KONJUNKTUR 14. Januar 2016 DEUTSCHLAND AUF STABILEM WACHSTUMSKURS von Cornelia Koller 2015: Deutsche Wirtschaft wächst um 1,5 % Die deutsche Wirtschaft konnte 2015 das schwierige außenwirtschaftliche Umfeld abfedern und ist dank seiner robusten Binnennachfrage stärker als im Durchschnitt der letzten zehn Jahre gewachsen. Das Statistische Bundesamt hat heute die erste Schätzung für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2015 veröffentlicht. Danach ist das BIP um 1,7 % nach 1,6 % im Jahr 2014 gestiegen. Da das Jahr 2015 mehr Arbeitstage als das Vorjahr hatte, lag der BIP-Zuwachs 2015 kalenderbereinigt bei 1,5 % nach 1,6 % im Jahr 2014. Wichtigster Wachstumsmotor war wie erwartet der inländische Konsum. Die privaten Konsumausgaben legten um 1,9 % zu, die Konsumausgaben des Staats stiegen um 2,8 %. Erfreulich: auch die Investitionen stützten das Wirtschaftswachstum. Die Ausrüstungsinvestitionen nahmen um 3,6 %, die Bauinvestitionen um 0,2 % zu. Auch der deutsche Außenhandel gewann 2015 weiter an Dynamik: die Ausfuhren stiegen um 5,4 %, die Einfuhren mit 5,7 % wie erwartet allerdings noch etwas mehr. Vorläufigen Schätzungen des Statistischen Bundesamts zufolge soll das BIP im 4. Quartal 2015 um 0,25 % gegenüber dem Vorquartal gewachsen sein. Genaue Daten hierzu werden aber erst am 12. 2. (Schnellschätzung) bzw. 23. 2. (tiefer gegliedertes Ergebnis) veröffentlicht. Neuer Höchststand der Beschäftigung – Staatshaushalt weiter auf Konsolidierungskurs Der seit zehn Jahren anhaltende Aufwärtstrend bei der Beschäftigung setzte sich auch 2015 fort und die Zahl der Erwerbstätigen hat mit über 43 Mio. einen neuen Höchststand erreicht. Der Staatshaushalt beendete das Jahr 2015 vorläufigen Berechnungen zufolge das zweite Jahr in Folge mit einem Finanzierungsüberschuss in Höhe von 16,4 Milliarden Euro. Dies entsprach einer Überschussquote von 0,5 % des nominalen BIP. Der Anteil der Staatsverschuldung am nominalen BIP ging von 74,9 % auf 71,4% zurück. 1 2016: Deutschland wird in ähnlicher Größenordnung wachsen Wir erwarten, dass Deutschland im laufenden Jahr in ähnlicher Größenordnung wachsen wird. So sind die Rahmenbedingungen für eine Fortsetzung des Wachstumskurses unverändert vorteilhaft: Deutschland profitiert überdurchschnittlich von der ultralockeren Geldpolitik der EZB und dem historisch niedrigen Zinsniveau. Auch der schwache Euro und die weiter gesunkenen Ölpreise wirken stimulierend. Vor diesem Hintergrund hat sich die deutsche Konjunktur bisher sehr widerstandsfähig gegenüber den externen Schocks gezeigt. Das Ifo-Geschäftsklima hält sich allen Widrigkeiten zum Trotz auf hohem Niveau und hat sich im Verarbeitenden Gewerbe zuletzt sogar weiter aufgehellt. Dennoch treffen das weniger dynamische Wachstum in China und die Turbulenzen einiger Schwellenländer wie Brasilien das stark exportorientierte Deutschland mehr als andere westliche Industrienationen. Andererseits dürften die Exporte von der fortschreitenden Konjunkturbelebung des Euroraums sowie der robusten Nachfrage aus den USA und Großbritannien – gestützt durch den schwachen Euro – Rückenwind erhalten. Dies kann den Nachfragerückgang aus China und den Emerging Markets zu einem großen Teil auffangen. Abgefedert wird der etwas gedämpfte Exportausblick durch die