1
1
1
2
1
1
3
6
1
2
1
1
1
1
2
1
1
2
1
3
1
1
1
1
4
4
7
1
1
2
1
1
2
2
4
6
1
2
1
2
3
2
1
1
2
12
1
2
1
1
1
1
2
1
1
2
1
14
2
1
3
4
1
1
1
1
14
1
1
2
3
4
1
2
1
2
1
1
1
9
12
14
23
49
1
2
1
30
SWILD & NACHTaktiv (2007): Experimente zur Wirksamkeit von Schutzzäunen an Straßen für die Kleine Hufeisennase
Tab. A2: Anzahl Durchflüge bei den drei Experimenten.
Anzahl Durchflüge
Versuchsetappe
K1
Datum
15.06.2007
18.06.2007
19.06.2007
20.06.2007
27.06.2007
18.07.2007
19.07.2007
Block
Abend
Abend
Morgen
Abend
Morgen
Morgen
Abend
Morgen
Abend
K1 Total
E1
27.06.2007 Abend
28.06.2007 Morgen
Abend
29.06.2007 Morgen
07.07.2007 Abend
08.07.2007 Morgen
09.07.2007 Abend
10.07.2007 Morgen
Abend
11.07.2007 Morgen
12.07.2007 Abend
24.07.2007 Morgen
Abend
25.07.2007 Morgen
E1 Total
E2
10.08.2007 Abend
11.08.2007 Morgen
Abend
12.08.2007 Morgen
Abend
13.08.2007 Morgen
23.08.2007 Abend
24.08.2007 Morgen
25.08.2007 Abend
26.08.2007 Morgen
E2 Total
K2
K2 Total
Total
13.08.2007 Abend
14.08.2007 Morgen
Abend
18.08.2007 Abend
19.08.2007 Morgen
Abend
20.08.2007 Morgen
01.09.2007 Abend
02.09.2007 Morgen
Standort
Kleinteil
Martinsroda Giswil
13
10
21
24
101
25
150
44
Total
9
7
4
8
2
3
33
24
2
29
23
11
9
26
12
8
26
6
126
14
166
306
90
123
107
113
433
72
104
18
18
28
32
3
73
22
7
5
5
96
115
31
35
28
9
20
4
18
23
3
24
101
25
227
24
2
29
23
11
9
26
12
8
26
6
126
14
166
482
3
73
40
25
33
37
90
123
107
113
644
49
48
97
94
17
31
35
28
3
5
5
4
49
48
208
986
306
269
1561
3
5
5
4
31
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