Die reellen Zahlen als Äquivalenzklassen rationaler Cauchy

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Die reellen Zahlen als Äquivalenzklassen rationaler
Cauchy-Folgen
Steven Klein
04.01.2017
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In dieser Ausarbeitung konstruieren wir die reellen Zahlen aus den rationalen Zahlen. Hierzu denieren wir zunächst eine Äquivalenzrelation auf der Menge der rationalen
Cauchy-Folgen und zeigen, dass die Menge der Äquivalenzklassen ein vollständiger angeordneter Körper ist.
Denition 1. Seien (an ) und (bn ) rationale Cauchy-Folgen mit an − bn → 0 für n → ∞.
Dann heiÿen (an ) und (bn ) äquivalent.
Satz 2. Seien (an ) und (bn ) rationale Cauchy-Folgen. Dann wird durch
(an ) ∼ (bn ) ⇔ an − bn → 0
für n → ∞ eine Äquivalenzrelation auf der Menge der rationalen Cauchy-Folgen deniert.
Beweis. Wir zeigen, dass die angegebene Relation ∼ reexiv, symmetrisch und transitiv
ist.
Sei (an ) eine rationale Cauchy-Folge. Dann gilt an − an =0 für alle n ∈ N, sodass
an − an → 0
für n → ∞ gilt. Folglich ist (an ) ∼ (an ). Seien (an ) und (bn ) rationale Cauchy-Folgen mit
(an ) ∼ (bn ), d.h. es gilt an − bn → 0 für n → ∞. Dann ist
bn − an = −(an − bn ) → 0
für n → ∞ und somit (bn ) ∼ (an ). Seien (an ), (bn ) und (cn ) rationale Cauchy-Folgen mit
(an ) ∼ (bn ) sowie (bn ) ∼ (cn ). Dann gilt
an − cn = (an − bn ) + (bn − cn ) → 0
für n → ∞ und somit (an ) ∼ (cn ).
Nun denieren wir die rationalen Zahlen als Äquivalenzklassen rationaler CauchyFolgen und besprechen im Anschluss die Arithmetik auf der Menge der Äquivalenzklassen
rationaler Cauchy-Folgen.
Denition 3. Es sei q ∈ Q. Wir bezeichnen die Äquivalenzklasse, die die konstante Folge
q, q, q, ... enthält, mit [(q)].
Denition 4. Seien [(an )] und [(bn )] Äquivalenzklassen rationaler Cauchy-Folgen. Dann
ist die Addition + durch
[(an )] + [(bn )] = [(an + bn )]
und die
Multiplikation · durch
[(an )] · [(bn )] = [(an · bn )]
deniert.
Satz 5. Seien [(an )] und [(bn )] Äquivalenzklassen rationaler Cauchy-Folgen. Die Verknüpfungen + und · auf der Menge der Äquivalenzklassen rationaler Cauchy-Folgen sind wohldeniert.
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Beweis. Wir zeigen zunächst, dass die Addition wohldeniert ist. Seien (an ), (bn ), (cn ) und
(dn ) rationale Cauchy-Folgen mit [(an )] = [(cn )] und [(bn )] = [(dn )], d.h. es gilt an −cn → 0
und bn − dn → 0 für n → ∞. Da die Gleichung
an + bn − (cn + dn ) = (an − cn ) + (bn − dn )
für alle n ∈ N gilt, folgt
((an ) + (bn )) − ((cn ) + (dn )) → 0
für n → ∞. Somit ist
[(an + bn )] = [(cn + dn )].
Nun zeigen wir, dass die Multiplikation wohldeniert ist. Seien (an ), (bn ), (cn ) und (dn )
rationale Cauchy-Folgen mit [(an )] = [(cn )] und [(bn )] = [(dn )], d.h. es gilt an − cn → 0
und bn − dn → 0 n → ∞. Für alle n ∈ N gilt
(an · bn ) − (cn · dn ) = an · bn + (bn · cn − bn · cn ) − cn · dn
= (an · bn − bn · cn ) + (bn · cn − cn · dn )
= bn · (an − cn ) + cn · (bn − dn )
sowie die Ungleichung
|(an · bn ) − (cn · dn )| ≤ |bn | · |an − cn | + |cn | · |bn − dn |.
Da Cauchy-Folgen beschränkt sind, gibt es eine rationale Zahl M > 0 mit
|bn |, |cn | < M
für alle n ∈ N. Folglich gilt
|bn | · |an − cn | + |cn | · |bn − dn | ≤ M (|an − cn | + bn − dn |) → 0
für n → ∞ und somit [(an · bn )] = [(cn · dn )].
Der folgende Satz folgt aus dem entsprechenden Ergebnis für rationale Zahlen.
Satz 6. Für die Verknüpfungen + und · auf der Menge der Äquivalenzklassen rationaler
Cauchy-Folgen gelten die folgenden Aussagen.
