Spanien heute: Der Staat und das politische Leben

Werbung
KAPITEL III
[Der Staat und das politische Leben]
Spanien heute
Die spanische Verfassung von 1978
Sie wird als Konstitution des Konsenses bezeichnet, da sie als
Ergebnis der Verhandlungen und Vereinbarungen der verschiedenen im Parlament vertretenen Parteien entstand. Die Konstitution von 1978 trat am 29. Dezember desselben Jahres in Kraft,
nachdem sie am 6. Dezember vom spanischen Volk in einem
Referendum bestätigt worden war.
Diese Konstitution ist mit einer Präambel, 169 in 10 Abschnitte unterteilten Artikeln und mehreren Übergangs- und Zusatzbestimmungen nach der Verfassung von 1812 die umfangreichste der spanischen Geschichte.
Artikel 1 erklärt Spanien zu einem sozialen und demokratischen Rechtsstaat, der sich zu Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit
und politischem Pluralismus als den obersten Werten bekennt.
Ferner schreibt der Artikel fest, dass die Staatsgewalt vom spanischen Volk ausgeht und dass die politische Form des spanischen Staates die einer parlamentarischen Monarchie ist.
Die „Magna Charta“ ist eine umfangreiche Sammlung öffentlicher Grundrechte und -freiheiten aller Staatsbürger und spricht
sich für den Staat der Selbstverwaltungen aus.
Hervorzuheben ist ebenfalls das Prinzip der Gewaltenteilung
des Staates: Legislative, Exekutive und Judikative.
Das Verfassungsgericht. Es ist der oberste Hüter der Verfassung,
unabhängig von allen anderen Verfassungsorganen und allein
der Verfassung und dem Ausführungsgesetz 2/1979 vom 3. Oktober 1979, durch das seine Zuständigkeiten und Funktionen geregelt werden, gegenüber verantwortlich.
Das Verfassungsgericht ist mit 12 vom König ernannten Richtern besetzt. Vorgeschlagen werden sie vom Abgeordnetenhaus
durch Dreifünftelmehrheit (4 Richter), vom Senat ebenfalls durch
Dreifünftelmehrheit (4 Richter), von der Staatsregierung (2 Richter) und vom Richterwahlausschuss (2 Richter).
Die Ernennung erfolgt für einen Zeitraum von 9 Jahren, und
alle drei Jahre werden ein Drittel der Richter ausgewechselt. Ihre
Die Väter der
Verfassung
108
[Der Staat und das politische Leben]
Wiederwahl für eine zweite Amtsperiode ist nicht möglich. Die
Zuständigkeiten des Gerichts können in drei große Bereiche unterteilt werden:
Erstens überprüft es die Verfassungsmäßigkeit der Gesetze,
zweitens löst es Kompetenzstreitigkeiten zwischen dem Staat
und den Autonomen Regionen bzw. zwischen Letzteren untereinander und drittens ist es dafür zuständig, die Grundrechte
der Bürger zu schützen, die sich über den Weg der Verfassungsbeschwerde an das Gericht wenden, nachdem sie bereits
alle anderen Rechtsmittel ausgeschöpft haben, um sich gegen
eine Verletzung dieser Rechte zu wehren. Zur Einlegung solcher
Rechtsmittel sind sowohl die Bürger, der Bürgerbeauftragte als
auch die Staatsanwaltschaft berechtigt.
Die Institutionen
Die Krone
Die politische Form des spanischen Staates ist die einer parlamentarischen Monarchie. Der König symbolisiert in seiner Rolle als Staatsoberhaupt die Einheit und Beständigkeit des Staates. Er übt eine schiedsrichterliche und
Die Verfassung von
schlichtende Funktion aus, um die ordnungsgemäße
1978 ist die
Arbeit der Institutionen zu gewährleisten und ist
Grundlage für die
der höchste Repräsentant des spanischen Staates
nach außen.
politische
Zur Ausübung dieser Funktionen hat die VerOrganisation des
fassung dem Monarchen eine Reihe von Kompespanischen Staates
tenzen übertragen: Billigung und Bekanntmachung
von Gesetzen, Vorschlagen eines Kandidaten für
und hebt die
das Amt des Ministerpräsidenten, Ernennung von
vermittelnde und
Ministern und das Recht auf Einholen von Informäßigende Funktion
mationen über Staatsangelegenheiten. Je nach Art
der Angelegenheit ist es die Aufgabe des Ministerdes Königs hervor
präsidenten, der Minister oder, wenn es sich um
den Vorschlag des Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten handelt, des Präsidenten des Abgeordnetenhauses, die
Entscheidungen des Königs gegenzuzeichnen.
Die 25 Jahre der Krone. Am 22. November 2000 feierte der spanische König Juan Carlos I. de Borbón sein 25. Thronjubiläum.
Hervorzuheben ist seine vermittelnde Rolle während dieser Zeit,
die ihm die Verfassung zur Schlichtung politischer und ideologischer Auseinandersetzungen zugedacht hat, sowie sein tadelloses Verhalten während des Putschversuchs am 23. Februar
1981, wodurch er die Krone zu einem Garanten der Institutionen und demokratischen Werte gemacht hat.
Anlässlich des 25. Jahrestages seiner Proklamation fand der
König in einer Rede vor dem Parlament folgende Worte:
109
Spanien heute
Der König am
Tag seines 25.
Thronjubiläums
„…Spanien hat in dieser Zeit starke Veränderungen durchgemacht und es war nicht immer einfach. Wir haben eine Verfassung geschaffen, in der alle Meinungsgruppierungen, alle politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kräfte ihre Wünsche und Rechte wiederfinden…“
„…Die Krone nahm mit Selbstverständlichkeit ihre Aufgabe
wahr, auch als man sich von ihr Unloyalität der Verfassung und
damit dem Volke gegenüber wünschte…”
„…Wir leben in einer Demokratie, die sich auf eine im Konsens entstandene Verfassung stützt,
Ergebnisse der Parlamentswahlen
und die ein wesentliches Element für
von 1996 und 2000
das Zusammenleben war, ist und auch
in Zukunft sein wird…”
Partei
Sitze 1996
Sitze 2000
„…Zum wiederholten Male möchPP
156
183
te ich meine Zufriedenheit und meiPSOE
141
125
nen Stolz darüber zum Ausdruck
CIU
16
15
bringen, hier anwesend zu sein, bei
einem so festlichen und symbolIU
21
8
trächtigen Empfang. Es ist nicht an
PNV
5
7
mir, Bilanz dieser 25 Jahre zu zieCC
4
4
hen. Dennoch möchte ich dem spaBNG
2
3
nischen Volke ausdrücklich und
PA
1
innigst für die Zeichen der ZuneiERC
1
1
gung und Unterstützung danken, die
IC-V
1
1
ich im Laufe dieser Jahre erhalten
EA
1
1
habe. Der König muss der König aller
CHA
1
Spanier sein und muss sich den WünUV
1
schen und der Identität des ganzen
HB
2
spanischen Volkes gegenüber verQuelle: Innenministerium
pflichten…”
110
[Der Staat und das politische Leben]
Legislative
Die Cortes Generales (Parlament).
Die Ausübung der gesetzgebenden
Gewalt des Staates obliegt dem Parlament, das das spanische Volk vertritt und die Regierungsgeschäfte
kontrolliert. Das Parlament besteht
aus zwei Kammern: dem Abgeordnetenhaus und dem Senat. Es handelt sich somit um ein Zweikammersystem, und zwar um den „nicht
identischen“ Typ, da die Kompetenzen der beiden Kammern nicht vergleichbar sind. Abgeordnete und Senatoren werden für vier Jahre gewählt. Das Parlament kann auf die Initiative des Ministerpräsidenten hin vorzeitig aufgelöst werden.
Abgeordnetenhaus,
Madrid
Das Abgeordnetenhaus. Es besteht aus 350 Abgeordneten. Alle
Gesetzesentwürfe müssen zunächst ausnahmslos im Abgeordnetenhaus geprüft werden. Der Senat hat das Recht, ein Veto einzulegen oder eine Änderung des vom Abgeordnetenhaus formulierten Textes vorzunehmen. Die endgültige Entscheidungsgewalt liegt nach erneuter Prüfung beim Abgeordnetenhaus. Diese
Kammer ist es auch, die den Ministerpräsidenten wählt, ihn aber
auch zum Rücktritt zwingen kann, sei es durch ein Misstrauensvotum oder indem sie dem Ministerpräsidenten auf die Vertrauensfrage hin nicht die erforderliche Zustimmung gibt.
Der Senat. Er stellt laut Verfassung die Kammer der territorialen
Vertretung dar. Der Senat besteht aus 256 Senatoren (208 durch
allgemeine Direktwahl gewählt (4 pro Provinz) und 48 von den
gesetzgebenden Versammlungen der Autonomen Gemeinschaften ernannt). Diese Kammer kann die Regierung mit der Vollmacht ausstatten, die notwendige Maßnahmen zu ergreifen, um
eine Autonome Region dazu zu zwingen, ihren von der Verfassung oder anderen Gesetzen eingeErgebnisse der Senatswahlen
forderten Verpflichtungen nachzuvon 1996 und 2000
kommen oder zu verhindern, dass sie
Partei
Sitze 1996
Sitze 2000
gegen dass allgemeine Interesse SpaPP
112
127
niens handelt. Die EntscheidungsPSOE
81
61
macht des Senats hat Vorrang vor der
CIU
8
8
des Abgeordnetenhauses, wenn es
PNV
4
6
darum geht, Gesetze zu erlassen, die
die notwendigen Prinzipien zur HarCC
1
5
monisierung der gesetzlichen BestimPIL
1
1
mungen der Autonomen Regionen
PACTE
1
festschreiben, sofern dies im allgeQuelle: Innenministerium
meinen Interesse liegt.
111
Spanien heute
Die Exekutive
Die Regierung. Der spanische Verfassungstext weicht kaum von
denen ab, die heute im Parlamentarismus üblich sind. Die Regierung ist die Exekutive, erfüllt gesetzgeberische Funktionen und
ist für die Aufstellung des Staatshaushalts verantwortlich. Ferner hat sie die Möglichkeit per Notgesetze zu regieren, die vom
Abgeordnetenhaus ratifiziert werden müssen. Die Regierung ist
für die Innen- und Außenpolitik, die Zivil- und Militärverwaltung
und die Landesverteidigung verantwortlich.
Die Regierungsbildung erfolgt in Spanien in zwei Schritten.
Zunächst legt der Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten
dem Abgeordnetenhaus sein Regierungsprogramm vor und später, nachdem die Kammer ihm ihr Vertrauen ausgesprochen hat
und er vom König ernannt wurde, schlägt er diesem die Ernennung der Minister vor. Dies und die Leitung der Regierungsgeschäfte führen dazu, dass die Figur des Regierungschefs innerhalb der internen Organisation des Regierungsapparats eine herausragende Stellung einnimmt. Man kann im Fall der spanischen
Verfassung sogar von einem Premierminister sprechen.
Über die Struktur der Exekutive wird kaum etwas in der Verfassung gesagt. Es wird lediglich auf die stellvertretenden Ministerpräsidenten hingewiesen und auf die „vom Gesetz festgelegten“ Minister verwiesen, ohne deren Zahl festzulegen. Stellvertretende Ministerpräsidenten und Minister werden auf
Vorschlag des Ministerpräsidenten vom König ernannt und von
ihres Amtes enthoben.
Der kollegiale Vorstand ist der Ministerrat, bestehend aus
dem Ministerpräsidenten, dem oder den stellvertretenden Ministerpräsidenten und den Ministern. Sie kommen normalerweise
einmal wöchentlich zusammen.
Die derzeitige Regierung besteht aus dem Ministerpräsidenten, zwei stellvertretenden Ministerpräsidenten mit Ministeramt
und 14 Ministern, von denen einer kein eigenes Ressort besitzt.
Organe zur Kontrolle der Regierung
Es gibt zwei direkt dem Parlament unterstellte Institutionen,
denen von der Verfassung Fachaufgaben zur Kontrolle der Regierung zugeschrieben wurden.
Der Rechnungshof. Nach Artikel 136 der Verfassung ist der Rechnungshof das oberste Aufsichtsorgan zur Prüfung der Rechnung
über Einnahmen und Ausgaben und der Wirtschaftsführung des
Staates sowie des öffentlichen Sektors. Wie bereits erwähnt, untersteht er direkt dem Parlament. Eventuell auftretende Konflikte
hinsichtlich seiner Kompetenzen oder Zuständigkeiten werden
vom Verfassungsgericht gelöst.
