Zuverlässigkeit der Magnetresonanztomografie für das

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Fakultät für Medizin
Technische Universität München
Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie
Klinikum rechts der Isar
(Direktor: Univ.-Prof. Dr. E. J. Rummeny)
Zuverlässigkeit der Magnetresonanztomografie für das lokale
Staging von Weichteilsarkomen:
Retrospektive Analyse von 174 Fällen
Jennifer-Verena Emanuela Regler
Vollständiger Abdruck der von der Fakultät für Medizin der Technischen Universität
München zur Erlangung des akademischen Grades eines
Doktors der Medizin
genehmigten Dissertation.
Vorsitzender:
Univ.-Prof. Dr. E. J. Rummeny
Prüfer der Dissertation:
1. apl. Prof. Dr. K. Wörtler
2. Univ.-Prof. Dr. von Eisenhart-Rothe
3. Priv.-Doz. Dr. K. Holzapfel
Die Dissertation wurde am 10.09.2014 bei der Technischen Universität München
eingereicht und durch die Fakultät für Medizin am 15.09.2015 angenommen.
Gewidmet meiner Familie
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
III
Abkürzungsverzeichnis
V
Einleitung
1
Grundlagen der Weichteilsarkome
4
2.1
Definition
4
2.2
Epidemiologie
6
2.3
Ätiologie
6
2.4
Klinik
7
2.5
Diagnostik und Staging
8
MRT-Bildgebung
8
MR-Untersuchungstechnik
8
MR-Staging
10
Biopsie
11
Grading
12
Staging
13
2.6
Therapie
17
2.7
Prognose
19
Material und Methoden
21
3.1
Patientenkollektiv
21
3.2
Datenerhebung
21
3.3
MRT
22
3.4
Durchführung der MRT-Untersuchung
22
Radiologische Analyse
23
Statistische Auswertung
25
Ergebnisse
29
4.1
Alters- und Geschlechtsverteilung
29
4.2
Klinische Daten zur Tumorlokalisation und Operationsart
29
4.3
Histologische Daten zur Tumorentität und zum Differenzierungsgrad
30
4.4
Radiologische Daten zur MRT-Bildqualität
32
4.5
Radiologische und histopathologische Analyse
32
Tumorgröße
32
III
Inhaltsverzeichnis
Interreader Agreement
32
Vergleich der histologischen und radiologischen Ergebnisse
33
T-Staging nach AJCC/UICC
35
Interreader Agreement
35
Vergleich der histologischen und radiologischen Ergebnisse
36
T-Staging nach Enneking
38
Interreader Agreement
38
Infiltration von Knochen und Gelenken
Interreader Agreement
40
40
Vergleich der histologischen/intraoperativen und radiologischen
Ergebnisse
41
Neurovaskuläres Encasement
44
Interreader Agreement
44
Vergleich der histologischen/intraoperativen und radiologischen
Ergebnisse
47
ROC-Analyse
56
Zusammenhang zwischen Tumoreigenschaften und neurovaskulärer
Infiltration
59
Tumorlokalisation, histologischer Subtyp, Differenzierungsgrad
59
Tumorgröße und T-Stadium nach Enneking
61
Diskussion
62
5.1
Klinische Manifestation und Therapie der Weichteilsarkome
62
5.2
Lokales Staging der Weichteilsarkome
63
Nach AJCC/UICC und Enneking
64
Ossäre und artikuläre Tumorinvasion
65
Neurovaskuläre Tumorinvasion
70
5.3
Interreader Agreement
78
5.4
Schlussfolgerung
79
Zusammenfassung
81
Anhang
83
Literaturverzeichnis
84
Lebenslauf
91
Danksagung
92
IV
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
A.
Arteria
AJCC
American Joint Commitee on Cancer
AUC
Area under the curve
Chi2-Test
Chi-Quadrat-Test
cm
Zentimeter
CT
Computertomografie
FNCLCC
Fédération Nationale des Centres de Lutte contre le Cancer
fs
fettgesättigt
G
Grad
GWS
Gewebeschicht
HPF
Hauptgesichtsfeld
κ
Korrelationskoeffizient Kappa
kg
Kilogramm
KG
Körpergewicht
95%-KI
95%-Konfidenzintervall
LWK
Lendenwirbelkörper
M.
Musculus
max.
maximal
MFH
Malignes fibröses Histiozytom
mm
Millimeter
mmol
Millimol
MPNST
Maligner peripherer Nervenscheidentumor
MRA
Magnetresonanzangiografie
MRT
Magnetresonanztomografie
ms
Millisekunde
MSTS
Musculoskeletal Tumor Society
n
Anzahl
N.
Nervus
NCI
National Cancer Institute
NOS
Not otherwise specified
NPV
Negativ prädiktiver Wert
OSG
Oberes Sprunggelenk
p
Pathologie (als Goldstandard)
PACS
Picture Archiving and Communication System
PEComa
Neoplasien mit perivaskulärer epitheloider Zelldifferenzierung
V
Abkürzungsverzeichnis
PHAT
Pleomorpher hyalinisierender angioektatischer Tumor
PNET
Primitiver neuroektodermaler Tumor
PPV
Positiv prädiktiver Wert
r
Korrelationskoeffizient nach Pearson
R1
Reader 1
R2
Reader 2
ROC
Receiver Operating Characteristic
rs
Korrelationskoeffizient nach Spearman
s
Standardabweichung
SD
Schichtdicke
SE
Spin-Echo
SEER
Surveillance, Epidemiology, and End Results
STIR
Short-Tau-Inversion-Recovery
T1w
T1-gewichtet
T2w
T2-gewichtet
TCDD
2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxin
TE
Echozeit
TI
Inversionszeit
TNM
T = Tumor, N = regionäre Lymphknoten, M = Metastasen
TR
Repetitionszeit
TSE
Turbo-Spin-Echo
TU München
Technische Universität München
UICC
Union internationale contre le cancer
V.
Vena
WHO
World Health Organization
VI
Einleitung
Einleitung
Weichteilsarkome umfassen maligne Neoplasien des nicht-epithelialen extraskelettalen Gewebes eingeschlossen der Muskulatur, des Fettgewebes, des Bindegewebes sowie der das
Gewebe versorgenden Gefäße. Auch Tumoren des peripheren Nervensystems werden auf
Grund ihrer ähnlichen Diagnostik und Therapie dazu gezählt (Weiss and Goldblum, 2008).
Mit einer jährlichen klinischen Inzidenz von 3/100.000 sind sie 100 Mal seltener als benigne
Weichteiltumoren und machen circa 1% aller malignen Tumoren aus (Kransdorf and
Murphey, 2000, Fletcher et al., 2002, Mettlin et al., 1982, Enzinger and Weiss, 1995).
Auch wenn Weichteilsarkome im gesamten Körper entstehen können, bilden sie sich am
häufigsten in den Extremitäten, im Schulter- und Beckengürtel oder im Abdomen, seltener im
Rumpf, Kopf oder Nacken. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 65 Jahren. Die 5-JahresÜberlebensrate beträgt inzwischen 65-75% (Clark et al., 2005, Fletcher et al., 2002, Singer
et al., 2000).
Nachdem es lange Zeit kein einheitliches Klassifikationssystem für Weichteiltumoren gegeben hat, veröffentlichte die World Health Organization (WHO) 2002 eine Klassifikation, in der
mehr als 50 Entitäten zusammengefasst werden, die sich hinsichtlich klinischer und therapeutischer Maßnahmen sowie prognostisch deutlich unterscheiden (Fletcher et al., 2002,
Clark et al., 2005, Jones et al., 2012). Elf Jahre später aktualisierte die WHO im Jahr 2013
die bis dahin gültige Klassifikation, wobei sie diese im Wesentlichen um zusätzliche Subgruppen ergänzte (Fletcher, 2014, Fletcher et al., 2013).
Neben der histopathologischen Klassifizierung haben das Grading und das Staging der
Weichteilsarkome einen bedeutenden Einfluss auf die Prognose. Während beim Grading der
Grad der Malignität des Tumors bestimmt wird, gibt das Staging Informationen über die Tumorgröße, die Tumorlage (oberflächlich vs. tief bezüglich der Muskelfaszie), den Tumorkontakt zu benachbarten Strukturen sowie über lokoregionäre Lymphknoten- und Fernmetastasen (Weiss and Goldblum, 2008, Panicek et al., 1997c, Enneking et al., 1980a). Beim lokalen
Staging maligner Weichteiltumoren, auch T-Staging genannt, haben sich inzwischen zwei
Systeme durchgesetzt: das Staging-System des American Joint Commitee on Cancer
(AJCC), welches auf der Tumor-Node-Metastasis (TNM)-Klassifikation beruht und durch die
europäische Union internationale contre le cancer (UICC) übernommen wurde, sowie das
Staging-System der Musculoskeletal Tumor Society (MSTS), auch bekannt als EnnekingSystem (Peabody et al., 1998, Edge et al., 2010).
Die Therapie der Wahl bei Weichteilsarkomen ist heute die weite oder radikale Resektion des
Tumors, oft in Kombination mit einer (neo-)adjuvanten Chemo- oder Radiotherapie. Auf
Grund vergleichbarer Mortalitätsraten wird bei Weichteilsarkomen der Extremitäten zumeist
eine extremitäten- und somit funktionserhaltende Therapie einer Amputation vorgezogen
1
Einleitung
(Enneking et al., 1980a, Elias et al., 2003, Bloem et al., 1997, Bell et al., 1989, Rosenberg et
al., 1982).
Für eine erfolgreiche Operationsplanung ist das exakte Erfassen der lokalen Tumorausdehnung in Muskulatur, Knochen und Gelenke sowie die Beurteilung der Lagebeziehung zu Gefäßen und Nerven erforderlich, um trotz ausreichend radikaler Resektion die Funktion weitgehend zu erhalten. Die am besten geeignete bildgebende Methode zum lokalen Staging
von Weichteilsarkomen ist nach heutigem Standard die Magnetresonanztomografie (MRT)
(Panicek et al., 1997a, Demas et al., 1988, Schepper et al., 2006) .
In der Vergangenheit wurden verschiedene Studien zum präoperativen Staging von Weichteil- oder Knochensarkomen mittels MRT-Bildgebung publiziert (Feydy et al., 2006, Elias et
al., 2003, van Trommel et al., 1997, Schima et al., 1994, Demas et al., 1988, Panicek et al.,
1997a, Bloem et al., 1988, Pettersson et al., 1987). In nahezu allen Studien wurde eine relativ
geringe Anzahl von Patienten untersucht, wobei sich Knochen, Gelenke, Gefäße oder Nerven angesichts des kleinen Patientenkollektivs und der niedrigen Inzidenz von Weichteilsarkomen eher selten als infiltriert herausstellten.
Dennoch zeigten sich bereits in diesen Studien hohe Sensitivitäten und Spezifitäten, auch
wenn bis heute noch keine eindeutigen Kriterien für die MR-tomografische Diagnostik einer
neurovaskulären Tumorinvasion definiert worden sind. In den meisten Studien galten Gefäße
und Nerven zweifelsfrei als nicht infiltriert, wenn sie durch eine interponierte Gewebeschicht
vom Tumor getrennt wurden, wohingegen eine vollständige neurovaskuläre Tumorumscheidung als Infiltration gewertet wurde (Bloem et al., 1988, Seeger et al., 1991, Robinson et al.,
2008, Feydy et al., 2006). Eine Grauzone stellte dagegen ein direkter Tumorkontakt zum
Gefäß-/Nervenbündel ohne interponierte Gewebeschicht dazwischen sowie eine unvollständige Ummauerung von Gefäßen und Nerven dar (Panicek et al., 1997a, Demas et al., 1988,
Saifuddin, 2002, Feydy et al., 2006). Allein Panicek et al. definierten einen Tumorkontakt zum
Gefäß-/Nervenbündel über die Hälfte seines Umfangs (> 180°) als Grenzwert für eine Infiltration (Panicek et al., 1997b).
Andere Aspekte, die bei der MR-tomografischen Beurteilung von Weichteilsarkomen durchaus eine Rolle spielen, wurden in den vergangenen Studien dagegen kaum oder gar nicht
berücksichtigt. So gibt es nur wenige Arbeiten, die sich mit der Genauigkeit der MRT bei der
Bestimmung der Tumorgröße und der Lagebeziehung zwischen Tumor und Faszie (TStaging nach TNM) beschäftigt haben (Panicek et al., 1997a, Demas et al., 1988). Noch gar
nicht überprüft wurde die Zuverlässigkeit der MR-Bildgebung beim T-Staging nach Enneking.
Unserem Wissen nach war dies zudem die erste Studie, die das Interreader Agreement und
somit die Reproduzierbarkeit des präoperativen MR-Stagings von Weichteilsarkomen untersucht hat.
2
Einleitung
Zu beachten ist außerdem, dass die Mehrzahl der genannten Studien bereits vor mehr als
zehn Jahren veröffentlicht worden ist. Auch deshalb war uns eine aktuelle Evaluation des
präoperativen MR-Stagings von Weichteilsarkomen besonders wichtig, wobei die wesentlichen Ziele waren:
1. Überprüfung der Genauigkeit des präoperativen MR-Stagings von Weichteilsarkomen bezüglich Tumorgröße, T-Staging nach TNM- und Enneking-Klassifikation.
2. Beurteilung der Zuverlässigkeit der MRT-Bildgebung hinsichtlich der Detektion einer
knöchernen, artikulären und neurovaskulären Tumorinvasion und Definition eines
Cut-Off-Werts, ab dem ein MR-tomografisch beobachteter neurovaskulärer Tumorkontakt sehr wahrscheinlich mit einer Gefäß-/Nerveninfiltration korreliert.
3. Bestimmung des Interreader Agreements zur Überprüfung der allgemeinen Reproduzierbarkeit des präoperativen MR-Stagings von Weichteilsarkomen.
4. Untersuchung eines möglichen Zusammenhangs zwischen dem Befall neurovaskulärer Strukturen und definierten Tumoreigenschaften.
3
Grundlagen der Weichteilsarkome
Grundlagen der Weichteilsarkome
2.1
Definition
Weichteiltumoren stellen eine heterogene Gruppe von Tumoren dar, deren Klassifikation sich
nach dem Gewebe richtet, dem sie am ähnlichsten sind. Weichgewebe ist in diesem Zusammenhang nicht-epitheliales extraskelettales Gewebe wie z.B. Skelettmuskulatur, Fettgewebe, Bindegewebe, die das Gewebe versorgenden Gefäße sowie Strukturen des peripheren
Nervensystems. Embryologisch stammt es hauptsächlich vom Mesoderm ab, mit Ausnahme
einzelner Strukturen, die sich aus dem Neuroektoderm entwickelt haben (Weiss and
Goldblum, 2008, Kransdorf and Murphey, 2000).
Zu den Weichteiltumoren gehören neben benignen und malignen Neoplasien auch tumorähnliche, d.h. gutartige nicht-neoplastische Läsionen (Campanacci, 1999, Enzinger and
Weiss, 1995). Manchmal kann es sich als schwierig erweisen einen Tumor eindeutig als benigne oder maligne einzustufen. In solchen Fällen spricht man auch häufig von atypischen
Tumoren. Ein atypischer lipomatöser Tumor ist demnach ein gut differenziertes Liposarkom,
das vom biologischen Verhalten her in eine intermediäre Kategorie, zwischen gutartig und
bösartig einzuordnen ist (Angervall and Kindblom, 1993). Die von der WHO als intermediär
eingestuften Läsionen verhalten sich typischerweise lokal aggressiv und neigen zu Rezidiven, metastasieren jedoch sehr selten.
Im Jahr 2013 veröffentlichte die WHO eine aktualisierte Klassifikation von Weichteiltumoren.
Wie in Tabelle 1 zu sehen ist, besteht diese aus mehreren histologischen Kategorien, die
wiederum in benigne, intermediäre und maligne Gruppen unterteilt werden. Dabei werden
allein bei den Weichteilsarkomen ungefähr 30 Subtypen voneinander unterschieden
(Fletcher et al., 2002, Fletcher et al., 2013).
4
Grundlagen der Weichteilsarkome
EINTEILUNG
LIPOMATÖSE TUMOREN
Benigne
Lipom/Lipomatose und Varianten
Intermediär (lokal aggressiv)
Atypischer lipomatöser Tumor
Maligne*
Dedifferenziertes Liposarkom
Myxoides Liposarkom
Pleomorphes Liposarkom
Liposarkom (not otherwise specified)
(MYO-)FIBROBLASTISCHE TUMOREN
Benigne
Noduläre Fasziitis und Varianten
Proliferative Myositis und Varianten
Fibroossärer Pseudotumor der Finger
Fibröses Hamartom der Kindheit
Fibromatose (Subtypen)
Kalzifizierender fibröser Tumor
Intermediär (lokal aggressiv)
Palmare/plantare Fibromatose
Desmoidfibromatose
Lipofibromatose
Riesenzellfibroblastom
Intermediär (selten metastasierend)
Dermatofibrosarcoma protuberans
Solitärer fibröser Tumor
Inflammatorischer myofibroblastischer Tumor
Low-grade myofibroblastisches Sarkom
Myxoinflammatorisches fibroblastisches Sarkom
Infantiles Fibrosarkom
Maligne
Adultes Fibrosarkom
Myxofibrosarkom
Low-grade fibromyxoides Sarkom
Sklerosierendes epitheloides Fibrosarkom
FIBROHISTIOZYTISCHE TUMOREN**
Benigne
Riesenzelltumor der Sehnenscheiden
Tiefes benignes fibröses Histiozytom
Intermediär (selten metastasierend)
Plexiformer fibrohistiozytischer Tumor
Riesenzelltumor der Weichteile
NERVENSCHEIDENTUMOREN
Benigne
Schwannom und Varianten
Neurofibrom und Varianten
Perineuriom und Varianten
Neurom und Varianten
Maligne
Maligner peripherer Nervenscheidentumor
TUMOREN GLATTER MUSKELN
Benigne
Tiefes Leiomyom
Maligne
Leiomyosarkom (Haut ausgeschlossen)
EINTEILUNG
PERIZYTISCHE/PERIVASKULÄRE TUMOREN
Glomustumor und Varianten
Myoperizytom (inkl. Myofibrom/Myofibromatose)
Angioleiomyom
SKELETTMUSKEL-TUMOREN
Benigne
Rhabdomyom und Varianten
Maligne
Rhabdomyosarkom (Subtypen)
VASKULÄRE TUMOREN
Benigne
Hämangiom und Varianten
Angiomatose
Lymphangiom
Intermediär (lokal aggressiv)
Kaposiformes Hämangioendotheliom
Intermediär (selten metastasierend)
Hämangioendotheliom und Varianten
Kaposi-Sarkom
Maligne
Epitheloides Hämangioendotheliom
Angiosarkom der Weichteile
CHONDRO-OSSÄRE TUMOREN
Chondrom der Weichteile
Mesenchymales Chondrosarkom (extraskelettal)
Extraskelettales Osteosarkom
GASTROINTESTINALE STROMATUMOREN
UNGEWISS DIFFERENZIERTE TUMOREN
Benigne
Myxom und Varianten
PHAT
Ektopes hamartomatöses Thymom
Intermediär (lokal aggressiv)
Hämosiderotischer fibrolipomatöser Tumor
Intermediär (selten metastasierend)
Atypisches Fibroxanthom
Angiomatoides fibröses Histiozytom
Ossifizierender fibromyxoider Tumor
Gemischter Tumor (not otherwise specified)
Myoepitheliom/Myoepitheliales Karzinom
Phosphaturetischer mesenchymaler Tumor
Maligne
Synovialsarkom (not otherwise specified)
Epitheloides Sarkom
Alveoläres Weichteilsarkom
Klarzellsarkom der Weichteile
Extraskelettales myxoides Chondrosarkom
Extraskelettales Ewing-Sarkom***
Desmoplastischer kleinrundzelliger Tumor
Extrarenaler Rhabdoidtumor
PEComa
Intimales Sarkom
UNDIFFERENZIERTE SARKOME
Undifferenziertes pleomorphes Sarkom und
Varianten
Tabelle 1: WHO-Klassifikation der Weichteiltumoren 2013 nach Fletcher et al. (Fletcher et al.,
2002, Fletcher et al., 2013); vereinfacht
* inkl. Mischtyp Liposarkom (nach 2002), ** inkl. MFH (= malignes fibröses Histiozytom, nach 2002),
*** /PNET (= primitiver neuroektodermaler Tumor, nach 2002), PHAT = pleomorpher hyalinisierender
angioektatischer Tumor, PEComa = Neoplasien mit perivaskulärer epitheloider Zelldifferenzierung
5
Grundlagen der Weichteilsarkome
2.2
Epidemiologie
Weichteilsarkome machen nur 1% aller bösartigen Tumoren aus. Sie kommen, verglichen
mit benignen Weichteiltumoren, 100 Mal seltener in der Bevölkerung vor und sind dabei
dennoch doppelt so häufig wie Knochensarkome. Die jährliche Inzidenz liegt bei 3/100.000,
wobei sie je nach Altersgruppe und histologischem Subtyp unterschiedlich ausfällt
(Campanacci, 1999, Enzinger and Weiss, 1995, Kransdorf and Murphey, 2000, Mettlin et al.,
1982). In einer Studie über die Epidemiologie von Weichteilsarkomen des Bewegungsapparats betrug die jährliche Inzidenz altersunabhängig z.B. 1,4/100.000, während sie bei allen
80-jährigen und älteren Patienten auf 8/100.000 anstieg (Rydholm et al., 1984, Enzinger and
Weiss, 1995). Während die meisten malignen Weichteiltumoren wie z.B. das undifferenzierte
pleomorphe Sarkom (früher auch als MFH bezeichnet) primär im höheren Erwachsenenalter
auftreten, befällt das Rhabdomyosarkom hauptsächlich Kinder und Jugendliche (Kransdorf,
1995, Weiss and Goldblum, 2008). Campanacci verglich in seiner Untersuchungsserie die
Inzidenzen der verschiedenen Tumorentitäten miteinander und stellte dabei fest, dass sich
die Mehrheit der untersuchten Weichteilsarkome (88%) auf sieben histologische Subtypen
verteilte: MFH (22%), Fibrosarkome (18%), Liposarkome (17%), Synovialsarkome (17%),
maligne periphere Nervenscheidentumoren (MPNST, 5%), Rhabdomyosarkome (5%) sowie
Leiomyosarkome (4%). Alle anderen Entitäten waren jeweils mit einem Anteil von weniger
als 2% relativ selten vertreten (Campanacci, 1999).
Gemäß der Daten vom Surveillance, Epidemiology, and End Results (SEER) Program des
National Cancer Institute (NCI) betrug im Zeitraum von 2005 bis 2009 in den USA das durchschnittliche Alter zum Zeitpunkt der Diagnosestellung 58 Jahre. Dabei erkrankten Männer 1,4
Mal so häufig wie Frauen. Mit 65 Jahren verstarben im Mittel die Patienten an ihren malignen
Weichteiltumoren (inklusive Herztumoren) bei einer alterskorrigierten Mortalität von
1,3/100.000 pro Jahr (Howlader N, 2011).
Dank verbesserter Diagnostik- und Therapiemöglichkeiten war in den letzten Jahrzehnten
ein leichter Anstieg der 5-Jahres-Überlebensrate auf 65-75% zu verzeichnen (Fletcher et al.,
2002, Singer et al., 2000).
2.3
Ätiologie
Wie bei vielen anderen bösartigen Tumoren ist die Pathogenese der malignen Weichteiltumoren noch weitgehend unbekannt, jedoch wurden bis heute zahlreiche prädisponierende
Faktoren identifiziert (Weiss and Goldblum, 2008). In vielen Studien wurde unter anderem
ein möglicher Zusammenhang zwischen Weichteilsarkomen und diversen Chemikalien untersucht. Fingerhut et al. z.B. stellten bei Arbeitern mit mindestens einjähriger Dioxin (2,3,7,8Tetrachlordibenzo-p-dioxin oder TCDD)-Exposition bei einer Latenz von mindestens 20 Jahren eine signifikante Erhöhung der Mortalität fest. Da die Fallzahl ihrer Untersuchung relativ
6
Grundlagen der Weichteilsarkome
gering war und ein möglicher Einfluss durch andere Umweltkarzinogene nicht sicher ausgeschlossen werden konnte, konnte eine Kausalität zwischen Weichteilsarkomen und Dioxin
allerdings nur vermutet werden (Fingerhut et al., 1991). Ähnlich unsicher ist eine potentielle
Assoziation zwischen Angiosarkomen und einer Vinylchlorid-Exposition (Evans et al., 1983,
Falk et al., 1979). Dagegen wird seit der Veröffentlichung von Wagner 1960 (Wagner et al.,
1960) ein kausaler Zusammenhang zwischen malignen Mesotheliomen und einer AsbestExposition nicht mehr angezweifelt (Baas et al., 2006).
Bei manchen Patienten entwickeln sich in Folge einer Radiotherapie maligne Weichteiltumoren, wobei strahleninduzierte Sarkome mit einem Anteil von weniger als 5% aller Sarkome
eher eine Ausnahme darstellen (Brady et al., 1992). Dennoch sind gerade diese postradiogen
entstandenen Tumoren ernst zu nehmen, da ihre Prognose wesentlich schlechter ist als gewöhnlich bei Weichteilsarkomen (Robinson et al., 1988).
Des Weiteren kennt man inzwischen einige genetische Erkrankungen, die mit einem gehäuften Auftreten von Weichteilsarkomen einhergehen. Neben wenigen Immundefizienzsyndromen zählen unter anderem die Neurofibromatose Typ 1, das Retinoblastom, das LiFraumeni-Syndrom sowie das Gardner-Syndrom dazu (Zahm and Fraumeni, 1997). Bereits
Guccion und Enzinger erkannten, dass die Neurofibromatose Typ 1 zum Auftreten von
MPNST prädisponiert (Guccion and Enzinger, 1979, Brennan, 1989), wobei ca. 1-5% der
Neurofibrome maligne entarten (Enzinger and Weiss, 1995).
Während Weichteilsarkome oftmals im Rahmen von Verletzungen auffällig und diagnostiziert
werden, konnte bis heute ein kausaler Zusammenhang zwischen Traumen und der Entstehung von malignen Neoplasien nicht bestätigt werden (Weiss and Goldblum, 2008).
2.4
Klinik
Auch wenn sie prinzipiell überall im Körper entstehen können, finden sich die Hälfte bis zwei
Drittel aller Weichteilsarkome in den Extremitäten. 20-40% der Sarkome bilden sich in Rumpf
und Retroperitoneum, während rund 10% aus dem Weichgewebe des Kopf- und Nackenbereichs hervorgehen (Cormier and Pollock, 2004, Jones et al., 2012, Fletcher et al., 2002).
Gut ein Drittel der Tumoren, die in Extremitäten und Rumpf lokalisiert sind, haben eine oberflächliche Lage bei einem mittleren Durchmesser von 5 cm. Die andern zwei Drittel liegen in
der Tiefe und haben einen mittleren Durchmesser von 9 cm (Gustafson, 1994, Fletcher et al.,
2002).
Patienten mit Weichteilsarkomen haben typischerweise eine unspezifische klinische Symptomatik, wobei sie sich in der Regel mit einer zunehmend größer werdenden, schmerzlosen
Schwellung beim Arzt vorstellen. Dabei sind Tumoren der distalen Extremitäten oftmals um
einiges kleiner als Tumoren der Hüfte oder des Retroperitoneums, weil sie auf Grund ihrer
Lage früher auffällig und diagnostiziert werden (Clark et al., 2005). Da viele Weichteilsarkome
7
Grundlagen der Weichteilsarkome
zunächst nicht zu einem Funktionsverlust führen und zumindest bei niedriggradiger Differenzierung ein langsames Wachstumsverhalten zeigen, werden sie nicht selten fälschlicherweise für benigne Tumoren, z.B. Lipome gehalten (Rydholm, 1998). Anders ist das bei Tumoren, die frühzeitig und unter Ausbildung einer Pseudokapsel (benachbartes Gewebe, das
durch den Tumor komprimiert und umgestaltet wird) ein lokal verdrängendes Wachstum aufzeigen. Diese können sich derart ausdehnen, dass sie durch Druck auf oder Infiltration von
angrenzende(n) Strukturen lokalisationsabhängig zu Symptomen wie Parästhesien, distalen
Ödemen oder auch Inkontinenz führen (Jones et al., 2012).