(i) Das neutrale Element bezüglich der Addition ist [(0)].
(ii) Das neutrale Element bezüglich der Multiplikation ist [(1)].
Mithilfe des folgenden Lemmas zeigen wir, dass es zu jeder nichttrivialen Äquivalenzklasse rationaler Cauchy-Folgen ein multiplikatives Inverses gibt.
Lemma 7. Sei (an ) eine rationale Cauchy-Folge, die nicht gegen 0 für n → ∞ konvergiert.
Dann existiert ein N ∈ N, so dass an 6= 0 für n > N gilt.
Satz 8. Sei [(an )] 6= [(0)] eine Äquivalenzklasse rationaler Cauchy-Folgen. Dann gibt es
eine Äquivalenzklasse rationaler Cauchy-Folgen [(bn )] mit
[(an )] · [(bn )] = [(1)].
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Beweis. Wir wählen N , so dass an 6= 0 für n > N gilt und denieren die Folge (bn ) durch
bn = 0 für n ≤ N , und bn = a1n für n > N .
Der folgende Satz folgt aus den entsprechenden Ergebnissen für rationale Zahlen.
Satz 9. Für die Verknüpfungen + und · auf der Menge der Äquivalenzklassen rationaler
Cauchy-Folgen gelten folgende Aussagen.
(i) Zu jedem [(an )] existiert ein [(bn )], so dass [(an )] + [(bn )] = [(0)].
(ii) Die Addition ist kommutativ und assoziativ.
(iii) Die Multiplikation ist kommutativ und assoziativ.
(iv) Die Addition und Multiplikation erfüllen das Distributivgesetz.
Bemerkung. Das inverse Element zu [(an )] bezüglich der Addition ist [(−an )].
Im Folgenden denieren wir eine Ordnung und besprechen diese.
Denition 10. Seien [(an )] und [(bn )] Äquivalenzklassen rationaler Cauchy-Folgen.
(i) Sei [(an )] 6= [(0)]. Dann ist [(an )] positiv, wenn es ein N ∈ N mit an > 0 für n > N
gibt.
(ii) Es ist [(an )] > [(bn )], falls [(an )] − [(bn )] positiv ist.
Satz 11. Die Ordnung > ist wohldeniert.
Satz 12. Seien [(an )], [(bn )] und [(cn )] Äquivalenzklassen rationaler Cauchy-Folgen mit
[(an )] > [(bn )]. Dann gilt
[(an )] + [(cn )] > [(bn )] + [(cn )].
Beweis. Es gelte [(an )] > [(bn )], d.h. es sei
[(an )] − [(bn )] > [(0)].
Damit existiert ein N ∈ N mit an − bn > 0 für n > N , d.h.
an > bn
für n > N . Mit der entsprechenden Regel für rationale Zahlen folgt
an + cn > bn + cn
für n > N , sodass
(an + cn ) − (bn + cn ) > 0
für n > N und folglich
[(an )] + [(cn )] > [(bn )] + [(cn )]
gilt.
Der folgende Satz wird analog zu Satz 12 bewiesen.
Satz 13. Seien [(an )], [(bn )] und [(cn )] Äquivalenzklassen rationaler Cauchy-Folgen mit
[(an )] > [(bn )] und [(cn )] > [(0)]. Dann gilt
[(an )] · [(cn )] > [(bn )] · [(cn )].
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Satz 14. Die Äquivalenzklassen rationaler Cauchy-Folgen erfüllen die archimedische Eigenschaft, d.h. für Äquivalenzklassen rationaler Cauchy-Folgen [(an )] > [(0)] und [(bn )]
existiert ein m ∈ N mit
[(m)] · [(an )] > [(bn )].
Beweis. Falls [(bn )] ≤ [(0)] folgt die Behauptung mit m = 1. Nun seien [(an )] > [(0)] und
[(bn )] > [(0)] Äquivalenzklassen rationaler Cauchy-Folgen. Wir zeigen die Existenz von
m, N ∈ N mit
man > bn
für jedes n > N .
Es existieren M1 > 0 mit
|bn | ≤ M1
für alle n ∈ N und N ∈ N, M2 > 0 mit
|an | ≥ M2
für n > N , da (an ) nicht gegen 0 konvergiert und damit auch keine Teilfolge von (an )
gegen 0 konvergiert ((an ) ist eine Cauchy-Folge). Damit gilt
bn M1
≤
an M2
für n > N . Da Q die archimedische Eigenschaft hat, gibt es m ∈ N mit m >
M1
M2
und somit
bn <m
an für n > N .
Bemerkung. Insbesondere gilt [( n1 )] → [(0)] für n → ∞.
Satz 15. Seien [(an )] eine Äquivalenzklasse rationaler Cauchy-Folgen und sei > 0 eine
rationale Zahl. Dann existiert ein q ∈ Q mit
|[(an )] − [(q)]| < [()].