Dies ist im Ausführungsgesetz 2/1982 vom 12. Mai 1982 geregelt. Präsident des Rechnungshofes wird eines seines Mitglieder.
112
[Der Staat und das politische Leben]
Ernannt wird er durch den König auf Vorschlag einer aus den 12
Mitgliedern und dem Staatsanwalt bestehenden Versammlung
für eine Amtszeit von drei Jahren.
Der Bürgerbeauftragte. Die spanische Verfassung von 1978 schuf
die Institution des Bürgerbeauftragten als parlamentarischen Beauftragten zum Schutz der Grundrechte. Das heißt, dass den Bürgern
zur Einforderung ihrer Rechte neben dem Verwaltungs- und Gerichtsweg auch der immer häufiger angerufene Bürgerbeauftragte zur
Verfügung steht. Er ist dazu berechtigt, die Tätigkeit der Minister,
leitender Beamter, anderer Beamter und jeder im Dienste der öffentlichen Verwaltung stehenden Person zu überwachen und vor dem
Parlament darüber zu berichten. Er untersteht keinem Zwangsmandat, erhält keine Anweisungen von Behörden und führt seine
Aufgaben unabhängig und nach eigenem Ermessen aus.
Der Bürgerbeauftragte wird laut dem Ausführungsgesetz
3/1981 vom 6. April 1981, das diese Institution fordert, für eine
Amtszeit von 5 Jahren vom Parlament gewählt. Vermehrt wird
dieses Amt auch in den Autonomen Regionen geschaffen.
Beratungsgremien der Regierung
Der Staatsrat. Er ist das oberste Beratungsgremium der Regierung. Seine Zusammensetzung und seine Zuständigkeiten sind
im Ausführungsgesetz 3/1980 vom 22. April 1980 geregelt. Seine Hauptfunktion ist die Beratung und er beschränkt sich dabei
auf die Abgabe einer fundierten Meinung zu dem Thema der
jeweiligen Anfrage.
Zusammengesetzt ist er aus der Versammlung, dem ständigen Ausschuss und den Bereichen. Die Versammlung wiederum
setzt sich aus dem Präsidenten, den ständigen Beratern, den Beratern, die es aufgrund ihres Amtes sind, den gewählten Mitgliedern und dem Generalsekretär zusammen.
Judikative
Die Rechtsprechung geht laut der Verfassung vom Volke aus und
wird in Vertretung des Königs von Richtern und Kollegialrichtern durchgeführt. Hervorzuheben ist hierbei in erster Linie die
Einheitlichkeit der Rechtsprechung, da sie einer einzigen aus
Richtern und Kollegialrichtern bestehenden Gerichtsbarkeit
obliegt. Nur für den militärischen Bereich wird wie in fast allen
Demokratien eine gesonderte Militärgerichtsbarkeit anerkannt.
Die Ausübung der Jurisdiktionsgewalt ist das Monopol der ordentlichen Gerichte. Die Bürger und die öffentliche Gewalt sind verpflichtet, die Justiz zu unterstützen.
Die Prinzipien, von denen die Justizverwaltung in Spanien
wie auch in anderen Rechtsstaaten geleitet wird, sind Gleichheit
(Gesetzesbindung), Unentgeltlichkeit (es gibt Pflichtverteidiger
für jene Personen, die nicht über ausreichende finanzielle Mit-
113
Spanien heute
Die Rangordnung der Rechtsvorschriften in der spanischen Rechtsordnung
Verfassung
Verfassungsreformgesetze
Internationale Verträge
Autonomiestatuten
Ausführungsgesetze
Staatsgesetz, Regionalgesetz,
Verfügungen mit Gesetzeskraft
(Gesetzesverordnungen und Gesetzesdekrete)
Verordnungen
(Dekrete, Ministerialverfügungen, Runderlasse usw.)
Weitere Rechtsvorschriften
(Gewohnheitsrecht, allgemeine Rechtsprinzipien,
Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes)
Quelle: Eigenproduktion
tel verfügen), Öffentlichkeit (die Beratung des Gerichts und das
Abstimmungsergebnis bleiben abgesehen von der Veröffentlichung abweichender Stimmen geheim) und Mündlichkeit (in den
zweisprachigen Autonomen Regionen kann die andere offizielle Sprache verwendet werden, sofern keine Partei die Verwendung der spanischen Sprache beantragt). Die Verfassung garantiert die Unabhängigkeit, Unabsetzbarkeit und die Gewissenhaftigkeit der Richter und Kollegialrichter, die einzig dem Gesetz
gegenüber verantwortlich sind, und die Selbstverwaltung der
Justiz durch den Generalrat für Gerichtswesen.
Der Oberste Gerichtshof. Er ist, abgesehen von die Grundrechte betreffenden Angelegenheiten, die in den Kompetenzbereich
des Verfassungsgerichts fallen, die höchste richterliche Instanz
des Staates. Ihr Vorsitzender ist gleichzeitig Vorsitzender des
Generalrats für Gerichtswesen und wird auf Vorschlag dieses
Rats vom König ernannt.
Der Generalrat für Gerichtswesen. Er ist das leitende Organ der
Richter und Kollegialrichter. Ein Ausführungsgesetz legt die Funktionsweise und Leitung der Gerichte fest sowie das Statut der
Mitglieder des Generalrats und ihre Aufgaben. Vorsitzender dieses Organs ist der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofes. Ferner gehören ihm 20 weitere Mitglieder an, die vom Parlament
mit einer Dreifünftelmehrheit gewählt und vom König für fünf
Jahre ernannt werden. Zwölf von ihnen müssen das Amt eines
Richters oder Kollegialrichters innehaben.
114
[Der Staat und das politische Leben]
Der Generalstaatsanwalt. Er wird nach Beratungen mit dem Generalrat für Gerichtswesen von der Regierung vorgeschlagen und
vom König ernannt. Die Aufgabe des Generalstaatsanwalt ist es,
Anklagen zum Schutz der Rechte der Bürger und der vom Gesetz
geschützten öffentlichen Interessen zu erheben, sei es auf Verlangen des Gerichts oder der Betroffenen. Ferner liegt es in seiner
Verantwortung, über die Unabhängigkeit der Gerichte zu wachen
und ihnen gegenüber das Interesse der Gesellschaft zu wahren.
Die Symbole des Staates
Die Flagge. Die spanische Flagge wurde von König Carlos III. per
Königliches Dekret vom 28. Mai 1785 zur Nationalflagge erklärt.
In der Verfassung von 1978 findet sich folgende Regelung hinsichtlich ihres Aussehens: „Die spanische Flagge besteht aus drei
horizontal verlaufenden Streifen,
rot, gelb und rot, wobei der gelbe
Streifen doppelt so breit ist wie jeder
der beiden anderen”. Im Gesetz
39/1981 steht in Artikel 1 Folgendes: „Die spanische Flagge symbolisiert die Nation. Sie ist das Zeichen
der Hoheit, Unabhängigkeit, Einheit
und Integrität des Vaterlandes und
repräsentiert die höchsten in der
Verfassung ausgedrückten Werte”.
Das Wappen. Das spanische Wappen hat seit seiner Einführung zu
Zeiten der Katholischen Könige im
Laufe der Geschichte eine Reihe von
Veränderungen erfahren. Regelungen zu dem heutigen Wappen finden sich im Gesetz 33/81 und in
den Königlichen Dekreten 2964/81
vom 18. Dezember 1981 und
2267/82 vom 3. September 1982.
In diesen Dekreten werden das
offizielle Modell des spanischen
Wappens und die Farben seiner einzelnen Elemente veröffentlicht und
die Verwendung desselben geregelt. Es muss auf den Nationalflaggen abgebildet sein, die sich inner- und außerhalb aller offiziellen Gebäude, Schiffe, Flugzeuge und sonstigen Einrichtungen der Streitkräfte und staatlichen Sicherheitskräfte befinden,
sowie auf den von Seiner Majestät dem König gebilligten und
verkündeten Gesetzen und auf den Urkunden, die er im Zusammenhang mit internationalen Verträgen unterzeichnet.
115
Spanien heute
Die Nationalhymne. Der Ministerrat
genehmigte am 10. Oktober 1997
die Wesensart der Nationalhymne
und die Bestimmungen, die ihre Verwendung regeln. Am folgenden Tag
wurde dazu das Königliche Dekret
1560/97 im Staatsanzeiger veröffentlicht. In ihm wird der Ursprung
der Nationalhymne auf den Grenadier- oder Königsmarsch zurückgeführt. Im Anschluss an das Dekret
wurde die Partitur zum ersten Mal in der Version für Symphonieorchester, für Blaskapelle und für die Orgel mit den jeweiligen Instrumentenstimmen abgedruckt.
Es gibt eine Vollversion (52 Sekunden) und eine Kurzversion
(27 Sekunden). Es wird genau festgelegt, zu welchen Anlässen
die jeweiligen Versionen zu spielen sind.
Die territoriale Organisation des Staates
Die Autonomen Regionen und die Städte mit
Autonomiestatus
Der politische und verwaltungstechnische Dezentralisierungsprozess, der mit der Ausarbeitung des 8. Abschnitts der spanischen Verfassung von 1978 begann, hat in kaum mehr als 20
Jahren zu tief greifenden Veränderungen hinsichtlich der territorialen Organisation des Staates geführt. Der Übergang von
einem stark zentralisierten Modell hin zum heutigen Spanien der
Autonomen Regionen wurde durch einen Prozess der Kompetenzübertragung vom Staat zu jeder einzelnen der 17 Autonomen Regionen und den zwei Autonomen Städten (Ceuta und
Melilla) ermöglicht. Als Ergebnis dieses Prozesses ist Spanien
heute eines der am wenigsten zentralisierten Länder Europas.
Die neue Verfassung
Mit dieser neuen Staatsorganisation hat Spanihat eine
en einen neuen und einzigartigen Weg gefunden,
grundlegende
die Einheit der Nation zu sichern. Parallel dazu hat
es eine natürliche Möglichkeit geschaffen, die es
Änderung
der politischen, gesellschaftlichen und kulturellen
hinsichtlich der
Vielfalt des Landes, die die historische Realität bereiterritorialen
chert, erlaubt, sich auf harmonische Weise zu entwickeln. Kurz gesagt, es handelt sich um ein Modell,
Gliederung des
das auf den Grundprinzipien der Einheit, AutonoStaates mit sich
mie, Gleichheit und Solidarität basiert.
gebracht
Jede einzelne Autonome Region verfügt über
eine Verfassungsgrundnorm, das Autonomiestatut,
in der Aspekte geregelt sind wie die Zuständigkeit der eigenen
Regierung, die Funktionsweise des eigenen Parlaments, die ent-
116
[Der Staat und das politische Leben]
sprechende Verwaltungsrechtsordnung oder die Gesamtheit der
Kompetenzen, über die jede Region verfügt.
Bei der Aufteilung der Kompetenzen zwischen Staat und Autonomen Regionen wird zwischen ausschließlichen Kompetenzen
des Staates und der Autonomen Regionen, gemeinsamen Kompetenzen von Staat und Autonomen Regionen und gleichberechtigten Kompetenzen, die sowohl der Staat als auch die Autonomen Regionen für sich in Anspruch nehmen können, unterschieden. Im Falle eines Kompetenzkonflikts ist es die Aufgabe
des Verfassungsgerichts, diesen auszuräumen. Die ausschließlichen Kompetenzen sowohl des Staates als auch der Autonomen Regionen schließen die Gesetzgebung als auch die diesbezüglichen Ausführungsbefugnisse ein.
Zur Ausübung dieser von den Autonomen Regionen als eigene beanspruchten Kompetenzen verfügen diese über einen spezifischen institutionellen Rahmen, der sich im Wesentlichen auf
zwei Grundelemente stützt: das Parlament und die Selbstverwaltung.
Das Regionalparlament. Dieser Institution obliegt die Ausübung
der gesetzgebenden Gewalt hinsichtlich der Angelegenheiten,
bei denen die Autonome Region über diesbezügliche Kompetenzen verfügt. Ferner obliegt es dem Parlament, unter seinen
Mitgliedern den Präsidenten der Autonomen Region zu wählen
und die autonome Regierung zu kontrollieren.