Auffällig ist außerdem die häufig vorkommende zeitliche Verzögerung bei der Diagnostik von
Weichteilsarkomen: In einer Studie von Johnson et al. dauerte es durchschnittlich 1,3 Wochen bis ein Patient nach erstmaligem Auftreten von Symptomen einen Arzt aufsuchte. Im
Anschluss daran vergingen im Mittel weitere 25 Wochen, bis dieser Patient in ein auf Weichteiltumoren spezialisiertes Zentrum überwiesen wurde (Johnson et al., 2008). Nach Hussein
et al. betrug der durchschnittliche Zeitraum zwischen der Wahrnehmung des Tumors von
Seiten des Patienten und der tumorspezifischen Behandlung sogar 21 Monate (Hussein and
Smith, 2005). Bei Kindern, die prinzipiell wesentlich seltener an Malignomen erkranken als
Erwachsene, vergeht in der Regel noch mehr Zeit bis die Diagnose eines Weichteilsarkoms
gestellt wird. In der Studie von Chotel et al. stellten sich die 35 untersuchten Kinder mit Synovialsarkom im Mittel 43 Wochen nach Symptombeginn beim Arzt vor. Bis das Sarkom endgültig diagnostiziert wurde vergingen im Durchschnitt 50 Wochen, wobei alle Kinder bis dahin
von durchschnittlich drei Ärzten untersucht worden waren (Chotel et al., 2008).
2.5
Diagnostik und Staging
MRT-Bildgebung
MR-Untersuchungstechnik
Die MRT-Untersuchung von Weichteilsarkomen sollte sich individuell nach der Anamnese
und Klinik des betroffenen Patienten richten. Dabei muss in Bezug auf bestimmte MRtomografische Parameter (Spule, Untersuchungsebene, Pulssequenz und Kontrastmittelapplikation) eine Auswahl getroffen werden, mit dem Ziel den Tumor in seiner gesamten Ausdehnung inklusive des am nächsten gelegenen Gelenks zu erfassen (Schepper et al., 2006).
Bei Tumoren der Extremitäten wird im Allgemeinen eine Oberflächenspule verwendet. Um
die Längsausdehnung und den Gelenkbezug optimal darzustellen, bedarf es longitudinaler,
d.h. sagittaler oder koronarer MRT-Aufnahmen, wohingegen Sequenzen in transversaler
Ebene dazu dienen, die Kompartimentausdehnung sowie die Lagebeziehung der Tumoren
zu neurovaskulären Strukturen zu bestimmen (Schepper et al., 2006, Rummeny et al., 2006).
8
Grundlagen der Weichteilsarkome
Grundlegend sollte die MRT-Diagnostik eines Weichteilsarkoms in Anlehnung an die Empfehlungen der Deutschen Röntgengesellschaft e.V. mindestens folgende Pulssequenzen beinhalten (fakultativ ist eine Ergänzung durch Aufnahmen in der jeweils dritten Raumebene
oder zusätzliche Pulssequenzen möglich):
Koronare/Sagittale Ebene
Transversale Ebene
T1w SE/TSE
T1wGd SE/TSE mit Fettsättigung
STIR-TSE
T2w TSE
T1wGd SE/TSE
Tabelle 2: Standard-Pulssequenzen bei der MRT-Diagnostik von Weichteilsarkomen (Rummeny
et al., 2006, Adam et al., 2006)
T1w = T1-gewichtete Sequenz, T2w = T2-gewichtete Sequenz, SE = Spin-Echo-Sequenz, TSE =
Turbo-Spin-Echo-Sequenz, STIR = Short-Tau-Inversion-Recovery-Sequenz, Gd = gadoliniumhaltiges
Kontrastmittel
Dabei nutzt man T1w-Aufnahmen vor allem dazu, Tumorgewebe von Knochen und Fett abzugrenzen sowie einzelne Muskelschichten und anatomische Kompartimente darzustellen.
Zur Unterscheidung von Tumor- und Muskelgewebe sowie zur Beurteilung neurovaskulärer
Strukturen eignen sich am besten T2w-Aufnahmen (Schepper et al., 2006, Rummeny et al.,
2006, Campanacci, 1999, Saifuddin, 2002). Short-Tau-Inversion-Recovery (STIR)Sequenzen, die bei gleichzeitiger Fettunterdrückung dafür sorgen, dass abnormales Gewebe
mit hohem Flüssigkeitsgehalt durch hohe Signalintensität besser erkennbar wird, können unter anderem bei perineoplastischen Ödemen, zystischen Anteilen oder Nekrosen von Vorteil
sein (Kransdorf and Murphey, 2000). Die intravenöse Injektion gadoliniumhaltiger Kontrastmittel verstärkt bei einigen Tumoren auf T1w-SE/TSE-Aufnahmen ihre Signalintensität und
führt folglich zu einer besseren Differenzierung zwischen Weichteilsarkom und Muskulatur,
Ödem und Nekrose (Beltran et al., 1991, Gronemeyer et al., 1997). Zusätzlich ermöglichen
kontrastverstärkte T1w-Aufnahmen in vielen Fällen eine Unterscheidung von vitalen und nekrotischen Tumorarealen, was für eine erfolgreiche Biopsie Voraussetzung ist (siehe 2.5.2)
(Schepper et al., 2006).
In Abbildung 1 soll veranschaulicht werden, wie sich ein und derselbe Weichteiltumor durch
die fünf Standard-Pulssequenzen unterschiedlich darstellen lässt.
9
Grundlagen der Weichteilsarkome
a
e
c
b
d
g
f
h
Abbildung 1: Undifferenziertes pleomorphes Sarkom Grad 3 (G3) im Oberschenkel
a-d: T1w SE, STIR-TSE, T1wGd SE, makroskopisches Bild des Resektionspräparats
e-h: T2w TSE, T1wGd SE mit Fettsättigung, mikroskopische Bilder des Resektionspräparats
MR-Staging
Das präoperative lokale Staging hat eine große Bedeutung für die Therapie von Weichteilsarkomen. Mussten früher noch viele Patienten auf Grund von Sarkomen der Extremitäten
amputiert werden, so können heute rund 80% mittels lokaler Resektion und rekonstruktiver
Chirurgie extremitätenerhaltend behandelt werden (Bloem et al., 1997). Das bildgebende
Verfahren der Wahl ist die MRT, wobei diese je nach Tumorentität durch konventionelle Röntgenaufnahmen, Ultraschalldiagnostik und Computertomografie (CT) ergänzt werden sollte
(Enzinger and Weiss, 1995, Schepper et al., 2006). Wie auch bei Knochensarkomen, muss
dem Operateur die exakte anatomische Lokalisation des malignen Weichteiltumors bekannt
sein, um ihn im Gesunden, d.h. mit tumorfreien Rändern, resezieren zu können (McDonald,
1994, Panicek et al., 1997a). Nur wenn dies gelingt, kann von einem niedrigeren Risiko für
Lokalrezidive und Fernmetastasen und folglich einer niedrigeren tumorassoziierten Mortalität
ausgegangen werden (Pisters et al., 1996, Lewis et al., 1997). Die MRT-Bildgebung ermöglicht sowohl die Diagnostik einer Muskel-, Knochen- und Gelenkinvasion als auch das Erken-
10
Grundlagen der Weichteilsarkome
nen einer neurovaskulären Tumorumscheidung (sogenanntes Encasement) und ist dabei anderen bildgebenden Methoden wie z.B. dem CT überlegen (Bloem et al., 1997, Bloem et al.,
1988).
Stellt sich z.B. im Rahmen des präoperativen Stagings eine Infiltration des Knochens heraus,
so muss in der Regel das befallene Knochensegment en bloc mit dem Tumor entfernt werden. Besteht dagegen nur ein Kontakt zwischen Knochen und Sarkom ohne Anhalt für eine
Invasion, kann der Tumor samt Periost unter Einhaltung weiter Resektionsränder reseziert
werden. Auch bezüglich Gelenken deutet sich bereits im Vorfeld der Operation an, ob eine
intrartikuläre Resektion ausreichend ist, oder ob auf Grund einer MR-tomografisch vermuteten Infiltration der Synovialmembran das Gelenk radikal reseziert werden muss (extraartikuläre Resektion bzw. Amputation) (Campanacci, 1999, Schima et al., 1994). Außerdem ist das
MR-Staging in Bezug auf Gefäß-/Nervenstrukturen von großer Bedeutung: Wird eine Umscheidung bzw. Ummauerung der großen neurovaskulären Leitungsbahnen festgestellt, so
müssen diese zusammen mit dem Tumor weit reseziert werden. Dabei kann bei einer vaskulären Infiltration die Extremität dank einer Gefäßrekonstruktion meistens erhalten bleiben,
während sie bei einer Nerveninvasion in der Regel amputiert werden muss. Kommt es dagegen nur zu einer Verdrängung des an den Tumor angrenzenden Gefäß-/Nervenbündels,
kann dieses mittels marginaler Resektion und unter Mitnahme der vaskulären Adventitia bzw.
des Perineuriums häufig geschont werden.
Die MRT spielt aber nicht nur hinsichtlich einer möglichen Operation eine große Rolle, sondern auch bei der korrekten Planung und Durchführung einer präoperativen Biopsie
(Campanacci, 1999, Schepper et al., 2006).
Biopsie
Die präoperative Biopsie ist bei allen Weichteiltumoren indiziert, die mittels bildgebender Verfahren nicht spezifisch als benigne diagnostiziert werden können (Crim et al., 1992,
Sundaram and Sharafuddin, 1995). Ein Beispiel für einen gutartigen Tumor, der in der Regel
derart charakteristische Merkmale im MRT aufweist, dass er nicht biopsiert werden muss, ist
das Hämangiom (Teo et al., 2000, Moulton et al., 1995).
Jede Biopsie muss im Hinblick auf eine mögliche weitere operative Behandlung unter anderem mittels eines ausführlichen MR-Stagings präzise geplant und unter Vorsicht durchgeführt
werden, da eine fehlerhafte Technik zu einer nicht-optimalen Behandlung sowie zu einer verschlechterten Prognose führen kann. In den Untersuchungen von Mankin et al. kam es infolge von inadäquaten Biopsien in 17,8% der Fälle zu einer falschen Diagnose, in 19,3% zu
einer ungünstigen Veränderung des ursprünglichen Therapieplans, in 10,1% zu einem
schlechteren Outcome und bei 3% der Patienten zu einer primär nicht notwendigen Amputation (Mankin et al., 1996, Mankin et al., 1982). Aus histologischer Sicht ist die präoperative
11
Grundlagen der Weichteilsarkome
Bildgebung zudem essentiell, um Gewebe aus einem vitalen, möglichst repräsentativen Tumoranteil zu gewinnen, der oft nicht im Zentrum, sondern in der Peripherie der Läsion lokalisiert ist. Darüber hinaus kann die MRT-Bildgebung bei verschiedenen histologischen Subtypen (z.B. dedifferenziertes Liposarkom) helfen, Gewebe aus dem voraussichtlich am
stärksten entdifferenzierten Tumoranteil zu gewinnen und so das eigentliche Grading der Läsion bereits bei der präoperativen Biopsie zu erfassen (Hipp E. et al., 1998).
Die perkutane muskuloskelettale Biopsie kann geschlossen mittels Feinnadelaspiration oder
Stanzbiopsie sowie offen als Inzisions- oder Exzisionsbiopsie durchgeführt werden, wobei
letztere nur für kleine, subkutane Läsionen bzw. für Tumoren, die nach Einschätzung des
Radiologen benigne sind, geeignet ist (Frassica et al., 2000, Iwamoto, 1999). Auf Grund der
hohen diagnostischen Genauigkeit, die nach Dupuy et al. bei 93%, nach Skrzynski et al. bei
84% und nach Hau et al. bei 74% liegt, und der geringen Komplikationsrate (gemäß Dupuy
et al. < 1%) wird heutzutage die CT-gesteuerte – alternativ auch Ultraschallkontrollierte –
Stanzbiopsie empfohlen (Skrzynski et al., 1996, Dupuy et al., 1998, Hau et al., 2002). Für
deren korrekte Durchführung sollte, in Absprache mit dem zuständigen Chirurgen, der kürzeste perkutane Zugang zum Tumor unter Vermeidung eines Kontakts mit Nerven, Gefäßen
oder viszeralen Strukturen gewählt werden. Nicht vom Tumor betroffene Kompartimente dürfen zur Verhinderung einer Kontamination von der Stanze nicht passiert werden (Schepper
et al., 2006). Auch wenn Lokalrezidive im Stichkanal, insbesondere bei koaxialer Technik,
sehr selten und in der Literatur nur einzelne Fälle bekannt sind, muss dieser als potentiell
kontaminiert betrachtet und in einer anschließenden Operation en bloc mit dem Sarkom reseziert werden (Weiss and Goldblum, 2008, Davies et al., 1993).
Grading
Um eine optimale Behandlung von Patienten mit Weichteilsarkomen sicherzustellen, reicht
es nicht aus, das Sarkom gemäß der aktuellen WHO-Klassifikation (siehe Tabelle 1) histologisch zu typisieren. Vielmehr richtet sich das Verhalten dieser Tumoren nach ihrem Malignitätsgrad (Fletcher et al., 2002). So berichteten Guillou et al., dass der Tumorgrad neben der
Tumorgröße und der Tumorlage (oberflächlich oder tief) ein unabhängiger prognostischer
Faktor für die Entwicklung von Metastasen und folglich auch für die Tumormortalität ist
(Guillou et al., 1997). Dass das Grading dabei sogar einen höheren prognostischen Vorhersagewert besitzt als die Größe oder die Lage des Tumors, zeigen diverse Studien (Gaynor
et al., 1992, Coindre et al., 1996, Ravaud et al., 1992).
Nachdem in der Vergangenheit zahlreiche unterschiedliche Grading-Systeme veröffentlicht
wurden, hat man sich inzwischen auf zwei Klassifikationen geeignet: das NCI-GradingSystem sowie das Fédération Nationale des Centres de Lutte Contre le Cancer (FNCLCC)Grading-System. Beides sind dreistufige Systeme, die in unterschiedlichem Ausmaß den his-
12
Grundlagen der Weichteilsarkome
tologischen Subtyp, die Mitoserate, den Nekroseanteil, die Zellularität, den zellulären Pleomorphismus sowie die Zelldifferenzierung berücksichtigen (Schepper et al., 2006, Weiss and
Goldblum, 2008). Wie genau die Zuordnung der einzelnen Differenzierungsgrade erfolgt, soll
in den Tabellen 3 und 4 veranschaulicht werden.
In Anlehnung an die WHO-Klassifikation von 2002 sollten folgende Sarkome auf Grund des
fehlenden prognostischen Nutzens kein Grading erhalten: MPNST, Angiosarkome, extraskelettale myxoide Chondrosarkome, alveoläre Weichteilsarkome, Klarzellsarkome und epitheloide Sarkome (Fletcher et al., 2002).
Histologische Typen
G1
Gut differenziertes
Liposarkom∗
Myxoides Liposarkom
G2
Pleomorphes Liposarkom
G3
Alveoläres Rhabdomyosarkom
Fibrosarkom
Weichteil-Osteosarkome
Dermatofibrosarcoma
protuberans
Einige Leiomyosarkome
MFH∗∗
PNET
Synovialsarkom
Alveoläres Weichteilsarkom
Epitheloides
Hämangioendotheliom
SpindelzellHämangioendotheliom
Infantiles Fibrosarkom
Leiomyosarkom
Mesenchymales
Chondrosarkom
Subkutanes Myxofibrosarkom
oder 0-15% Nekrose
Neurofibrosarkom
oder > 15% Nekrose
Tabelle 3: Grading-System des NCI nach Costa et al. (Costa et al., 1984); vereinfacht nach
Schepper et al. (Schepper et al., 2006)
∗
/atypischer lipomatöser Tumor, ∗∗ MFH vom pleomorphen Typ (= undifferenziertes pleomorphes Sarkom) oder myxoiden Typ (= Myxofibrosarkom), G1/2/3 = Grad 1/2/3
Score
Mitoserate
(pro 10 HPF)
Differenzierung der Sarkome
Score 0
Score 1
Score 2
Score 3
Totaler
Score
Nekrose
keine Nekrose
Ähnlichkeit mit adultem mesenchymalen
Gewebe
Sicherer histologischer Subtyp
0-9 Mitosen
< 50% Nekrose
10-19 Mitosen
≥ 50% Nekrose
Embryonaler und undifferenzierter oder
unsicherer histologischer Subtyp
≥ 20 Mitosen
G1 = 2-3
G2 = 4-5
G3 = 6-8
Tabelle 4: Grading-System der FNCLCC nach Trojani et al. (Trojani et al., 1984); vereinfacht
HPF = Hauptgesichtsfeld
Staging
Das Staging von Weichteilsarkomen, das neben der klinischen und radiologischen auch die
pathologische Beurteilung der Ausdehnung des Tumors inklusive seiner Fernmetastasierung
13
Grundlagen der Weichteilsarkome
umfasst, dient dazu, Tumoren mit ähnlichem biologischen Verhalten und vergleichbarer Prognose in Form verschiedener Stadien zusammenzufassen, was eine standardisierte und dennoch individuell angepasste Therapie ermöglicht (Campanacci, 1999).
Ähnlich wie beim Grading haben sich auch beim Staging der malignen Weichteiltumoren zwei
Systeme durchgesetzt: das Staging-System des AJCC, welches durch die europäische UICC
übernommen wurde, und das Staging-System der MSTS, auch bekannt als EnnekingSystem. Beide berücksichtigen neben dem Differenzierungsgrad die lokale Tumorausdehnung sowie das Vorhandensein von Fernmetastasen (Peabody et al., 1998).
Das AJCC-Staging-System basiert größtenteils auf dem TNM-Staging-System für maligne
Tumoren, wobei es zusätzlich den Tumorgrad beinhaltet (vergleiche Tabelle 5). Mittels folgender Parameter werden Weichteilsarkome gemäß AJCC in vier Stadien eingeteilt (Edge
et al., 2010):
˗
GX = keine Aussage über die Differenzierung möglich, G1 = hochdifferenziert, G2 =
mäßig differenziert, G3 = schlecht differenziert, G4 = undifferenziert (G1, G2 = niedriggradig bzw. low-grade; G3, G4 = hochgradig bzw. high-grade)
˗
T1 = Durchmesser ≤ 5 cm, T2 = Durchmesser > 5 cm; a = oberflächliche Lage (oberhalb der Faszie ohne Invasion der Faszie), b = tiefe Lage (entweder ausschließlich
unterhalb der Faszie oder oberhalb der Faszie mit Invasion der Faszie oder sowohl
ober- als auch unterhalb der Faszie)
˗
N0 = keine regionären Lymphknotenmetastasen, N1 = Lymphknotenmetastasen
˗
M0 = keine Fernmetastasen, M1 = Fernmetastasen
Stadium
IA
IB
IIA
IIB
III
IV
G
T
N
M
G1, GX
T1a
N0
M0
G1, GX
T1b
N0
M0
G1, GX
T2a
N0
M0
G1, GX
T2b
N0
M0
G2, G3
T1a
N0
M0
G2, G3
T1b
N0
M0
G2
T2a
N0
M0
G2
T2b
N0
M0
G3
T2a, T2b
N0
M0
Jedes G
Jedes T
N1
M0
Jedes G
Jedes T
Jedes N
M1
Tabelle 5: Staging-System nach AJCC/UICC; modifiziert nach dem AJCC Cancer Staging
Manual (Edge et al., 2010)
G = Grad, T = Tumor, N = regionäre Lymphknoten, M = Metastasen
14
Grundlagen der Weichteilsarkome
Die 5-Jahres-Überlebensraten für die Stadien I, II, III, und IV liegen ungefähr bei 90%, 70%,
50% und 10-20% (Clark et al., 2005, Ramanathan et al., 1999, Stojadinovic et al., 2002a).
Wie in Tabelle 6 zu sehen ist, findet im stärker chirurgisch ausgerichteten Staging-System
der MSTS ein potentieller regionärer Lymphknotenbefall auf Grund seiner Seltenheit keine
Berücksichtigung. Zudem unterscheidet es sich vom AJCC-System in folgenden Punkten:
˗
G1 = niedriggradig (low-grade), G2 = hochgradig (high-grade)
˗
T1 = intrakompartimentell, T2 = extrakompartimentell
In Bezug auf die Fernmetastasierung sind beide Klassifikationen identisch (s.o.) (Enneking
et al., 1980b).
Stadium
G
T
M
IA
G1
T1
M0
IB
G1
T2
M0
IIA
G2
T1
M0
IIB
G2
T2
M0
III
Jedes G
Jedes T
M1
Tabelle 6: Staging-System der MSTS; modifiziert nach Enneking et al. (Enneking et al., 1980b)
Nach Enneking ist ein anatomisches Kompartiment eine Struktur, die der Tumorexpansion
natürliche Grenzen entgegensetzt. Zu diesen zählen die Kortikalis des Knochens, die Faszien und Muskelsepten, der Gelenkknorpel wie auch die Gelenkkapsel, die Sehnen und Sehnenscheiden. Demnach gilt ein Tumor, der innerhalb dieser Grenzen bleibt, als intrakompartimentell, während all die Tumoren, die entweder primär in extrakompartimentellen Räumen
entstehen (vergleiche „extrafasziale Kompartimente“ in Tabelle 7) oder sekundär die natürlichen Begrenzungen eines Kompartiments überschreiten und nicht (mehr) von natürlichen
Barrieren umgeben sind, als extrakompartimentell bezeichnet werden. Auch wenn ausschließlich die reaktive Zone des Tumors (seine sogenannte Pseudokapsel) die natürlichen
Grenzen durchbricht, spricht man von einer extrakompartimentellen Lage (Campanacci,
1999, Enneking et al., 1980b, Weiss and Goldblum, 2008).
Abbildung 2 veranschaulicht die Kompartimentbildung am Beispiel des proximalen Oberschenkels.
15
Grundlagen der Weichteilsarkome
Intrakompartimentell (T1)
intraossär
intraartikulär
oberflächlich der tiefen Faszie
paraossär
intrafasziale Kompartimente:
Fuß- oder Handwurzel
Wade
Unterschenkel anterolateral
Oberschenkel anterolateral
Oberschenkel medial
Oberschenkel dorsal
Gesäß
Unterarm ventral
Unterarm dorsal
Oberarm anterior
Oberarm posterior
periskapulär
Extrakompartimentell (T2)
→
→
→
→
Weichteilausdehnung
Weichteilausdehnung
Ausdehnung nach intrafaszial
intraossäre oder extrafasziale Ausdehnung
extrafasziale Kompartimente:
Mittel- und Rückfuß
Poplitea
Leiste (inguinal, femoral)
intrapelvin
Mittelhand
Ellenbeuge
Axilla
periklavikulär
paraspinal
Kopf und Hals
Tabelle 7: Tumorausdehnung bezogen auf die anatomischen Kompartimente nach Enneking et
al. (Enneking et al., 1980b)
Abbildung 2: Querschnitt des proximalen Oberschenkels mit Darstellung des anterioren, medialen und posterioren Kompartiments nach Waldt et al. (Waldt et al., 2011)
16
Grundlagen der Weichteilsarkome
2.6
Therapie
Das Ziel bei der Behandlung von Weichteilsarkomen ist einerseits, das Auftreten von Lokalrezidiven oder Fernmetastasen zu verhindern und andererseits funktionserhaltend zu therapieren, um eine möglichst hohe Lebensqualität aufrechtzuerhalten. Dabei ist die chirurgische
Therapie nach wie vor die Behandlungsmethode der Wahl, die je nach Lage, Größe und Grad
des Tumors gegebenenfalls mit einer (neo-)adjuvanten Chemo- oder Radiotherapie kombiniert wird (Fletcher et al., 2002, Enzinger and Weiss, 1995).
Während früher die Amputation noch das Standardoperationsverfahren für maligne Weichteiltumoren war, werden inzwischen rund 90% der Patienten extremitätenerhaltend therapiert
(Williard et al., 1992a, Gerson et al., 1982, Williard et al., 1992b). Bereits in der Studie von
Rosenberg et al. zeigte sich, dass es bezüglich des krankheitsfreien Überlebens sowie der
allgemeinen Überlebensrate keinen signifikanten Unterschied gab zwischen den Patienten,
die amputiert wurden und jenen, die extremitätenerhaltend operiert und adjuvant bestrahlt
wurden (krankheitsfreies 5-Jahres-Überleben: 78% vs. 71%, 5-Jahres-Überlebensrate: 88%
vs. 83%). Die Anzahl der Lokalrezidive war in der Gruppe der Nicht-Amputierten dagegen
höher (n = 0 vs. n = 4) (Rosenberg et al., 1982). Bell et al. stellten in ihrer Untersuchung fest,
dass die Häufigkeit von Lokalrezidiven wie auch von Fernmetastasen von den intraoperativ
erreichten Resektionsrändern abhängig ist. Dabei erkrankten Patienten, bei denen der Tumor
weit im Gesunden reseziert werden konnte, seltener an einem Rezidiv bzw. an Metastasen
als solche mit tumorpositiven Rändern (Bell et al., 1989).
Von den vier, bei Weichteiltumoren möglichen Resektionsarten eignen sich nur zwei für eine
Tumorentfernung im Gesunden (= R0-Resektion): die weite sowie die radikale Resektion.
Weit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Tumor – umgeben von einer kontinuierlichen Schicht gesunden Gewebes – en bloc reseziert wird. Radikal ist die Sarkomoperation
dagegen, wenn mit dem Tumor zusammen sein Ursprungskompartiment inklusive aller befallenen Kompartimente vollständig entfernt wird, was häufig einer Amputation gleichkommt.
In beiden Fällen wird neben der Läsion auch eine mögliche Pseudokapsel sowie angrenzendes reaktives Gewebe (beides repräsentiert potentiell kontaminiertes Gewebe) mitreseziert.
Bei einer marginalen Resektion dagegen wird der Tumor zwar en bloc herausoperiert, ist
aber mindestens an einer Stelle nur von seiner Kapsel bzw. Pseudokapsel umhüllt. Von einer
intraläsionalen Resektion spricht man, wenn der Chirurg den Tumor aus der Kapsel bzw.
Pseudokapsel herausschält oder während der Operation mindestens an einer Stelle eröffnet.
Sowohl die intraläsionale als auch die marginale Resektion bedeuten, dass das Sarkom mikroskopisch (R1-Resektion) oder makroskopisch (R2-Resektion) nicht im Gesunden entfernt
werden konnte (Campanacci, 1999, Enneking et al., 1980b). Zur bildlichen Darstellung siehe
Abbildung 3.
17
Grundlagen der Weichteilsarkome
a
b
c
d
Abbildung 3: Chirurgische Resektionsränder bei Weichteilsarkomen (a-d: intraläsionale Resektion, marginale Resektion, weite Resektion, radikale Resektion) aus Waldt et al. (Waldt et al.,
2011)
Sobald auf Grund einer neurovaskulären Infiltration eine Tumorresektion zu einem ausgeprägten Funktionsverlust führen würde oder es beispielsweise durch inadäquate Biopsien
sowie nach pathologischen Frakturen zur Tumorstreuung kam, muss auch heute noch amputiert werden. Bei Lokalrezidiven, großen, invasiv ins Os sacrum wachsenden Beckensarkomen und Tumoren des Fußes ist in der Regel ebenfalls eine Amputation indiziert (Weiss
and Goldblum, 2008, Hipp E. et al., 1998).