Beweis. Da (an ) eine Cauchy-Folge ist, existiert ein N ∈ N mit
|an − am | < für m, n > N . Nun wählen wir
q = aN +1 .
Dann gilt
− < an − q < für n > N , sodass
[−()] < [(an )] − [(q)] < [()]
ist.
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Nun bezeichnen wir die Menge aller Äquivalenzklassen rationaler Cauchy-Folgen mit R.
Mit den Verknüpfungen (+) und (·) sowie der Ordnung (<) bildet diese einen geordneten
Körper mit der Archimedischen Eigenschaft. Identizieren wir q ∈ Q mit [(q)] ∈ R, so
ist Q eine dichte Teilmenge von R. Es bleibt noch die Supremumseigenschaft von R zu
verizieren. Dabei verwenden wir die übliche Notation für reelle Zahlen.
Es seien S eine nichtleere Teilmenge von R, M eine obere Schranke von S und s0 ∈ S .
Wir denieren zwei Folgen (un ) und (ln ) in R durch folgendes induktives Verfahren.
• Wir setzen u0 = M und l0 = s0 .
• Wir setzen mn =
un +ln
2
für n ∈ N0 .
Falls mn eine obere Schranke von S ist, setzen wir un+1 = mn sowie ln+1 = ln .
Ansonsten setzen wir un+1 = un und ln+1 = mn .
Lemma 16. Für die Folgen (un ) und (ln ) gelten folgende Aussagen.
(i) Die Folge (un ) ist monoton fallend und die Folge (ln ) ist monoton wachsend.
(ii) Die Folgen (un ) und (ln ) sind Cauchy-Folgen reeller Zahlen.
(iii) Es existiert u? ∈ R, so dass un → u? für n → ∞ gilt.
(iv) Es gilt ln → u für n → ∞.
Beweis.
(i) Es gilt
un+1 = un
oder
un+1 =
un + ln
≤ un
2
für n ≥ 0, d.h. es ist
un+1 ≤ un
für n ≥ 0. Weiterhin gilt
ln+1 = ln
oder
ln+1 =
un + ln
≥ ln
2
für n ≥ 0, d.h. es gilt
ln+1 ≥ ln
für n ≥ 0.
(ii) Die Folge (ln ) ist monoton wachsend und nach oben beschränkt durch M und die
Folge (un ) ist monoton fallend und nach unten beschränkt durch M .
(iii) Zu jedem un gibt es ein qn ∈ Q, d.h. eine Äquivalenzklasse [(qn , qn , qn , ...)], so dass
|un − qn | <
1
.
n
Es gilt
|qn − qm | = |(qn − un ) + (un − um ) + (um − qm )|
und somit ist (qn ) eine Cauchy-Folge. Wir setzen u? = [(qn )], sodass
qn → u?
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für n → ∞. Da nach Konstruktion |un − qn | <
1
n
gilt, folgt
un → u
für n → ∞.
(iv) Es gilt entweder
un+1 − ln+1 = mn − ln =
un + ln
un − ln
− ln =
2
2
oder
un − ln
un + ln
=
2
2
für n ≥ 0. Nun zeigen wir mit vollständiger Induktion, dass un − ln = 2−n (M − s0 )
für n ∈ N gilt.
Für n = 1 ist
u0 − l0
u1 − l1 =
= 2−1 (M − s0 ).
2
Es gelte un − ln = 2−n (M − s0 ) für ein festes n ∈ N. Dann ist
un+1 − ln+1 = un − mn = un −
un+1 − ln+1 = 2−1 un − ln = 2−1 2−n (M − s0 ) = 2−(n+1) (M − s0 ).
Da
2−n (M − s0 ) → 0
für n → ∞ gilt, folgt
un − ln → 0
und somit
ln → u
für n → ∞.
Satz 17. Die reelle Zahle u? ist eine kleinste obere Schranke für S .
Beweis. Wir nehmen an, u? ist keine obere Schranke für S . Dann gilt u? < s für ein s ∈ S
sowie = s − u? > 0. Da (un ) → u für n → ∞ und (un ) monoton fallend ist, existiert ein
n mit un − u? < sowie
un < + u = u + (s − u) = s.
Dies ist ein Widerspruch dazu, dass un eine obere Schranke von S ist. Also ist u? eine
obere Schranke.
Für jedes n ist ln keine obere Schranke für S . Dann gibt es für jedes n ein sn ∈ S mit
ln ≤ sn . Da ln → u? für n → ∞ und (ln ) monoton wachsend ist, gibt es für jedes > 0
ein N ∈ N mit
ln > u? − für n > N . Insbesondere gibt es zu jedem > 0 ein s ∈ S mit
s > u? − ,
sodass es keine kleinere obere Schranke als u? gibt.
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