Die autonome Regierung. Sie setzt sich aus dem Präsidenten der
Autonomen Region und dem Regierungsrat zusammen. Ihre Funktion ist es, die hinsichtlich der auf die Autonome Region übertragenen Kompetenzen anfallenden gesetzgeberischen und verwaltungstechnischen Aufgaben wahrzunehmen.
Aus wirtschaftlicher und finanzieller Sicht verfügen die Autonomen Regionen über weitgehende Handlungsfreiheit. Sie können ihren eigenen Regionalhaushalt beschließen und über Abgaben, Gebühren und Steuergebühren die Höhe ihrer eigenen Einnahmen selbst festlegen. Diese Maßnahmen sind mit denen der
Nationalregierung zu koordinieren, die für die allgemeine Wirtschaftsplanung und die Aufrechterhaltung der interregionalen
Solidarität verantwortlich ist. Hinsichtlich der Solidarität ist es
die Aufgabe der Nationalregierung sicherzustellen, dass alle Spanier unabhängig von ihrem Wohnort die gleichen Zugangsmöglichkeiten zu öffentlichen Dienstleistungen haben.
Dieses System der Kompetenzaufteilung ermöglicht die
Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips, durch das dem
Bürger die Verwaltung näher gebracht wird. Innerhalb der
institutionellen Beziehungen gelten die Prinzipien der Treue
und der Zusammenarbeit als Voraussetzung allen politischen
Handelns.
117
Spanien heute
Die Kommunalverwaltung
Die Stadträte, Provinzialräte, Gemeinderäte und Inselräte. Wenn
die Autonomen Regionen die Verwaltungseinheiten des Staates
auf regionaler Ebene bilden, so sind es die Gemeinden, Provinzen und Inseln auf lokaler Ebene. Die heutige Aufteilung in Provinzen geht auf das erste Drittel des 19. Jh. (1833) zurück und
wurde nur 1927 leicht geändert. Die Geschichte der Gemeinden
Spaniens ist weitaus älter und lässt sich bis tief ins Mittelalter
zurückverfolgen.
Es gibt 50 Provinzen und 8.107 Gemeinden (2001), deren
Größe gemessen an ihrer Einwohnerzahl stark variiert. 4.926
Gemeinden (60,76%) haben eine Bevölkerung von unter 1.000
Einwohnern und bei 6.962 Gemeinden (85,88%) liegt die Einwohnerzahl unter 5.000. Nur 118 Gemeinden (1,50%) verfügen
über mehr als 50.000 Einwohner und bei 15 Provinzhauptstädten liegt die Bevölkerungszahl bei unter 100.000.
Was die Organisation angeht, sind die Regierungs- und Verwaltungseinrichtungen der Gemeinden die Gemeinde- bzw. Stadträte, der Provinzen die Provinzialräte, der Inseln die Cabildos
genannten Gemeinderäte auf den Kanaren und die Inselräte auf
den Balearen.
Den Gemeinde- bzw. Stadträten stehen die Bürgermeister vor
und setzen sich aus den stellvertretenden Bürgermeistern, den
übrigen Ratsmitgliedern und dem Beratergremium zusammen.
Die Ratsmitglieder werden nach dem Verhältniswahlrecht direkt
von den Einwohnern der Gemeinde gewählt. In Gemeinden mit
100 bis 250 Einwohnern liegen zur Wahl freie Listen und in
Gemeinden mit über 250 Einwohnern feste Listen aus.
Der Bürgermeister wird von den Ratsmitgliedern durch absolute Mehrheit gewählt. Wird die absolute Mehrheit nicht erreicht,
wird das Ratsmitglied zum Bürgermeister ernannt, das die am
meisten gewählte Liste anführt. In den Gemeinden mit freien
Listen wird das Ratsmitglied zum Bürgermeister ernannt, das die
meisten Stimmen aus der Bevölkerung auf sich vereint.
Die Gemeindeversammlung ist ein Sondersystem, das normalerweise in Gemeinden mit weniger als 100 Einwohnern Anwendung findet. Es gibt allerdings auch Gemeinden, in denen dieses
System aus Tradition oder aufgrund eines Gemeindebeschlusses und unter Zustimmung der Autonomen Region verwendet
wird. Bei dieser Form der Gemeindeverwaltung wählen die
Gemeindemitglieder den Bürgermeister direkt nach dem Mehrheitswahlsystem. Es ist dies ein authentisches Beispiel direkter
Demokratie.
Bei den Wahlen auf Gemeindeebene genießen nicht nur die
Wähler spanischer Nationalität das aktive und passive Wahlrecht,
sondern auch die Bürger anderer Länder der Europäischen Union mit Wohnsitz in Spanien und Ausländer, deren Heimatländer
ein Gegenseitigkeitsabkommen mit Spanien unterzeichnet haben.
118
[Der Staat und das politische Leben]
Die Provinzialräte werden von den Gemeinderatsmitgliedern
der Provinz aus ihrer Mitte gewählt. Ihre Aufgabe besteht im
Wesentlichen darin, Gemeinden und vor allem jene mit geringen
finanziellen Eigenmitteln und verwaltungstechnischen Möglichkeiten zu unterstützen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Ferner stellen sie dort das Angebot der im Gemeindegesetz festgeschriebenen Mindestleistungen sicher.
Die Provinzialräte bestehen aus einem von den Provinzialratsmitgliedern gewählten Vorsitzenden, aus zwei stellvertretenden Vorsitzenden, den Ratsmitgliedern und dem Beratergremium. In den Autonomen Regionen, die nur aus einer Provinz
bestehen, gibt es keinen Provinzialrat. Dessen Kompetenzen,
Mittel und Ressourcen werden von der jeweiligen autonomen
Regierung übernommen.
Die Gemeinderäte der Kanarischen Inseln und die Inselräte
der Balearen sind die Regierungs- und Verwaltungsorgane der
Inseln. Die Mitglieder der Gemeinderäte der Kanarischen Inseln
werden direkt von den Gemeindemitgliedern gewählt. Der Vorsitzende jeder Insel ist der erste Kandidat der Liste, auf die die
meisten Stimmen entfallen. Die Inselräte der Balearen setzen sich
aus den Abgeordneten des Parlaments der Autonomen Region
zusammen. Sie sind es, die den Vorsitzenden des Inselrates aus
ihrer Mitte wählen.
119
Spanien heute
Autonome Region Andalusien
• Lage:
• Sozioökonomische Daten:
Hauptstadt: Sevilla
Fläche (km2)
87.595
Bevölkerung (gemeldete Einw.)
Melderegister 2001
7.403.968
2
• Flagge:
Bevölkerungsdichte (Einw./km )
84,53
BIPmp (Millionen) 1999
12.090.181
BIPmp regional/BIP national (%) 1999
13
BIP per capita (Kaufkraftstandard)
(Durchschnitt EU15=100) 1997
58
BIP nach Sektoren
• Wappen:
Landwirtschaft:7,8%
Industrie: 13,5%
Bauwesen: 8,8%
Dienstleistungen: 69,8%
Autonome Region Aragonien
• Lage:
• Sozioökonomische Daten:
Hauptstadt: Zaragoza
Fläche (km2)
47.720
Bevölkerung (gemeldete Einw.)
Melderegister 2001
• Flagge:
1.199.753
Bevölkerungsdichte (Einw./km2)
25,14
BIPmp (Millionen) 1999
3.017.648
BIPmp regional/BIP national (%) 1999
3,2
BIP per capita (Kaufkraftstandard)
(Durchschnitt EU15=100) 1997
90
BIP nach Sektoren
• Wappen:
Landwirtschaft:5,3%
Industrie: 27,4%
Bauwesen: 6,8%
Dienstleistungen: 60,4%
120
[Der Staat und das politische Leben]
Asturien
• Lage:
• Sozioökonomische Daten:
Hauptstadt: Oviedo
Fläche (km2)
10.604
Bevölkerung (gemeldete Einw.)
Melderegister 2001
1.075.329
2
• Flagge:
Bevölkerungsdichte (Einw./km )
101,40
BIPmp (Millionen) 1999
2.235.948
BIPmp regional/BIP national (%) 1999
2,4
BIP per capita (Kaufkraftstandard)
(Durchschnitt EU15=100) 1997
76
BIP nach Sektoren
• Wappen:
Landwirtschaft: 2,5%
Industrie: 22,4%
Bauwesen: 9,9%
Dienstleistungen: 65,2%
Autonome Region Balearen
• Lage:
• Sozioökonomische Daten:
Hauptstadt: Palma de Mallorca
Fläche (km2)
4.992
Bevölkerung (gemeldete Einw.)
Melderegister 2001
• Flagge:
878.627
Bevölkerungsdichte (Einw./km2)
176,00
BIPmp (Millionen) 1999
2.158.264
BIPmp regional/BIP national (%) 1999
2,3
BIP per capita (Kaufkraftstandard)
(Durchschnitt EU15=100) 1997
101
BIP nach Sektoren
• Wappen:
Landwirtschaft: 2,1%
Industrie: 9,7%
Bauwesen: 6,2%
Dienstleistungen: 82%
121
Spanien heute
Autonome Region Baskenland
• Lage:
• Sozioökonomische Daten:
Hauptstadt: Vitoria-Gasteiz
Fläche (km2)
7.234
Bevölkerung (gemeldete Einw.)
Melderegister 2001
2.101.478
2
• Flagge:
Bevölkerungsdichte (Einw./km )
290.50
BIPmp (Millionen) 1999
5.915.933
BIPmp regional/BIP national (%) 1999
6,4
BIP per capita (Kaufkraftstandard)
(Durchschnitt EU15=100) 1997
94
BIP nach Sektoren
• Wappen:
Landwirtschaft: 1,6%
Industrie: 30,9%
Bauwesen: 7%
Dienstleistungen: 60,5%
Autonome Region Extremadura
• Lage:
• Sozioökonomische Daten:
Hauptstadt: Mérida
Fläche (km2)
41.634
Bevölkerung (gemeldete Einw.)
Melderegister 2001
• Flagge:
1.073.381
Bevölkerungsdichte (Einw./km2)
25,78
BIPmp (Millionen) 1999
1.581.048
BIPmp regional/BIP national (%) 1999
1,7
BIP per capita (Kaufkraftstandard)
(Durchschnitt EU15=100) 1997
55
BIP nach Sektoren
• Wappen:
Landwirtschaft: 12,2%
Industrie: 10,3%
Bauwesen: 10,7%
Dienstleistungen: 66,8%
122
[Der Staat und das politische Leben]
Autonome Region Galicien
• Lage:
• Sozioökonomische Daten:
Hauptstadt: Santiago de Compostela
Fläche (km2)
29.575
Bevölkerung (gemeldete Einw.)
Melderegister 2001
2.732.926
2
• Flagge:
Bevölkerungsdichte (Einw./km )
92,40
BIPmp (Millionen) 1999
5.085.379
BIPmp regional/BIP national (%) 1999
5,5
BIP per capita (Kaufkraftstandard)
(Durchschnitt EU15=100) 1997
64
BIP nach Sektoren
• Wappen:
Landwirtschaft: 7,1%
Industrie: 21,7%
Bauwesen: 9,2%
Dienstleistungen: 62%
Autonome Region Kanarische Inseln
• Lage:
• Sozioökonomische Daten:
Hauptstadt: Santa Cruz de Tenerife und
Las Palmas de Gran Canaria
Fläche (km2)
7.492
Bevölkerung (gemeldete Einw.)
Melderegister 2001
1.781.366
2
• Flagge:
Bevölkerungsdichte (Einw./km )
237,66
BIPmp (Millionen) 1999
3.599.880
BIPmp regional/BIP national (%) 1999
3,9
BIP per capita (Kaufkraftstandard)
(Durchschnitt EU15=100) 1997
76
BIP nach Sektoren
• Wappen:
Landwirtschaft: 3,2%
Industrie: 9,8%
Bauwesen: 9,1%
Dienstleistungen: 77,9%
123
Spanien heute
Autonome Region Kantabrien
• Lage:
• Sozioökonomische Daten:
Hauptstadt: Santander
Fläche (km2)
5.321
Bevölkerung (gemeldete Einw.)
Melderegister 2001
537.606
2
Bevölkerungsdichte (Einw./km )
• Flagge:
101.03
BIPmp (Millionen) 1999
1.174.225
BIPmp regional/BIP national (%) 1999
1,3
BIP per capita (Kaufkraftstandard)
(Durchschnitt EU15=100) 1997
77
BIP nach Sektoren
• Wappen:
Landwirtschaft: 5%
Industrie: 23,3
Bauwesen: 7.7%
Dienstleistungen: 64%
Autonome Region Kastilien-La Mancha
• Lage:
• Sozioökonomische Daten:
Hauptstadt: Toledo
Fläche (km2)
79.461
Bevölkerung (gemeldete Einw.)