Eine prä- oder postoperative Radiotherapie ist sinnvoll, wenn sich der Chirurg im Rahmen
einer funktionserhaltenden Therapie dazu entscheidet, weniger radikal zu operieren bzw. er
davon ausgeht, dass trotz Tumorresektion mikro- oder makroskopische Tumorresiduen vorhanden sind (Wilson et al., 1994, O'Sullivan et al., 2002, Weiss and Goldblum, 2008). Dagegen wird eine systemische Chemotherapie vor allem zur Vermeidung oder Behandlung von
Fernmetastasen eingesetzt, wobei ein eindeutiger Nutzen bisher nur bei einzelnen Entitäten
wie z.B. Ewing-Sarkomen/PNET oder Rhabdomyosarkomen nachgewiesen werden konnte
(Grier et al., 2003, Crist et al., 2001).
18
Grundlagen der Weichteilsarkome
2.7
Prognose
Die Mortalitätsrate beträgt bei Weichteilsarkomen 50%. Sie ist damit zehn Mal so hoch wie
die maligner Hodentumoren, die mit einer ähnlichen Inzidenz in der Bevölkerung auftreten
(Wingo et al., 1995, Pisters et al., 1996). Diese hohe Mortalität ist primär auf die Entwicklung
von Fernmetastasen und Lokalrezidiven zurückzuführen, wobei erstere für die Mehrheit aller
weichteilsarkombedingten Todesfälle verantwortlich sind (Gaynor et al., 1992). Nach optimaler Behandlung kommt es in 5-10% der Fälle zu einem Tumorrezidiv, wobei zwei Drittel davon
innerhalb der ersten beiden Jahre nach primärer Resektion diagnostiziert werden (Clark et
al., 2005, Stojadinovic et al., 2002a). Bei rund 20% der Patienten streuen die Weichteilsarkome in die Lunge, wo sich insgesamt am häufigsten Metastasen bilden (Gadd et al., 1993).
Wie sehr das Vorkommen von Lungenfiliae die Prognose beeinflusst, wird in Abbildung 4
deutlich: Das allgemeine mittlere Überleben nach der Diagnostik von pulmonalen Metastasen
beträgt 15 Monate bei einer 3-Jahres-Überlebensrate von 25% (Billingsley et al., 1999).
Abbildung 2: Krankheitsspezifisches Überleben der Patienten mit Lungenmetastasen
(Billingsley et al., 1999)
Pisters et al. stellten bei ihren Untersuchungen fest, dass Patienten über 50 Jahre, mit einem
Rezidiv bei Erstpräsentation, R1-resezierten Tumoren oder bestimmten histologischen Diagnosen (Fibrosarkome oder MPNST) unabhängig voneinander häufiger an einem Lokalrezidiv erkrankten. Die Tumorgröße (mittelgroß bis groß), der Tumorgrad (high-grade), die Tumorlage (tief), die Erstvorstellung mit einem Tumorrezidiv wie auch die Diagnose „Leiomyosarkom“ bzw. alle Nicht-Liposarkom-Tumoren stellten, unabhängig voneinander, ungünstige prognostische Faktoren für die Entwicklung von Fernmetastasen dar (Pisters et al.,
1996).
Weitere Studien überprüften einen direkten Zusammenhang zwischen der krankheitsspezifischen Mortalität und den Tumorvariablen Größe, Differenzierungsgrad, Lage, Lokalisation
und Resektionsstatus. Demnach ist die Sterblichkeit bei Patienten mit großen (> 5 cm), entdifferenzierten, tief sitzenden, außerhalb der Extremitäten lokalisierten oder nicht im Gesun-
19
Grundlagen der Weichteilsarkome
den resezierten Tumoren erhöht. Ebenso konnte nachgewiesen werden, dass eine neurovaskuläre Invasion sowie eine Knocheninfiltration zu einer höheren Mortalitätsrate bei Weichteilsarkomen führten (Gaynor et al., 1992, Lahat et al., 2008).
Inwieweit molekulargenetische Merkmale bei Weichteilsarkomen prognostisch eine Rolle
spielen, wird in Zukunft noch umfassend erforscht werden. Dass bestimmte molekulargenetische Marker das Verhalten von Weichteiltumoren und damit auch das Gesamtüberleben
beeinflussen, wird bereits seit längerem vermutet (Nielsen et al., 2002, Lee et al., 2003,
Ladanyi et al., 2002). Bereits 2001 publizierten Hoos et al., dass ein hoher Ki-67Proliferationsindex charakteristisch für einen besonders malignen Phänotyp innerhalb der
Hoch-Risiko-Sarkome ist, der auch mit einer erhöhten tumorbedingten Mortalität assoziiert
ist (Hoos et al., 2001). Derartige Ergebnisse könnten dazu führen, dass die in 2.5.4 beschriebenen Staging-Systeme zukünftig um die molekularbiologischen Eigenschaften der Weichteilsarkome erweitert werden, um eine noch individuellere, unter anderem gezielte molekulare Therapie zu ermöglichen (Jones et al., 2012, Clark et al., 2005). Dies sowie eine Optimierung des vorhandenen klinischen, radiologischen und pathologischen Stagings soll zu
einem weiteren Anstieg der 5-Jahres-Überlebensrate führen, die aktuell auf 65-75% geschätzt wird (Fletcher et al., 2002, Singer et al., 2000).
20
Material und Methoden
Material und Methoden
3.1
Patientenkollektiv
Im Zeitraum vom 20.02.1998 bis zum 02.12.2011 wurden 531 Patienten mit der Diagnose
eines Weichteilsarkoms im Klinikum der TU München behandelt. Von diesen 531 Patienten
schlossen wir 174 in unsere Studie ein.
Zu den Einschlusskriterien gehörten die histopathologische Diagnose eines Weichteilsarkoms, eine Tumorlokalisation an den Extremitäten oder am Rumpf, eine präoperative MRTUntersuchung nach einem standardisierten Schema sowie eine operative Therapie (Tumorresektion oder Amputation).
58 Patienten mussten ausgeschlossen werden, weil gemäß endgültigem histopathologischen Untersuchungsbefund die Diagnose eines Weichteilsarkoms nicht bestätigt werden
konnte (n = 11), die Tumoren vom Knochen ausgingen (n = 46) oder, wie in einem Fall, einer
Metastase entsprachen. Bei 34 Patienten fehlten die endgültige histologische Diagnose (n =
8) bzw. der Operationsbericht (n = 26), 21 Patienten wurden nicht operiert und deswegen
aus der Studie ausgeschlossen. In 242 Fällen eigneten sich die MRT-Aufnahmen nicht für
die radiologische Auswertung, weil sie nicht unserem standardisierten Schema entsprachen
(n = 239) oder die Bildqualität unzureichend war (n = 3). Von weiteren zwei Patienten waren
keine präoperativen MRT-Aufnahmen verfügbar.
3.2
Datenerhebung
Anhand der digital archivierten Krankenakten konnten retrospektiv Patientendaten, wie Alter
und Geschlecht, sowie Daten aus den histopathologischen Befundberichten und den Operationsberichten abgerufen werden. Dabei wurden tumorbezogene Informationen wie Lokalisation, Größe, histologischer Subtyp, Differenzierungsgrad, T-Stadium nach der TNMKlassifikation sowie die Operationsart erfasst. Zusätzlich wurde den Berichten entnommen,
ob der Tumor Knochen, Gelenke, Arterien, Venen oder Nerven infiltrierte. Die Gefäße und
Nerven wurden als infiltriert gewertet, wenn
˗
sie intraoperativ vom Tumor derart umschieden bzw. ummauert waren, dass die Gefäße reseziert und anschließend rekonstruiert werden mussten.
˗
der Tumor nicht mehr extremitätenerhaltend reseziert oder bei extremitätenerhaltender Operation im Bereich der Gefäße bzw. Nerven mikroskopisch oder makroskopisch nicht im Gesunden reseziert werden konnte (R1- oder R2-Resektion).
˗
histologisch am Amputat eine Infiltration nachgewiesen wurde.
21
Material und Methoden
Alle histopathologischen Untersuchungen wurden am Institut für Allgemeine Pathologie und
Pathologische Anatomie der TU München durchgeführt. Da unsere Patienten vor der Veröffentlichung der aktualisierten WHO-Klassifikation für Weichteiltumoren im Jahr 2013 (siehe
Tabelle 1) behandelt worden sind, erfolgte die histopathologische Diagnose nach der WHOKlassifikation von 2002. Die operative Therapie erfolgte in allen Fällen durch erfahrene Tumorchirurgen der Klinik für Orthopädie und Sportorthopädie der TU München. Das radiologische Bildmaterial wurde am Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie der TU
München erstellt und dort elektronisch im digitalen Picture Archiving and Communication
System (PACS) gespeichert.
3.3
MRT
Durchführung der MRT-Untersuchung
Die MRT-Untersuchungen wurden an Ganzkörpersystemen der Feldstärken 1,5 Tesla (Magnetom Avanto, Siemens Medical Solutions, Erlangen/D bzw. Gyroscan NT Intera, Philips Medical Systems, Best/NL) und 3 Tesla (Magnetom Verio, Siemens Medical Solutions, Erlangen/D) durchgeführt. In Abhängigkeit von der anatomischen Lokalisation des Tumors wurden
verschiedene Spulen (Body-Array, Kniespule, Schulterspule, Large Flex) verwendet.
Das Untersuchungsprotokoll beinhaltete grundsätzlich Pulssequenzen, die in der langen
Achse (koronar oder sagittal bei Tumoren der Extremitäten oder des Körperstamms, transversal bei Fußtumoren) und in der kurzen Achse der betroffenen Körperregion (transversal
bei Tumoren der Extremitäten oder des Körperstamms, koronar bei Fußtumoren) ausgerichtet wurden. Im Einzelnen wurden folgende Pulssequenzen akquiriert: eine STIR-TSESequenz und eine T1-gewichtete SE- bzw. TSE-Sequenz vor und nach intravenöser Applikation von 0,1 mmol/kg KG Gadopentetat-Dimeglumin (Magnevist, Bayer Healthcare, Berlin/D) in der langen Achse sowie eine T2-gewichtete TSE-Sequenz und eine kontrastverstärkte T1-gewichtete SE- bzw. TSE-Sequenz mit spektraler Fettsättigung in der kurzen
Achse. Die jeweiligen Sequenzparameter sind Tabelle 8 zu entnehmen.
22
Material und Methoden
Sequenztyp
Feldstärke
TR (ms)
TE (ms)
TI (ms)
(Tesla)
STIR-TSE
SD
In-plane-Auf-
(mm)
lösung (mm)
1,5
6400-7000
44-66
150
3
< 0,5 x 0,5
3
7300
45
210
3
< 0,5 x 0,5
T1w SE/
1,5
450-680
10-14
-
3
< 0,5 x 0,5
TSE
3
720-800
13-14
-
3
< 0,5 x 0,5
T2w TSE
1,5
5000-6900
90-120
-
3-5
< 0,5 x 0,5
3
8500
90-100
-
3-5
< 0,5 x 0,5
fs T1w SE/
1,5
570-690
10-18
-
3-5
< 0,5 x 0,5
TSE
3
1000
13-14
-
3-5
< 0,5 x 0,5
Tabelle 8: Parameter der verwendeten MR-Sequenzen
fs = fettgesättigt, TR = Repetitionszeit, TE = Echozeit, TI = Inversionszeit, SD = Schichtdicke
Radiologische Analyse
Die retrospektive Analyse der MRT-Aufnahmen erfolgte unabhängig durch zwei radiologische Fachärzte mit langjähriger Erfahrung im Bereich der muskuloskelettalen MRTDiagnostik (Reader 1 (R1): 18 Jahre, Reader 2 (R2): 5 Jahre). Beurteilt wurden allein die
präoperativ aufgenommen MRT-Bilder. Bei Patienten mit neoadjuvanter Chemo- oder Radiotherapie wurden die zuletzt vor der Operation gemachten Aufnahmen analysiert.
Alter und Geschlecht der Patienten waren beiden Readern bekannt. Über die Krankengeschichte, die histopathologischen Befunde und das jeweilige operative Therapieverfahren
hatten sie keinerlei Kenntnisse.
Die Beurteilung wurde anhand eines standardisierten Auswertebogens durchgeführt (siehe
Anhang). Die Reader mussten Angaben zur Bildqualität, Tumorlokalisation, lokalen Tumorausdehnung, Anzahl und Bezeichnung der betroffenen Kompartimente, maximalen Tumorgröße, Knochen- und Gelenkinfiltration sowie zur Lagebeziehung des Tumors zu Arterien,
Venen und Nerven machen.
Die Qualität der MRT-Aufnahmen wurde von beiden Readern subjektiv als „gut“, „mäßig“ oder
„schlecht“ eingestuft.
Die lokale Tumorausdehnung musste sowohl nach dem TNM-Staging-System der AJCC/
UICC als auch nach dem Staging-System nach Enneking beurteilt werden.
Für die Einschätzung der T-Kategorie nach dem TNM-System (T1: ≤ 5 cm bzw. T2: > 5 cm)
wurden die maximale Tumorgröße mittels der in das PACS-System integrierten Messfunktion
ermittelt und der maximale Tumordurchmesser in Zentimetern zusätzlich dokumentiert. Ein
Tumor wurde der a-Kategorie (oberflächliche Lage) zugeordnet, wenn die Läsion MRtomografisch ausschließlich oberhalb der Faszie nachweisbar war und sich keinerlei Hinweis
23
Material und Methoden
auf eine Invasion der Faszie (Kontakt mit Verdickung, Signalanhebung, Kontrastmittelaufnahme) ergab. Die b-Kategorie (tiefe Lage) wurde gewählt, wenn sich der Tumor ausschließlich unterhalb der Faszie, oberhalb der Faszie mit Zeichen einer Faszieninvasion (s. o.) oder
sowohl ober- als auch unterhalb der Faszie ausdehnte.
Nach Enneking wurde der Tumor als T1-Läsion eingestuft, wenn er auf ein einziges anatomisches Kompartiment beschränkt war. Er wurde der Kategorie T2 zugeordnet, wenn sich
das Tumorgewebe oder seine reaktive Zone (= peritumorales Weichteilödem auf STIR-, T2wund/oder kontrastverstärkten T1w-Aufnahmen) auf mehr als ein anatomisches Kompartiment
ausdehnte oder wenn die Läsion primär in einem extrakompartimentellen Raum (siehe Tabelle 7 in 2.5.4) lokalisiert war. Die Anzahl und Bezeichnung der betroffenen anatomischen
Kompartimente wurde von den Readern zusätzlich dokumentiert.
Eine Knocheninfiltration wurde diagnostiziert, wenn Kortikalis und/oder Spongiosa MRtomografisch bei Tumorkontakt Signalveränderungen erkennen ließen. Ein reiner Oberflächenkontakt zum Knochen ohne jegliche Signalalterationen wurde unabhängig von der Kontaktstrecke nicht als Zeichen einer Tumorinfiltration gewertet.
Eine Gelenkinvasion wurde diagnostiziert, wenn Tumorgewebe eindeutig innerhalb der Grenzen der Synovialmembran des benachbarten Gelenks nachweisbar war. Ein reiner Kontakt
des Tumors oder ein vermehrter Flüssigkeitsgehalt eines dem Tumor benachbarten Gelenks
wurden nicht als Indikatoren eines Gelenkbefalls aufgefasst.
Bei der Bewertung eines potentiellen neurovaskulären Encasements mussten die Reader
zunächst beurteilen, ob überhaupt eine engere Lagebeziehung des Tumors zu großen Leitungsbahnen bestand. Wenn dies der Fall war, wurde(n) die betreffende(n) neurovaskuläre(n) Struktur(en) anatomisch bezeichnet und die Ausprägung des Kontakts zwischen Tumor und Gefäß bzw. Nerv anhand einer fünfstufigen Skala definiert. Folgende Lagebeziehungen wurden dabei unterschieden (siehe Schema in Abbildung 5):
˗
Tumor und Gefäß bzw. Nerv noch durch interponierte Gewebeschicht (GWS) getrennt
˗
Tumor kontaktiert Gefäß bzw. Nerv über ≤ 90° seiner Zirkumferenz
˗
Tumor kontaktiert Gefäß bzw. Nerv über 91-180° seiner Zirkumferenz
˗
Tumor kontaktiert Gefäß bzw. Nerv über 181-270° seiner Zirkumferenz
˗
Tumor kontaktiert Gefäß bzw. Nerv über > 270° seiner Zirkumferenz
24
Material und Methoden
a
c
b
d
e
Abbildung 5: Tumorkontakt zu Gefäß bzw. Nerv
Kontakt zu interponierter GWS (a), ≤ 90° (b), 91-180° (c), 181-270° (d), > 270° (e)
: Gefäß bzw. Nerv,
: Tumorkontakt
Die Evaluation der Gefäß-/Nervenbeziehung erfolgte typischerweise anhand der T2gewichteten TSE-Aufnahmen und kontrastverstärkten fettunterdrückten T1-gewichteten SEAufnahmen in der kurzen Achse (zumeist transversal). Dabei wurde dokumentiert, ob sich
aus der Analyse der kontrastverstärkten Aufnahmen nach Auffassung der Reader gegenüber
den T2-gewichteten Aufnahmen Zusatzinformationen ableiten ließen. Falls dies zutraf, wurde
die ergänzende Information entsprechend dokumentiert.
3.4
Statistische Auswertung
Die erhobenen Daten wurden mittels des Statistikprogramms IBM Statistics SPSS Version
19 und mittels Microsoft Excel 2007 in Zusammenarbeit mit dem Institut für Medizinische
Statistik und Epidemiologie des Klinikums der TU München verarbeitet.
Die Alters- und Geschlechtsverteilung, die Häufigkeitsverteilung der Tumorlokalisation und
Operationsart, der histologischen Subtypen sowie der Differenzierungsgrade wie auch die
Angaben zur Bildqualität wurden tabellarisch, teils grafisch ausgewertet.
Bei der Gegenüberstellung von radiologischen und histologischen/intraoperativen Befunden
(p) dienten letztere stets als Goldstandard. Als Maß der Übereinstimmung beider Reader
wurde das Interreader Agreement erfasst.
Zum Vergleich der radiologischen Ergebnisse der beiden Reader untereinander als auch mit
den histologischen Ergebnissen wurden bezüglich der Tumorgröße Korrelationsberechnun-
25
Material und Methoden
gen nach Spearman durchgeführt. Der Korrelationskoeffizient rs nach Spearman (siehe Tabelle 9) ist ein Maß für die Stärke eines monotonen Zusammenhangs zwischen zwei Merkmalen, ohne dass ein linearer Zusammenhang vorausgesetzt wird. Da mittels SPSS und
Microsoft Excel nur der Korrelationskoeffizent r nach Pearson (für normalverteilte Daten) mittels Streudiagramm abgebildet werden konnte, kam es zu geringfügigen grafischen Abweichungen, auf die in entsprechenden Abbildungen durch die Angabe beider Koeffizienten hingewiesen wird.
Wert des Korrelationskoeffizienten rs
Interpretation
0,0 ≤ rs ≤ 0,2
Sehr geringe Korrelation
0,2 < rs ≤ 0,5
Geringe Korrelation
0,5 < rs ≤ 0,7
Mittlere Korrelation
0,7 < rs ≤ 0,9
Hohe Korrelation
0,9 < rs ≤ 1,0
Sehr hohe Korrelation
Tabelle 9: Interpretation des Korrelationskoeffizienten rs nach Spearman
Als Maß der Übereinstimmung zwischen beiden Readern sowie zwischen den Readern und
der Histopathologie bezüglich des T-Stadiums nach der TNM-Klassifikation, des T-Stadiums
nach Enneking, der Knochen-, Gelenk-, Gefäß- und Nerveninfiltration wurde jeweils der Korrelationskoeffizient Kappa (κ) mit dazugehörigem 95%-Konfidenzintervall (95%-KI) und die
Accuracy als Maß der Genauigkeit bestimmt.
Wert des Kappa (κ)
Interpretation
≤ 0,20
Schwache Übereinstimmung
0,21-0,40
Leichte Übereinstimmung
0,41-0,60
Mittelmäßige Übereinstimmung
0,61-0,80
Gute Übereinstimmung
0,81-1,00
Sehr gute Übereinstimmung
Tabelle 10: Interpretation des Korrelationskoeffizienten Kappa (κ)
Bei der Gegenüberstellung der histologischen und radiologischen Befunde wurde in Bezug
auf Knochen-, Gelenk-, Gefäß- und Nerveninfiltration zusätzlich, unter Angabe der Prävalenz, die Sensitivität und Spezifität sowie der positiv und negativ prädiktive Wert mit dazugehörigem 95%-Konfidenzintervall berechnet. Die Sensitivität wird definiert als Anteil der richtig
Positiven an der Gesamtheit der Kranken, die Spezifität als Anteil der richtig Negativen an
der Gesamtheit der Gesunden. Der positiv prädiktive Wert (PPV) ist der Anteil der richtig
Positiven an der Gesamtheit der Test-Positiven, der negativ prädiktive Wert (NPV) der Anteil
26
Material und Methoden
der richtig Negativen an der Gesamtheit der Test-Negativen. Unter Prävalenz versteht man
den Anteil der Erkrankten in der beobachteten Population.
In den folgenden Tabellen ist 0 gleich negativ und 1 gleich positiv. Zur Definition von richtig/
falsch positiv/negativ beim Vergleich der histologischen und radiologischen Ergebnisse siehe
Tabelle 11:
p
R1/R2
0
0
1
richtig negativ falsch negativ
1
falsch positiv
richtig positiv
Tabelle 11: Definition richtig/falsch positiv/negativ
R1/R2 = Reader 1/Reader 2, p = Pathologie als Goldstandard, 0 = negativ, 1 = positiv
Zur Bestimmung eines optimalen Cut-Off-Werts bei der radiologischen Diagnostik einer Gefäß- bzw. Nerveninfiltration wurde eine Receiver-Operating-Characteristics (ROC)-Analyse
durchgeführt. Hierfür wurden die fünf Stufen der Bewertung des Kontakts zwischen Tumor
und Arterie, Vene oder Nerv (interponierte GWS, Kontakt ≤ 90°, zwischen 91-180°, zwischen
181-270°, > 270°; siehe 3.3.2) den „wahren“ Ergebnissen der operativen Exploration bzw.
Histopathologie bezüglich der neurovaskulären Infiltration (positiv oder negativ) gegenübergestellt. Die ROC-Analyse berechnet für jeden der möglichen Cut-Off-Werte (den fünf Testwerten entsprechend) die Sensitivität und Spezifität, die sich ergibt, wenn man diesen Testwert als Cut-Off-Wert definiert. Durch das Auftragen von Sensitivität gegen 1-Spezifität (Anteil
der falsch Positiven an den Gesunden) wird eine ROC-Kurve erstellt.
Für jede ROC-Analyse wurde der Youden-Index als Sensitivität+Spezifität-1 bestimmt und
davon der größte Wert als Cut-Off-Wert festgelegt, der am besten zwischen Gesunden und
Kranken trennen kann. Auf der ROC-Kurve entspricht er demjenigen Punkt, an dem die Senkrechte zur Hauptdiagonalen des Koordinatensystems den größten Abstand aufweist. Zur Bestimmung der Accuracy als Maß der diagnostischen Genauigkeit der betrachteten Untersuchungsmethode wurde außerdem die Fläche unter der ROC-Kurve (Area under the curve =
AUC) mit dazugehörigem 95%-Konfidenzintervall berechnet. Eine als optimal geltende Kurve
nimmt einen Wert > 0,5 und ≤ 1 ein, wobei 1 einer 100%-igen Sensitivität bei 100%-iger
Spezifität gleichkäme. Bei einer Fläche von 0,5 muss von einem Zufallsprozess ausgegangen werden (entsprechend der Hauptdiagonalen im Koordinatensystem).
Um eine mögliche Abhängigkeit zwischen Tumorlokalisation, histologischem Subtyp, Differenzierungsgrad und Gefäß- bzw. Nerveninfiltration aufzuzeigen, wurden Kreuztabellen erstellt und diese grafisch dargestellt. Dabei wird bezüglich der Gefäßinfiltration nur berücksichtigt, ob ein Tumor Gefäße befällt und nicht welche oder wie viele (Arterien und/oder
Venen) davon betroffen sind.
27
Material und Methoden
Zum Überprüfen eines möglichen Zusammenhangs zwischen Tumorgröße und Gefäß- bzw.
Nerveninfiltration wurde der Mann-Whitney-U-Test verwendet. Dieser nicht-parametrische
Test stellt zwei unabhängige Stichproben gegenüber und überprüft ob die Unterschiede in
beiden Proben bezüglich einer abhängigen Variablen zufällig oder systematisch bedingt sind.
Die Nullhypothese besagt, dass kein systematischer Unterschied zwischen den Stichproben
hinsichtlich des abhängigen Merkmals besteht. Ein p-Wert < 0,05 wurde als statistisch signifikant betrachtet.
Mittels des Chi-Quadrat (Chi2)-Tests sollte ein möglicher Unterschied zwischen den beiden
T-Stadien nach Enneking (T1 und T2) bezüglich der Gefäß- bzw. Nerveninfiltration aufgezeigt
werden. Er überprüft dabei die Unabhängigkeit zweier kategorialer Merkmale, indem er die
empirischen Häufigkeiten der beiden Variablen mit den statistisch, unter der Annahme einer
Unabhängigkeit erwarteten Häufigkeiten, vergleicht. Gemäß der Nullhypothese sind beide
Merkmale unabhängig voneinander. Als signifikant galt ein p-Wert < 0,05.
28
Ergebnisse
Ergebnisse
4.1
Alters- und Geschlechtsverteilung
Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung betrug das durchschnittliche Alter der 174 Patienten
55,7 Jahre (Mittelwert ± s: 55,7 ± 17; Median: 58,5) mit einer Spannweite von 17 bis 89
Jahren. Von den Patienten waren zwei (1,1%) zwischen 0 und 20 Jahren, 15 (8,6%) zwischen
21 und 30 Jahren, 23 (13,2%) zwischen 31 und 40 Jahren, 22 (12,6%) zwischen 41 und 51
Jahren, 32 (18,4%) zwischen 51 und 60 Jahren, 42 (24,1%) zwischen 61 und 70 Jahren und
38 (21,8%) älter als 70 Jahre (siehe Abbildung 6).
Anzahl
Dabei handelte es sich um 86 Männer und 88 Frauen (49% bzw. 51%).
45
40
35
30
25
20
15
10
5
0
≤ 20
21-30
31-40 41-50 51-60
Altersgruppen (Jahre)
61-70
> 70
Abbildung 6: Verteilung des Diagnosealters
4.2
Klinische Daten zur Tumorlokalisation und Operationsart
Von den insgesamt 174 Weichteilsarkomen waren 32 (18,4%) in der oberen (inklusive Schulter) und 140 (80,5%) in der unteren Extremität (inklusive Becken) lokalisiert. Zwei der Tumoren (1,1%) befanden sich im Rücken.
Die genaue Verteilung der Tumorlokalisationen an den Extremitäten lässt sich Abbildung 7
entnehmen.
Bei 150 Patienten (86,2%) konnte eine extremitätenerhaltende Resektion der Weichteilsarkome durchgeführt werden. Dabei entschieden sich die Operateure in sechs Fällen für eine
intraläsionale Resektion, in 22 Fällen für eine marginale Resektion, bei 55 Patienten für eine
weite Resektion und bei 67 Patienten für eine radikale Resektion. 24 Patienten mussten amputiert werden, weil der Erhalt einer funktionstüchtigen Extremität nicht mehr sichergestellt
werden konnte (vergleiche Abbildung 8).
