730_775_BIOsp_0707.qxd:730_775 07.11.2007 14:12 Uhr Seite 751 751 Singulett-Sauerstoff Photodynamische Inaktivierung von Bakterien TIM MAISCH KLINIK UND POLIKLINIK FÜR DERMATOLOGIE DER UNIVERSITÄT REGENSBURG Die zunehmende weltweite Antibiotika-Resistenz bei der Behandlung von bakteriellen Infektionen macht alternative Verfahren notwendig. Die Grundlage eines dieser neuen Verfahren ist die photodynamische Inaktivierung von Bakterien durch reaktive Sauerstoffspezies, vor allem Singulett-Sauerstoff. ó Grundlage der photodynamischen Inaktivierung von Bakterien ist die Generierung von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) durch einen in Bakterien lokalisierten Photosensibilisator (PS), der durch Licht entsprechender Wellenlänge angeregt wird, in Anwesenheit von Sauerstoff (Abb. 1). Dabei kann man zwischen zwei photooxidativen Prozessen unterscheiden[1]: Bei der Typ-I-Reaktion entstehen Radikale, die mit Sauerstoff reagieren und Oxidationsprodukte bilden. Die Richtung des Elektronentransfers wird durch das Redoxpotenzial zwischen PS und Substrat bestimmt. Bei der Typ-II-Reaktion erfolgt der Energieübertrag des angeregten PS direkt auf Sauerstoff. Dabei entsteht der hochreaktive Singulett-Sauerstoff (1O2), der mit entsprechenden Zielstrukturen in seiner nächsten Umgebung reagiert. Bei beiden Reaktionen steht die Photooxidation von Biomolekülen, die sich in direkter Nachbarschaft zu den ROS befinden, im Vordergrund. Die Typ-II-Reaktion und damit der 1O2-Sauerstoff spielt die entscheidende Rolle bei der photodynami- ˚ Abb. 1: Energieschema zur Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies. Nach Lichtabsorption gelangt der Photosensibilisator (PS) von einem Grundzustand S0 in einen angeregten SingulettZustand S1. Der angeregte S1-Zustand kann die Energie als Wärme und als Fluoreszenz wieder abgeben. Zusätzlich ist die Relaxation in einen Triplett-Zustand (T1) möglich. Bei der Typ-I-Reaktion kommt es zu einem Ladungstransfer zwischen einem angeregten PS im T1-Zustand und einem Substratmolekül, wobei ein Elektron oder ein Wasserstoffatom übertragen wird. Es entstehen Superoxidanionen-Radikale (O2.-) oder Hydroxylradikale (OH.). Bei der Typ-II-Reaktion findet ein direkter Energieübertrag vom angeregten PS auf Sauerstoff statt. Dies führt zur Relaxation des PS, aber auch zur elektronischen Sauerstoff-Anregung im Grundzustand (O2(3∑g-), TriplettZustand) in den niedrigsten Singulett-1Δg-Zustand. Dieser sehr reaktive Singulett-1Δg-Zustand wird auch als 1O2-Sauerstoff bezeichnet. BIOspektrum | 07.07 | 13. Jahrgang 730_775_BIOsp_0707.qxd:730_775 752 07.11.2007 14:12 Uhr Seite 752 MET H ODE N & AN WE N DU NGEN ˚ Abb. 3: Lumineszenznachweis von 1O2Sauerstoff. A, Lumineszenzsignal bei verschiedenen Wellenlängen mit Intensitätsspitze bei 1270 nm. B, typische Abklingrate von 1O2-Sauerstoff innerhalb von Bakterien nach Inkubation mit PS und Bestrahlung. ˚ Abb. 2: Experimenteller Aufbau. Bakterien (S. aureus) werden mit PS (Photofrin) inkubiert, in eine Küvette gefüllt und mit Laserlicht bestrahlt (532 nm, Ring). Detektion von 1O2 erfolgt mit einem Photomultiplier und entsprechender Computerauswertung. schen Inaktivierung von Bakterien. So können verschiedene positiv geladene PS aus der chemischen Gruppe der Phenothiazine, Phthalozyanine oder Porphyrine erfolgreich zur Inaktivierung sowohl von multi-resistenten Gram-positiven als auch Gram-negativen Bakterien eingesetzt werden (Tab. 1)[2, 3]. Nachweis von 1O2-Sauerstoff Zum