Melderegister 2001
1.755.053
2
• Flagge:
Bevölkerungsdichte (Einw./km )
22,08
BIPmp (Millionen) 1999
3.312.598
BIPmp regional/BIP national (%) 1999
3,6
BIP per capita (Kaufkraftstandard)
(Durchschnitt EU15=100) 1997
67
BIP nach Sektoren
• Wappen:
Landwirtschaft: 10,4%
Industrie: 20,3%
Bauwesen: 10,2%
Dienstleistungen: 59,1%
124
[Der Staat und das politische Leben]
Autonome Region Kastilien-León
• Lage:
• Sozioökonomische Daten:
Hauptstadt: Valladolid
Fläche (km2)
94.224
Bevölkerung (gemeldete Einw.)
Melderegister 2001
2.479.425
2
• Flagge:
Bevölkerungsdichte (Einw./km )
26,31
BIPmp (Millionen) 1999
5.379.305
BIPmp regional/BIP national (%) 1999
5,8
BIP per capita (Kaufkraftstandard)
(Durchschnitt EU15=100) 1997
77
BIP nach Sektoren
• Wappen:
Landwirtschaft: 7,5%
Industrie: 23,4%
Bauwesen: 8,5%
Dienstleistungen: 60,6%
Autonome Region Katalonien
• Lage:
• Sozioökonomische Daten:
Hauptstadt: Barcelona
Fläche (km2)
32.113
Bevölkerung (gemeldete Einw.)
Melderegister 2001
6.361.365
2
• Flagge:
Bevölkerungsdichte (Einw./km )
198,09
BIPmp (Millionen) 1999
17.700.892
BIPmp regional/BIP national (%) 1999
19
BIP per capita (Kaufkraftstandard)
(Durchschnitt EU15=100) 1997
100
BIP nach Sektoren
• Wappen:
Landwirtschaft: 1,5%
Industrie: 29,7%
Bauwesen: 6,7%
Dienstleistungen: 62%
125
Spanien heute
Autonome Region La Rioja
• Lage:
• Sozioökonomische Daten:
Hauptstadt: Logroño
Fläche (km2)
5.045
Bevölkerung (gemeldete Einw.)
Melderegister 2001
• Flagge:
270.400
Bevölkerungsdichte (Einw./km2)
53,59
BIPmp (Millionen) 1999
702,95
BIPmp regional/BIP national (%) 1999
0,8
BIP per capita (Kaufkraftstandard)
(Durchschnitt EU15=100) 1997
90
BIP nach Sektoren
• Wappen:
Landwirtschaft: 10,4%
Industrie: 31,7%
Bauwesen: 6,7%
Dienstleistungen: 51,3%
Autonome Region Madrid
• Lage:
• Sozioökonomische Daten:
Hauptstadt: Madrid
Fläche (km2)
8.028
Bevölkerung (gemeldete Einw.)
Melderegister 2001
5.372.433
2
• Flagge:
Bevölkerungsdichte (Einw./km )
669,21
BIPmp (Millionen) 1999
16.124.700
BIPmp regional/BIP national (%) 1999
17,3
BIP per capita (Kaufkraftstandard)
(Durchschnitt EU15=100) 1997
101
BIP nach Sektoren
• Wappen:
Landwirtschaft: 2,1%
Industrie: 9,7%
Bauwesen: 6,2%
Dienstleistungen: 82%
126
[Der Staat und das politische Leben]
Region Murcia
• Lage:
• Sozioökonomische Daten:
Hauptstadt: Murcia
Fläche (km2)
11.314
Bevölkerung (gemeldete Einw.)
Melderegister 2001
1.190.378
2
• Flagge:
Bevölkerungsdichte (Einw./km )
105,21
BIPmp (Millionen) 1999
2.147.902
BIPmp regional/BIP national (%) 1999
2,3
BIP per capita (Kaufkraftstandard)
(Durchschnitt EU15=100) 1997
68
BIP nach Sektoren
• Wappen:
Landwirtschaft: 8,7%
Industrie: 18,9%
Bauwesen: 8,6%
Dienstleistungen: 63,9%
Regionalrechtsgebiet Navarra
• Lage:
• Sozioökonomische Daten:
Hauptstadt: Pamplona
Fläche (km2)
10.391
Bevölkerung (gemeldete Einw.)
Melderegister 2001
• Flagge:
556.263
Bevölkerungsdichte (Einw./km2)
53,53
BIPmp (Millionen) 1999
1.630.890
BIPmp regional/BIP national (%) 1999
1,8
BIP per capita (Kaufkraftstandard)
(Durchschnitt EU15=100) 1997
97
BIP nach Sektoren
• Wappen:
Landwirtschaft: 4,3%
Industrie: 34,2%
Bauwesen: 6,6%
Dienstleistungen: 54,9%
127
Spanien heute
Gemeinschaft Valencia
• Lage:
• Sozioökonomische Daten:
Hauptstadt: Valencia
Fläche (km2)
23.255
Bevölkerung (gemeldete Einw.)
Melderegister 2001
4.202.608
2
• Flagge:
Bevölkerungsdichte (Einw./km )
180,71
BIPmp (Millionen) 1999
8.856.409
BIPmp regional/BIP national (%) 1999
9,5
BIP per capita (Kaufkraftstandard)
(Durchschnitt EU15=100) 1997
76
BIP nach Sektoren
• Wappen:
Landwirtschaft: 3,5%
Industrie: 23,8%
Bauwesen: 7,8%
Dienstleistungen: 65%
Ceuta
• Lage:
• Sozioökonomische Daten:
Hauptstadt: Ceuta
Fläche (km2)
20
Bevölkerung (gemeldete Einw.)
Melderegister 2001
75.694
2
• Flagge:
Bevölkerungsdichte (Einw./km )
3.784,70
BIPmp (Millionen) 1999
–
BIPmp regional/BIP national (%) 1999
–
BIP per capita (Kaufkraftstandard)
(Durchschnitt EU15=100) 1997
–
BIP nach Sektoren
• Wappen:
Landwirtschaft: 0,3%
Industrie: 2,8%
Bauwesen: 4,9%
Dienstleistungen: 92%
128
[Der Staat und das politische Leben]
Melilla
• Lage:
• Sozioökonomische Daten:
Hauptstadt: Melilla
Fläche (km2)
12
Bevölkerung (gemeldete Einw.)
Melderegister 2001
• Flagge:
68.789
Bevölkerungsdichte (Einw./km2)
5.732,41
BIPmp (Millionen) 1999
–
BIPmp regional/BIP national (%) 1999
–
BIP per capita (Kaufkraftstandard)
(Durchschnitt EU15=100) 1997
–
BIP nach Sektoren
• Wappen:
Landwirtschaft: 0,3%
Industrie: 2,8%
Bauwesen: 4,9%
Dienstleistungen: 92%
129
Spanien heute
Die Sprachen Spaniens
Artikel 3 der Verfassung legt fest, dass Spanisch (Kastilisch) die
offizielle Landessprache ist und dass jeder Spanier verpflichtet
ist, sie zu kennen und das Recht hat, sie zu verwenden. Alle weiteren Sprachen Spaniens gelten in den entsprechenden Autonomen Regionen gemäß deren Verfassung ebenfalls als offizielle
Sprachen.
Ferner erachtet der Artikel die unterschiedlichen linguistischen Formen Spaniens als Reichtum und kulturelles Erbe, das
besonders zu achten und zu schützen ist.
Zum ersten Mal in der spanischen Geschichte wird den Autonomen Regionen Baskenland, Galicien, Katalonien, Balearen und
Valencia das Recht zuerkannt, ihre Sprache zu verwenden (Baskisch, Galicisch, Katalanisch und Valencianisch), ohne dass
dadurch jedoch die kastilische oder spanische Sprache vernachlässigt wird.
Spanisch und die Sprachen Spaniens: Ein lebendiges
Kulturerbe
Die offizielle Landessprache ist Kastilisch, die Sprache des alten
Königreichs von Kastilien. Bei ihrer Verbreitung im 16. und 17.
Jh. wurde diese Sprache in steigendem Maße als Spanisch bekannt.
Seit damals gibt es beide Bezeichnungen für diese Sprache. Es
scheint weithin akzeptiert zu werden, dass Spanisch auf internationaler Ebene der angemessene Terminus für diese Sprache
ist, während der Begriff Kastilisch innerhalb der Landesgrenzen
bevorzugt wird, da es hier noch weitere Sprachen gibt, die ebenfalls zu den spanischen Sprachen zählen. Aus diesem Grunde
steht in der Verfassung: „Kastilisch ist die offizielle Landessprache”.
Spanisch entstand ebenso wie die übrigen romanischen Sprachen als Folge der Fragmentierung des Latein über einen langen
Zeitraum hin, der im 4. Jh. begann und im 10. Jh. endete. Im 13.
Jh. war es bereits eine Kultursprache. Aus der Volksdichtung ist
das von einem anonymen Autor stammende Gedicht Cantar de
Mío Cid aus dem 12. Jh. hervorgegangen. In ihm wird eine derart meisterliche Beherrschung der Dichtkunst offenbar, dass man
von einer alten literarischen Tradition bereits lange vor ihm ausgeht. So entstanden in den Mönchsklöstern die hervorragenden
mittelalterlichen Klerikerdichtungen, deren höchster Vertreter
Gonzalo de Berceo war.
König Alfons X. der Weise (1221-1284) gilt mit der Verfassung seiner geschichtlichen, juristischen und wissenschaftlichen Werke in romanischer Sprache als der Schöpfer der kastilischen Prosa.
1492 war reich an bedeutenden historischen Ereignissen, die
die Sprache entscheidend beeinflussen sollten. Mit der Vertrei-
130
[Der Staat und das politische Leben]
bung der Juden, die sich im südlichen
und östlichen Mittelmeerraum niederließen, entstand das Jüdisch-Spanische, eine Variante, die heute noch
gesprochen wird und ihre Wurzeln im
Spanisch des 15. und 16. Jh. hat.
Im selben Jahr machte der Lateinlehrer der Universität von Salamanca,
Elio Antonio de Nebrija, auf die Komplexität und den Reichtum aufmerksam, die das Kastilisch erreicht hatte
und entschied, eine Grammatik nach
einem Muster zu verfassen, das in der
damaligen Zeit den klassischen Sprachen vorbehalten war. Seine Grammatik sollte die erste Grammatik einer
Vulgärsprache werden.
Zu Beginn des 16. Jh. war Kastilisch bereits auf der ganzen Iberischen Halbinsel verbreitet und
begann, sich in eine internationale Sprache zu verwandeln. Ihr
Ruhm breitete sich über den Rest Europas aus, vor allem in Italien und Flandern, aber auch in Frankreich, Großbritannien und
Deutschland.
Das entscheidende Ereignis war allerdings die Entdeckung
Amerikas im Jahre 1492. Kastilisch ist die Sprache, die über den
Atlantik zu den neuen Ländern gelangte und dort viele aus den
Eingeborenensprachen stammende Elemente in sich aufnahm.
Schon Christoph Kolumbus notierte einige dieser neuen Wörter:
Kanu, Tabak, Kaiman. Im Laufe von 5 Jahrhunderten etablierte
sich dort die kastilische Sprache und breitete sich von Feuerland
bis hin zum Rio Grande und wie im Falle der Philippinen sogar
noch weiter aus. Das alte Kastilisch hat sich zum Spanisch gewandelt.
Als Goldenes Zeitalter der spanischen Literatur gelten das 16.
und 17. Jh. Während dieser Zeit entwickelte sich die spanische
Sprache, bereicherte und festigte sich weitgehend. Dichter wie
Garcilaso de la Vega, Fray Luis de León, San Juan de la Cruz, Francisco de Quevedo und Luis de Góngora, Dramaturgen wie Lope de
Vega, Tirso de Molina und Pedro Calderón de la Barca, Humanisten wie die Brüder Alfonso und Juan de Valdés sowie Benito Arias
Montano, Überseechronisten wie Bartolomé de las Casas und Bernal Díaz del Castillo, auf dem amerikanischen Kontinent geborene Schriftsteller wie der Inka Garcilaso und Sor Juana Inés de la
Cruz, literarische Gattungen wie der Schelmenroman (Lazarillo de
Tormes, Guzmán de Alfarache) und Prosaschriftsteller wie Baltasar Gracián lassen eine faszinierende literarische Welt entstehen,
in der schließlich das Werk Miguel de Cervantes hervorgehen soll,
Romanische
Miniatur Pelayo
und seine Krieger
131
Spanien heute
dem Autor, der wie kein anderer die
spanische Sprache repräsentiert.