29
Ergebnisse
Abbildung 7: Verteilung der Tumorlokalisationen an der oberen und unteren Extremität
3,4%
38,5%
12,6%
Intraläsionale Resektion
Marginale Resektion
Amputation
Weite Resektion
13,8%
Radikale Resektion
31,6%
Abbildung 8: Häufigkeit der verschiedenen Operationsarten
4.3
Histologische Daten zur Tumorentität und zum
Differenzierungsgrad
Die Klassifizierung der 174 Weichteilsarkome nach der WHO-Klassifikation von 2002 (vergleiche Tabelle 1 in 2.1) ergab insgesamt 22 verschiedene histologische Subtypen. Eingeteilt
in die verschiedenen Untergruppen zeigte sich, dass am häufigsten lipomatöse Tumoren (n
= 54), Tumoren ungewisser Differenzierung (n = 35), fibrohistiozytische (n = 33) wie auch
(myo-)fibroblastische Tumoren (n = 31) diagnostiziert wurden. Seltener wurden Patienten mit
Tumoren der glatten Muskulatur (n = 11), der Skelettmuskulatur (n = 3), neurogenen (n = 3),
vaskulären (n = 2) oder chondro-ossären Tumoren (n = 2) behandelt.
30
Ergebnisse
Die absoluten und relativen Häufigkeiten der einzelnen Tumorentitäten, der Größe nach absteigend sortiert, werden in Tabelle 12 widergegeben.
Absolute
Häufigkeit
Relative
Häufigkeit
Undifferenziertes pleomorphes Sarkom
33
19,0%
Gut differenziertes Liposarkom/atypischer lipomatöser Tumor
26
14,9%
Synovialsarkom
26
14,9%
Myxofibrosarkom
20
11,5%
Myxoides Liposarkom
16
9,2%
Leiomyosarkom
11
6,3%
Fibromyxoides Sarkom
7
4,0%
Dedifferenziertes Liposarkom
6
3,4%
Pleomorphes Liposarkom
5
2,9%
MPNST
3
1,7%
Rhabdomyosarkom
3
1,7%
Adultes Fibrosarkom
2
1,1%
Sklerosierendes epitheloides Fibrosarkom
2
1,1%
Epitheloides Sarkom
2
1,1%
Angiosarkom
2
1,1%
Klarzellsarkom
2
1,1%
Extraskelettales myxoides Chondrosarkom
2
1,1%
Extraskelettales Ewing-Sarkom/PNET
2
1,1%
Mischtyp Liposarkom
1
0,6%
Alveoläres Weichteilsarkom
1
0,6%
Extraskelettales mesenchymales Chondrosarkom
1
0,6%
Extraskelettales Osteosarkom
1
0,6%
Histologischer Subtyp
Tabelle 12: Häufigkeit der histologischen Subtypen
Beim Grading stuften die Pathologen 50 Tumoren als hochdifferenziert und G1 (28,7%), 36
als mittelmäßig differenziert und G2 (20,7%), 74 als schlecht differenziert und G3 (42,5%)
sowie drei als undifferenziert und G4 (1,7%) ein. In sechs Fällen waren die Tumoren nicht
eindeutig einer dieser vier Gruppen zuzuordnen, sodass sie mittels Zwischenstufen klassifiziert wurden (nG1-2 = 1, nG2-3 = 2 und nG3-4 = 4; vergleiche Abbildung 9). Zusammengefasst
entsprachen 29,3% (n = 51) der Weichteilsarkome G1-Tumoren (inklusive G1-2) und 68,4%
(n = 119) Tumoren ≥ G2. Bei vier Patienten fehlten Angaben zum Differenzierungsgrad.
31
Ergebnisse
80
70
Anzahl
60
50
40
30
20
10
0
G1
G1-2
G2
G2-3
G3
Differenzierungsgrad
G3-4
G4
Abbildung 9: Häufigkeit der unterschiedlichen Differenzierungsgrade
4.4
Radiologische Daten zur MRT-Bildqualität
In der Mehrheit der Fälle bewerteten die beiden Reader die zu beurteilenden MRTAufnahmen als gut (R1 in 83,3%, R2 in 80,5% der Fälle). Bei 29 bzw. 33 (16,7% bzw. 19%,
R1 bzw. R2) Patienten wurden die MRT-Bilder für mäßig gehalten. Gemäß R2 hatten die
Aufnahmen in einem Fall nur schlechte Qualität (0,6%).
Beim Vergleich der unterschiedlichen MR-Untersuchungstechniken leiteten R1 bei vier bzw.
R2 bei elf der 174 Patienten (2,3% bzw. 6,3%) zusätzliche Informationen aus den kontrastverstärkten T1-gewichteten Aufnahmen ab. Laut R1 ermöglichten diese Aufnahmen in den
genannten vier Fällen, dass die Tumorgrenzen (n = 1 bzw. 0,6%) und das neurovaskuläre
Encasement (n = 1 bzw. 0,6%) deutlicher erkennbar und die Gefäße (n = 2 bzw. 1,1%) besser
abgrenzbar waren. R2 bemerkte in sieben Fällen eine bessere Abgrenzung zwischen Tumorund Fettgewebe (n = 5 bzw. 2,9%), zwischen Tumor und Gefäßen (n = 1 bzw. 0,6%) sowie
zwischen Tumor und peritumoralem Ödem (n = 1 bzw. 0,6%). Auf weiteren vier kontrastverstärkten T1w-Aufnahmen (2,3%) war seiner Auffassung nach die Tumorausdehnung allgemein besser erkennbar. Bei einem Patienten war entsprechendes Bildmaterial nicht verfügbar.
4.5
Radiologische und histopathologische Analyse
Tumorgröße
Interreader Agreement
Der kleinste radiologisch gemessene Tumor war 1 bzw. 0,9 cm (R1 bzw. R2), der größte
Tumor hatte gemäß beider Reader einen Durchmesser von 36 cm. Im Mittel betrug die Größe
11,3 cm mit einer Standardabweichung von ± 6,3 cm (R1 und R2), wobei der Median bei
10 cm (R1) bzw. 10,2 cm (R2) lag.
32
Ergebnisse
Wie gut die zwei Reader bei ihren Messungen übereinstimmten, soll anhand eines Streudiagramms (nach Pearson, siehe 3.4) veranschaulicht werden (siehe Abbildung 10).
Sowohl das Streudiagramm als auch der berechnete Korrelationskoeffizient nach Spearman
rs = 0,995 lassen erkennen, dass eine sehr hohe Korrelation zwischen den gemessenen Tumorgrößen der Reader 1 und 2 vorliegt.
r = 0,996 (n. Pearson)
rs = 0,995 (n. Spearman)
Abbildung 10: Korrelation der radiologisch gemessenen Tumorgrößen (R1 vs. R2)
Vergleich der histologischen und radiologischen Ergebnisse
Die postoperativ, am Resektionspräparat ermittelten Tumordurchmesser betrugen im Durchschnitt 10,9 cm. Dabei ergab sich eine Spannweite von 0,5 bis 28 cm.
Beim Vergleich der histologisch bestimmten Tumorgrößen mit den radiologisch ermittelten
Tumordurchmessern zeigten sich geringfügige Unterschiede. Die größte Abweichung (in cm)
lässt sich beim maximalen Wert erkennen, bei dem die absolute Differenz zwischen den jeweiligen Ergebnissen der beiden Reader und dem Ergebnis der Histologie als Goldstandard
8 cm beträgt (vergleiche Tabelle 13). Da die Pathologen bei vier Patienten auf Grund des
fragmentierten Zustands des resezierten Tumors nicht in der Lage waren seine exakte Größe
zu erfassen, standen die Daten von 170 der 174 Patienten für diese Auswertung zur Verfügung.
Mittels Streudiagramm (nach Pearson, siehe 3.4) lässt sich die Korrelation zwischen den
histologischen Ergebnissen (p Tumorgröße) und den radiologischen Auswertungen (Tumorgröße R1 bzw. R2) grafisch gut darstellen (siehe Abbildung 11 und Abbildung 12).
33
Ergebnisse
Histologie
R1
R2
10,9 ± 5,9
11,3 ± 6,3
11,3 ± 6,3
Median
10
10
10,2
Minimum
0,5
1
0,9
Maximum
28
36
36
Mittelwert ± s
Tabelle 13: Vergleich der histologisch und radiologisch gemessenen Tumorgrößen (in cm)
In beiden Abbildungen werden Ausreißer (Punkte mit einem sehr großen Abstand zur Geraden) vor allem ab einer histologischen Tumorgröße von 10 cm erkannt. Hierbei fällt auf, dass
größere Abweichungen in den meisten Fällen durch eine Überschätzung der Tumorgröße
von Seiten der Reader 1 und 2 bedingt sind.
r = 0,896 (n. Pearson)
rs = 0,924 (n. Spearman)
Abbildung 11: Korrelation der histologisch und radiologisch gemessenen Tumorgrößen (p vs.
R1)
Bei der Berechnung nach Spearman ergab sich für R1 ein Korrelationskoeffizient rs = 0,924,
was einer sehr hohen Korrelation entspricht.
Auch beim Gegenüberstellen der histologischen Messwerte und jener von R2, wurde eine
sehr hohe Korrelation festgestellt (rs = 0,917):
34
Ergebnisse
r = 0,889 (n. Pearson)
rs = 0,917 (n. Spearman)
Abbildung 12: Korrelation der histologisch und radiologisch gemessenen Tumorgrößen (p vs.
R2)
T-Staging nach AJCC/UICC
Interreader Agreement
Die radiologische Analyse durch R1 ergab, dass von den 174 beurteilten Weichteilsarkomen
25 (14,4%) ≤ 5 cm (T1) waren, von denen fünf (2,9%) eine oberflächliche Lage (T1a) sowie
20 (11,5%) eine tiefe Lage (T1b) aufwiesen (bezüglich der Definition von oberflächlich und
tief siehe 3.3.2). Größer als 5 cm (T2) waren nach R1 149 Tumoren (85,6%), wobei drei
davon (1,7%) oberflächlich (T2a) und 146 (83,9%) tief (T2b) lokalisiert waren.
R2 klassifizierte 23 (13,2%) Sarkome als T1 und darunter sechs als T1a (3,4%) sowie 17 als
T1b (9,8%). Die restlichen 151 Tumoren (86,8%) wurden von ihm als größer 5 cm (T2) eingestuft und davon drei (1,7%) als oberflächlich (T2a) und 148 (85,1%) als tief (T2b).
Zum Vergleich der beiden Reader bezüglich des T-Stadiums nach TNM-Klassifikation wurde
ein κ von 0,811 (95%-KI: 0,697-0,925) berechnet, was einer sehr guten Übereinstimmung
gleichkommt. Die Accuracy als Maß der Genauigkeit lag bei 94,8%. Zur genauen Verteilung
der einzelnen Werte siehe Tabelle 14.
35
Ergebnisse
T-Stadium nach TNM R2
T1a
T-Stadium
nach TNM
R1
T1b
T2a
T2b
Gesamt
T1a
4
1
0
0
5
T1b
2
14
0
4
20
T2a
0
0
3
0
3
T2b
0
2
0
144
146
6
17
3
148
174
Gesamt
Tabelle 14: T-Stadium nach TNM (R1 vs. R2)
Die Daten wurden zusätzlich nach Größe (T1/2) und Lage (Ta/b) getrennt betrachtet:
Aufgeschlüsselt nach T1 und T2 ergaben sich für beide Reader ein κ = 0,855 (95%-KI:
0,742-0,968) sowie eine Accuracy von 96,6% und damit ebenfalls eine sehr gute Übereinstimmung.
Wie man in Tabelle 14 erkennen kann, wurden nur acht bzw. neun (4,6% bzw. 5,2%, R1 bzw.
R2) der 174 Tumoren als oberflächlich und 166 bzw. 165 (95,4% bzw. 94,8%, R1 bzw. R2)
als tief bewertet, wobei sich das Interreader Agreement auch hierbei als sehr gut erwies (κ =
0,814 mit einem 95%-KI von 0,609-1,020, Accuracy = 98,3%).
Vergleich der histologischen und radiologischen Ergebnisse
Die Pathologen klassifizierten insgesamt bei 168 Patienten die Tumoren gemäß TNM als
T1a, T1b, T2a oder T2b. In sechs Fällen (3,4%) fehlte eine Klassifizierung, allerdings konnte
in zwei dieser Fälle nur die a-/b-Kategorisierung nicht ermittelt werden, wohingegen bei den
anderen vier Fällen überhaupt kein T-Staging nach TNM durchgeführt werden konnte.
Innerhalb dieses Patientenkollektivs wurden 27 T1-Tumoren (15,5%) beobachtet, von denen
neun (5,2%) oberflächlich (T1a) und 18 (10,3%) tief (T1b) lokalisiert waren. Die 143 T2Tumoren (82,2%) wurden 13 Mal als T2a und 128 Mal als T2b eingestuft (7,5% und 73,6%).
Insgesamt hatten 22 Weichteilsarkome (12,6%) eine oberflächliche (Ta) und 146 (83,9%)
eine tiefe (Tb) Lage.
Beim Vergleich der radiologischen Beurteilung der T-Klassifikation nach TNM (T-Stadium
nach TNM R1 bzw. R2) mit entsprechenden Werten der Histopathologie (p T-Stadium nach
TNM, siehe Tabelle 15) zeigt sich eine mittelmäßige Übereinstimmung bei einem κ von 0,529
für R1 (95%-KI: 0,388-0,670) und 0,555 für R2 (95%-KI: 0,409-0,700) sowie einer Accuracy
von 83,9% bzw. 85,1% (R1 bzw. R2).
36
Ergebnisse
p T-Stadium nach TNM
T1a
T-Stadium
nach TNM
R1
Gesamt
T-Stadium
nach TNM
R2
T1b
T2a
T2b
Gesamt
T1a
3
1
0
0
4
T1b
3
11
1
4
19
T2a
0
0
3
0
3
T2b
3
6
9
124
142
T1a
9
5
18
1
13
0
128
0
168
6
T1b
2
10
0
3
15
T2a
0
0
3
0
3
T2b
2
7
10
125
144
9
18
13
128
168
Gesamt
Tabelle 15: T-Stadium nach TNM (p vs. R1 und R2)
Betrachtet man die Befunde getrennt nach T1/T2 einerseits und Ta/Tb andererseits werden
Unterschiede beim Ausmaß der Übereinstimmung deutlich (siehe Tabelle 16).
Während die Ergebnisse der Reader und Pathologen bei der Einteilung der Tumoren nach
ihrer Größe (≤ oder > 5 cm) gut übereinstimmten, wichen sie bezüglich der Tumorlage Ta
oder Tb stärker voneinander ab. In 14 bzw. 13 Fällen (8% bzw. 7,5%, R1 bzw. R2) kam es
auf Grund von Differenzen zwischen den radiologisch und pathologisch bestimmten Tumordurchmessern zu Abweichungen bezüglich der T1/T2-Klassifikation.
T1/2
κ
95%-KI
Accuracy
Ta/b
R1
R2
R1
R2
0,654
0,691
0,374
0,476
0,493-0,816
0,534-0,847
0,150-0,598
0,258-0,695
91,2%
92,4%
89,9%
91,1%
Tabelle 16: Maß der Übereinstimmung zwischen Pathologie und R1 bzw. R2 innerhalb von T1/2
und Ta/b
Die geringe Übereinstimmung zwischen den radiologischen und histologischen Befunden bezüglich Ta/Tb sollte noch in Abhängigkeit von der Tumorgröße überprüft werden. Dazu wurden identische Berechnungen für die Patientenuntergruppen T1 bzw. T2 (n = 27 bzw. n = 141
gemäß pathologischem Goldstandard) durchgeführt.
37
Ergebnisse
Mit Ausnahme eines Falles, in dem die Ergebnisse von R2 verglichen mit der Histopathologie mittelmäßig abschnitten (κ = 0,545), stellte sich heraus, dass auch innerhalb der Subgruppen T1 bzw. T2 keine bessere Übereinstimmung erreicht werden konnte (vergleiche Tabelle 17).
T1
κ
95%-KI
Accuracy
T2
R1
R2
R1
R2
0,323
0,545
0,353
0,353
-0,037-0,683
0,205-0,886
0,058-0,647
0,058-0,647
74,1%
81,5%
92,9%
92,9%
Tabelle 17: Maß der Übereinstimmung zwischen Pathologie und R1 bzw. R2 innerhalb von T1
und T2
Bei genauerer Betrachtung zeigte sich, dass die Radiologen in den meisten Fällen, in denen
sie in ihrer Einschätzung der Tumorlage vom histopathologischen Goldstandard abwichen,
die Sarkome fälschlicherweise als tief sitzende b-Tumoren klassifizierten. Unter den Tumoren
≤ 5 cm (T1) sind sie irrtümlicherweise sechs bzw. vier Mal von einer tiefen und jeweils ein
Mal von einer oberflächlichen Tumorlage ausgegangen (R1 bzw. R2). Bei den größeren T2Tumoren stimmten in zehn Fällen die radiologischen Ergebnisse nicht mit den histologischen
überein, wobei alle zehn Sarkome durch R1 und R2 fehlerhaft als T2b (und nicht als T2a,
gemäß Pathologie) eingestuft wurden.
T-Staging nach Enneking
Interreader Agreement
Hinsichtlich des T-Stagings nach Enneking wurde naturgemäß nur eine radiologische Auswertung durchgeführt, weil eine histopathologische Analyse diesbezüglich am Resektionspräparat nicht möglich war.
Wie in Tabelle 18 zu sehen ist, blieben gemäß R1 83 (47,7%) der 174 Sarkome auf ein anatomisches Kompartiment beschränkt (T1), während sich die anderen 91 Tumoren (52,3%)
entweder über mehrere anatomische Kompartimente ausdehnten oder in einem primär extrakompartimentellen Raum lokalisiert waren (T2) (siehe 3.3.2). R2 charakterisierte bei 88 Patienten die Tumoren als T1 (50,6%) und bei 86 als T2 (49,4%).
38
Ergebnisse
T-Stadium nach Enneking R2
T1
T-Stadium nach
Enneking R1
T2
Gesamt
T1
83
0
83
T2
5
86
91
88
86
174
Gesamt
Tabelle 18: T-Stadium nach Enneking (R1 vs. R2)
Somit berechnete sich ein κ = 0,943 (95%-KI: 0,893-0,992) mit einer Accuracy von 97,1%
und folglich einer sehr guten Übereinstimmung beider Reader bezüglich des EnnekingStagings.
Von den 91 bzw. 86 T2-Tumoren befanden sich nach Auffassung beider Reader 35 in einem
primär extrakompartimentellen Raum. Davon waren 45,7% in der Poplitea, 17,1% in der
Axilla, 8,6% im Fuß, jeweils 5,7% im Becken, in der Leiste und im oberen Sprunggelenk
(OSG) sowie jeweils 2,9% periklavikulär, in der Ellenbeuge, retroperitoneal oder paraspinal
lokalisiert. Die absolute Häufigkeitsverteilung, die bei R1 und R2 identisch ist, kann Abbildung
13 entnommen werden.
Anzahl
a
18
16
14
12
10
8
6
4
2
0
b
1616
6 6
1 1
1 1
1 1
2 2
1 1
2 2
2 2
3 3
Primär extrakompartimenteller Raum
R1
R2
Abbildung 13: Verteilung der T2-Tumoren (nach Enneking) in primär extrakompartimentellen
Räumen
39
Ergebnisse
a
b
Abbildung 14: Koronare native (a) und kontrastverstärkte (b) T1-gewichtete SE-Aufnahmen einer 66-jährigen Patientin mit einem MPNST am rechten distalen Oberschenkel. Der Tumor liegt
in der Fossa poplitea und damit in einem primär extrakompartimentellen Raum (T2).
Infiltration von Knochen und Gelenken
Interreader Agreement
Auf den MRT-Bildern beobachteten die Reader in 18 von 174 Fällen Signalveränderungen
im Bereich der Kortikalis und/oder Spongiosa, die auf eine Knocheninfiltration durch den angrenzenden Tumor hinwiesen (10,3%). Entsprechend der absoluten Übereinstimmung zwischen R1 und R2 wurde ein κ = 1,000 mit einem 95%-KI von 1,000-1,000 und einer 100%igen Accuracy erzielt.
Infiltration Knochen R2
0
Infiltration
Knochen R1
1
Gesamt
0
156
0
156
1
0
18
18
156
18
174
Gesamt
Tabelle 19: Knocheninfiltration (R1 vs. R2)
0 = keine Infiltration (negativ), 1 = Infiltration (positiv)
Radiologische Anzeichen für eine artikuläre Tumorinvasion gab es wesentlich seltener. R1
ging bei vier Patienten von einem Gelenkbefall durch den Tumor aus (2,3%), während R2 bei
40
Ergebnisse
sechs der 174 Sarkome ein infiltratives Verhalten bezüglich des benachbarten Gelenks erkannte (3,4%). Statistisch ergab sich eine gute Übereinstimmung zwischen R1 und R2 (κ =
0,794, 95%-KI: 0,517-1,072, Accuracy = 98,9%).
Infiltration Gelenk R2
0
Infiltration
Gelenk R1
1
Gesamt
0
168
2
170
1
0
4
4
168
6
174
Gesamt
Tabelle 20: Gelenkinfiltration (R1 vs. R2)
0 = keine Infiltration (negativ), 1 = Infiltration (positiv)
Vergleich der histologischen/intraoperativen und radiologischen
Ergebnisse
Bei 15 der 173 histopathologisch untersuchten Weichteilsarkome (bei einem Patienten fehlten Angaben zum Knochenkontakt im histologischen Befundbericht, sodass nGesamt = 173)
wurde ein tumoröser Befall des Knochens diagnostiziert (8,7%). Bei insgesamt 26 Patienten
wurde intraoperativ das Periost auf dem Tumor belassen und mitreseziert, wobei davon ausgegangen wurde, dass der Knochen nicht vom Tumor infiltriert war. Viel seltener, in fünf von
174 Fällen, zeigte sich eine Gelenkinvasion (2,9%). Die genaue Verteilung der radiologischen
(Infiltration R1 bzw. R2) und histologischen (p Infiltration) Ergebnisse findet sich in Tabelle
21.
Knochen
Gelenk
p Infiltration
0
Infiltration
R1
Gesamt
Infiltration
R2
Gesamt
p Infiltration
0
156
1
0
Gesamt
156
1
2
15
0
169
1
1
Gesamt
170
17
0
4
4
158
15
173
169
5
174
0
156
0
156
167
1
168
1
2
15
17
2
4
6
158
15
173
169
5
174
Tabelle 21: Knochen- und Gelenkinfiltration (p vs. R1 und R2)
0 = keine Infiltration (negativ), 1 = Infiltration (positiv)
Um zu überprüfen, wie zuverlässig die MRT-Analyse der beiden Reader bezüglich einer potentiellen Knochen- und Gelenkinfiltration im Vergleich mit der Histopathologie war, wurden
41
Ergebnisse
die Sensitivität, Spezifität, Accuracy sowie der PPV und NPV berechnet (siehe Tabelle 22).
Dabei wurde bezüglich der Detektion einer Knocheninfiltration eine Sensitivität von 100%
(d.h. alle 15 pathologisch tatsächlich infiltrierten Knochen wurden durch beide Reader richtig
erkannt), eine Spezifität von 98,7% (entsprechend zwei falsch Positiven und 156 richtig Negativen) bei einer Accuracy von 98,8% erreicht.
a
b
d
c
Abbildung 15: 26-jähriger Patient mit monophasischem Synovialsarkom am linken proximalen
Unterschenkel. Sagittale T1-gewichtete SE- (a), transversale T2-gewichtete TSE- (b) und fettgesättigte kontrastverstärkte T1-gewichtete SE-Aufnahmen (c) zeigen einen Tumorkontakt zur Tibia mit deutlichen Signalveränderungen von Kortikalis und Spongiosa. Die Kortikalis ist partiell
destruiert und das normale Knochenmark durch Tumorgewebe infiltriert (Pfeil). Intraoperativ
erfolgte eine weite Resektion des Tumors inklusive der tumorbefallenen knöchernen Areale.
Das histopathologische Präparat zeigte sowohl makroskopisch (d) als auch mikroskopisch
(ohne Abbildung) eine Infiltration der Tibia durch das Synovialsarkom (Pfeilspitze).
42
Ergebnisse
In Bezug auf die Gelenkinfiltration war die Sensitivität mit 80% niedriger (ein falsch Negatives
und vier richtig Positive von fünf tatsächlich infiltrierten Gelenken), wohingegen die Spezifität
mit 100% (d.h. alle 169 pathologisch tatsächlich nicht vom Tumor befallenen Gelenke wurden
von R1 richtig erkannt) bzw. 98,8% (bei zwei falsch positiv sowie 167 richtig negativ bewerteten Gelenken durch R2) höher war. Die Accuracy betrug 99,4% bzw. 98,3% für R1 bzw.
R2. Zur Definition von „richtig/falsch positiv/negativ“ siehe Tabelle 11 in 3.4.
Knochen
Gelenk
%
R1
R2
R1
R2
Prävalenz
8,7
8,7
2,9
2,9
Sensitivität
100
100
80
80
95%-KI
100-100
100-100
44,9-115,1
44,9-115,1
Spezifität
98,7
98,7
100
98,8
95%-KI
97,0-100,5
97,0-100,5
100-100
97,2-100,4
Accuracy
98,8
98,8
99,4
98,3
PPV
88,2
88,2
100
66,7
95%-KI
72,9-103,6
72,9-103,6
100-100
28,9-104,4
NPV
100
100
99,4
99,4
95%-KI
100-100
100-100
98,3-100,6
98,2-100,6
Tabelle 22: Deskriptive Statistik für Knochen- und Gelenkinfiltration
Unter den 15 infiltrierten Knochen und den fünf befallenen Gelenken ergab sich die in Abbildung 16 sichtbare Verteilung der Lokalisationen. Vier Patienten wiesen neben einer Knochen- auch eine Gelenkinvasion auf.
5
LWK
1
Scapula
2
3
Becken
Tibia
3
a
2
2
Hüftgelenk
2
Kniegelenk
Fußskelett
Femur
b
Abbildung 16: Verteilung der infiltrierten Knochen (a) und Gelenke (b)
LWK = Lendenwirbelkörper
Von den 15 Patienten, bei denen ein Knochenbefall nachweisbar war, waren sechs an einem
undifferenzierten pleomorphen Sarkom (40%), drei an einem Synovialsarkom (20%) und jeweils einer an einem epitheloiden Sarkom, adulten Fibrosarkom, Myxofibrosarkom, extra43
Ergebnisse
skelettalen myxoiden Chondrosarkom, Klarzellsarkom sowie an einem MPNST (jeweils
6,7%) erkrankt. Dies bedeutet, dass 50% der epitheloiden Sarkome, adulten Fibrosarkome,
extraskelettalen myxoiden Chondrosarkome und Klarzellsarkome (jeweils 1/2), 33,3% der
MPNST (1/3), 18,1% der undifferenzierten pleomorphen Sarkome (6/33), 11,5% der Synovialsarkome (3/26) und 5% der Myxofibrosarkome (1/20) eine Knocheninfiltration aufwiesen.