Nachweis von 1O2-Sauerstoff kann entweder der strahlungslose Übergang (indirekter Nachweis) oder der strahlende Übergang (direkter Nachweis) bei der Rückkehr in den Grundzustand verwendet werden. Der indirekte Nachweis verwendet „Quencher“, die chemisch und photophysikalisch durch 1O2Sauerstoff auf eine möglichst eindeutige Weise verändert werden. Der größte Nachteil der indirekten Nachweisverfahren besteht darin, dass sie nur dann erfolgreich sein können, wenn die Quencher rechtzeitig an den Ort der Entstehung des 1O2-Sauerstoffs gelangen. Beim direkten Nachweis wird der Übergang von 1O2-Sauerstoff in seinen Grundzustand unter Abgabe eines Lumineszenzphotons mit einer Wellenlänge von 1270 nm gemessen (Abb. 1, 2). Das Signal wird in der Regel mittels Einzelphotonenzählung bei 1270 nm detektiert (Abb. 2). Auf diese Weise wurde die Bildung von 1O2-Sauerstoff in mit Bengalrosa inkubierten Keratinozyten[4] oder bei der photodynamischen Inaktivierung von Bakterien nach Bestrahlung mit sichtbarem Licht detektiert[5] (Abb. 3). Die zeitaufgelös- te Messung der Lumineszenz erlaubt die Bestimmung der Abklingdauer von 1O2-Sauerstoff. So konnte die Abklingdauer von 1O2Sauerstoff in Wasser von 3,5 μs, in wässrigen Lipidsuspensionen des Phosphatidylcholins von 10 μs, in reinem Phosphatidylcholin von 14 μs, in Zellen von 9 μs und in Bakterien von 6 μs bestimmt werden[5, 6]. In Zellen und Bakterien ergeben sich unterschiedliche Zeiten, je nach der subzellulären Lokalisation des jeweiligen Photosensibilisators[6]. Einfluss von 1O2 und der Sauerstoffkonzentration Die Effizienz der 1O2-Sauerstoffbildung ist stark vom vorherrschenden Sauerstoffpartialdruck abhängig. Somit führt die Erzeugung Photoreaktive Substanzen: kationische Phenothiazine, Phthalocyanine, Porphyrin-Derivate Parameter Bedingungen Anmerkung geeignet für Klinische Anwendung PS-Konzentrationen / Inkubationszeiten 0,1–5 μM 5–30 min • mehrmals wiederholbar • bisher keine Resistenzen beobachtet ✓ Applizierte Lichtdosis < 20 J/cm2 • Bestrahlung dauert wenige Minuten ✓ Applikationsform topisch • Pharmakokinetik der Salbengrundlage entscheidend ✓ Toxizität > 99,999 % • Reduktion der Koloniebildenden Einheiten [KBE/ml] • vergleichbar mit der Effektivität eines Desinfektionsmittels • Nosokomiale Dekolonisierung von MRSA • Wundinfektionen • Aknebehandlung Tab. 1: Übersicht Photodynamische Inaktivierung von Bakterien BIOspektrum | 07.07 | 13. Jahrgang 730_775_BIOsp_0707.qxd:730_775 07.11.2007 14:12 Uhr Seite 753 753 von 1O2-Sauerstoff und die nachfolgende oxidative Schädigung der Bakterien lokal zu einem Sauerstoffverbrauch (1O2-SauerstoffErzeugung = Sauerstoffverbrauch durch Oxidationsvorgänge). Die 1O2-Erzeugung ist ein selbstlimitierender Prozess, da Sauerstoff durch oxidative Prozesse mit dem Ziel der Inaktivierung von Pathogenen verbraucht wird (Abb. 4). Unserer Arbeitsgruppe ist es gelungen, das Ratenverhältnis der 1O2-Sauerstoff-Lumineszenz als Indikator für den aktuellen Sauerstoffpartialdruck innerhalb lebender Bakterien einzusetzen. Denn die entstehende Lumineszenz-Leistung bei 1270 nm wird als proportional zur momentanen 1O2-SauerstoffKonzentration angenommen[5]. Dies ist von besonderer Bedeutung, um eine Abschätzung der lokalen Sauerstoffkonzentration bei der Generierung von 1O2-Sauerstoff direkt innerhalb von Bakterien zu erhalten (viele Bakterien : wenig/viel Sauerstoff vs. wenige Bakterien : wenig/viel Sauerstoff). Diese Erkenntnisse sind wichtig, um eine erfolgreiche Inaktivierung