Zwischen 1550 und 1670 erreicht
die spanische Kultur ihr größtes Ansehen in Europa. Der Quijote zum Beispiel wird im 17. Jh. etwa 10-mal in
Madrid aufgelegt und weitere 20 Auflagen erscheinen in spanischer Sprache in anderen europäischen Städten.
Die Zahl der Übersetzungen liegt weit
höher. Cervantes schreibt deshalb in
der Widmung im zweiten Teil seines
Werkes die humorvolle Bemerkung,
dass ihn sogar der chinesische Kaiser
eingeladen hat, eine spanische Schule zu leiten.
Erst im 18. Jh. stabilisiert sich die
Sitz der
Entwicklung der spanischen Sprache und verwandelt sich in die
Königlichen
moderne Sprache, die sie heute ist. Die idiomatischen StruktuAkademie für
ren haben sich seither nicht geändert, das Vokabular ist weitgeSprachforschung
hend gleich geblieben und es ist zu keinen grundlegenden phonetischen oder morphosyntaktischen
Länder und Gebiete,
Verschiebungen gekommen.
in denen Spanisch die
In das Jahr 1713 fällt die Gründung der Königlioffizielle Sprache ist
chen Akademie für Sprachforschung, deren AufgaÄquatorialguinea
be darin besteht, die Sprache zu vereinheitlichen,
Argentinien
Regeln aufzustellen und sich um eine korrekte VerBolivien
wendung zu bemühen. Der erste große Beitrag der
Chile
Akademie ist das umfangreiche Wörterbuch DiccioCosta Rica
nario de Autoridades (Wörterbuch der PersönlichDominikanische Republik
keiten), das zwischen 1726 und 1739 veröffentlicht
Ecuador
wurde. Seinen Titel verdankt es der Tatsache, dass
El Salvador
zur Definition der Wörter Zitate großer SchriftstelGuatemala
ler verwendet wurden. Kurz darauf erschienen ein
Honduras
Rechtschreibwörterbuch (1741) und eine GrammaKolumbien
tik (1771), die fortlaufend überarbeitet werden. Am
8. Oktober 1999 wurde der neuen Rechtschreibung
Kuba
der spanischen Sprache von den 22 Akademien (19
Mexiko
iberoamerikanische, die spanische, die philippiniNicaragua
sche und die nordamerikanische Akademie) in San
Panama
Millán de la Cogolla zugestimmt. Es handelt sich hierParaguay
bei um ein von allen unterstütztes Werk, bei dem
Peru
nicht mehr auf den traditionellen spanischen StandPuerto Rico
punkt hinsichtlich der Rechtschreibung bestanden
Spanien
wurde, und somit eine Stärkung der spanischen SpraUruguay
che in der Welt erzielt werden konnte.
Venezuela
Spanisch ist eine Sprache, die sich seit dem 16.
Jh. in einem ununterbrochenen Ausdehnungspro-
132
[Der Staat und das politische Leben]
zess befindet. Ende des 19. Jh. gab es ca. 60 Millionen Benutzer
der spanischen Sprache. Hundert Jahre später wird Spanisch von
fast 400 Millionen Menschen gesprochen und ist nach Chinesisch, Englisch und Hindi die am vierthäufigsten gesprochene
Sprache der Welt. Alles deutet darauf hin, dass sich dieser Trend
auch über das 21. Jh. hinaus fortsetzen wird.
Heute ist Spanisch die offizielle Sprache in 20 Ländern und
eine der drei offiziellen und Arbeitssprachen in vielen internationalen Organisationen. Die USA sind mit ihren 35 Millionen
Hispanos nach Mexiko, Spanien, Kolumbien und Argentinien die
fünfte Nation weltweit hinsichtlich ihrer Einwohner mit der Muttersprache Spanisch.
Der Anteil der Spanisch sprechenden Menschen an der Weltbevölkerung beläuft sich unter Einbeziehung allein der Länder,
in denen Spanisch die offizielle Landessprache ist, auf ungefähr
6%. Dem gegenüber steht ein Anteil an 8,9% Englisch sprechender und ein Anteil an 1,8% Französisch sprechender Menschen.
Ebenfalls bedeutend ist die Tatsache, dass 94,6% der Einwohner,
die in Ländern wohnen, deren offizielle Landessprache Spanisch
ist, diese Sprache sprechen. Dieser Prozentsatz liegt weit über
dem, der in Ländern verzeichnet wird, in denen Französisch
(34,6%) oder Englisch (27,6%) die Landessprache ist.
Es gibt zwei Umstände, die das heutige Spanisch begünstigen: Zum einen die Homogenität der Sprache, die unabhängig
des Herkunftslandes bzw. der gesprochenen Variante eine problemlose Verständigung unter den Sprechern ermöglicht. Zum
anderen die Tatsache, dass es sich um eine Sprache handelt, in
der eine ganze Reihe Schriftsteller von internationalem Ruf schreiben. Beides trägt zweifelsohne zum Prestige dieser Sprache bei.
Der Hauptanteil der Spanisch sprechenden Menschen findet sich
auf dem amerikanischen Kontinent. Dort leben neun von zehn
aller spanischen Muttersprachler.
Jeden Tag erweist sich Spanisch aufs Neue als zweitwichtigste
Sprache in der internationalen Kommunikation von heute und
immer mehr Menschen wollen diese Sprache erlernen.
1991 wurde das Instituto Cervantes gegründet, um die Lehre der spanischen Sprache und die Verbreitung der Kultur von
Spanisch sprechenden Ländern zu fördern. Es ist eine gemeinnützige Institution, die von einer Stiftung geleitet wird,
deren Ehrenvorsitzender der König von Spanien ist. Der spanische Ministerpräsident ist geschäftsführender Vorsitzender.
Katalanisch. Es gehört neben Kastilisch, Portugiesisch, Französisch und anderen zu der Gruppe der westromanischen Sprachen. Seit der Einführung der Demokratie in Spanien hat diese
Sprache eine bedeutende Wiederbelebung erfahren.
Ihre Verwendung in Bildungseinrichtungen, in der öffentlichen Regionalverwaltung, die in ihr verfassten außerordentli-
133
Spanien heute
Kreuzgang des
Instituts für
katalanische
Studien
134
chen literarischen Werke sowie ihre
Verwendung in Fernseh- und Rundfunksendungen, Tageszeitungen,
Büchern, in der Musikbranche usw.
bestätigen ihr schnelles Wiederaufleben.
Das Eindringen der katalanischen
Sprache ins tägliche Leben vollzog
sich, ohne Spannungen in der Gesellschaft hervorzurufen und mit einer
breiten Zustimmung der Bevölkerung
und gesellschaftlicher Gruppen. Dies
wird von allen während der letzten
Jahre durchgeführten Umfragen
bestätigt. Neueren Beurteilungen der
Situation zufolge stellt die Sprachfrage für die breite Bevölkerungsmehrheit (drei Viertel aller Einwohner) kein Problem für das Zusammenleben dar.
Katalanisch ist zusammen mit
Kastilisch die offizielle Sprache in
Katalonien (1979) und auf den Balearen (1983). Außerhalb Kataloniens wird diese Sprache in Andorra, in den an Katalonien grenzenden Randgebieten Aragoniens und in den nördlich der
Pyrenäen gelegenen Gebieten Roussillon und Cerdagne sowie in
der italienischen Stadt Algher (Sardinien) gesprochen.
Die katalanische Sprache taucht in schriftlicher Form erstmals in der zweiten Hälfte des 12. Jh. auf. Aus dieser Zeit gibt
es in Katalanisch juristische, wirtschaftliche, religiöse und
geschichtliche Texte. Der erste bekannte Text, der vollständig in
katalanischer Sprache abgefasst wurde, ist die Übersetzung eines
kleinen Fragments des Liber iudiciorum, ein Gesetzeskodex der
Westgoten aus der 2. Hälfte des 12. Jh.
Ihr erstes literarisches Universaltalent kennt die katalanische
Sprache seit dem 13. Jh.: Ramón Llull. Er ist der erste Schriftsteller, der diese Sprache als normales Kommunikationsmittel
in Prosatexten und auch als nützliches Werkzeug verwendet, um
seiner kulturellen Herkunft Ausdruck zu verleihen. Doch erst im
15. Jh. sollte die Erzählkunst mit Joanot Martorell zu wahrer
Größe finden. Sein Werk Tirant lo Blanc gilt als der erste moderne Roman in der europäischen Literatur.
Im Zuge des Spanischen Erbfolgekrieges (1705-1715) schließt
Philipp V. alle in Katalonien noch vorhandenen Regierungseinrichtungen und verfügt die Inkraftsetzung der für alle Gebiete
der Krone von Kastilien geltenden Gesetze. Katalanisch wurde
in der Folgezeit wiederholt verboten und sogar regelrecht unterdrückt. Die Einführung in größerem oder geringerem Maße und
[Der Staat und das politische Leben]
der Gebrauch der Sprache in ihrem eigenen Gebiet hing seit dem
18. Jh. eher von politischen als von strikt soziokulturellen Gegebenheiten ab.
Im 19. Jh. beginnt eine Zeit der wirtschaftlichen, kulturellen und nationalen Renaissance, die in Katalonien als „Renaixença“ bekannt ist. Die katalanische Sprache wird dank des
Dichterwettbewerbs Juegos Florales (Blumenspiele) und so
bedeutender Persönlichkeiten wie Jacint Verdaguer, Narcís Oller
und Àngel Guimerà als Vehikel literarischer Schaffenskunst
wiederbelebt.
Die Renaixença bewirkte ein aufkeimendes Bewusstsein hinsichtlich der fehlenden Einheit bei der Verwendung der Sprache (es gab keine einheitlichen Regeln für die Schriftsprache)
und der Notwendigkeit, Rechtschreibregeln auszuarbeiten. Die
Gründung des Institut d’Estudis Catalans (1907) (Institut für
katalanische Studien) ermöglichte mit der Veröffentlichung der
Normes ortogràfiques (Rechtschreibregeln) (1913), des Diccionari ortogràfico (1917) (Wörterbuch der Rechtschreibung) und
der Gramàtica catalana de Fabra (1918) (Katalanische Grammatik von Fabra) die Erstellung eines Regelwerks der katalanischen Sprache.
Valencianisch. Das Autonomiestatut der Autonomen Region
Valencia legt im Artikel 3 Valencianisch und Kastilisch als offizielle Sprachen der Region fest. Ferner bestätigt der Artikel, dass
die Regionalregierung von Valencia die normale und offizielle
Verwendung beider Sprachen garantiert und die notwendigen
Maßnahmen ergreift, um ihre Beherrschung sicherzustellen. Darüber hinaus ist der Wiederbelebung der valencianischen Sprache besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
In der Literatur gelangte diese Sprache im 15. und Anfang des
16. Jh. zu besonderem Ruhm, doch mit den Herzogen von Kalabrien begann der allmähliche Einzug des Kastilischen in die
Schriftsprache, obwohl Valencianisch im täglichen Leben auch
weiterhin gesprochen wurde.
Ende des 19. Jh. leitete die als Renaixença bekannte Bewegung in künstlerischen Wettbewerben und in Literaturveröffentlichungen eine leichte Wiederbelebung der Sprache ein, die
bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts andauerte.
1932 erhielten die Sonderregeln zur Rechtschreibung in der
Provinz Castellón ihre Gültigkeit. Sie wurden von den valencianischen Schriftstellern vierzig Jahre hindurch problemlos befolgt.
Das valencianische Parlament beschließt mit dem Gesetz
7/1998 vom 16. September 1998 die Einrichtung der Valencianischen Akademie für Sprachforschung. Artikel 3 dieses Gesetzes besagt, dass die Funktion dieser Akademie die Festlegung
und, wo nötig, die Ausarbeitung von Sprachnormen der valencianischen Sprache ist.