Eine Gelenkinvasion zeigte sich bei zwei von 33 undifferenzierten pleomorphen Sarkomen
(6,1%) sowie bei jeweils einem von sieben fibromyxoiden Sarkomen (14%), drei MPNST
(33,3%) und zwei Klarzellsarkomen (50%). Somit waren 40% der Gelenke von einem undifferenzierten pleomorphen Sarkom und jeweils 20% von einem fibromyxoiden Sarkom,
MPNST oder Klarzellsarkom befallen.
a
b
c
Abbildung 17: 34-jähriger Patient mit fibromyxoidem Sarkom der linken Hüftregion. Koronare
T2-gewichtete TSE- (a, b) und STIR-TSE-Aufnahmen (c) zeigen eine Tumorinvasion des Hüftgelenks. Das Tumorgewebe lässt sich deutlich innerhalb der Grenzen der Synovialmembran mit
direktem Kontakt zum Schenkelhals nachweisen. Das Sarkom konnte mittels weiter Resektion
im Gesunden entfernt werden. Histopathologisch bestätigte sich eine Infiltration der Synovialmembran.
Neurovaskuläres Encasement
Interreader Agreement
Gemäß dem Auswertebogen beschrieben die Reader die Ausprägung des Kontakts zwischen Tumor und Gefäß bzw. Nerv mittels einer fünfstufigen Skala (vergleiche 3.3.2). Anhand
der Tabellen 23-25 sollen diese Ergebnisse gegenübergestellt werden.
Allgemein wurde eine enge Lagebeziehung zwischen Tumor und großen Leitungsbahnen in
117 von 174 Fällen (67,2%) beobachtet (bei 90 Patienten bezüglich mehr als einer Leitungsbahn):
˗
93 Mal zwischen Tumor und Arterie
˗
89 Mal zwischen Tumor und Vene
˗
93 Mal zwischen Tumor und Nerv
44
Ergebnisse
Das Interreader Agreement war bei der Beurteilung aller drei Strukturen (Arterie/Vene/Nerv)
sehr gut (Tabelle 26).
N
A
V
A
a
V
b
Abbildung 18: 51-jähriger Patient mit undifferenziertem pleomorphen Sarkom am rechten Oberschenkel. Auf der transversalen T2-gewichteten TSE-Aufnahme (a) lässt sich eine Tumorinvasion der V. femoralis (V) erkennen. Das Ausmaß des Tumorkontakts zur A. femoralis (A) betrug
gemäß beider Reader weniger als 180°. Zwischen dem N. femoralis (N) und dem Sarkom ist
eine interponierte Fettgewebsschicht erkennbar. Intraoperativ erfolgte eine Tumorresektion inklusive der A. und V. femoralis mit anschließender Gefäßrekonstruktion. Das Resektionspräparat (b) zeigt den intravenösen Tumorzapfen und das entfernte Arteriensegment, welches in der
histopathologischen Untersuchung keine Tumorinfiltration zeigte. Der Nerv war intraoperativ
vom Tumor zu trennen.
45
Ergebnisse
Kontakt Arterie R2
0
Kontakt
Arterie
R1
0
int. GWS
≤ 90°
91-180°
181-270°
> 270°
81
0
0
0
0
0
81
Gesamt
int. GWS
0
32
3
0
0
0
35
≤ 90°
0
4
9
0
0
0
13
91-180° 181-270°
0
0
0
0
8
0
21
3
0
3
0
0
29
6
> 270°
0
0
0
0
1
9
10
Gesamt
81
36
20
24
4
9
174
Tabelle 23: Kontakt zwischen Tumor und Arterie (R1 vs. R2)
0 = keine Lagebeziehung, int. GWS = interponierte GWS
Kontakt Vene R2
0
Kontakt 0
Vene R1 int. GWS
≤ 90°
91-180°
181-270°
> 270°
Gesamt
85
0
0
0
0
0
85
int. GWS
0
31
2
0
0
0
33
≤ 90°
0
4
9
1
0
0
14
91-180° 181-270°
0
0
1
0
2
0
24
2
0
4
0
0
27
6
> 270°
0
0
0
0
1
8
9
Gesamt
85
36
13
27
5
8
174
0
0
0
0
1
15
16
Gesamt
81
35
4
34
5
15
174
Tabelle 24: Kontakt zwischen Tumor und Vene (R1 vs. R2)
0 = keine Lagebeziehung, int. GWS = interponierte GWS
Kontakt Nerv R2
0
Kontakt
Nerv R1
0
int. GWS
≤ 90°
91-180°
181-270°
> 270°
Gesamt
81
0
0
0
0
0
81
int. GWS
0
33
0
0
0
0
33
≤ 90°
0
0
4
2
0
0
6
91-180° 181-270°
0
0
2
0
0
0
26
6
2
2
0
0
30
8
> 270°
Tabelle 25: Kontakt zwischen Tumor und Nerv (R1 vs. R2)
0 = keine Lagebeziehung, int. GWS = interponierte GWS
κ
95%-KI
Accuracy
Arterie
Vene
Nerv
0,845
0,892
0,893
0,783-0,908
0,837-0,946
0,840-0,947
89,1%
92,5%
92,5%
Tabelle 26: Maß der Übereinstimmung zwischen R1 und R2 bezüglich des Kontakts zwischen
Tumor und Arterie/Vene/Nerv
46
Ergebnisse
Betrachtet man alle neurovaskulären Strukturen (mit nGesamt = 522 als Summe aus nGesamt Arterie
= 174, nGesamt Vene = 174 und nGesamt Nerv = 174) ergibt sich eine ähnlich hohe Übereinstimmung
zwischen R1 und R2 (κ = 0,877 mit einem 95%-KI von 0,844-0,910, Accuracy = 91,4%) wie
bei den einzelnen Strukturen (vergleiche Tabelle 26).
A
A
V
V
N. tibialis N. peroneus
a
b
Abbildung 19: Transversale T2-gewichtete TSE- (a) und fettgesättigte kontrastverstärkte T1gewichtete SE-Aufnahmen (b) einer 66-jährigen Patientin mit einem MPNST des rechten distalen Oberschenkels. Während R1 den Tumorkontakt zur V. poplitea (V) als kleiner 180° einschätzte, war er gemäß R2 größer als 180°. Der arterielle Tumorkontakt betrug gemäß beider
Reader mehr als 180°. Am Amputat ließ sich histopathologisch keine venöse Infiltration nachweisen. Die A. poplitea (A) zeigte einen Tumorbefall.
Vergleich der histologischen/intraoperativen und radiologischen
Ergebnisse
Nach den in 3.2 genannten Kriterien wurde innerhalb des Patientenkollektivs 13 Mal eine Tumorinvasion in Arterien, ebenso 13 Mal in Venen und 18 Mal in Nerven nachgewiesen. Dies
entspricht einer Prävalenz von:
˗
7,5% (Arterie)
˗
7,5% (Vene)
˗
10,4% (Nerv)
Dabei zeigte sich bei insgesamt elf Patienten eine Infiltration von mehr als einer neurovaskulären Struktur, wobei in sieben Fällen sowohl Arterien, Venen als auch Nerven und in vier
Fällen Venen und Arterien vom selben Tumor befallen waren. Bei einem Patienten fehlten
Informationen zu einer möglichen Nerveninfiltration, sodass er aus den nachfolgenden, den
Tumor-Nervenkontakt betreffenden Berechnungen ausgeschlossen wurde.
47
Ergebnisse
A
V
A
V
N. tibialis
a
N. peroneus
N. tibialis
N. peroneus
b
Abbildung 20: 49-jähriger Patient mit extraskelettalem myxoiden Chondrosarkom des rechten
distalen Oberschenkels und der Fossa poplitea. Auf den transversalen T2-gewichteten TSE- (a)
und kontrastverstärkten, T1-gewichteten, fettgesättigten SE-Aufnahmen (b) lässt sich eine
enge Lagebeziehung zwischen Tumor und Arterie (A), Vene (V) und Nerven (N. tibialis/N. peroneus) erkennen. A. und V. poplitea werden dabei mit einem Kontakt von über 270° vom Tumor
umschieden, die Nn. tibialis und peroneus grenzen mit einem Kontakt von weniger als 180° an
den Tumor. Am Amputat wurde histopathologisch eine Gefäßinfiltration nachgewiesen. Die
Nerven waren nicht infiltriert.
N
a
b
Abbildung 21: Transversale T2-gewichtete TSE- (a) und sagittale kontrastverstärkte, T1-gewichtete SE-Aufnahmen (b) eines 36-jährigen Patienten mit einem biphasischen Synovialsarkom des linken distalen Oberschenkels und der Fossa poplitea. Der N. ischiadicus (N) wird
vollständig vom Tumor umschieden (Kontakt > 270°). Intraoperativ konnte der Nerv nicht vom
Tumor getrennt werden. In der histopathologischen Untersuchung zeigte sich eine nervale Infiltration.
48
Ergebnisse
Welche Leitungsbahnen im Einzelnen wie häufig betroffen waren, wird in Abbildung 22 verdeutlicht.
A. poplitea
A. femoralis sup.
A. brachialis
A. tibialis post.
A. tibialis ant.
A. femoralis prof.
V. poplitea
V. femoralis sup.
V. brachialis
V. tibialis post.
V. tibialis ant.
V. femoralis prof.
6
5
3
2
1
1
1
2
8
N. tibialis
1
1
1
0
a
N. ischiadicus
2
2
4
6
8
4
N. medianus
2
N. ulnaris
2
Plexus brachialis
1
N. femoralis
1
b
0
5
10
Abbildung 22: Verteilung der infiltrierten Gefäße (a) und Nerven (b)
sup. = superficialils, post. = posterior, ant. = anterior, prof. = profunda
Bei vier bzw. vierzehn Patienten stellte sich innerhalb der Operation ein derart enger Kontakt
zwischen Tumor und Gefäß (nArterie = 2, nVene = 2) bzw. Tumor und Nerv (n = 14) dar, dass die
Adventitia bzw. das Perineurium zusammen mit dem Tumor entfernt werden mussten, um
eine Resektion im Gesunden erzielen zu können.
Ein wesentlicher Aspekt dieser Studie war, herauszufinden wie groß der Kontakt zwischen
Tumor und Gefäß-/Nervenstruktur gemäß der MRT-Analyse sein muss, um mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer neurovaskulären Infiltration ausgehen zu können. Dazu wurde jede
einzelne Stufe der fünfstufigen Bewertungsskala als möglicher Cut-Off-Wert (keine Infiltration
und negativ ≤ Cut-Off-Wert < Infiltration und positiv) bestimmt und ermittelt mit welcher Sensitivität und Spezifität dieser Wert zwischen infiltrierten und nicht-infiltrierten Strukturen unterscheiden kann (vergleiche Tabellen 27-31):
˗
keine Infiltration (negativ = 0) ≤ interponierte GWS < Infiltration (positiv = 1)
˗
keine Infiltration (negativ = 0) ≤ 90° < Infiltration (positiv = 1)
˗
keine Infiltration (negativ = 0) ≤ 180° < Infiltration (positiv = 1)
˗
keine Infiltration (negativ = 0) ≤ 270° < Infiltration (positiv = 1)
Im Anschluss daran wurde mit denselben Werten eine ROC-Analyse durchgeführt und passend zu den einzelnen Sensitivitäten und Spezifitäten eine ROC-Kurve erstellt (siehe 4.5.6).
49
Ergebnisse
In Tabelle 27 wird dargestellt, wie viele „richtig/falsch Positive/Negative“ (Definition siehe Tabelle 11 in 3.4) innerhalb der einzelnen Kategorien und bezüglich jeder einzelnen neurovaskulären Struktur vorkommen. Die daraus berechnete Sensitivität, Spezifität, Accuracy sowie
die dazugehörigen PPV und NPV werden in den Tabellen 28 bis 31 widergegeben. Wie beim
Interreader Agreement in 4.5.5.1 wurden auch hierbei in einer separaten Analyse, zusammengefasst unter dem Begriff „Gesamt“, alle drei neurovaskulären Strukturen gemeinsam
betrachtet.
Aus den Berechnungen ausgeschlossen wurden diejenigen Patienten, bei denen gemäß beider Reader keine Lagebeziehung zwischen Tumor und großen Leitungsbahnen vorhanden
war (entsprechend „0“ in den Tabellen 23-25 siehe 4.5.5.1). Bei all diesen Patienten fand sich
auch laut operativem bzw. histologischem Ergebnis keine neurovaskuläre Infiltration.
50
Ergebnisse
Tumorkontakt
> int. GWS
> 90°
p
Infiltration
R1
Arterie
Ges.
R2
Vene
Ges.
R2
Nerv
Ges.
R2
Ges.
Ges.
R2
Ges.
p
Infiltration
1
0
Ges.
36
0
55
1
1
Ges.
56
0
78
1
2
Ges.
80
0
79
1
5
Ges.
84
1
44
13
57
25
12
37
2
11
13
1
8
9
0
80
35
13
0
93
35
80
48
13
0
93
48
80
75
13
2
93
77
80
79
13
4
93
83
1
45
13
58
32
13
45
5
11
16
1
9
10
80 13
p
Infiltration
93
80 13
p
Infiltration
93
80 13
p
Infiltration
93
80 13
p
Infiltration
93
0
0
36
1
0
Ges.
36
0
48
1
1
Ges.
49
0
74
1
2
Ges.
76
0
76
1
5
Ges.
81
1
40
13
53
28
12
40
2
11
13
0
8
8
0
33
33
0
0
33
33
76
47
13
0
89
47
76
72
13
2
89
74
76
76
13
4
89
80
1
43
13
56
29
13
42
4
11
15
0
9
9
76 13
p
Infiltration
89
76 13
p
Infiltration
89
76 13
p
Infiltration
89
76 13
p
Infiltration
89
0
0
35
1
0
Ges.
35
0
39
1
0
Ges.
39
0
69
1
4
Ges.
73
0
72
1
6
Ges.
78
1
39
18
57
35
18
53
5
14
19
2
12
14
0
74
33
18
0
92
33
74
39
18
0
92
39
74
65
18
4
92
69
74
72
18
5
92
77
1
41
18
59
35
18
53
9
14
23
2
13
15
74 18
p
Infiltration
92
74 18
p
Infiltration
92
74 18
p
Infiltration
92
74 18
p
Infiltration
92
Ges.
R1
p
Infiltration
0
36
Ges.
R1
p
Infiltration
> 270°
0
Ges.
R1
> 180°
0
0
107
1
0
Ges.
107
0
142
1
2
Ges.
144
0
221
1
8
Ges.
229
0
227
1
16
Ges.
243
1
123
44
167
88
42
130
9
36
45
3
28
31
0
230
101
44
0
274
101
230
134
44
0
274
134
230
212
44
8
274
220
230
227
44
13
274
240
1
129
44
173
96
44
140
18
36
54
3
31
34
230
44
274
230
44
274
230
44
274
230
44
274
Tabelle 27: Kontakt zwischen Tumor und Gefäßen bzw. Nerven (p vs. R1 und R2)
int. GWS = interponierte GWS, Ges. = Gesamt, p Infiltration: 0 = keine Infiltration (negativ), 1 = Infiltration (positiv), Definition bezüglich R1/R2: 0/1 s.o.
51
Ergebnisse
Einzelne Fälle mit richtig/falsch positiven/negativen MR-Befunden sollen im Folgenden veranschaulicht werden:
N
V
A
a
b
Abbildung 23: 61-jähriger Patient mit Leiomyosarkom des linken proximalen Oberschenkels.
Auf den transversalen T2-gewichteten TSE- (a) und koronaren kontrastverstärkten, T1-gewichteten SE-Aufnahmen (b) lässt sich eine enge Lagebeziehung zwischen Tumor und Arterie (A),
Vene (V) und Nerv (N) erkennen. Beide Reader schätzten den Tumorkontakt zu A. femoralis und
V. femoralis als größer 180° ein, zum N. femoralis als kleiner 180°. Intraoperativ konnte die Arterie nicht vom Tumor getrennt werden, sodass sie reseziert und anschließend rekonstruiert
werden musste. Die Vene dagegen konnte vom Tumor gelöst und in situ belassen werden
(falsch positiver MRT-Befund). Der Nerv war nicht infiltriert.
52
b
Ergebnisse
A
V
N
A
a
V
b
Abbildung 24: 83-jähriger Patient mit einem MPNST am rechten distalen Oberschenkel. Auf den
transversalen T2-gewichteten TSE- (a) und koronaren kontrastverstärkten, T1-gewichteten SEAufnahmen (b) zeigt sich eine enge Lagebeziehung zwischen Tumor und Arterie, Vene und
Nerv. Das Ausmaß des Tumorkontakts betrug gemäß beider Reader mehr als 180° zum N. ischiadicus und weniger als 180° zur A. und V. poplitea. Intraoperativ konnte der Nerv nicht vom
Tumor gelöst werden, sodass eine Amputation erforderlich war. Histopathologisch wurde eine
Infiltration der Adventitia von A. und V. poplitea nachgewiesen (falsch negativer MRT-Befund).
Der N. ischiadicus erwies sich angesichts zahlreicher Satellitenknoten ebenfalls als infiltriert.
Bei Betrachtung der Daten in den Tabellen 28-31 fällt erwartungsgemäß auf, dass mit höhergradiger Einschätzung des Tumorkontakts zu Arterie/Vene/Nerv die Sensitivität sinkt, während die Spezifität und Accuracy des Tests steigen. Als optimaler Cut-Off ergibt sich bei hoher
Sensitivität und gleichzeitig maximaler Spezifität ein Tumorkontakt von > 180° zur Gefäß-/
Nervenzirkumferenz (Ausnahme: Beurteilung des Kontakts zwischen Tumor und Nerv durch
R2). Zur genauen Berechnung des bestmöglichen Cut-Off-Werts mittels Youden-Index siehe
Tabelle 32 in 4.5.6.
53
Ergebnisse
Arterie
> int. GWS
> 90°
> 180°
> 270°
%
R1
R2
R1
R2
R1
R2
R1
R2
Sensitivität
100
100
92,3
100
84,6
84,6
61,5
69,2
95%-KI
100100
100100
77,8106,8
100100
65104,2
65104,2
35,188
44,194,3
Spezifität
45
43,8
68,8
60
97,5
93,8
98,8
98,8
95%-KI
34,155,9
32,954,6
58,678,9
49,370,7
94,1100,9
88,499,1
96,3101,2
96,3101,2
Accuracy
52,7
51,6
72
65,6
95,7
92,5
93,5
94,6
PPV
22,8
22,4
32,4
28,9
84,6
68,8
88,9
90
95%-KI
11,933,7
11,733,1
17,347,5
15,642,1
65104,2
4691,5
68,4109,4
71,4108,6
NPV
100
100
98,2
100
97,5
97,4
94
95,2
95%-KI
100100
100100
94,7101,7
100100
94,1100,9
93,8101
8999,1
90,699,8
Tabelle 28: Deskriptive Statistik für den Kontakt zwischen Tumor und Arterie
int. GWS = interponierte GWS
Vene
> int. GWS
> 90°
> 180°
> 270°
%
R1
R2
R1
R2
R1
R2
R1
R2
Sensitivität
100
100
92,3
100
84,6
84,6
61,5
69,2
95%-KI
100100
100100
77,8106,8
100100
65104,2
65104,2
35,188
44,194,3
Spezifität
47,4
43,4
63,2
61,8
97,4
94,7
100
100
95%-KI
36,158,6
32,354,6
52,374
50,972,8
93,8101
89,799,8
100100
100100
Accuracy
55,1
51,7
67,4
67,4
95,5
93,3
94,4
95,5
PPV
24,5
23,2
30
31
84,6
73,3
100
100
95%-KI
12,936,1
12,234,3
15,844,2
1744,9
65104,2
5195,7
100100
100100
NPV
100
100
98
100
97,4
97,3
93,8
95
95%-KI
100100
100100
94101,9
100100
93,8101
93,6101
88,699,1
90,299,8
Tabelle 29: Deskriptive Statistik für den Kontakt zwischen Tumor und Vene
int. GWS = interponierte GWS
54
Ergebnisse
Nerv
> int. GWS
> 90°
> 180°
> 270°
%
R1
R2
R1
R2
R1
R2
R1
R2
Sensitivität
100
100
100
100
77,8
77,8
66,7
72,2
95%-KI
100100
100100
100100
100100
58,697
58,697
44,988,4
51,592,9
Spezifität
47,3
44,6
52,7
52,7
93,2
87,8
97,3
97,3
95%-KI
35,958,7
33,355,9
41,364,1
41,364,1
87,599
80,495,3
93,6101
93,6101
Accuracy
57,6
55,4
62
62
90,2
85,9
91,3
92,4
PPV
31,6
30,5
34
34
73,7
60,9
85,7
86,7
95%-KI
19,543,6
18,842,3
21,246,7
21,246,7
53,993,5
40,980,8
67,4104
69,5103,9
NPV
100
100
100
100
94,5
94,2
92,3
93,5
95%-KI
100100
100100
100100
100100
89,399,7
88,799,7
86,498,2
8899
Tabelle 30: Deskriptive Statistik für den Kontakt zwischen Tumor und Nerv
int. GWS = interponierte GWS
Gesamt
> int. GWS
> 90°
> 180°
> 270°
%
R1
R2
R1
R2
R1
R2
R1
R2
Sensitivität
100
100
95,5
100
81,8
81,8
63,6
70,5
95%-KI
100100
100100
89,3101,6
100100
70,493,2
70,493,2
49,477,9
5783,9
Spezifität
46,5
43,9
61,7
58,3
96,1
92,2
98,7
98,7
95%-KI
40,153
37,550,3
55,568
51,964,6
93,698,6
88,795,6
97,2100,2
97,2100,2
Accuracy
55,1
52,9
67,2
65,0
93,8
90,5
93,1
94,2
PPV
26,3
25,4
32,3
31,4
80
66,7
90,3
91,2
95%-KI
19,733
18,931,9
24,340,3
23,739,1
68,391,7
54,179,2
79,9100,7
81,6100,7
NPV
100
100
98,6
100
96,5
96,4
93,4
94,6
95%-KI
100100
100100
96,7100,5
100100
94,198,9
93,998,8
90,396,5
91,797,4
Tabelle 31: Deskriptive Statistik für den Kontakt zwischen Tumor und allen drei Leitungsbahnen
(Gesamt)
int. GWS = interponierte GWS
55
Ergebnisse
ROC-Analyse
Wie bereits in 3.4 erwähnt, dient die ROC-Analyse neben den Berechnungen in 4.5.5.2 dazu,
einen optimalen Cut-Off-Wert in Bezug auf ein mögliches neurovaskuläres Encasement der
Weichteilsarkome zu definieren. Zusätzlich wird mittels der AUC ein Wert angegeben, der es
ermöglicht die diagnostische Genauigkeit der MRT-Auswertungen einzuschätzen. Die im Koordinatensystem der ROC-Kurven aufgetragenen Sensitivitäten (richtig Positive) und Spezifitäten (falsch Positive, da als 1-Spezifität auf der x-Achse dargestellt) entsprechen den Werten in 4.5.5.2.
Der in allen Abbildungen (25-28) zunächst erkennbare steile senkrechte Anstieg der ROCKurve (rot) mit einem spät folgenden kurvenförmigen Verlauf sowie der weite Abstand zur
Hauptdiagonalen (grün) mit einer AUC von > 0,9 belegt, dass die MR-tomografische Beurteilung einer möglichen Gefäß-/Nerveninfiltration – wie in dieser Studie durchgeführt – eine hohe diagnostische Genauigkeit besitzt.
AUC = 0,946
95%-KI: 0,876-1,015
AUC = 0,954
95%-KI: 0,901-1,008
a
b
Abbildung 25: ROC-Kurve Arterie R1 (a) und R2 (b)
56
Ergebnisse
AUC = 0,947
95%-KI: 0,875-1,020
a
AUC = 0,963
95%-KI: 0,913-1,012
b
Abbildung 26: ROC-Kurve Vene R1 (a) und R2 (b)
AUC = 0,926
95%-KI: 0,862-0,989
a
AUC = 0,920
95%-KI: 0,853-0,987
b
Abbildung 27: ROC-Kurve Nerv R1 (a) und R2 (b)
57
Ergebnisse
AUC = 0,942
95%-KI: 0,904-0,979
AUC = 0,945
95%-KI: 0,912-0,978
a
b
Abbildung 28: ROC-Kurve Gesamt R1 (a) und R2 (b)
Wie in 4.5.5.2 bereits angedeutet wurde, lässt sich auch mittels der Bestimmung des größten
Wertes des Youden-Index (als Sensitivität+Spezifität-1) feststellen, dass in allen Fällen – bis
auf R2, Tumorkontakt Nerv s.u. – ein Tumorkontakt > 180° am ehesten geeignet ist, eine
Tumorinvasion in Gefäße und Nerven (bei möglichst vielen richtig Positiven und so wenig wie
möglich falsch Positiven) zu erkennen. Für R2 ergibt sich bei der Beurteilung des TumorNervenkontakts ein Cut-Off von > 270° (vergleiche Tabelle 32).
R1
R2
Youden-Index (max.)
Tumorkontakt
Youden-Index (max.)
Tumorkontakt
Arterie
0,821
> 180°
0,784
> 180°
Vene
0,820
> 180°
0,794
> 180°
Nerv
0,710
> 180°
0,695
> 270°
Gesamt
0,779
> 180°
0,740
> 180°
Tabelle 32: Youden-Index (maximale Werte) mit entsprechendem Tumorkontakt zu Arterie/Vene/
Nerv sowie zu allen drei Leitungsbahnen (Gesamt) als Cut-Off-Wert
max. = maximal
58
Ergebnisse
Zusammenhang zwischen Tumoreigenschaften und
neurovaskulärer Infiltration
Tumorlokalisation, histologischer Subtyp, Differenzierungsgrad
Betrachtet man nur die Patienten mit neurovaskulär invasiv wachsenden Weichteilsarkomen
(nGefäß = 15, nNerv = 18) wird deutlich, dass diese am häufigsten im Ober- und Unterschenkel
lokalisiert waren (nGefäß = 7 und 3, nNerv = 8 und 3). Die vaskulär infiltrierenden Tumoren fanden
sich zusätzlich in der Poplitea (n = 3) sowie im Oberarm (n = 2). Bei den Tumoren, die Nerven
infiltrierten, traten außerdem jeweils zwei in Oberarm und Ellenbeuge sowie jeweils einer im
Prozent
Unterarm, gluteal und popliteal auf (vergleiche Abbildung 29).
50%
45%
40%
35%
30%
25%
20%
15%
10%
5%
0%
Tumorlokalisation
Tumoren mit infiltrierten Gefäßen
Tumoren mit infiltrierten Nerven
Abbildung 29: Häufigkeit der Tumorlokalisationen innerhalb von Tumoren mit infiltrierten Gefäßen und Tumoren mit infiltrierten Nerven (in %)
Bezogen auf ihre absolute Häufigkeit wurde deutlich, dass 42,9% (3/7) der poplitealen, 21,4%
(3/14) der Unterschenkel-, 20% (2/10) der Oberarm- und 6,9% (7/102) der Oberschenkeltumoren die Gefäße sowie 33,3% (2/6) der Ellenbogen-, 25% (1/4) der Unterarm-, 25% (1/4)
der glutealen, 21,4% (3/14) der Unterschenkel-, 20% (2/10) der Oberarm-, 14,3% (1/7) der
poplitealen und 7,9% (8/101) der Oberschenkelsarkome die Nerven infiltrierten.
Sowohl innerhalb der Gruppe der Tumoren mit Gefäßbefall als auch in der Gruppe der Tumoren mit Nervenbefall waren jeweils nur neun der insgesamt 22 Tumorentitäten vertreten.
Es fällt auf, dass in beiden Gruppen undifferenzierte pleomorphe Sarkome (Gefäß: 13,3%,
Nerv: 16,7%), Synovialsarkome (Gefäß: 20%, Nerv: 16,7%), MPNST (Gefäß: 20%, Nerv:
11,1%) und Leiomyosarkome (Gefäß: 13,3%, Nerv: 11,1%) gehäuft vorkamen. Des Weiteren
waren Gefäße und Nerven von gut differenzierten Liposarkomen (6,7% und 16,7%), dedifferenzierten Liposarkomen (6,7% und 5,6%) und alveolären Weichteilsarkomen (6,7% und
59
Ergebnisse
5,6%) befallen. Rhabdomyosarkome und extraskelettale myxoide Chondrosarkome infiltrierten in jeweils 6,7% Gefäße, myxoide Liposarkome und PNET-Tumoren in 5,6% und 11,1%
Histologischer Subtyp
Nerven (siehe Abbildung 30).