anhaltend robuste Binnennachfrage. Solider Wachstumspfeiler wird dabei auch 2016 der Konsum bleiben, der durch die weiter zunehmende Beschäftigung (2015: +329.000 Erwerbstätige bzw. 0,8 % mehr als vor einem Jahr), steigende Löhne (die Tarifverdienste 2015 nahmen ohne Sonderzahlungen um 2,5 % zu) und die geringe Inflation (2015: 0,3 %) sowie das niedrige Zinsniveau gestützt wird. Vor diesem Hintergrund ist auch das GfKKonsumklima zuletzt wieder gestiegen. So liegt die Anschaffungsneigung weiter auf hohem Niveau und zeigt laut GfK, dass die Konsumfreude immer noch sehr ausgeprägt ist. Dies belegt auch die Entwicklung des Einzelhandels, der 2015 mit rund 3 % den höchsten Umsatzzuwachs seit 1994 verbuchen konnte. Wir erwarten zudem, dass die Konjunktur | 14. Januar 2016 1/3 Flüchtlingswelle zu zusätzlichen Staats- und Konsumausgaben führen wird. So ist damit zu rechen, dass die Flüchtlinge das Geld, das sie erhalten – ähnlich wie Hartz IV Empfänger – vollständig konsumieren. Sobald sich die Unsicherheit über die Entwicklung in den Emerging Markets legen wird, sollten auch die Unternehmen wieder etwas mehr in Maschinen und neue Anlagen investieren, sodass sich der Investitionsstau allmählich auflösen kann. Darüber hinaus wird die Baukonjunktur, insbesondere der Wohnungsbau, weiter vom niedrigen Zinsniveau profitieren. Zudem hat die Bundesregierung für den Zeitraum 2016 bis 2018 ein neues Investitionsprogramm in Höhe von 10 Mrd. Euro aufgelegt, von dem die Verkehrsinfrastruktur und der Städtebau profitieren werden. Dies wird den öffentlichen Bau stimulieren. Für 2016 erwartet die Bundesvereinigung Bauwirtschaft einen Umsatzzuwachs von 2,5 %. (2015: 2,0 %). Nach einer leichten Wachstumsdelle im Winter erwarten wir, dass die Konjunktur in Deutschland im Laufe des Jahres 2016 wieder stärker zulegen wird und im Jahresdurchschnitt um 1,7 % wachsen kann. Aufgrund des fiskalischen Impulses für die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen von wenigstens 0,6 %-Punkten des BIP könnte das Wirtschaftswachstum 2016 auch etwas höher ausfallen. Risiken für unseren Ausblick sehen wir weniger auf der wirtschaftlichen, denn auf der politischen Seite (Aufstieg rechtspopulistischer Parteien, Brexit). Konjunktur | 14. Januar 2016 2/3 IMPRESSUM Makro-Team Hamburg Dr. Holger Schmieding | Chefvolkswirt +49 40 350 60-8021 | [email protected] Wolf-Fabian Hungerland +49 40 350 60-8165 | [email protected] Berenberg Makro erscheint zu folgenden Themen: ► Konjunktur Geldpolitik Währungen Rohstoffe Emerging Markets Osteuropa Trends www.berenberg.de/publikationen Cornelia Koller +49 40 350 60-198 | [email protected] Wolfgang Pflüger +49 40 350 60-416 | [email protected] Dr. Jörn Quitzau +49 40 350 60-113 | [email protected] Wichtige Hinweise: Dieses Dokument stellt keine Finanzanalyse im Sinne des § 34b WpHG, keine Anlageberatung, Anlageempfehlung oder Aufforderung zum Kauf von Finanzinstrumenten dar. Es ersetzt keine rechtliche, steuerliche und finanzielle Beratung. Die in diesem Dokument enthaltenen Aussagen basieren auf allgemein zugänglichen Quellen und berücksichtigen den Stand bis zum Tag vor der Veröffentlichung. Nachträglich eintretende Änderungen können nicht berücksichtigt werden. Joh. 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