135
Spanien heute
Manuel de
Larramendi,
Dreisprachiges
Wörterbuch für
Kastilisch,
Baskisch und
Latein. San
Sebastián, 1745
Baskisch. Diese Sprache ist eine der
ältesten Europas. Hinsichtlich ihrer
Ursprünge teilen sich die Meinungen.
Einige Linguisten nehmen an, dass sie
aufgrund einiger Ähnlichkeiten mit
dem Georgischen mit den indogermanischen Sprachen verwandt ist.
Heute wird im Baskenland, in Navarra und im französischen Teil des Baskenlandes Baskisch gesprochen.
Die ersten in Baskisch geschriebenen Texte lassen sich mit dem 1545
von Bernard Dechepare veröffentlichten Linguae Vascomum Primitiae
ins 16. Jh. zurückdatieren. Einige Jahre später fertigte Joan Leizarraga 1571
eine baskische Übersetzung des Neuen Testaments (Testamentu Berná) an.
1979 erklärte das Autonomiestatut Baskisch zur offiziellen Sprache
der Autonomen Region des Baskenlandes. Seither wurden zahlreiche
Regelwerke ausgearbeitet und verschiedene Organismen und Einrichtungen geschaffen, um die
Kompetenz der baskischen Sprache zu verbessern, ihren Gebrauch
zu fördern und ihr Ansehen zu erhöhen.
Die Sprachpolitik der baskischen Regierung hat während der
letzten 20 Jahre die Konsolidierung, Vereinheitlichung und die Verbreitung der baskischen Sprache in allen Bereichen verfolgt. Dazu
wurden ein baskischer Radio- und Fernsehsender gegründet, spezielle Sprachlehrmodelle für das Bildungswesen erarbeitet und verstärkt der Erwachsenenunterricht zum Baskischlernen gefördert.
Der diesbezüglich aufgestellte Maßnahmenkatalog konzentriert
sich speziell auf die Bereiche Standardisierung und Modernisierung der baskischen Sprache, Schulausbildung, Kommunikationsmedien in Baskisch, Verwaltung und Arbeitswelt und schließlich auf das kulturelle Schaffen und spezielle Förderprogramme.
Galicisch. Diese romanische Sprache ist dem Latein weitaus näher
als Kastilisch. Sie wird in ganz Galicien sowie in den Grenzgebieten Asturiens, Leóns und Zamoras gesprochen. Ihre beste Zeit
in der Literatur erlebte sie während des Mittelalters. Die Cantigas de Santa Mª de Alfonso X El Sabio (Lieder an die Heilige Maria
von König Alfons X. dem Weisen) sind beispielhaft für den
Gebrauch und das Prestige dieser Sprache in der Literatur des
ausgehenden 13. Jh.
Gegen Ende des Mittelalters beginnt für die galicische Sprache und Literatur aus verschiedenen historischen, ideologi-
136
[Der Staat und das politische Leben]
schen, politischen und kulturellen
Gründen eine lange Zeit des Niedergangs, die als „schwarze Jahrhunderte“ bezeichnet wird. Es wird die
Gelegenheit verpasst, für das Galicische in der Renaissance ein sprachliches Regelwerk (Wörterbuch und
Grammatik) auszuarbeiten, so wie
es bei den anderen romanischen
Sprachen geschah. Trotz dieses
Umstandes wurde die Sprache in der
Bevölkerung auch weiterhin gesprochen. Nachdem 400 Jahre vergangen
waren (eine zum Verschwinden einer
Sprache ausreichende Zeit), war das
Galicische dank der mündlichen
Überlieferung im Volke immer noch
lebendig.
Das 19. Jh. zeichnet sich in Galicien durch das „Rexurdimento” (Wiederbeleben) in der Literatur
und durch die Bewegungen zur Verteidigung der Einzigartigkeit
- auch der linguistischen - aus.
1863 veöffentlichte Rosalía de Castro ihr literarisches Werk
Cantares Gallegos (Galicische Lieder) und zeigte damit, dass ein
Volk seiner Kultur über die Sprache treu bleiben kann. 1905 wird
die Königliche Akademie Galiciens gegründet und damit der Prozess der Wiederbelebung der Sprache institutionalisiert. Die
„Irmandades da fala” (Bruderschaften der Sprache), die Gruppe
“Nós” und andere gesellschaftliche Bewegungen unterstützen
und fördern die Treue des Volkes seiner Sprache gegenüber.
Nachdem das Trauma des spanischen Bürgerkriegs (1936-39)
und dessen Folgen auch hier überwunden waren, begann man
ab 1960 hinter sich zu lassen, was Celso Emilio Ferreiro als „Longa noite de Pedra” (Lange steinige Nacht) bezeichnete.
Die Treue des galicischen Volkes seiner Sprache gegenüber
wird durch die Ausarbeitung des Autonomiestatuts (1981), der
offiziellen Anerkennung der Rechtschreib- und Morphologienormen der galicischen Sprache (1982) und der Zustimmung im
galicischen Parlament zum Gesetz zur Sprachnormierung (1983)
von offizieller Seite gewürdigt.
Die Gruppe Nós
förderte die
Treue des
galicischen
Volkes zu seiner
Sprache
Das politische Leben: Historische und
konstitutionelle Grundlagen
Im Laufe des 19. Jh. bis hin zum Ausbruch des spanischen Bürgerkriegs 1936 gab es in Spanien sieben Verfassungen und verschiedene sich ähnelnde Projekte und Reformvorschläge, die nie
umgesetzt wurden.
137
Spanien heute
Diese Eigentümlichkeit der spanischen Verfassungsgeschichte
geht bis auf ihre Ursprünge zurück. Der erste spanische 1812 in
Cádiz verkündete Verfassungstext wurde zwei Jahre später von
König Ferdinand VII. bei seiner Rückkehr nach Spanien außer
Kraft gesetzt. Damit wurde der Versuch im Keim erstickt, die
Staatsgewalt über die politische Organisation des Ancien Régime zu stülpen und es begann eine Phase der Konspirationen, des
Sektierertums und des Exils.
Die großen politischen Veränderungen im Spanien des 19. Jh.
gehen nicht von der Verfassung aus, sondern von dem Für oder
Wider die minimale Verfassungsidee. Es geht um die Frage der
Staatsgewalt, d.h. um die Durchsetzung des Demokratieprinzips oder des Monarchieprinzips. Der typiOhne die von den
scherweise doktrinäre Gedanke der geteilten Hoheitspolitischen und
gewalt überwog in Spanien bei weitem die Ideale der
gesellschaftlichen
Demokratie. Dies wird anhand folgender Zahlen deutlich: Die auf den Gedanken der nationalen StaatsKräften
gewalt oder der Volksherrschaft basierenden Verdemonstrierte
fassungen (jene von 1812, 1837, 1869 und 1931)
Zurückhaltung und
waren insgesamt 22 Jahre in Kraft, während die Verfassungen, bei denen sich das Parlament und die
Umsicht wäre der
Monarchie die Staatsgewalt teilten (jene von 1834,
Übergang zur
1845 und 1876), 62 Jahre in Kraft waren.
Demokratie nicht
Es ist daher nicht überraschend, dass es in einer
Gesellschaft, die von Jahrhunderte andauernden
möglich gewesen
Spannungen gezeichnet war, die ihren Ausdruck in
tief greifender sozialer Ungleichheit fanden, zu regelmäßig wiederkehrenden Krisen, Wechsel der politischen Systeme und Gewaltausbrüchen kam, die schließlich in den Bürgerkrieg von 19361939 mündeten. Angesichts eines solch mühsamen Wegs durch
die Geschichte verlief der politische Wechsel nach dem Tod Francos 1975 hin zur Demokratie in geradezu sanften Bahnen. Das
Fundament zu diesem Wechsel wurde bereits in den siebziger
Jahren gelegt. Spaniens Wirtschaft erfreute sich damals eines
beschleunigten Aufwärtstrends, der zweifelsohne dazu betrug,
den Drang nach Öffnung des politischen Systems zu verstärken
und die Überkommenheit der Diktatur noch deutlicher zu machen.
Ein einzigartiges Paradox des spanischen Übergangs in die Demokratie ergab sich aus der Tatsache, dass die rechtspolitischen
Normen der Diktatur, die so genannten Grundgesetze, herangezogen wurden, um ein neues Grundgesetz auszuarbeiten, das
eine Brückenfunktion zwischen der Vergangenheit und der neuen Demokratie erfüllen sollte.
Dieses Gesetz, das Gesetz zur politischen Reform, wurde im
September von der Regierung unter Vorsitz Adolfo Suárez’ erarbeitet und vom Parlament fast einstimmig gebilligt. Mit der Unterzeichnung dieses Gesetzes verfügte dieses Parlament, das als
Erbe des vorherigen Regimes anzusehen war, sein eigenes Ver-
138
[Der Staat und das politische Leben]
schwinden. Gegen Ende des Jahres wurde das Gesetz in einem
Referendum, bei dem die Opposition erfolglos zur Stimmenthaltung aufrief, mit überwältigender Mehrheit beschlossen. Die
Vorschriften des Gesetzes ermöglichten die Durchführung der
ersten demokratischen Wahlen im Juni 1977.
Ohne die gemäßigte und kluge Haltung der Mehrheit der politischen und gesellschaftlichen Kräfte, ohne das vom ganzen spanischen Volk demonstrativ gezeigte Verantwortungsbewusstsein
und die entschiedene Verpflichtung zum Übergang zur Demokratie seitens des spanischen Königs Juan Carlos I. wäre all dies
nicht möglich gewesen.
Die politischen Parteien
Die spanische Verfassung definiert die politischen Parteien in
ihrem Artikel 6 als Ausdruck des Pluralismus, Mittel zur Kanalisierung des Volkswillens und Instrumente zur politischen Mitbestimmung. Sie schützt ihre Gründung und ihre Aktivitäten und
legt fest, dass ihre Strukturen und Funktionsweise demokratisch
sein müssen.
Indem sie sie als Grundelemente des politischen Lebens
beschreibt, bietet die Verfassung ihnen einen rechtlichen Sicherheitsrahmen und vermeidet, dass sie aufgrund autoritärer Organisationsformen oder Praktiken das politische System gefährden.
Das Gesetz zur Regulierung der politischen Parteien von 1978
verfügt ihre Gründungsfreiheit und nennt Kriterien hinsichtlich
ihrer demokratischen Strukturen. Das Ausführungsgesetz über
die Finanzierung politischer Parteien (1987) regelt die Grundzüge der öffentlichen Parteifinanzierung. Das wesentliche Kriterium ist hierbei deren Vertretung im Parlament. Da ihre Mitgliederzahlen weit unter denen anderer Parteien Europas liegen,
ist eine öffentliche, auf den Wahlergebnissen basierende Finanzierung notwendig.
Das Parteiensystem spiegelt die gemäßigte ideologische Einstellung der spanischen Wählerschaft seit Beginn des Übergangs
zur Demokratie wider. Mehr als 150 Parteien oder Wahlbündnisse stellten sich 1977 mit etwa 4.500 Kandidaten zur Wahl.
Diese große Zahl wurde durch die Entscheidung der Wähler jedoch
drastisch reduziert. Es gibt ungefähr 500 formal im entsprechenden Register eingetragene Parteien. Nur 20 von ihnen erfüllen die minimal notwendigen Organisationsanforderungen und
noch weniger sind es, die in signifikanter Weise im nationalen
oder in den regionalen Parlamenten vertreten sind.
Folgende politische Parteien oder Wahlbündnisse sind derzeit im nationalen Parlament vertreten:
Partido Popular - PP (Volkspartei)
Sie ist die derzeitige Regierungspartei. Sie wurde 1976 unter dem
Namen Alianza Popular - AP (Volksallianz) von Manuel Fraga Iri-
139
Spanien heute
barne gegründet. Die PP definiert sich als die Partei der Freiheiten und ist als Mitte-Rechts-Partei einzustufen.
In den Wahlen von 1977 war ihr Ergebnis noch äußerst bescheiden. Doch schon 1982 verwandelte sie sich in die Partei mit dem
zweithöchsten Wählerzulauf im Land und stieg zur ersten Oppositionspartei auf. Ihre Fortschritte in den Parlamentswahlen von
1986 und 1989 waren gering. Einen weiten Schritt nach vorn
machte sie 1991 bei den Regional- und Gemeindewahlen. Dieser
Trend setzte sich auch in den Parlamentswahlen von 1993 fort.