Undifferenziertes pleomorphes Sarkom
Gut differenziertes Liposarkom
Myxoides Liposarkom
Dedifferenziertes Liposarkom
Synovialsarkom
MPNST
Leiomyosarkom
Rhabdomyosarkom
Alveoläres Weichteilsarkom
Extraskelettales myxoides Chondrosarkom
Extraskelettales Ewing-Sarkom/PNET
0%
Tumoren mit infiltrierten Nerven
5%
10%
15%
Prozent
20%
25%
Tumoren mit infiltrierten Gefäßen
Abbildung 30: Häufigkeit der histologischen Subtypen innerhalb von Tumoren mit infiltrierten
Gefäßen und Tumoren mit infiltrierten Nerven (in %)
Setzt man diese Ergebnisse wiederum ins Verhältnis zur absoluten Häufigkeit der einzelnen
Tumorentitäten, beobachtet man bei jeweils 100% der alveolären Weichteilsarkome (1/1),
100% bzw. 66,7% der MPNST (3/3 bzw. 2/3), jeweils 18,2% der Leiomyosarkome (2/11),
jeweils 16,7% der dedifferenzierten Liposarkome (1/6), jeweils 11,5% der Synovialsarkome
(3/26), 3,8% bzw. 12% der gut differenzierten Liposarkome (1/26 bzw. 3/25) sowie bei 6,1%
bzw. 9,1% der undifferenzierten pleomorphen Sarkome (2/33 bzw. 3/33) ein Encasement von
Gefäßen bzw. Nerven. Zu einer reinen Nerveninfiltration führten 100% der extraskelettalen
Ewing-Sarkome/PNET (2/2) und 6,9% der myxoiden Liposarkome (1/16), während 50% der
extraskelettalen myxoiden Chondrosarkome (1/2) sowie 33,3% der Rhabdomyosarkome
(1/3) Arterien und/oder Venen infiltrierten.
Ein Zusammenhang zwischen Grading und neurovaskulär invasivem Verhalten der Sarkome
konnte insofern festgestellt werden, dass vor allem schlecht differenzierte Tumoren (G3) in
Gefäße und Nerven einwuchsen (nGefäß = 8, nNerv = 8 bei nG3 Gesamt = 74). In je vier Fällen
geschah dies bei G2- sowie in zwei bzw. vier Fällen bei G1-Tumoren (nG2 Gesamt = 36, nG1 Gesamt
= 50). Jeweils ein Mal befiel ein als G3-4 eingestufter Tumor Gefäße sowie ein als G2-3 und
ein als G4 charakterisierter Tumor Nerven (nG3-4 Gesamt = 4, nG2-3 Gesamt = 2, nG4 Gesamt = 3; siehe
Abbildung 31).
60
Prozent
Ergebnisse
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
G1
G1-2
G2
G2-3
G3
Differenzierungsgrad
Tumoren mit infiltrierten Gefäßen
G3-4
G4
Tumoren mit infiltrierten Nerven
Abbildung 31: Häufigkeit der Differenzierungsgrade innerhalb von Tumoren mit infiltrierten Gefäßen und Tumoren mit infiltrierten Nerven (in %)
Tumorgröße und T-Stadium nach Enneking
Bei der Durchführung des Mann-Whitney-U-Tests in Bezug auf einen potentiellen Zusammenhang zwischen Tumorgröße (pathologisch, durch R1 und R2 gemessen) und neurovaskulärer Infiltration stellte sich kein signifikanter Unterschied dar, sodass die Nullhypothese
beibehalten und die Verteilung der Tumorgröße als zufällig gewertet wurde (Gefäße:
p-Wertp
Tumorgröße
= 0,885, p-WertTumorgröße
R1
= 0,397, p-WertTumorgröße
R2
= 0,480; Nerven:
p-Wertp Tumorgröße = 0,229, p-WertTumorgröße R1 = 0,116, p-WertTumorgröße R2 = 0,114).
Der Chi2-Test ergab weder bei R1 noch bei R2 eine signifikante Abhängigkeit zwischen dem
T-Stadium nach Enneking (T1/T2) und der Gefäß-/Nerveninfiltration, sodass auch hier die
Nullhypothese beibehalten wurde (Gefäße: p-WertR1 = 0,244, p-WertR2 = 0,162; Nerven:
p-WertR1 = 0,415, p-WertR2 = 0,283).
61
Diskussion
Diskussion
In der vorliegenden Arbeit sollte die Genauigkeit des präoperativen MR-Stagings von Weichteilsarkomen überprüft werden. Dabei richteten wir unser Augenmerk auf die Zuverlässigkeit
der MRT-Bildgebung bezüglich der Detektion einer knöchernen, artikulären und vor allem
neurovaskulären Tumorinvasion. Ein wesentliches Ziel dieser Studie war demnach die Definition eines Cut-Off-Werts, ab dem ein MR-tomografisch beobachteter neurovaskulärer Tumorkontakt sehr wahrscheinlich mit einer Gefäß-/Nerveninfiltration korreliert.
5.1
Klinische Manifestation und Therapie der
Weichteilsarkome
Mit einem durchschnittlichen Alter von 55,7 Jahren und einer ausgewogenen Geschlechtsverteilung war unser Patientenkollektiv weitgehend mit dem anderer Studien vergleichbar.
Auch die Verteilung der Sarkome auf die verschiedenen anatomischen Lokalisationen war in
anderen Studien sehr ähnlich: 11-29% der Tumoren waren in der oberen Extremität,
68-83,5% in der unteren Extremität und 4-6% im Thorax bzw. Rücken lokalisiert (Panicek et
al., 1997a, Panicek et al., 1997b). In den Arbeiten, die allein das Verhalten von Weichteilsarkomen der Extremitäten untersuchten, war die untere im Vergleich zur oberen Extremität
ebenfalls mindestens doppelt so häufig vom Tumorleiden betroffen (Pisters et al., 1996,
Gaynor et al., 1992, Rosenberg et al., 1982, Novais et al., 2010, Weitz et al., 2003).
Unter den 174 Weichteilsarkomen unserer Studie fanden sich insgesamt 22 verschiedene
histologische Subtypen. Wie auch in anderen Untersuchungen, stellten die Liposarkome,
MFH (gemäß aktueller WHO-Klassifikation unterteilt in undifferenzierte pleomorphe Sarkome
und Myxofibrosarkome), Synovialsarkome, Fibrosarkome und Leiomyosarkome mit einem
Anteil von mehr als 70% die häufigsten Tumorentitäten dar (Bell et al., 1989, Pisters et al.,
1996, Stojadinovic et al., 2002a, Brennan, 1989, Panicek et al., 1997a).
In den USA wird zumeist das Staging-System nach Enneking zur Einschätzung des Differenzierungsgrades (low-grade vs. high-grade) verwendet. Beim Vergleich unserer Studienergebnisse mit denen anderer Publikationen zeigte sich ein ähnliches Verhältnis von hochdifferenzierten (G1 bzw. low-grade) zu mäßig bis schlecht differenzierten (≥ G2 bzw. high-grade)
Sarkomen (Gaynor et al., 1992, Brennan, 1989, Panicek et al., 1997a, Bell et al., 1989,
Pisters et al., 1996, Enneking et al., 1980b).
Zusammengefasst entsprach unser Patientenkollektiv sowohl hinsichtlich der Alters- und Geschlechtsverteilung als auch in Bezug auf die Verteilung der Tumorlokalisationen, -entitäten
und -differenzierungsgrade dem anderer Studien (s.o.). Folglich ist anzunehmen, dass unsere Ergebnisse repräsentativ und damit auf andere Institutionen mit Spezialisierung auf
Weichteil- und Knochensarkome übertragbar sind.
62
Diskussion
Von den 174 malignen Weichteiltumoren dieser Studie wurden 86,2% extremitätenerhaltend
reseziert, während 13,8% nur durch eine Amputation weit im Gesunden entfernt werden
konnten. Dies entsprach weitgehend den Ergebnissen anderer Arbeiten, in denen 4,5-14,2%
der Patienten amputiert und 85,5-95,5% mittels einer weiten Resektion des Tumors behandelt wurden. Bei rund 20% dieser Patienten konnte das Sarkom allerdings nur marginal, d.h.
mit tumorpositiven Rändern, reseziert werden (Williard et al., 1992b, Demas et al., 1988,
Panicek et al., 1997b, Pisters et al., 1996, Stojadinovic et al., 2002a). Auch innerhalb unseres
Patientenkollektivs war in 16% der Fälle auf Grund der Tumorgröße (von 28 Tumoren waren
25 > 5 cm sowie 21 > 10 cm) und/oder -lage (23 Tumoren waren tief lokalisiert) eine Entfernung im Gesunden nicht möglich, sodass sich eine intraläsionale oder marginale Resektion
ergab. In diesen Fällen, in denen eine Amputation nicht selten von Seiten der Patienten abgelehnt oder auf Grund von Alter und Komorbidität aus chirurgischer Sicht nicht empfohlen
wurde, wurde postoperativ gewöhnlich eine Radiotherapie durchgeführt. Dass eine adjuvante
Radiotherapie die Lokalrezidivrate bei Weichteilsarkomen senken kann, wurde bereits durch
Rosenberg et al. aufgezeigt. Allerdings wurde in ihrer Publikation auch ausdrücklich betont,
dass das Outcome bei Patienten, deren Tumoren nicht im Gesunden reseziert wurden, selbst
mit anschließender Bestrahlungstherapie insgesamt schlechter war als bei Patienten mit tumorfreien Resektionsrändern (Rosenberg et al., 1982). Demnach sollte grundsätzlich eine
weite chirurgische Tumorentfernung mit angemessenem Sicherheitsabstand das oberste Ziel
bei der Behandlung von Weichteilsarkomen sein (Bell et al., 1989, Rosenberg et al., 1982,
Stojadinovic et al., 2002b, Lewis and Benedetti, 1997, Pisters et al., 1996).
5.2
Lokales Staging der Weichteilsarkome
Die MRT stellt heutzutage die bildgebende Methode der Wahl bei der Evaluation von Weichteilsarkomen dar (Schepper et al., 2006, Kransdorf and Murphey, 2000).
Bereits in den Untersuchungen von Pettersson et al. und Demas et al. wurde eine Überlegenheit der MRT gegenüber anderen bildgebenden Verfahren bei der Differenzierung von
Tumor und Muskulatur (Demas et al., 1988), Tumor und Fettgewebe, Tumor und Gefäßen,
Tumor und Knochen sowie Tumor und Gelenken beobachtet (Pettersson et al., 1987).
Der Annahme, dass die MRT-Bildgebung hinsichtlich des lokalen Stagings von malignen
muskuloskelettalen Neoplasien besser geeignet sei als das CT, widersprachen dagegen
Panicek et al. mit der Veröffentlichung der Ergebnisse ihrer Studie im Jahr 1997. Demnach
ergab sich bei der radiologischen Beurteilung der Tumorausdehnung in Muskulatur, Knochen, Gelenken, Gefäßen und Nerven kein signifikanter Unterschied zwischen MRTAufnahmen und qualitativ hochwertigen, zum Teil kontrastverstärkten CT-Bildern. Allerdings
muss – wie die Autoren selbst betonten – bei der Einschätzung dieser Ergebnisse berück-
63
Diskussion
sichtigt werden, dass zum damaligen Zeitpunkt neuere magnetresonanztomografische Techniken noch nicht zur Verfügung standen und die erreichte Bildqualität folglich nicht mit der
heutigen zu vergleichen ist (siehe 5.2.3) (Panicek et al., 1997a).
In unserer Arbeit lagen dank der Verwendung moderner MR-Tomografen der Feldstärken 1,5
und 3 Tesla größtenteils hoch auflösende, den Standard-Pulssequenzen (siehe 2.5.1.1) entsprechende MRT-Aufnahmen aus den Jahren 1998-2011 vor. Zudem hatten die MRT-Bilder
gemäß der Einschätzung beider Reader in den meisten Fällen eine hohe Qualität (R1: 83,3%,
R2: 80,5%).
Nach AJCC/UICC und Enneking
Gemäß histopathologischer T-Klassifikation waren in dieser Studie 15,5% der Tumoren
≤ 5 cm (T1) sowie 82,2% > 5cm (T2). 12,6% der Weichteilsarkome waren oberhalb der Faszie
(Ta) und 83,9% unterhalb bzw. innerhalb der Faszie (Tb) lokalisiert. Ähnliche Ergebnisse
wurden bereits von anderen Autoren publiziert, mit der Ausnahme, dass tendenziell kleinere
Tumoren (</≤ 5 cm) häufiger vorkamen. Deren Anteil betrug in der Untersuchung von Pisters
et al. sogar 41% (Pisters et al., 1996, Bell et al., 1989, Stojadinovic et al., 2002a, Tateishi et
al., 2007, Demas et al., 1988, Panicek et al., 1997b). Generell lässt sich das gehäufte Auftreten großer Tumoren mit der oftmals zeitlich verzögerten Diagnostik von Weichteilsarkomen erklären (Johnson et al., 2008, Hussein and Smith, 2005).
In den wenigen Studien, in denen entsprechend präzise Angaben zur Tumorgröße gemacht
wurden, ergaben sich mit unseren Werten vergleichbare Mittelwerte (8,7-11,6 cm) und
Spannweiten (0,5-40 cm) (Panicek et al., 1997a, Demas et al., 1988, Williard et al., 1992b).
Beim Vergleich der MR-tomografischen und histopathologischen Ergebnisse zeigten sich
zum Teil deutliche Unterschiede. Es stellte sich heraus, dass die Radiologen insgesamt dazu
neigten, die Tumorgröße zu überschätzen (vergleiche Streudiagramme nach Pearson in
4.5.1.2 sowie Tabelle 15 in 4.5.2.2), was durch verschiedene Faktoren verursacht worden
sein könnte. Typischerweise verkleinert sich der Umfang von Tumoren infolge der sistierenden Durchblutung und der daraus resultierenden Abnahme des Gefäßdrucks bereits kurz
nach deren Resektion (Siu et al., 1986). Auch Tumoren, die sich zwischen Muskeln liegend
in situ der Länge nach ausdehnen, fallen postoperativ ohne den Halt der umgebenden Strukturen schnell zusammen. Dadurch ergeben sich zwangsläufig Differenzen zwischen den radiologischen und pathologischen Angaben zur Tumorgröße (Panicek et al., 1997a). Des Weiteren konnte durch diverse Studien nachgewiesen werden, dass die routinemäßige Formalinfixierung von Gewebeproben zu einem – wenn auch nur geringen – Tumorschrumpfen beiträgt (Goldstein et al., 1999, Yeap et al., 2007, Docquier et al., 2010, Siu et al., 1986). Auch
wenn entsprechende Untersuchungen bisher vorwiegend an Mamma-, Ösophagus- sowie
kolorektalen Karzinomen durchgeführt wurden und nur eine vergleichbare Studie über Knochen- und Weichteilsarkome existiert (Docquier et al., 2010, Goldstein et al., 1999, Yeap et
64
Diskussion
al., 2007, Siu et al., 1986, Sillah et al., 2010), gehen wir davon aus, dass eine durch Formalinfixierung bedingte Größenabnahme auch bei unseren Tumorresektaten erfolgte. In der Histopathologie können Weichteilsarkome bezüglich ihrer Größe zusätzlich unterschätzt werden, wenn sie fragmentiert reseziert wurden und sich demnach der gesamte Tumordurchmesser aus der Summe der gemessenen Einzelteile ergibt. Manche maligne Weichteiltumoren besitzen außerdem zystische Komponenten, die nach der Resektion rupturieren und folglich eine postoperative Verkleinerung der Tumormasse verursachen können (Panicek et al.,
1997a, Demas et al., 1988).
In insgesamt 14 bzw. 13 Fällen (R1 bzw. R2) führten Diskrepanzen zwischen den radiologisch und pathologisch gemessenen Tumordurchmessern zu einer unterschiedlichen Einschätzung des T-Stadiums bezüglich der T1/T2-Klassifikation.
Während die Übereinstimmung zwischen den Ergebnissen der Reader und denen der Pathologie hinsichtlich der Tumorgröße gut war (rs = 0,917-0,924, κ = 0,654-0,691), war sie in
Bezug auf die Lagebeziehung von Tumor und Faszie nur mittelmäßig (κ = 0,374-0,476). Hierbei ergab sich ebenfalls eine radiologische Überschätzung bzw. eine histopathologische Unterschätzung der Tumorausdehnung, in dem die Reader im Gegensatz zu den Pathologen in
16 bzw. 14 Fällen (R1 bzw. R2) von einem tiefen Sitz des Weichteilsarkoms ausgingen (vs.
einem umgekehrten Fall). Einerseits ergaben sich diese Unterschiede sicherlich auf Grund
von Schwierigkeiten bei der MR-tomografischen Differenzierung zwischen einem reinen Kontakt zur Faszie und einer tatsächlichen Tumorinvasion. Andererseits sollte berücksichtigt werden, dass es auch für die Pathologen manchmal nicht möglich ist zu erkennen, ob ein Tumor
ober- oder unterhalb der Faszie liegt. An fragmentierten Resektionspräparaten z.B. erweist
sich eine Einschätzung der Tumorlage oftmals als problematisch (Panicek et al., 1997a).
Beim T-Staging nach Enneking zeigten beide Reader eine sehr hohe Übereinstimmung (κ =
0,943), wobei vergleichbare Daten unserem Wissen nach bisher nicht veröffentlicht worden
sind. Mit einem Verhältnis von 47,7–50,6% zu 49,4–52,3% (T1 zu T2) wurden die Tumoren
in unserer Studie allerdings ähnlich häufig als intra- oder extrakompartimentell klassifiziert
wie z.B. in der Untersuchung von Gaynor et al. (47% vs. 46,1%) (Gaynor et al., 1992).
Ossäre und artikuläre Tumorinvasion
Eine Knocheninfiltration durch Weichteilsarkome wurde in der Untersuchung von Panicek et
al. in 9% der Fälle beobachtet (12/133) (Panicek et al., 1997a), was mit den Ergebnissen
unserer Studie übereinstimmt (Prävalenz = 8,7%). Höhere Prävalenzen in anderen Studien
sind vermutlich auf ein Selektionsbias zurückzuführen, wie z.B. in der Untersuchung von
Elias et al., in der nur Patienten berücksichtigt wurden, bei denen es im Rahmen der Sarkomresektion auch zur Entfernung von Knochensegmenten kam und sich in elf von 56 Fällen
(20%) eine Knocheninvasion zeigte.
65
Diskussion
Elias et al. waren es auch, die erstmals veröffentlichten, dass MR-tomografische Signalveränderungen in Kortikalis und/oder Spongiosa sowie eine Destruktion der Kortikalis zur Detektion von Knocheninfiltraten geeignet waren (p-Wert < 0,001), während ein langstreckiger
Kontakt zu bzw. eine großflächige Umscheidung von knöchernen Strukturen nicht signifikant
mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für eine Knocheninvasion assoziiert waren (p-Wert =
0,09 bzw. p-Wert = 0,11) (Elias et al., 2003). In Anlehnung daran wurden in unserer Studie
kortikale und/oder spongiöse Signalveränderungen bei Tumorkontakt als Zeichen einer Tumorinfiltration gewertet, wohingegen ein reiner Oberflächenkontakt zum Knochen, unabhängig von Strecke und Umfang des Kontakts, als nicht ausreichend für die Diagnose eines
Knochenbefalls angesehen wurde. Ein alleiniger Kontakt ohne Signalveränderungen in der
MRT korrelierte allenfalls mit der Notwendigkeit einer intraoperativen Periostresektion, was
bei 26 der 174 Patienten der Fall war.
Von den 17 Patienten, bei denen gemäß R1 und R2 nach oben genannten Kriterien eine
Knocheninfiltration zu erkennen war, wiesen 15 in der histopathologischen Untersuchung tatsächlich eine ossäre Tumorinvasion auf (Sensitivität = 100%, NPV = 100%). Bei insgesamt
zwei falsch positiven Diagnosen ergaben sich eine Spezifität von 98,7% und ein PPV von
88,2%. Die Accuracy erwies sich entsprechend der geringen Anzahl an falsch positiven und
fehlenden falsch negativen Diagnosen mit 98,8% als sehr hoch. Bei relativ engen 95%-Konfidenzintervallen, die zudem den Wert des „Null-Effekts“ nicht enthielten, kann von einer präzisen Schätzung sowie einer statistischen Signifikanz der Ergebnisse ausgegangen werden.
In den zwei Fällen, in denen MR-tomografisch fälschlicherweise ein Knochenbefall erkannt
wurde, handelte es sich um Tumoren des Beckens bzw. Unterschenkels, bei denen ein signalauffälliger kortikaler Kontakt über eine Strecke von 3 cm und eine Zirkumferenz von
90-180° bzw. eine kortikale und spongiöse Signalveränderung von beiden Readern beschrieben wurde. Das Beckensarkom wurde zwar unter Mitnahme des Periosts und einzelner Knochensegmente weit reseziert, jedoch ergab sich in der Pathologie kein Anhalt für eine Infiltration. Der Patient mit dem Unterschenkelsarkom musste dagegen amputiert werden, was
dazu geführt habe könnte, dass eine Beurteilung der knöchernen Strukturen von Seiten der
Histopathologie nicht vorgenommen und somit eine mögliche Tumorinvasion nicht beschrieben wurde.
Eine exakte Bestimmung der Tumorgrenzen kann sich aber selbst für erfahrene, auf muskuloskelettale Neoplasien spezialisierte Pathologen als schwierig erweisen, da im Resektionspräparat häufig nur kleine Anteile von knöchernen (oder artikulären bzw. neurovaskulären)
Strukturen zu erkennen und anatomische Landmarken zur Orientierung oftmals nicht mehr
klar sichtbar sind. In solchen Fällen ist eine falsch negative Beurteilung bezüglich eines Kno-
66
Diskussion
chenbefalls – oder einer artikulären oder neurovaskulären Tumorinvasion – nicht sicher auszuschließen (Panicek et al., 1997a), was auch bei unseren zwei Patienten als mögliche Ursache für die falsch positive radiologische Bewertung in Betracht gezogen werden muss.
Aus unserer Untersuchung können wir demnach schlussfolgern, dass die MRT-Bildgebung
ein hochsensitives und hochspezifisches Verfahren zur Detektion einer Knocheninfiltration
durch Weichteilsarkome ist, das diesbezüglich mit hoher Wahrscheinlichkeit eine korrekte
Voraussage machen kann. Dennoch muss bei der Interpretation dieser Ergebnisse berücksichtigt werden, dass die niedrige Prävalenz der ossären Tumorinvasion einen verfälschenden Einfluss (in diesem Fall am ehesten einer Überschätzung entsprechend) vor allem auf
die Parameter Accuracy, PPV und NPV gehabt haben könnte. Des Weiteren ist ein potentieller Verifikationsbias nicht sicher auszuschließen, da Knochensegmente in den meisten
Fällen nur reseziert und damit histopathologisch untersucht wurden, wenn auf Grund von
Auffälligkeiten in der MRT der Verdacht auf eine Knocheninfiltration geäußert wurde. Dadurch
kann möglicherweise eine Überschätzung der Sensitivität bei Unterschätzung der Spezifität
bedingt sein.
Ähnlich gute Ergebnisse für die Detektion einer Knocheninvasion wurden in den Studien von
Elias et al. und Panicek et al. (11/46) erzielt. Dabei ergaben sich Sensitivitäten von 91-100%,
Spezifitäten von 93-94%, PPV von 79-83% und NPV von 97-100% sowie eine Accuracy von
95%. Die radiologische Definition der Knocheninvasion entsprach weitgehend der auch in
unserer Arbeit verwendeten (s.o.) (Elias et al., 2003, Panicek et al., 1997b). In einer anderen,
bereits weiter oben erwähnten Studie von Panicek et al. konnten nicht ganz so hohe Werte
erreicht werden (Sensitivität = 90-100%, Spezifität = 82-89%, PPV = 45-56%, NPV =
98-100%, Accuracy = 83-90%). Nach welchen MR-tomografischen Kriterien deren Reader
eine Knocheninfiltration diagnostizierten, wurde allerdings nicht genau beschrieben. Die Bewertung der knöchernen Strukturen erfolgte mittels eines Scores von 0-4 (normal - definitiv
abnormal) (Panicek et al., 1997a).
Elias et al. diskutierten ausführlich die Ursachen für das Auftreten von falsch positiven bzw.
falsch negativen Diagnosen in ihrer Untersuchung. Zum einen stellten sie fest, dass bei einigen Patienten unter den falsch positiven Fällen präoperativ eine Radiotherapie durchgeführt
worden war, was ihrer Ansicht nach zu Signalveränderungen in der Spongiosa geführt haben
könnte (Elias et al., 2003). Dass es postradiogen tatsächlich zu derartigen Signalveränderungen kommen kann, wurde bereits in anderen Studien beschrieben (Stevens et al., 1990,
Blomlie et al., 1995, Tong et al., 1998). Auch Panicek et al. wiesen in ihrer Studie darauf hin,
dass nur postradio- und/oder postchemotherapeutische MRT-Bilder ausgewertet wurden.
Dies entsprach zwar dem Standard, da schließlich auch die Chirurgen in Hinblick auf die
67
Diskussion
Operation auf unmittelbar vor dem Eingriff gemachte MRT-Aufnahmen zurückgriffen. Dennoch war dieser Umstand gegebenenfalls für falsch positive oder falsch negative Interpretationen verantwortlich (Panicek et al., 1997a).
Nach Elias et al. war eine falsch positive Einschätzung außerdem durch Schwierigkeiten bei
der MR-tomografischen Beurteilung der knöchernen Tumorausdehnung bedingt. Z.B. könnte
eine durch „Partial-volume-averaging" bedingte verminderte Bildauflösung zu einer ungenauen Darstellung kortikaler Grenzen geführt haben. Dies mag in einigen Fällen eine Destruktion der Kortikalis vorgetäuscht haben (Elias et al., 2003).
Weitere Ursachen, vor allem für die relativ niedrige Spezifität (82-89%) sowie den niedrigen
PPV (45-56%) in einer der Untersuchungen von Panicek et al. waren gemäß der Autoren die
niedrige Prävalenz des tumorösen Knochenbefalls, die nicht modernen Standards entsprechenden MRT-Aufnahmen sowie eine mögliche Verzerrung der Daten in Form eines Verifikationsbias (Panicek et al., 1997a).
Einzelne Tumorentitäten scheinen durch ihr invasives Wachstum häufiger Knochendestruktionen hervorzurufen wie z.B. das Synovialsarkom, das in ca. 20-25% der Fälle knöcherne
Strukturen befallen soll (Jones et al., 1993, Elias et al., 2003). In dieser Studie lag zwar auch
in 20% der Fälle mit nachgewiesener Knocheninfiltration ein Synovialsarkom vor, allerdings
zählte diese Tumorentität bezogen auf ihr absolutes Vorkommen innerhalb der Patientenpopulation nicht zu den häufigsten knochenbefallenden Tumoren (3/26 bzw. 11,5%). Im Verhältnis zu ihrer absoluten Häufigkeit zeigten in unserer Untersuchung die selten auftretenden
Tumoren (epitheloide Sarkome und andere) mit 50% am häufigsten ein lokal aggressives,
knochendestruierendes Verhalten. Dies hat aber auf Grund der geringen Anzahl dieser histologischen Subtypen (jeweils n = 2) keine relevante statistische Aussagekraft. Auffällig war
dagegen, dass bei undifferenzierten pleomorphen Sarkomen in 18,1% der Fälle eine ossäre
Infiltration diagnostiziert wurde und dass diese Tumoren 40% aller Fälle mit sekundärem
Knochenbefall ausmachten. Bei Elias et al. stellte sich eine Tumorausdehnung auf den Knochen nur bei 10% der MFH heraus. Hier zeigten vor allem Leiomyosarkome ein invasives
Verhalten bezüglich knöcherner Strukturen (3/7 bzw. 42,9%) (Elias et al., 2003).