von Bakterien zu erzielen. Denn bei bakteriellen Infektionen liegen die Keime als Agglomerate/Biofilme unterschiedlicher Konzentrationen vor und sind auch einem unterschiedlichen Sauerstoffpartialdruck ausgesetzt, der die Generierung von 1O2-Sauerstoff und somit auch das Ausmaß der oxidativen Schädigung (Inaktivierung von Bakterien) beeinflussen kann (Abb. 5). So konnte in Abhängigkeit von der Bakteriendichte eine effiziente Reduktion der Keimzahl nicht erreicht werden, was auf eine unzureichende Sauerstoffversorgung oder zu geringe Bildung von 1O2-Sauerstoff zurückzuführen ist[5, 7]. Daher könnte eine fraktionierte Bestrahlung eine effizientere Reduktion der Keimzahl bewirken, da in den Bestrahlungspausen der Sauerstoffverbrauch wieder kompensiert werden könnte und somit eine optimale Generierung von 1O2-Sauerstoff gewährleistet ist. ó ˚ Abb. 4: Messung des Sauerstoffgehaltes in Bakterienlösung. Der Sauerstoffverbrauch wurde vor, während und nach der Bestrahlung bei unterschiedlichen Bakterienkonzentrationen gemessen. Die geraden Linien zeigen den Sauerstoffverbrauch nach Ausschalten des Laserlichts, nach Detektion der 1O2-Lumineszenz (graue Säule), die gestrichelten Linien zeigen den zunehmenden Sauerstoffverbrauch in Abhängigkeit von der Bakterienkonzentration bei kontinuierlicher Bestrahlung (blau: einzelne Bakterien, rot: Agglomerate). ˚ Abb. 5: Abklingrate der Lumineszenzsignale von 1O2-Sauerstoff. Die Abklingraten der Lumineszenzsignale von 1O2-Sauerstoff sind abhängig von der Bakterienkonzentration. Der Nachweis der Lumineszenz von 1O2-Sauerstoff kann als Sensor zur intrazellulären Sauerstoffkonzentration verwendet werden. Dies ist wichtig, da der Sauerstoffgehalt ein essenzieller Faktor ist, der die Effizienz der antibakteriellen photodynamischen Therapie maßgeblich beeinflusst, vor allem, wenn Bakterien als Biofilm ohne ausreichende Sauerstoffversorgung wachsen. Literatur [1] Aveline, B. M. (2001): Primary processes in photosensitization mechanisms. Comprehensive Series in Photoscience. 1 ed. Vol. 2, 17–34. [2] Hamblin, M. R., Hasan, T. (2004): Photodynamic therapy: a new antimicrobial approach to infectious disease? Photochem. Photobiol. Sci. 3: 436–450. [3] Maisch, T., Szeimies, R. M., Jori, G., Abels, C. (2004): Antibacterial photodynamic therapy in dermatology. Photochem. Photobiol. Sci. 3: 907–917. [4] Bilski, P., Kukielczak, B. M., Chignell, C. F. (1998): Photoproduction and direct spectral detection of singlet molecular oxygen (1O2) in keratinocytes stained with rose bengal. Photochem. Photobiol. 68: 675–678. BIOspektrum | 07.07 | 13. Jahrgang [5] Maisch, T., Baier, J., Franz, B., Maier, M., Landthaler, M., Szeimies, R. M., Bäumler, W. (2007): The role of singlet oxygen and oxygen concentration in photodynamic inactivation of bacteria. PNAS 104: 7223–7228. [6] Baier, J., Maier, M., Engl, R., Landthaler, M., Bäumler, W. (2005): Time-resolved investigations of singlet oxygen luminescence in water, in phosphatidylcholine, and in aqueous suspensions of phosphatidylcholine or HT29 cells. J. Phys. Chem. B 109: 3041–3046. [7] Demidova, T. N., Hamblin, M. R. (2005): Effect of cellphotosensitizer binding and cell density on microbial photoinactivation. Antimicrob. Agents Chemother. 49: 2329–2335. Korrespondenzadresse: Dr. rer. nat. Tim Maisch Klinik und Poliklinik für Dermatologie Universität Regensburg Franz-Josef-Strauss-Allee 11 D-93053 Regensburg Tel.: 0941-944 8944 Fax: 0941-944 8943 [email protected] burg.de