1996 erreichte sie die relative Mehrheit und wurde Regierungspartei. Auch aus den Regional-, Gemeinde- und Europawahlen
am 13. Juni 1999 ging sie siegreich hervor. Ihren großen Sieg
errang sie im Jahr 2000 mit der absoluten Mehrheit von 183 Sitzen bei den Parlamentswahlen.
Partido Socialista Obrero Español - PSOE (Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens)
Sie ist die älteste Partei Spaniens. Gegründet wurde sie 1879 von
Pablo Iglesias, der Jahre später auch die Gewerkschaft „Unión General de Trabajadores“ - UGT (Allgemeine Arbeitergewerkschaft) gründete. 1979 nahm die PSOE Abschied von ihren marxistischen Forderungen, um sich den von der Mehrheit der sozialdemokratischen Kräfte Westeuropas vertretenen Thesen anzupassen. Im
politischen Spektrum Spaniens gehört sie zur gemäßigten Linken.
Aus den Parlamentswahlen von 1977 und 1979 ging sie als
stärkste Oppositionspartei hervor. Bei den Gemeindewahlen von
1979 zog sie als Regierungspartei in die wichtigsten Rathäuser
des Landes ein. Im Oktober 1982 erzielte sie mit 202 Abgeordneten bei den Parlamentswahlen die absolute Mehrheit. Sie regierte bis 1993, als sie bei den Wahlen die relative Mehrheit erhielt.
Bei den Parlamentswahlen im März 1996 musste sie die Regierungsverantwortung an die PP abgeben. In Jahr 2000 erzielte sie
mit 125 Sitzen ihr schlechtestes Wahlergebnis überhaupt, obwohl
sie die zweitstärkste Partei blieb.
José Mª Aznar
mit José Luis
Rodríguez
Zapatero
140
[Der Staat und das politische Leben]
Izquierda Unida - IU (Vereinigte Linke)
Gegründet 1986 handelt es sich um ein Wahlbündnis, das politisch links einzuordnen ist und aus folgenden Parteien besteht:
Partido Comunista de España (PCE), Partido de Acción Socialista
(PASOC), Izquierda Republicana (IR) und Candidatura Unitaria de
Trabajadores (CUT).
Auf der 7. Landesversammlung der Partei der sozialistischen
Aktion (PASOC) wurde beschlossen, der Organisationsstruktur der
IU den Rücken zu kehren, um die Parteisouveränität zurückzugewinnen. Vertreter des kritischen Flügels der Partei entschieden sich
jedoch für die Schaffung einer Strömung, um in kollektiver Weise an dem
IU-Projekt weiterzuarbeiten.
José Mª Aznar
mit Jordi Pujol
Federació Convergència i Unió - CIU
(Föderation Konvergenz und Union)
Es handelt sich hierbei um ein aus
zwei gemäßigt nationalistischen Parteien bestehendes Bündnis, das seit
1980 die Regierung in der Autonomen
Region Katalonien stellt. Diese beiden
Parteien sind die liberale Demokratische Konvergenz von Katalonien
(CDC) und die christliche Demokratische Union von Katalonien (UDC).
Bei den Parlamentswahlen von
1993 und 1996 war ihr Beitrag zur
Regierbarkeit des Landes entscheidend.
1993 unterstützten sie die PSOE, als
sie nicht die absolute Mehrheit erzielte, und 1996 die PP, die sich damals
in derselben Lage befand.
Partido Nacionalista Vasco - PNV
(Nationalistische Baskenpartei)
Diese Partei wurde 1895 von dem
bekannten baskischen Politiker Sabino Arana gegründet. Sie ist eine
gemäßigte christlich-nationale Partei
und stellt die Regierung des Baskenlandes. Bei den Regionalwahlen
2001 präsentierte sie sich in einer Koalition mit der Partei Eusko Alkartasuna, von der sie sich Jahre zuvor
getrennt hatte, und gewann die Wahlen mit relativer Mehrheit.
José Mª Aznar mit
Juan José
Ibarretxe
Coalición Canaria - CC (Kanarische Koalition)
Diese Anfang 1986 gegründete Gruppierung besteht aus einer
Reihe kleinerer politischer Formationen der Kanarischen Inseln:
141
Spanien heute
Agrupaciones Independientes de Canarias (AIC), Asamblea Majorera (A.M.), Centro Canario Nacionalista (CCN), Iniciativa Canaria
und Partido Nacionalista Canario (P.N.C.). Verbunden sind sie
durch ihre gemäßigt nationalistische und zentralistische Ausrichtung. Sie stellt die Regierung der Autonomen Region der Kanarischen Inseln.
Gemischte Gruppen
Ein wichtiges Phänomen im Parteiensystem Spaniens ist das Vorhandensein regionaler oder nationalistischer politischer Formationen, die sowohl auf Landesebene als auch auf Regional- und
Gemeindeebene vertreten sind. Zusätzlich zu den drei genannten Gruppen sind weitere zu nennen, die über eine eher geringe
Vertretungsstärke verfügen: Bloque Nacionalista Galego (BNG),
Esquerra Republicana de Catalunya (ERC), Eusko Alkartasuna (EA),
Chunta Aragonesista (CHA), Iniciativa per Catalunya-Verds (ICV) und Partido Andalucista (PA).
Parlaments-, Regional-, Gemeinde- und Europawahlen
Die Teilnahme der Spanier am politischen Leben erfolgt über die
Wahl von Vertretern. Es werden Wahlen auf vier verschiedenen
Ebenen durchgeführt.
Die Parlamentswahlen. Bei diesen Wahlen werden die Volksvertreter des nationalen Parlaments gewählt. Jede der beiden
Parlamentskammern verfügt über ein eigenes Wahlsystem. Für
das Abgeordnetenhaus gilt ein leicht abgeändertes Verhältniswahlrecht. Die Wahlkreise entsprechen den Provinzgrenzen und
verfügen aus der Logik des Systems heraus über mehrere Kandidaten.
Die Kandidaten werden auf festen Listen präsentiert. Die Anzahl der in jedem Wahlkreis zu
Die Teilnahme der
wählenden Abgeordneten errechnet sich wie folgt:
Spanier an der
Jeder Wahlkreis erhält automatisch mindestens zwei
Sitze. Die übrigen Mandate werden proportional
Politik erfolgt über
nach der Bevölkerungszahl auf die Provinzen vervier Wahlen auf
teilt. Aufgrund der demographischen Ungleichheit
unterschiedlichen
unter den Provinzen verfügt die Mehrzahl der Wahlkreise über eine niedrige Sitzzahl. Bei der AuszähEbenen
lung der Stimmen findet das Verfahren nach d’Hondt
Anwendung. Danach werden die erzielten Stimmen
jeder Partei nacheinander durch 1, 2, 3 usw. geteilt, bis die Zahl
der Sitze des entsprechenden Wahlkreises erreicht ist. Anschließend werden den höchsten Quotienten Sitze zugeordnet,
wobei die restlichen unberücksichtigt bleiben. Eine gesetzliche
Sperrklausel von 3% schließt die Kandidaten von der Sitzverteilung aus, die diesen Prozentsatz nicht erreichen. Diese Sperrklausel besitzt nur in großen Wahlkreisen Gültigkeit.
142
[Der Staat und das politische Leben]
Das spanische Wahlsystem
Wahlkörper
(Spanier im Alter von mind. 18 Jahren)
Politische Parteien
und Wahlbündnisse
Parlamentswahlen
Zweikammerparlament
350
Abgeordnete
des Abgeordneten
hauses
208
Senatoren
48
Senatoren
pro
Autonome
Region
Regionalwahlen
Parlamente der Autonomen
Regionen und der Städte mit
Autonomiestatut
Gemeinderatswahlen
Europawahlen
Europäisches
Parlament
85.572
Gemeinderatsmitglieder
64
Europaparlamentarier
1.169
50 Mitglieder
Abgeordnete
der Parlamente
der 17
von Ceuta
Regionalparamente
und Melilla
(gleichzeitig
Gemeinderatsmitglieder)
1.250
Provinzialratsmitglieder
Ministerpräsident
17
Präsidenten
der Autonomen
Regionen
2 Präsidenten
der mit
Autonomiestatut ausgestatteten Städte
(gleichzeitig
Bürgermeister)
8.104
Bürgermeister
43 Präsidenten
der
Provinzialräte
Quelle: Eigenproduktion
Der Senat verfügt über ein Mehrheitswahlsystem mit Einschränkungen in Wahlkreisen mit mehreren Kandidaten. Jeder
Wähler kann bis zu drei der vier in jedem Wahlkreis aufgestellten Kandidaten wählen. Gewählt wird durch Kennzeichnung der
gewünschten Kandidaten in einer Einheitsliste mit allen in alphabetischer Reihenfolge aufgeführten Kandidaten.
Nach diesem Verfahren werden 208 Senatoren gewählt. Dazu
kommen noch 46 weitere Senatoren, die von den Parlamenten
der Autonomen Regionen ernannt werden (ein Senator pro Autonome Region und ein weiterer pro 1 Million Einwohner).
Das Wahlverfahren für den Senat ist außergewöhnlich in Spanien, denn sowohl bei den Wahlen zu den Parlamenten der Autonomen Regionen als auch bei den Gemeinde- und Europawahlen
wird ein Wahlverfahren verwendet, das dem für das Abgeordnetenhaus ähnelt. Diese Ausnahme wird damit begründet, dass
der Senat eine territoriale Kammer ist.
Die Regionalwahlen. Sie erfolgen in allen 17 Autonomen Regionen Spaniens und in den Städten Ceuta und Melilla, die über ein
eigenes Autonomiestatut verfügen. Bei diesen Wahlen werden
die Vertreter der entsprechenden Parlamente gewählt. Ihre Größe
variiert entsprechend der Einwohnerzahl der jeweiligen Auto-
143
Spanien heute
nomen Region zwischen 33 und 135 Sitzen. Eine Ausnahme bildet hierbei das Baskenland. Dort werden unabhängig von der
Einwohnerzahl jedem historischen Gebiet 25 Abgeordnete zuerkannt. Die Gemeinderäte der Städte Ceuta und Melilla bestehen
ebenfalls aus 25 Personen.
Die Gemeindewahlen. Sie finden zeitgleich mit den Regionalwahlen in 13 Autonomen Regionen statt (da das Autonomiestatut von Katalonien, des Baskenlandes, Galiciens und Andalusiens die Möglichkeit einer vorzeitigen Parlamentsauflösung vorsieht, können die Präsidenten dieser Autonomen Regionen das
Datum für die Wahl in ihren Regionen festsetzen). Die Spanier der über 8.000 Gemeinden wählen ihre Gemeinderatsmitglieder in direkter Wahl. Anschließend wählen die Gemeinderatsmitglieder einen Bürgermeister. Der Wahlkreis ist die
Gemeinde.
Die Europawahlen. Bei dieser Wahl wählen die Spanier 64 Vertreter in das Europaparlament. Der Wahlkreis ist das gesamte Staatsgebiet. Ebenso wie bei den Abgeordnetenhauswahlen erhält der
Wähler auch hier eine feste Liste. Bei der Zuweisung der Sitze findet dasselbe Verfahren Anwendung wie bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus und den Regional- und Gemeindewahlen.
Die Bürger und die Verwaltung
Das demokratische System hat die Ende der 50er Jahre bereits
vorhandenen Konzepte im Bereich der Regelbestimmungen für
die Organisation der staatlichen Verwaltung und deren Beziehung zu den Bürgern vollkommen umstrukturiert, obschon diese für ihre Zeit schon sehr fortschrittlich waren Diese Umstrukturierung bestand im Wesentlichen in der Annäherung der Verwaltung an die Verwalteten. Erreicht wurde dies durch die
Autonomie lokaler Verwaltungseinrichtungen, die Schaffung der
Verwaltungen der Autonomen Regionen und durch eine Beteiligung der Bürger in den sie betreffenden Verwaltungsangelegenheiten.
Das Prinzip der Rechtmäßigkeit beim öffentlichen Handeln
erfordert nicht nur die vollständige Unterwerfung der Verwaltung unter das Gesetz, sondern auch die Möglichkeit aller Bürger, sich über die Verwaltungstätigkeit offen zu informieren
(Öffentlichkeitsprinzip). Ferner muss die Möglichkeit bestehen,
bei durch die Verwaltung verursachten Schäden eine Entschädigung zu erhalten. Dazu können Beschwerden eingereicht werden, die zunächst von der Verwaltung selbst bearbeitet werden
und dann, falls es notwendig sein sollte, an die Verwaltungsgerichtsbarkeit weitergeleitet werden. Die letzte Instanz ist in einem
solchen Fall der Oberste Gerichtshof.