In Bezug auf die Tumorlokalisationen wurde deutlich, dass im Besonderem Fußtumoren und
Sarkome der Lendenwirbelsäulenregion zu einem ossär invasiven Wachstum neigten (nFuß =
3/6, nLWK = 1/2). Angesichts ihrer geringen Häufigkeit hat dies allerdings keine statistisch relevante Bedeutung.
Die sekundäre Knocheninfiltration senkt bei Patienten mit Weichteilsarkomen signifikant
(p-Wert < 0,01) das krankheitsfreie Überleben (Panicek et al., 1997b) und führt zu einer Erhöhung der Mortalitätsrate (Gaynor et al., 1992). Demnach ist ein hochsensitives präoperatives MRT-Staging der ossären Ausdehnung maligner Weichteiltumoren, das dazu beiträgt
68
Diskussion
eine Tumorresektion weit im Gesunden zu ermöglichen, prognostisch von großer Bedeutung
(Panicek et al., 1997b).
Wird bei Patienten mit malignen muskuloskelettalen Neoplasien eine Gelenkinvasion festgestellt, stellt dies in der Regel eine Indikation zur Amputation dar. Die MR-Kriterien für eine
artikuläre Tumorinvasion durch einen Knochen- oder Weichteiltumor werden von verschiedenen Untersuchern unterschiedlich definiert (Saifuddin, 2002, Campanacci, 1999).
In der vorliegenden Untersuchung wurde MR-tomografisch ein Gelenkbefall diagnostiziert,
wenn Tumorgewebe eindeutig innerhalb der Grenzen der Synovialmembran des benachbarten Gelenks nachweisbar war. Ein reiner Kontakt des Tumors zur Gelenkkapsel oder ein Gelenkerguss wurden nicht als positive Zeichen gewertet. Dass ein erhöhter Flüssigkeitsgehalt
eines dem Sarkom benachbarten Gelenks nicht mit einem gehäuften Auftreten einer Tumorinvasion assoziiert war, zeigten Schima et al. in ihrer Studie über das präoperative
Staging von Osteosarkomen (PPV = 27%; ninfiltriert/nGesamt = 10/46). Nur das Fehlen eines Gelenkergusses war mit einem NPV von 92% hoch prädiktiv für das Nichtvorhandensein einer
Gelenkinfiltration (Schima et al., 1994). Für Weichteilsarkome existieren unserem Wissen
nach keine vergleichbaren Daten.
In unserer Studie war bei fünf von 174 Patienten ein Tumorwachstum innerhalb der Grenzen
der Synovialmembran festzustellen (Prävalenz = 2,9%). Mit drei positiven von insgesamt 133
Fällen und einer Prävalenz von 2,3% sind nur die Ergebnisse von Panicek et al. mit unseren
vergleichbar (Panicek et al., 1997a). Demas et al., die ebenfalls die lokale Ausdehnung von
Weichteilsarkomen untersuchten, berichteten über eine Prävalenz von 7,5% (3/40) (Demas
et al., 1988). Häufiger wird eine Gelenkinvasion dagegen bei Knochensarkomen beobachtet,
weshalb die Genauigkeit der MRT-Bildgebung bezüglich der Detektion eines Gelenkbefalls
bis heute vorwiegend bei Patienten mit malignen Knochentumoren (typischerweise Osteosarkomen) überprüft wurde (van Trommel et al., 1997, Schima et al., 1994, Bloem et al.,
1988, Seeger et al., 1991).
Während sich bei der MR-tomografischen Beurteilung der Gelenkausdehnung von Weichteilsarkomen in der Studie von Panicek et al. eine hohe Sensitivität, eine hohe Spezifität
sowie ein hoher NPV ergaben (Sensitivität = 100%, Spezifität = 97%, NPV = 100%), war der
PPV um einiges niedriger (PPV = 50%) (Panicek et al., 1997a). Bei einer nahezu identischen
Anzahl tumorbefallener Gelenke innerhalb eines ähnlich großen Patientenkollektivs wichen
die Resultate unserer Untersuchung gering davon ab. Mit einer falsch negativen (nach R1
und R2) sowie null bzw. zwei falsch positiven Diagnosen (R1 bzw. R2) erreichten wir eine
Sensitivität von 80% mit einem NPV gleich 99,4% sowie eine Spezifität von 100% bzw. 98,8%
bei einem PPV von 100% bzw. 66,7% (R1 bzw. R2).
69
Diskussion
Auch diese Ergebnisse erwiesen sich als statistisch signifikant sowie in fast allen Fällen als
präzise. Eine Ausnahme stellte die erzielte Sensitivität von 80% dar, die auf Grund der geringen Fallzahl an Präzision einbüßen musste (95%-KI: 44,9-115,1%).
Die Detektion einer artikulären Tumorinvasion gestaltet sich oftmals als schwierig, da sich
die Synovialmembran auf MRT-Bildern in der Regel nicht direkt darstellen lässt. Dies könnte
eine Ursache für die falsch negative Diagnose in unserer Untersuchung gewesen sein.
Bei einem der beiden Reader (R2) ergaben sich zusätzlich zwei falsch positive Diagnosen.
Angesichts des seltenen Vorkommens einer Gelenkinfiltration und der etwas geringeren Erfahrung des Readers im Bereich der muskuloskelettalen MRT-Diagnostik von Weichteilsarkomen (fünf Jahre (R2) vs. 18 Jahre (R1)) ist zu vermuten, dass dieser die MRT-Aufnahmen
hinsichtlich der gelenkbezogen Tumorinvasion ausnahmsweise überschätzte (vergleiche
5.3).
Eine generelle Aussage zur Genauigkeit der MRT-Bildgebung bei der Detektion einer Gelenkinvasion durch Weichteilsarkome erweist sich angesichts der geringen Anzahl an positiven Fällen (siehe unsere Studie sowie die von Panicek et al.) als schwierig. Dass sich bei
Anwendung unserer Diagnosekriterien jedoch gute Ergebnisse erzielen lassen, wurde nicht
zuletzt durch eine Accuracy von 98,3-99,4% bestätigt (vergleiche 97% in der Untersuchung
von Panicek et al.) (Panicek et al., 1997a).
Die Verteilung der Tumorlokalisationen (drei Knie- und zwei Hüftgelenke) und Entitäten (vier
unterschiedliche histologische Subtypen) unter den Patienten mit einer sekundären Gelenkinvasion war in unserer Studie unauffällig. Angesichts der kleinen Fallzahl ist eine statistisch relevante Aussage diesbezüglich allerdings nicht möglich.
Neurovaskuläre Tumorinvasion
Bei Weichteilsarkomen findet sich häufiger ein neurovaskuläres Encasement als bei Knochensarkomen (Panicek et al., 1997a), auch wenn eine tatsächliche Infiltration von Gefäßen
und Nerven im Vergleich zu einer reinen Verlagerung auch bei Weichteilsarkomen relativ
selten zu beobachten ist (Mitty et al., 1991, Bloem et al., 1997). Eine genaue präoperative
Evaluation der Lagebeziehung zwischen Sarkom und Gefäß-/Nervenbündel ist von großer
Bedeutung, da sie ein ausschlaggebender Faktor für oder gegen eine extremitätenerhaltende
Tumorresektion sein kann (Panicek et al., 1997a, Campanacci, 1999). Nach wie vor muss
eine Extremität in der Regel amputiert werden, sobald sich prä- oder intraoperativ ein tumoröser Nervenbefall bestätigt und eine alleinige Nervenresektion eine funktionslose Extremität zurücklassen würde. Eine reine vaskuläre Infiltration führt meistens zwar nicht zu einer
Amputation, jedoch muss in diesem Fall zumindest eine Gefäßrekonstruktion vorgenommen
werden, um eine Tumorentfernung im Gesunden sicherzustellen (Campanacci, 1999).
Die diagnostische Leistung der MRT bezüglich einer neurovaskulären Invasion wurde bereits
in anderen Studien an Patienten mit malignen Weichteiltumoren überprüft. Die Prävalenz
70
Diskussion
eines neurovaskulären Encasements durch Weichteilsarkome ist eher gering. In der Untersuchung von Panicek et al. lag sie beispielsweise bei 4,5% (vaskulär: 6/133) bzw. 6,8% (neuronal: 9/133) (Panicek et al., 1997a, Panicek et al., 1997c). Eine aktuellere Studie, die sich
allein mit der Detektion eines vaskulären Encasements bei muskuloskelettalen Neoplasien
befasste, veröffentlichte eine Prävalenz von 35,5% (11/31). Allerdings wurden hierbei von
vornherein nur Patienten mit Tumoren, die eine enge Lagebeziehung zu einem großen neurovaskulären Bündel aufwiesen, in die Studie eingeschlossen (Feydy et al., 2006).
In unserer Arbeit lagen die Prävalenzen bei jeweils 7,5% (Arterien und Venen) sowie 10,4%
(Nerven). In elf Fällen war gleichzeitig mehr als eine Leitungsbahn von einer Tumorinvasion
betroffen.
Nach Campanacci ist es oftmals möglich einen dem Sarkom anhaftenden Nerv durch Resektion des Perineuriums, welches einer anatomischen Tumorbarriere entspricht, von diesem zu
lösen und folglich zu schonen (Campanacci, 1999). Das Perineurium muss dabei zusammen
mit dem Tumor entfernt werden, was in unserem Patientenkollektiv in 14 Fällen erfolgte. Die
Adventitia wurde bei vier Patienten vom restlichen Gefäß getrennt und zusammen mit dem
mit ihr verwachsenen Tumor reseziert.
Im Gegensatz zu anderen Studien analysierten wir in unserer Arbeit zudem welche Leitungsbahnen im Einzelnen von einem Tumorbefall betroffen waren. Es zeigte sich, dass die Poplitealgefäße (arteriell und venös) mit 42,3% noch vor den Femoralgefäßen (26,9%, arteriell
und venös) fast die Hälfte aller infiltrierten vaskulären Strukturen ausmachten. Unter den vom
Tumor umschlossenen Nerven war der N. ischiadicus mit einem Anteil von 44,4% am häufigsten vertreten. Dies entsprach weitgehend der Verteilung der Tumorlokalisationen.
Die MR-tomografische Beurteilung neurovaskulärer Strukturen hinsichtlich einer potentiellen
Tumorinvasion wurde bisher nicht eindeutig definiert. In älteren Studien galt ein Gefäß oder
Nerv zweifelsfrei als nicht infiltriert, wenn es durch eine interponierte Fettgewebs- oder Muskelschicht vom muskuloskelettalen Tumor getrennt wurde. Grenzte der Tumor ohne dazwischenliegende Gewebeschicht direkt an das neurovaskuläre Bündel, so wurde dies zwar als
verdächtig, aber noch nicht ausreichend beweisend für einen Tumorbefall gewertet (Bloem
et al., 1988, Seeger et al., 1991, Robinson et al., 2008, Feydy et al., 2006). Eine Ausnahme
bildete die Studie von van Trommel et al., die diese Lagebeziehung bereits als Zeichen einer
Infiltration einstufte (van Trommel et al., 1997). Wurde auf den MRT-Aufnahmen dagegen
eine vollständige neurovaskuläre Umscheidung beobachtet, ging man sicher von einem invasiven Tumorwachstum aus. Eine Grauzone stellte dabei die unvollständige Ummauerung
von Gefäßen und Nerven dar. Während Feydy et al. klar von einem Encasement sprachen,
sobald ein Gefäß auch nur teilweise von Tumorgewebe umgeben war, ging aus den anderen
Untersuchungen nicht deutlich hervor, wie deren Autoren solch eine Konstellation bewerteten
(Panicek et al., 1997a, Demas et al., 1988, Saifuddin, 2002, Feydy et al., 2006). Allein
71
Diskussion
Panicek et al. setzten für die Definition eines Encasements voraus, dass eine neurovaskuläre
Struktur mindestens über die Hälfte ihres Umfangs (> 180°) vom Tumor direkt umgeben sein
muss (Panicek et al., 1997b).
Eine unvollständige Ummauerung von Gefäß-/Nervenstrukturen, welche gemäß den oben
genannten Definitionen in unserer Untersuchung am ehesten einem Tumorkontakt von
91-270° entsprach, zeigte sich im Vergleich zum vollständigen neurovaskulären Encasement
(> 270°) ungefähr drei Mal so häufig (91-270°: nArterie R1/R2/nGesamt = 28-35/174, nVene R1/R2/
nGesamt = 32-33/174, nNerv R1/R2/nGesamt = 38-39/174 vs. > 270°: nArterie R1/R2/nGesamt = 9-10/174,
nVene R1/R2/nGesamt = 8-9/174, nNerv R1/R2/nGesamt = 15-16/174). Demnach ist eine klare und einheitliche MR-tomografische Definition der Gefäß-/Nerveninfiltration als Tumorkontakt (in
Grad des neurovaskulären Umfangs) von großer Bedeutung.
In der vorliegenden Arbeit wurde zunächst beurteilt, ob überhaupt eine enge Lagebeziehung
zwischen Weichteilsarkom und großen Leitungsbahnen zu erkennen war. War dies der Fall
(wie bei 67,2% der Patienten), entschieden wir uns dafür, die Ausprägung ihres Kontakts
mittels einer fünfstufigen Skala zu beschreiben. Dies diente vor allem dazu herauszufinden,
wie groß MR-tomografisch das neurovaskuläre Encasement sein muss (> 0° > 90° > 180° >
270°, wobei 0° = interponierte GWS vorhanden, siehe 3.3.2 und 4.5.5.2), um eine Infiltration
mit hoher Genauigkeit diagnostizieren zu können. Mittels Bestimmung eines Cut-Off-Werts
unternahmen wir demzufolge den Versuch, für die oben genannte „Grauzone“ eine klare und
eindeutige Definition festzulegen. Dabei orientierten wir uns unter anderem an der radiologischen Beurteilung einer vaskulären Invasion bei Pankreaskarzinomen. Maligne Pankreastumoren haben insgesamt eine sehr schlechte Prognose und sind nur resezierbar und folglich heilbar, wenn sie weder Metastasen gebildet noch Gefäße infiltriert haben (Buchs et al.,
2010, Sener et al., 1999, Ahmad et al., 2001). Dabei ist es inzwischen gängig, das Ausmaß
des Kontakts zwischen Karzinom und Gefäß in Grad seiner Zirkumferenz anzugeben. Ein
Encasement – als entscheidender gegen eine Resektion sprechender Faktor – liegt in der
Regel ab einer Tumorummauerung von > 180° des Gefäßumfangs vor (Arslan et al., 2001,
Sironi et al., 1995, Vargas et al., 2004, Imbriaco et al., 2002). Es gab allerdings auch Studien,
in denen bereits ein Tumorkontakt von > 90° der vaskulären Zirkumferenz als positives Zeichen einer Infiltration gewertet wurde (Catalano et al., 1998, Lopez Hanninen et al., 2002).
In unserer Arbeit ergaben sich sowohl für Arterien als auch für Venen bei einem Tumorencasement von > 180° die höchsten Sensitivitäten bei gleichzeitig maximalen Spezifitäten
(Arterie: SensitivitätR1/R2 = 84,6%, SpezifitätR1/R2 = 93,8-97,5%; Vene: SensitivitätR1/R2 =
84,6%, SpezifitätR1/R2 = 94,7-97,4%). Aus diesem Grund definierten wir diesen Wert als optimalen Cut-Off (vergleiche Maxima des Youden-Index in Tabelle 32). Mit nur zwei falsch Negativen pro Reader erreichten wir sehr hohe NPV von 97,3-97,5%. Der PPV war bei insgesamt sieben falsch positiv bewerteten Arterien und sechs falsch positiven Venen zwar nied-
72
Diskussion
riger, aber immer noch hoch (R1 = 84,6%, R2 = 68,8-73,3%). Von einer hohen diagnostischen
Genauigkeit kann bei einer Accuracy gleich 92,5-95,7% (Arterie) bzw. 93,3-95,5% (Vene)
ausgegangen werden.
Nicht ganz so hohe Sensitivitäten wurden bei der MR-tomografischen Detektion einer Nerveninvasion ermittelt, wobei die Radiologen bei insgesamt neun Nerven im Gegensatz zu
den Pathologen keine Infiltration erkannten (SensitivitätR1/R2 = 72,2-77,8%). Dennoch konnten hohe NPV von 93,5-94,5% beobachtet werden. Definiert man gemäß der maximalen
Werte des Youden-Index den Cut-Off bei R2 nicht als einen Tumorkontakt > 180° wie bei R1
sondern als > 270° zur Nervenzirkumferenz, lassen sich mit insgesamt sieben falsch positiven Diagnosen hohe Spezifitäten bei ebenfalls hohen PPV nachweisen (SpezifitätR1/R2 =
93,2-97,3%, PPVR1/R2 = 73,7-86,7%).
In Hinblick auf die statistische Aussagekraft dieser Ergebnisse fällt auf, dass die 95%Konfidenzintervalle der Sensitivitäten und PPV um einiges breiter sind, als diejenigen der
Spezifitäten und NPV. Dies ist im Wesentlichen auf das seltene Vorkommen einer Gefäß-/
Nerveninfiltration zurückzuführen (Verhältnis infiltriert zu nicht-infiltriert: Arterie = 1:13, Vene
= 1:13, Nerv = 1:10) und muss entsprechend kritisch bei der qualitativen Bewertung des
neurovaskulären MR-Stagings berücksichtigt werden. Demnach sollte auch die Einschätzung der diagnostischen Genauigkeit, die mit über 90% sehr hoch war (Arterie: 92,5-95,7%,
Vene: 93,3-95,5%, Nerv: 90,2-92,4%) mit Vorsicht erfolgen, da sie ebenso durch die niedrige
Prävalenz im Sinne einer Überschätzung beeinflusst worden sein kann. Von einer statistischen Signifikanz der Ergebnisse ist auszugehen (kein Null-Effekt im 95%-Konfidenzintervall).
Ähnliche Studien ergaben weitaus niedrigere Sensitivitäten, Spezifitäten etc., wobei bedacht
werden muss, dass deren Veröffentlichung in der Regel mehr als zehn Jahre zurückliegt und
die Qualität der damaligen MRT-Bildgebung nicht mit der heutigen zu vergleichen ist. Panicek
et al. z.B. konnten weder auf TSE-Sequenzen noch auf Sequenzen mit spektraler Fettsättigung, die inzwischen zum Standardprotokoll beim MR-Staging muskuloskelettaler Tumoren
gehören, zurückgreifen. In ihren Studien wurden die MRT-Untersuchungen mittels MRTomografen der Feldstärke 1,5 Tesla durchgeführt. An Pulssequenzen wurden allein T1gewichtete SE-Sequenzen in der koronaren und sagittalen sowie T1- und T2-gewichtete SESequenzen in der transversalen Ebene verwendet. Außerdem wurde in den Studien von
Panicek et al. auf den Einsatz von Kontrastmitteln verzichtet, was aber unserer Ansicht nach
nicht für die geringen Sensitivitäten (s.u.) verantwortlich war (Panicek et al., 1997a, Panicek
et al., 1997b). Aus der Gabe von gadoliniumhaltigem Kontrastmittel ergab sich in dieser Arbeit kein nennenswerter Vorteil hinsichtlich der Differenzierung von Tumor und angrenzenden
Strukturen. Während die Radiologen in der Studie von Gronemyer et al. in 64% aller Fälle
die Beurteilung der Lagebeziehung zwischen Knochensarkom und Gefäß-/Nervenbündel auf
73
Diskussion
kontrastverstärkten T1w-Aufnahmen einfacher fanden als auf T2w-Aufnahmen (Gronemeyer
et al., 1997), war dies in unserer Untersuchung nur bei < 2% der Patienten der Fall. Auch die
Abgrenzung vom umliegenden Fett- und Muskelgewebe bzw. vom peritumoralen Ödem war
mittels T1wGd-Aufnahmen nicht besser erkennbar (< 6,5%), sodass nach unseren Ergebnissen T2-gewichtete Sequenzen für diesen Zweck scheinbar ausreichend sind.
Das Fehlen moderner MR-Techniken sowie die, verglichen mit heutigen Standards, mäßige
Bildauflösung waren sicher eine nicht zu unterschätzende Ursache für die auffällig niedrigen
Sensitivitäten von 33-40% (Gefäße) bzw. 11-40% (Nerven) und die größtenteils noch geringeren PPV von 10-40% (Gefäße) bzw. 6-29% (Nerven) (vaskulär: 6/133 bzw. 5/46, neuronal:
9/133 bzw. 5/46). Die Autoren selbst erwarteten angesichts dieser niedrigen PPV Konsequenzen für den routinemäßigen Einsatz des präoperativen neurovaskulären MR-Stagings
innerhalb eines Patientekollektivs, in dem nur selten mit einem Tumorbefall von Gefäßen und
Nerven zu rechnen ist. Bezüglich des Nichtvorhandenseins einer Gefäß-/Nerveninfiltration
waren die Angaben der Reader dagegen wesentlich zuverlässiger (SpezifitätGefäße = 84-93%,
SpezifitätNerven = 85-88%, NPVGefäße = 93-96%, NPVNerven = 92%) (Panicek et al., 1997a,
Panicek et al., 1997b). Van Trommel et al. erzielten in ihrer Studie über Osteosarkome trotz
ähnlicher Prävalenzen (vaskulär: 3/29, 10,3%, neuronal: 2/29, 6,9%) und obwohl sie im selben Jahr wie Paniceks Arbeiten publiziert wurde, bessere Ergebnisse (Gefäße: Sensitivität =
100%, Spezifität = 61,1%, PPV = 53,3%, NPV = 100%; Nerven: Sensitivität = 100%, Spezifität = 66,7%, PPV = 38,5%, NPV = 100%). Die hohen Sensitivitäten waren allerdings durch
ihre weit fassende Definition der neurovaskulären Invasion (positiv = jeder Tumorkontakt
ohne erkennbare interponierte Gewebeschicht) bedingt, was bei Betrachtung der niedrigen
Spezifitäten ersichtlich wird (van Trommel et al., 1997). Am ehesten waren die Resultate von
Bloem et al. und Feydy et al. mit unseren Daten (in Klammern) vergleichbar, wobei in beiden
Untersuchungen eine Tumorinvasion der großen Leitungsbahnen mit Prävalenzen von 19%
(vs. 8,4% neurovaskulär) und 35,5% (vs. 7,5% vaskulär) häufiger vorkam: Sensitivität = 64100%, Spezifität = 95-98%, PPV = 88-91%, NPV = 83-100%, Accuracy = 84-98% (neurovaskuläres Encasement von Knochensarkomen gemäß Bloem et al.: 10/53, vaskuläres
En-
casement muskuloskelettaler Tumoren gemäß Feydy et al.: 11/31) (Bloem et al., 1988, Feydy
et al., 2006).
Nach Abschluss der statistischen Auswertung unserer Daten begutachteten die beiden Reader im Sinne einer Fehleranalyse ein weiteres Mal die von ihnen laut Goldstandard falsch
positiv oder negativ bewerteten MRT-Aufnahmen. Es zeigte sich, dass sie in insgesamt 13
Fällen fälschlicherweise einen tumorösen Befall von Arterien und Venen diagnostizierten.
Vier Mal handelte es sich dabei um kleine Gefäße im Arm- und Fußbereich, für deren korrekte
Beurteilung die MR-tomografische Bildauflösung nicht ausreichend war. Dass es vor allem
74
Diskussion
bei kleinen neurovaskulären Strukturen trotz moderner MRT-Technik schwierig ist, die Lagebeziehung zum Sarkom richtig einzuschätzen, ist unumstritten. Schon seit längerem wird
diskutiert, ob z.B. die MR-Angiografie (MRA) eine sinnvolle Ergänzung bei der Detektion von
infiltrierten Gefäß-/Nervenbündeln darstellt (Panicek et al., 1997c, Bloem et al., 1997). Lang
et al. wiesen in ihrer Pilotstudie über die Bedeutung der MRA bei der Evaluation muskuloskelettaler Neoplasien tatsächlich eine besonders hohe Genauigkeit bezüglich der Darstellung kleiner Gefäße nach. Eine Beurteilung des vaskulären Encasements, basierend auf der
Diagnostik einer Gefäßstenose, erwies sich ihrer Ansicht nach jedoch als schwierig (Lang et
al., 1995). Nach einer aktuellen Publikation schnitt allerdings die MRA beim Auffinden von
tumorinfiltrierten, weil stenosierten Arterien ähnlich gut ab wie die klassische MRTBildgebung (Sensitivität = 82%, Spezifität = 85%, PPV = 75%, NPV = 90%). So kann es in
den Fällen, in denen neben einer Tumorummauerung zusätzlich eine Stenose der Gefäße
zu beobachten ist, gegebenenfalls von Vorteil sein die Standard-MR-Tomografie durch eine
kontrastverstärkte MR-Angiografie zu ergänzen (aber nicht zu ersetzen) (Feydy et al., 2006,
Lang et al., 1995).
Bei den anderen neun falsch positiven Diagnosen gingen die Reader von einem vaskulären
Tumorkontakt von 181-270° aus. Bei einem Patienten ließ sich die Fehleinschätzung mit einer mäßigen Bildqualität der MRT-Aufnahmen begründen. In vier Fällen wurde das Sarkom
unter Mitnahme der Adventitia knapp im Gesunden reseziert und anschließend intraoperativ
bestrahlt. Zwei Mal war es den Chirurgen möglich, trotz enger Lagebeziehung das venöse
Gefäß im intakten Zustand vom Tumor zu lösen. Insgesamt wurde in fünf der 13 falsch positiv
bewerteten Fälle eine Amputation vorgenommen, was zu einer ungenügenden histologischen Analyse des Gefäßstatus und folglich zu einer falsch negativen Beurteilung von Seiten
der Pathologen geführt haben mag (vergleiche Knochen- und Gelenkinvasion in 5.2.2). Bei
fünf Patienten ließ sich chirurgisch bzw. histopathologisch das MR-tomografisch durch R1
diagnostizierte neuronale Encasement (positiv ab > 180°) nicht bestätigen. Für R2 ergaben
sich bei einem Cut-Off von > 180° neun falsch positive bei 14 richtig positiven Diagnosen,
während er bei einem Cut-Off von > 270° mit nur zwei falsch positiven und 13 richtig positiven
Beurteilungen deutlich besser abschnitt. Im Rahmen der Fehleranalyse stellte sich heraus,
dass in zehn von 14 Fällen (R1 und R2) der bildgebend geschätzte Tumorkontakt von
181-270° zur Nervenzirkumferenz nur knapp über der Toleranzgrenze von 180° lag. Vier Mal
konnte eine unzureichende Bildauflösung der vorliegenden MRT-Aufnahmen als potentielle
Ursache der fehlerhaften Einschätzung des Tumor-Nervenkontakts identifiziert werden. Allerdings handelte es sich in allen vier Fällen in der Tat um einen derart engen Kontakt, dass
entweder das Perineurium zusammen mit dem Tumor entfernt werden musste oder nur eine
R1-Resektion (mit ungenauen Resektatflächen) erzielt werden konnte. Auffällig war, dass in
75
Diskussion
acht der 14 falsch positiv beurteilten Fälle die Patienten an einem gut differenzierten Liposarkom erkrankt waren. Diese niedrig malignen Tumoren zeigen zwar oftmals ein lokal verdrängendes, aggressives Wachstum und neigen vor allem nach makroskopisch oder mikroskopisch nicht im Gesunden erfolgten Resektionen zur Ausbildung eines Rezidivs, metastasieren jedoch extrem selten (Campanacci, 1999, Enzinger and Weiss, 1995, Rozental et al.,
2002). Wie auch in unseren Fällen, ist eine weite Resektion des Liposarkoms mit tumorfreien
Rändern auf Grund seiner Größe und Lagebeziehung zu benachbarten neurovaskulären
Strukturen häufig nicht möglich (Mavrogenis et al., 2011, Serpell and Chen, 2007). Im Falle
einer fraglichen Nerveninvasion könnte eine derart weite Resektion in der Regel nur mittels
einer Amputation garantiert werden (Campanacci, 1999). Angesichts einer Mortalitätsrate
von nahezu 0% sowie einer Latenz von bis zu 140 Monaten (im Durchschnitt 73 Monate) bis
zum Auftreten eines Rezidivs (Mavrogenis et al., 2011, Fletcher et al., 2002), ist erst recht
bei älteren Patienten eine extremitätenerhaltende, marginale Tumorresektion zu Gunsten einer hohen Lebensqualität aber gerechtfertigt (Yamamoto et al., 2012, Mavrogenis et al.,
2011, Sommerville et al., 2005). Dass das Überleben durch solch ein Vorgehen selbst bei
Ausbildung eines Lokalrezidivs nicht verschlechtert wird, wurde unter anderem durch Weiss
et al. bestätigt. In ihrer Untersuchung verstarb keiner der 46 Patienten mit einem Liposarkom
der Extremität (inklusive zwanzig Rezidiven) an dieser Erkrankung (Weiss and Rao, 1992).
Die falsch positiven Diagnosen könnten bei diesen lipomatösen Tumoren außerdem darauf
zurückzuführen sein, dass die Reader Schwierigkeiten bei der Differenzierung von ortsständigem, mit dem Gefäß-/Nervenbündel assoziiertem und tumoreigenem Fettgewebe hatten.
Bei zwei Patienten wurde eine arterielle und venöse Tumorinvasion durch beide Reader verkannt. Als Erklärung hierfür fand sich zum einen eine mangelhafte Bildauflösung, zum anderen eine hinsichtlich der 180°-Grenze knapp ausgefallene Fehleinschätzung (Tumorkontakt
gleich 91-180° an Stelle von > 180°). Eine Nerveninfiltration wurde in insgesamt acht Fällen
(bzw. neun Fällen bei einem Cut-Off von > 270° für R2) MR-tomografisch übersehen. Dabei
handelte es ich hierbei wiederum um eine fehlerhafte Beurteilung im 180°-Grad-Bereich (acht
Mal 91-180° (R1 und R2), einmal 181-270° (R2)). Im Rahmen der Fehleranalyse zeigte sich,
dass eine falsch negative Bewertung neuronaler Strukturen in nahezu allen Fällen bei großen, tief sitzenden Beintumoren erfolgte. Bereits Panicek et al. fassten in ihrer Arbeit über
limitierende Faktoren bezüglich der radiologischen Beurteilung neurovaskulärer Strukturen
zusammen, dass periphere Nerven oftmals mit umgebenden Strukturen (vor allem mit benachbarten Muskeln) „verschmelzen“ und somit schlecht zu identifizieren sind. Dies kann primär bei in der Tiefe lokalisierten Tumoren zur Folge haben, dass ein neuronales Encasement
nicht erfasst wird (Panicek et al., 1997c). Liegt zusätzlich eine mäßige Bildqualität vor, erhöht
sich die Wahrscheinlichkeit für eine falsch negative Beurteilung, wie es in unserer Untersuchung bei drei Patienten der Fall war. Vor allem bei kleinen Nerven wurde auf Grund einer
76
Diskussion
eingeschränkten räumlichen Bildauflösung eine Tumorinvasion übersehen (vergleiche Fehleranalyse des vaskulären MR-Stagings weiter oben). In zwei weiteren Fällen täuschten sich
die Reader, weil entsprechende MRT-Aufnahmen nicht senkrecht zum Tumor ausgerichtet
waren und folglich allein den horizontalen Verlauf des N. ischiadicus abbildeten, was eine
korrekte Einschätzung des Tumor-Nervenkontakts verhinderte. In der Tat kann das neurovaskuläre MR-Staging ungenau sein, wenn Gefäß-/Nervenstrukturen nicht parallel zu den
jeweiligen bildgebenden Ebenen verlaufen. Sobald sie die MRT-Aufnahmen in einem ungünstigen Winkel durchkreuzen, kann eine Interpretation ihrer Lagebeziehung zum Sarkom
sehr schwierig sein (Lang et al., 1995).
Auch Feydy et al. nannten neben einer unzureichenden Bildauflösung auf Grund von „Partialvolume-averaging“-Artefakten einen schrägen, geschlängelten Gefäßverlauf als mögliche
Ursache für ihre MR-tomografischen Fehleinschätzungen (Feydy et al., 2006). Van Trommel
et al. führten ihre falsch positiven Ergebnisse im Rahmen der Evaluation des neurovaskulären Encasements unter anderem auf das Vorhandensein peritumoraler Ödeme zurück. Ihrer
Ansicht nach war es oftmals nicht möglich das Sarkom vom umgebenen reaktiven Weichgewebe abzugrenzen, wodurch sich eine Überschätzung der neuronalen Tumorinvasion ergab
(van Trommel et al., 1997). Panicek et al. diskutierten ebenfalls ausführlich über die Resultate
ihrer Studie. Demnach waren die wesentlichen Gründe für ihre fehlerhaften Angaben zum
Gefäß-/Nervenstatus die bereits erwähnte mäßige Qualität der MRT-Bildgebung, die niedrige
Prävalenz der neurovaskulären Infiltration sowie Ungenauigkeiten bei der histopathologischen Auswertung der Resektionspräparate. Letzteres umfasste eine unvollständige histologische Untersuchung, wie sie nach Amputationen (s.o.) oder angesichts fragmentierter bzw.
komprimierter Gewebeproben vorkommen kann. Ebenso konnte ein Verifikationsbias als Ursache für die falsch positiven Diagnosen nicht ausgeschlossen werden. Die relativ zahlreichen falsch negativen Diagnosen waren gemäß der Autoren gegebenenfalls durch eine der
MRT-Bildgebung vorausgegangene neoadjuvante Chemo- oder Radiotherapie bedingt (vergleiche 5.2.2).
Die ROC-Analyse unterstützte mit AUC-Werten > 0,9 unsere Annahme, dass die MRT trotz
genannter Fehlerquellen ein sehr genaues bildgebendes Verfahren bei der Diagnostik einer
neurovaskulären Invasion durch Weichteilsarkome ist. Unter dem Aspekt, dass falsch positive Diagnosen in Hinblick auf radikale therapeutische Konsequenzen (z.B. Amputation) unbedingt vermieden werden sollten, legten wir einen Cut-Off von 180° (Encasement: positiv >
180° ≥ negativ) fest. Damit stimmten wir mit der von Panicek et al. sowie im Bereich der
Pankreas-Diagnostik angewandten Definition überein (Panicek et al., 1997b, Sironi et al.,
1995, Arslan et al., 2001, Imbriaco et al., 2002, Vargas et al., 2004).
77
Diskussion
In dieser Studie wurde außerdem der Versuch unternommen, einen potentiellen Zusammenhang zwischen einem Befall neurovaskulärer Strukturen und bestimmten Tumoreigenschaften zu finden. In der Tat zeigte sich, dass gut die Hälfte aller in Gefäße und Nerven einwachsenden Weichteilsarkome am Oberschenkel lokalisiert (46,7% bzw. 44,4%) sowie schlecht
differenziert (G3) waren (53,3% bzw. 44,4%). Bezüglich der Tumorentität stellte sich heraus,
dass vor allem Synovialsarkome und MPNST zur Gefäßinvasion (jeweils 20%) sowie undifferenzierte pleomorphe Sarkome, gut differenzierte Liposarkome und abermals Synovialsarkome zur Nerveninvasion (jeweils 16,7%) neigten. Setzte man diese Ergebnisse allerdings
ins Verhältnis zur absoluten Häufigkeit, ergab sich keine klare Assoziation zwischen bestimmten Tumorlokalisationen, histologischen Subtypen oder Differenzierungsgraden und einem gehäuften Auftreten eines neurovaskulären Encasements. Auffällig war allerdings, dass
immerhin 12% (3/25) der gut differenzierten Liposarkome Nerven infiltrierten.
Allein bezüglich des Differenzierungsgrades konnte geschlussfolgert werden, dass schlecht
bis nicht differenzierte Sarkome (≥ G3) häufiger Gefäß-/Nervenbündel befielen (jeweils neun
von 81 Tumoren ≥ G3 mit einem Anteil von 60% bzw. 50% an allen infiltrierten Gefäßen und
Nerven).
Die Größe und Kompartimentausdehung der Tumoren spielte laut dieser Untersuchung
ebenso wenig eine Rolle beim neurovaskulären Encasement. Demnach wurde bei extrakompartimentellen Tumoren, deren Wachstum nicht (mehr) durch natürliche Barrieren begrenzt
war, eine Invasion von Gefäß-/Nervenstrukturen dennoch nicht häufiger beobachtet als bei
intrakompartimentellen Tumoren. Wie in der Studie von Gaynor et al. war die Verteilung von
T1- und T2-Tumoren auch in dieser Arbeit ausgewogen (Gaynor et al., 1992).
Unserem Wissen nach wurden derartige Zusammenhänge bisher nur von wenigen Arbeitsgruppen näher überprüft. Bei Feydy et al. z.B. waren die elf vaskulär infiltrierenden Knochenund Weichteilsarkome an sechs verschiedenen Körperstellen lokalisiert und damit relativ
gleichmäßig verteilt. In fünf Fällen handelte es sich um Osteosarkome, bei denen somit besonders häufig (41,7%) eine Ummauerung arterieller Gefäße nachgewiesen werden konnte.
Auf Grund der gezielten Patientenauswahl und des möglichen Selektionsbias ist allerdings
fraglich, wie repräsentativ diese Ergebnisse sind (Feydy et al., 2006).
5.3
Interreader Agreement
Zur Einschätzung des Interreader Agreements bei der MR-tomografischen Beurteilung der
lokalen Tumorausdehnung orientierten wir uns an Cohens Kappa-Wert. Dieser war in nahezu
allen Fällen sehr hoch (≥ 0,81), sodass in unserer Studie eine sehr gute Übereinstimmung
beider Reader anzunehmen ist. Bei der Evaluation eines möglichen Knochenbefalls lag sie
sogar bei 100%. Eine Ausnahme bildete die radiologische Befundung der Gelenke: da R1
und R2 zwei Mal hinsichtlich ihrer Angaben zur Gelenkinvasion voneinander abwichen, ergab
sich „nur“ eine gute Übereinstimmung (κ = 0,794). Dass Erfahrung beim präoperativen MR78
Diskussion
Staging von Weichteilsarkomen in Sonderfällen (z.B. schwer detektierbare Gelenk- oder Nerveninfiltrationen) zwar von Vorteil sein mag, generell aber bei strenger Beachtung der Diagnosekriterien keine allzu große Rolle spielt, wurde in unserer Studie deutlich. Trotz unterschiedlich langer Erfahrung im Bereich der muskuloskelettalen MRT-Diagnostik (fünf vs. 18
Jahre) ergab sich ein durchgehend hohes Interreader Agreement.
Auch wenn die Bestimmung des Kappa-Werts in der Radiologie ein Standardverfahren zur
Überprüfung des Interreader Agreements darstellt, ist seine statistische Aussagekraft begrenzt und seine Anwendung daher umstritten (Feinstein and Cicchetti, 1990, Crewson,
2005). Ob die Ergebnisse einer Kappa-Statistik allgemein übertragbar sind, ist abhängig davon, wie repräsentativ das Patientenkollektiv, die Kompetenz der Reader und die Auswertungsmethode bzw. die Klassifikationsmerkmale einer Studie sind. Folglich ist eine offene
Darlegung aller das Interreader Agreement möglicherweise beeinflussenden Faktoren für
dessen korrekte Interpretation unabdingbar (Crewson, 2005).
Um die Übereinstimmung beider Reader bezüglich der radiologisch gemessenen Tumorgrößen zu überprüfen, orientierten wir uns am Korrelationskoeffizienten nach Spearman. Hierbei
zeigte sich ebenfalls eine sehr hohe Korrelation zwischen R1 und R2 (rs = 0,995). Unterschiede waren im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die beiden Reader zum Teil
verschiedene MR-Aufnahmen für ihre Messung auswählten.
Unserem Wissen nach war dies die erste Studie, die eine Reproduzierbarkeit des präoperativen MR-Stagings von Weichteilsarkomen testete. Dabei erwies sich die MR-tomografische
Beurteilung der lokalen Tumorausdehnung, unter der Voraussetzung einer konsequenten Anwendung klar definierter Diagnosekriterien, als durchwegs zuverlässige Methode.
Auf eine Evaluation des Intrareader Agreements wurde in dieser Untersuchung auf Grund
des großen Patientenkollektivs verzichtet.
5.4
Schlussfolgerung
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die MRT im Rahmen des präoperativen
Stagings von Weichteilsarkomen ein sehr zuverlässiges bildgebendes Verfahren ist. Angesichts des hohen Interreader Agreements bei Anwendung klar definierter Diagnosekriterien
stellt sie eine allgemein reproduzierbare Methode dar.
Das MR-tomografische T-Staging nach AJCC/UICC ist hochpräzise bei der Bestimmung der
Tumorgröße und mag bei der Beurteilung der Tumorlage der histopathologischen Untersuchung überlegen sein.
Liegt ein Kontakt zwischen Weichteilsarkom und Knochen vor, sind kortikale und/oder spongiöse Signalveränderungen auf MRT-Aufnahmen hochsensitive und hochspezifische Zeichen eines Knochenbefalls. Die MRT-Untersuchung ist unter Berücksichtigung der geringen
Prävalenz tumorinfiltrierter Gelenke ebenfalls eine sehr spezifische sowie sensitive diagnostische Methode zur Detektion einer Gelenkinvasion.
79
Diskussion
Verglichen mit der Histopathologie bzw. dem intraoperativen Befund als Goldstandard, erweist sich die MRT bei der Evaluation eines neurovaskulären Encasements maligner Weichteiltumoren als hochsensitives, hochspezifisches und hoch prädiktives bildgebendes Verfahren. Voraussetzung hierfür ist die Definition eines Cut-Offs als Tumorkontakt > 180° zur
Gefäß-/Nervenzirkumferenz (neurovaskuläres Encasement: positiv > 180° ≥ negativ).
Für die Beurteilung der Lagebeziehung des Tumors zu neurovaskulären Strukturen sollte im
Bereich der Extremitäten grundsätzlich eine transversale T2-gewichtete TSE-Sequenz ohne
Fettsättigung und mit möglichst hoher räumlicher Auflösung aufgenommen werden.
Kontrastverstärkte MRT-Aufnahmen bieten demgegenüber keinen Vorteil, sodass im Rahmen des lokalen MR-Stagings von Weichteilsarkomen auf den Einsatz gadoliniumhaltiger
Kontrastmittel verzichtet werden kann. Ein direkter Vergleich aller verfügbaren Pulssequenzen wurde in dieser Studie allerdings nicht durchgeführt.
80
Zusammenfassung
Zusammenfassung
Weichteilsarkome sind seltene, jedoch mit einer hohen Mortalität verbundene maligne Tumoren. Ihre Prognose ist im Wesentlichen vom Ausmaß ihrer Resektion abhängig, wobei eine
Tumorentfernung im Gesunden Voraussetzung für die Prävention von Lokalrezidiven und
Fernmetastasen und folglich für ein verbessertes Überleben ist. Während früher zum Erreichen tumorfreier Resektionsränder Patienten mit Weichteilsarkomen der Extremitäten oftmals amputiert werden mussten, ist heute in 80-90% eine extremitäten- und damit funktionserhaltende Therapie möglich. Dazu haben neben der Weiterentwicklung chirurgischer Resektionstechniken und Verbesserungen bei der (neo-)adjuvanten Chemo- und Radiotherapie
ganz wesentlich auch Fortschritte im Bereich des präoperativen Stagings beigetragen, wobei
die MRT diesbezüglich das aussagekräftigste bildgebende Verfahren darstellt.
In der Vergangenheit wurden bereits verschiedene Studien zum Staging von Weichteiltumoren publiziert. Allen gemeinsam ist allerdings die relativ geringe Anzahl von untersuchten Patienten sowie das Fehlen von definierten Kriterien für die MR-tomografische Diagnostik einer
neurovaskulären Tumorinvasion.
Das wesentliche Ziel dieser Arbeit war demzufolge neben der Evaluation der Genauigkeit
und Zuverlässigkeit der MRT-Bildgebung beim präoperativen Staging von Weichteilsarkomen die Bestimmung eines Cut-Off-Werts, ab dem bei einem MR-tomografisch beobachteten
neurovaskulären Tumorkontakt eine Gefäß-/Nerveninfiltration diagnostiziert werden kann.
Zur Überprüfung der allgemeinen Reproduzierbarkeit des MR-Stagings wurde das Interreader Agreement als Maß der Übereinstimmung beider Reader erfasst. Außerdem sollte ein
möglicher Zusammenhang zwischen bestimmten Tumoreigenschaften und dem Befall neurovaskulärer Strukturen untersucht werden. Dabei konnten wir auf eine relativ hohe Patientenzahl (n = 174) zurückgreifen.
Für die retrospektive Studie standen uns präoperativ nach einem standardisierten Protokoll
aufgenommene MRT-Bilder, Operationsberichte und histopatholgische Befundberichte zur
Verfügung. Anhand eines standardisierten Auswertebogens beurteilten zwei radiologische
Fachärzte unabhängig voneinander die MRT-Aufnahmen bezüglich Tumorgröße, lokaler Tumorausdehnung und Infiltration von knöchernen, artikulären und neurovaskulären Strukturen. Das T-Staging erfolgte dabei nach der TNM-Klassifikation der AJCC/UICC und nach dem
Staging-System nach Enneking. In der statistischen Analyse wurden die Ergebnisse des MRStagings mit denen der histopathologischen und operativen Befundberichte unter Angabe
von Korrelationskoeffizienten (Spearman und Kappa), Accuracy, Sensitivität, Spezifität, PPV
und NPV korreliert.
Das Interreader Agreement wurde durch den Korrelationskoeffizienten Kappa und die
Accuracy erfasst. Zur Definition eines optimalen Cut-Offs für die Diagnostik einer Gefäß- bzw.
Nerveninfiltration wurde eine ROC-Analyse mit anschließender Bestimmung des Youden81
Zusammenfassung
Index durchgeführt. Darüber hinaus wurden mögliche Zusammenhänge zwischen bestimmten Tumoreigenschaften und einer neurovaskulären Invasion statistisch überprüft.
Die MRT erwies sich als sehr genaue und zuverlässige Methode bei der Bestimmung der
Tumorgröße (rs = 0,917–0,924) sowie bei der Detektion einer knöchernen bzw. artikulären
Tumorinfiltration (Prävalenz: 8,7% bzw. 2,9%, Sensitivität: 100% bzw. 80%, Spezifität: 98,7%
bzw. 98,8–100%, Accuracy: 98,8% bzw. 98,3–99,4%). Verglichen mit dem histopathologischen Goldstandard war sie weniger genau bei der Beurteilung der lokalen Tumorausdehnung nach AJCC/UICC (κ = 0,529–0,555, Accuracy = 83,9–85,1%). Das T-Staging nach
Enneking stellte sich als sehr zuverlässig heraus (κ = 0,943, Accuracy = 97,1%).
Insgesamt 67,2% der Tumoren zeigten eine enge Lagebeziehung zu großen Leitungsbahnen. In 15% bzw. 10,4% der Fälle (Gefäße bzw. Nerven) lag tatsächlich eine Infiltration vor,
was mit hoher Genauigkeit (Accuracy: 90,2–95,7%) durch die MR-Bildgebung erfasst wurde.
Voraussetzung dafür war die Definition eines Cut-Off-Werts als Tumorkontakt von > 180°
zum Gefäß-/Nervenbündel bei R1 und > 180° zum Gefäß- bzw. > 270° zum Nervenbündel
bei R2. Unter Berücksichtigung dieser Cut-Off-Werte war die MRT hochsensitiv (84,6%) und
hochspezifisch (93,8–97,5%) bei der Diagnostik einer Gefäßinfiltration sowie sensitiv
(72,2–77,8%) und hochspezifisch (93,2–97,3%) bei der Detektion eines Nervenbefalls.
Angesichts des durchgehend hohen Interreader Agreements (rs Tumorgröße = 0,995; κAJCC/UICC =
0,811, κEnneking = 0,943, κKnochen = 1,000 κGelenk = 0,794, κArterie/Vene/Nerv=0,845–0,893) erwies sich
das präoperative MR-Staging als allgemein reproduzierbar.
Bei der statistischen Auswertung wurde deutlich, dass schlecht bis nicht differenzierte Sarkome häufiger Gefäß-/Nervenbündel befielen (60% bzw. 50% aller infiltrierten Gefäße bzw.
Nerven). Außerdem war auffällig, dass ein vergleichsweise hoher Anteil an gut differenzierten
Liposarkomen (12%) Nerven ummauerte.
Bei Anwendung klar definierter Diagnosekriterien ist die MRT im Rahmen des präoperativen
Stagings von Weichteilsarkomen unersetzlich und ermöglicht eine exakte Operationsplanung
als Voraussetzung für eine Tumorresektion im Gesunden. Eine neurovaskuläre Infiltration
sollte diagnostiziert werden, wenn der Kontakt zwischen Tumor und Gefäß-/Nervenzirkumferenz > 180° beträgt. Für die Beurteilung der Lagebeziehung zwischen Tumor und neurovaskulären Strukturen im Bereich der Extremitäten sollten transversale T2-gewichtete TSESequenzen ohne Fettsättigung und mit möglichst hoher Auflösung angefertigt werden.
82
Anhang
Anhang
Auswertebogen
Staging Weichteilsarkome
Name: ...............................................
Geburtsjahr: .............
m
w
Tumorlokalisation: ...............................................
Bildqualität:
gut
mäßig
schlecht
T-Staging nach AJCC/UICC:
T1: Tumor ≤ 5 cm
a: oberflächlich (oberhalb der Faszie ohne Invasion der Faszie)
b: tief (entweder ausschließlich unterhalb der Faszie oder oberhalb der Faszie mit Invasion der
Faszie oder sowohl ober- als auch unterhalb der Faszie)
T2: Tumor > 5 cm
a: oberflächlich (oberhalb der Faszie ohne Invasion der Faszie)
b: tief (entweder ausschließlich unterhalb der Faszie oder oberhalb der Faszie mit Invasion der
Faszie oder sowohl ober- als auch unterhalb der Faszie)
Max. Tumordurchmesser (cm): .............
Staging nach Enneking:
T1: intrakompartimenteller Tumor (max. 1 Kompartiment)
T2: extrakompartimenteller Tumor (> 1 Kompartiment)
Betroffene Kompartimente
Kutis/Subkutis
Muskelkompartimente 1
Paraossalraum
2
3
Knochenkontakt zu (Name des Knochens): ............................................... über
eine Strecke von (cm) ............. und (Grad) .............
Knochen
Gelenk
Kortikalis
Spongiosa
Neurovaskuläres Encasement:
keine Lagebeziehung zu Gefäß-/Nervenbündel
Lagebeziehung zu (Name von Arterie/Vene/Nerv):
Arteria ...................................
interponierte Gewebeschicht
Kontakt ≤ 90°
Kontakt 91-180°
Kontakt 181-270°
Kontakt > 270°
Vena
...................................
interponierte Gewebeschicht
Kontakt ≤ 90°
Kontakt 91-180°
Kontakt 181-270°
kontakt > 270°
Nervus ...................................
interponierte Gewebeschicht
Kontakt ≤ 90°
Kontakt 91-180°
Kontakt 181-270°
Kontakt > 270°
Zusatzinformation T1wGd: ..........................................................................................................
..................................................................................................................................................
83
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90
Lebenslauf
Lebenslauf
Persönliche Daten
Name:
Jennifer-Verena Emanuela Regler
Geburtsdatum:
11.08.1987
Geburtsort:
Nürnberg
Familienstand:
ledig
Nationalität:
Deutsch
Schulische Ausbildung
1994–2002
2002–2007
Maria-Ward-Schule Nürnberg
Johannes-Scharrer-Gymnasium Nürnberg
Abschluss: Abitur
Studium
2007–2009
Studium der Humanmedizin an der LudwigMaximilians-Universität München
09/2009
1. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung
2009–2014
Studium der Humanmedizin an der Technischen
Universität München
12/2012–11/2013
12/2012–04/2013
04/2013–05/2013
Praktisches Jahr
Spitalzentrum Oberwallis Visp, Schweiz (Chirurgie)
Concord Repatriation General Hospital Sydney,
Australien (Innere Medizin)
II. Medizinische Klinik und Poliklinik, Klinikum rechts
der Isar der TU München (Innere Medizin)
Neurologische Klinik und Poliklinik, Klinikum rechts
der Isar der TU München (Neurologie)
06/2013–07/2013
07/2013–11/2013
04/2014
2. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung
Nebentätigkeiten
10/2010–11/2012
Wissenschaftliche (studentische) Hilfskraft, Institut
für diagnostische und interventionelle Radiologie
des Klinikums rechts der Isar der TU München
Stipendien
2007–2014
2008–2014
Stipendium von e-fellwos.net
Stipendium der Studienstiftung des deutschen
Volkes
Sprachen
Englisch
Französisch
Spanisch
Fortgeschritten
Fortgeschritten
Grundkenntnisse
91
Danksagung
Danksagung
Mein herzlichster Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Wörtler, für die hervorragende Betreuung und die große Unterstützung beim Einstieg in das wissenschaftliche Arbeiten.
Er hatte jederzeit ein offenes Ohr für meine Fragen und Anregungen und ermöglichte mir das
zügige Vorankommen bei der Datenrecherche und der statistischen Ausarbeitung dieser Arbeit. Während zahlreicher Gespräche und dank vieler wertvoller Ratschläge haben sich mir
einige neue Denk- und Lösungsansätze ergeben. Seine Geduld und Motivation ermutigten
mich dabei immer wieder zum Ausprobieren und Umdenken, was mir das Forschen deutlich
näher gebracht und auch wesentlich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen hat.
Besonders danken möchte ich auch Herrn PD Dr. Konstantin Holzapfel für seine kompetente
Mitarbeit bei der radiologischen Auswertung und seine generelle Unterstützung beim Erarbeiten von Fragestellungen.
Dank Herrn Prof. Dr. Rechl war es mir möglich, schnell und unkompliziert Daten aus den
intraoperativen Befundberichten zu sammeln. Ihm und Frau Dagmar Kluge, die mir stets eine
große Hilfe bei der Datenrecherche war, möchte ich vielmals für die freundliche Unterstützung und manch kluge Anregung danken. Für den Zugriff auf die histopathologischen Befundberichte möchte ich mich bei Frau PD Dr. Katja Specht bedanken, die mir bei Unklarheiten weiterhalf und zur Verifizierung der histopathologischen Diagnose maßgeblich beitrug.
Weiterhin danke ich Herrn Bernhard Haller und Herrn Dr. Thomas Baum für ihre geduldige
Unterstützung bei der statistischen Auswertung der Ergebnisse.
Mein großer Dank gilt meiner Familie, die mir die medizinische Ausbildung überhaupt erst
ermöglicht und mich bei all meinen Vorhaben zu jeder Zeit unterstützt hat.
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