144
[Der Staat und das politische Leben]
Die Verteidigung der Freiheiten
Die Rechte und Freiheiten der Bürger sind in Titel I der Verfassung zusammengefasst und werden in drei Abschnitte gegliedert. Jedem von ihnen wird aus rechtlicher Sicht ein bestimmter
Grad an Schutz zuerkannt. Im ersten Abschnitt werden die den
höchsten Schutz genießenden Grundrechte und Grundfreiheiten
aufgeführt: das Recht auf Leben und körperliche und moralische
Unversehrtheit; die Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses, der Religion und des Kults; die Freiheit und Sicherheit; das
Recht auf Ehre, auf die persönliche und familiäre Intimsphäre
und das Recht auf das eigene Bild; das Recht auf freie Wahl des
Wohnsitzes und Freizügigkeit im nationalen Hoheitsgebiet; das
Recht auf freie Äußerung und Verbreitung von Gedanken und
Meinungen; das Recht auf Versammlung, Vereinigung und Teilnahme; das Recht auf wirksamen Schutz durch Richter und Gerichte; prozessrechtliche und strafrechtliche Garantien; das Recht
auf Erziehung; das Recht, sich frei gewerkschaftlich zu organisieren und das Recht, Petitionen individuell oder kollektiv vorzubringen.
Diese Rechte und Freiheiten werden allein durch Ausführungsgesetze geregelt, zu deren Verabschiedung die absolute Mehrheit im Abgeordnetenhaus erforderlich ist. Sie sind durch
ordentliche Rechtsverfahren geschützt, die auf dem Vorrangsund Abkürzungsprinzip basieren. Bei Ausschöpfung des ordentlichen Rechtswegs können sie auch durch eine Verfassungsbeschwerde beim Verfassungsgericht eingefordert werden.
Die Verfassung von 1978 definiert Spanien als sozialen und
demokratischen Rechtsstaat, der sich zu Freiheit, Gerechtigkeit,
Gleichheit und politischem Pluralismus als den obersten Werten
bekennt.
Eine zweite Gruppe fasst jene Rechte und Pflichten zusammen, deren Schutz im Wesentlichen auf der Notwendigkeit beruht,
sie stets wie Gesetze zu behandeln. Sie sollen die Bürger zu aktiven Mitgliedern der Gemeinschaft machen und sie dazu befähigen, ihr eigenes Los mitzubestimmen (Antragsrecht, Wahlrecht,
Recht auf die Gründung politischer Parteien auf Initiative der
Bürger hin).
Im dritten Abschnitt sind die Leitprinzipien der Sozial- und
Wirtschaftspolitik enthalten. Hier werden die Sozialgesetze (Recht
auf Arbeit, Gewerkschaftsrecht, Recht auf Unternehmensfreiheit,
Recht auf Schutz der Gesundheit, Recht auf Kultur, Recht auf
Umwelt usw.) geregelt.
Abgesehen von den o.g. verfahrenstechnischen Garantien
besitzt das System zum Schutz der Grundrechte in Spanien einen
komplizierten Aufbau, angefangen bei dem Grundlegenden (Aufbau der Sicherheitsstrukturen) bis hin zu den die Sicherheit garantierenden Einrichtungen (Verfassungsgericht).
145
Spanien heute
Sicherheitskräfte und -polizei
Die öffentliche Sicherheit liegt ausschließlich im Kompetenzbereich des Staates. Ihre Aufrechterhaltung obliegt der Landesregierung. Die Regelung der Kompetenzen bezüglich der Sicherheit ist im Ausführungsgesetz über die Sicherheitskräfte und
-polizei von 1986 festgeschrieben.
Die Sicherheitskräfte und -polizei sind:
a) Die der Landesregierung unterstellten Sicherheitskräfte und
-polizei des Staates. Ihr Einsatzgebiet dehnt sich auf den gesamten Staat aus. Sie bestehen aus der Staatspolizei und der Guardia Civil. Ihre Aufgabe ist es, die freie Ausübung der Rechte und
Freiheiten zu schützen und die Sicherheit der Bürger zu garantieren.
Die Staatspolizei ist ein dem Innenministerium unterstelltes
bewaffnetes Organ von zivilem Charakter. Sie übt ihre Funktionen in den von der Regierung bestimmten Provinzhauptstädten,
Gemeindegebieten und Stadtkernen aus.
Die Guardia Civil ist ein Sicherheitskörper, der Mitte des 19.
Jh. erschaffen wurde. Es handelt sich bei ihr um ein dem Innenministerium und Verteidigungsministerium unterstelltes bewaffnetes Organ von militärischem Charakter. Sie übt ihre Funktionen in allen übrigen Gebieten des spanischen Hoheitsgebiets zu
Land und zu Wasser aus.
b) Die den Autonomen Regionen unterstellte Polizei. Einige Autonome Regionen haben im Rahmen der ihnen durch ihr Autonomiestatut zuerkannten Kompetenzen ein eigenes Polizeiorgan
geschaffen, das in der Verfassung und im Ausführungsgesetz über
die Sicherheitskräfte und -polizei festgeschriebene Beobachtungsund Schutzaufgaben wahrnimmt. Zu diesen Polizeiorganen gehören
unter anderem die Mosos d´Esquadra in Katalonien, die Ertzaina
im Baskenland und die Policía Foral in Navarra.
c) Die den Gebietskörperschaften unterstellte Polizei. Bei dieser Polizei handelt es sich um bewaffnete Organe von zivilem
Charakter mit hierarchischem Aufbau und Organisation. Die örtliche Polizei ist im Rahmen ihrer Zuständigkeit für die Anwendung und Umsetzung der speziellen am Ort geltenden Vorschriften verantwortlich.
Der Kampf gegen den Terrorismus
Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit sowie auf
die Freiheit der Meinungsäußerung sind grundlegende in der spanischen Verfassung verankerte Rechte. Diese Rechte werden ebenso wie in anderen Ländern durch den Terrorismus gefährdet, der
sich in die größte Gefahr für die Bürger, die demokratischen
Gesellschaften und den Rechtsstaat verwandelt hat. Diese Gefähr-
146
[Der Staat und das politische Leben]
dung kam in besonders dramatischer Weise durch die Anschläge vom 11. September 2001 zum Ausdruck. Diese tragischen
Ereignisse haben jedoch das Bewusstsein für die globale Reichweite des Problems geschärft und die Notwendigkeit deutlich
gemacht, nachdrücklich, auf globaler Ebene und vereint auf den
Terrorismus zu reagieren und die internationale Zusammenarbeit zu fördern, um ihn auszulöschen. Dies kommt in der Resolution 1373 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen und in
den während der außerordentlichen Versammlung des Europäischen Rats am 21. September 2001 getroffenen Entscheidungen
zum Ausdruck, die einen Antiterrorismusplan festlegten.
Dieses gravierende Problem sorgt in Europa für äußerste
Besorgnis. Daher ist der Kampf gegen den Terrorismus in einem
Raum der Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit vorrangig. Zudem
ist er das oberste Ziel während der spanischen EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2002.
In Spanien begannen die terroristischen Aktivitäten der ETA
bereits vor der Einführung der Demokratie in den 60er Jahren.
Sie verfolgen ein klares Ziel: Erzwingung der Unabhängigkeit des
Baskenlandes unter Anwendung von Gewalt. Dazu bediente sich
die ETA der Methoden bewaffneter Terrororganisationen wie Verbrechen, Entführung und Erpressung.
Mit der Ankunft der Demokratie, die allen Parteien und Organisationen unabhängig von ihren Zielen und Ideen die Tore zur
aktiven Arbeit öffnete, und nach einer Generalamnestie im Jahre 1977, hoffte die gesamte spanische Gesellschaft, dass die ETA
den bewaffneten Kampf beenden würde. Diese Hoffnung erfüllte sich jedoch nicht. Die Terrororganisation beschloss nicht nur,
die Gewalt nicht zu beenden, sondern sie intensivierte ihre kriminellen Aktivitäten.
Die spanische Verfassung von 1978 hat den so genannten
Staat der Selbstverwaltungen geschaffen und garantiert den Autonomen Regionen damit das Recht auf Selbstverwaltung. In einer
Wahl von 1979 entschieden sich 90% der Basken für das Autonomiestatut des Baskenlandes. Es schreibt dieser Region einen
Grad an Kompetenzautonomie und Selbstverwaltung zu, der den
anderer Autonomer Regionen in der Welt weit übersteigt. Einige
der Bereiche, in denen die baskische Regierung über Kompetenzen verfügt, sind die Justizverwaltung, „Concierto Económico“ (Finanzabkommen zur Regelung der steuerlichen Beziehungen zwischen der Zentralregierung und dem Baskenland), Infrastruktur, Industrie- und Wirtschaftsförderung, Raumordnung,
Gesundheit, Bildung und Ausbildung, Kultur und Verkehrswesen. Ferner verfügt das Baskenland über eine eigene Finanzbehörde und eine eigene Polizei.
Alle spanischen Regierungen waren den Folgen des Terrorismus ausgesetzt und sind unter Ausschöpfung aller gesetzlichen Mittel gegen ihn vorgegangen. Die spanische Gesellschaft
147
Spanien heute
und besonders die baskische und ihre Institutionen sind Opfer
der terroristischen Anschläge der ETA. Eine Ahnung von der
Größenordnung des Problems mag vielleicht die Anzahl der Opfer
geben: Ende 2001 waren es nahezu 1000.
Heute läuft jede Person in Spanien Gefahr, sowohl innerhalb
als auch außerhalb des Baskenlandes ein Opfer der Terroraktionen der ETA zu werden, unabhängig davon, welchen Beruf sie
ausübt, welcher Gesellschaftsschicht sie angehört oder welche
politische Einstellung sie hat. Hinzuzufügen sind den von der
ETA als Ziel ausgewählten Opfern nämlich jene, die es aufgrund
der wahllos verübten Attentate an öffentlichen Orten gibt.
Angemerkt sei an dieser Stelle, dass die spanischen Gesetze
weder die Todesstrafe noch das politische Verbrechen kennen.
In Spanien gibt es niemanden, der aus politischen Gründen im
Gefängnis ist.
Die demokratischen Kräfte haben im Laufe der Jahrzehnte
nicht nachgelassen, die ETA aufzufordern, die Waffen niederzulegen, der Gewalt zu entsagen und die demokratischen Spielregeln zu akzeptieren. Im Laufe der Zeit hat sich die Kluft zwischen der ETA und der Gesellschaft vertieft. Zeugen hierfür sind
die Massendemonstrationen zum Zeichen der Ablehnung und
als Antwort auf die Attentate in allen Städten Spaniens und die
systematische und allgemeine Verurteilung dieser Gewaltakte in
allen Medien.
Am 8. Dezember 2000 unterzeichneten die beiden großen
Parteien PP und PSOE ein Abkommen über die Freiheit und gegen
den Terrorismus, in dem sie erklären, dass „die Gewalt moralisch
verwerflich und vollkommen unvereinbar mit einem politischdemokratischen Handeln ist”. Sie stimmen überein, dass „die terroristische Gewalt unter keinen Umständen zu politischen Vorteilen führt”, da „der Frieden, das freie Zusammenleben und die
Achtung der Menschenrechte keine verhandelbaren Werte sind”.
Dieses Abkommen wurde von den wichtigsten Sozialpartnern
und gesellschaftlichen Gruppen bestätigt.
Während dieses ganzen Prozesses hat die intensive Arbeit
der Sicherheitskräfte nicht nachgelassen. Dies bestätigt sich durch
die Zerschlagung terroristischer Kommandos, die Verhaftung
von ETA-Mitgliedern sowie die Sicherstellung umfangreicher
Materialien zur Durchführung von Attentaten.
Im Antiterrorkampf zählt Spanien auf die Unterstützung und
Zusammenarbeit mit anderen Staaten, in denen festgestellt wurde, dass sich dort ETA-Mitglieder aufhalten. Die Zusammenarbeit mit Frankreich wird sowohl auf politischer als auch auf juristischer Ebene immer enger. Auch das Auslieferungsverfahren
ist zwischen Spanien und zahlreichen europäischen und iberoamerikanischen Staaten, mit denen die Zusammenarbeit gegen
die ETA intensiviert wurde, zu einem gewöhnlichen Vorgang
geworden.
148
Herunterladen