Meningeome

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Neuroonkologie
© Schattauer 2012
Meningeome
Moderne Diagnostik und Therapie
F. Roser
Klinik für Neurochirurgie, Universitätsklinikum Tübingen
Epidemiologie
Schlüsselwörter
Keywords
Meningeom, Mikrochirurgie, Strahlentherapie, Chemotherapie
Meningioma, microsurgery,
chemotherapy
Zusammenfassung
Summary
Meningeome repräsentieren die größte Gruppe intrakranieller Tumore bei Erwachsenen. In
den vergangenen Jahren ergaben sich für diese klinisch und morphologisch sehr heterogene Entität neue epidemiologische, radiologische, pathologische und genetische Erkenntnisse sowie diagnostische Möglichkeiten,
welche die Therapiemodalitäten beeinflusst
haben. Mikrochirurgische Resektion ist noch
immer die Therapie der Wahl, obgleich die
strahlentherapeutischen Möglichkeiten gerade bei inkomplett resezierten, rekurrierenden
oder höhergradigen Meningeomen sehr gute
Ergebnisse vorweisen können. Die meisten
Meningeome haben eine gute Langzeitprognose, jedoch verbleiben Fälle, bei denen trotz
wiederholten Resektionen, Strahlentherapien
und chemotherapeutischen Heilversuchen,
Rezidive auftreten. Wir beleuchten die klinisch-neuroradiologischen, pathologischen,
epidemiologischen und biologischen Erscheinungsbilder der Meningeome und diskutieren
die therapeutischen Möglichkeiten. Im interdisziplinären Konsens, mit Vernetzung grundlagenwissenschaftlicher Daten und klinischen
Erfahrungen wird es gelingen, das Management der Meningeome zu optimieren.
Meningiomas are the most common intracranial primary neoplasm in adults. Over recent years, interest in this clinically diverse
group of tumours has intensified, bringing
new questions and challenges to the front,
particularly in the fields of epidemiology, radiology, pathology, genetics, and treatment.
Surgery remains the primary treatment of
choice, although the use of fractionated radiotherapy or stereotactic single-dose radiosurgery is increasing for meningiomas that are
incompletely excised, surgically inaccessible,
or recurrent and either atypical or anaplastic.
Although most meningiomas have good longterm prognosis after treatment, some cases
remain complicated as repeated recurrencies
occur. We review various features of meningioma biology, diagnosis, and treatment and
provide an overview of the current rationale
for various therapeutic approaches. A team
approach, linking laboratory-based research
and multidisciplinary clinical practice, will be
an essential element to lead meningioma
management forward and beyond 2011.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Florian Roser
Klinik für Neurochirurgie
Universitätsklinikum Tübingen
Hoppe-Seyler Str.-3, 72076 Tübingen
Tel. 07071/29-86747; Fax -5245
[email protected]
Meningiomas – modern diagnostics and therapies
Nervenheilkunde 2012; 31: 599–605
eingegangen am: 20. November 2011;
angenommen am: 24. November 2011
Meningeome stellen die bedeutendste
Gruppe intrakranieller, mesodermaler Tumore dar. Harvey Cushing prägte 1922 den
medizinischen Terminus Meningeom als ein
aus der Hirnhaut entspringender Tumor
(1). Dies, obwohl Meningeome aus arachnoidalen Deckzellen entstehen, einer meta-
radiosurgery,
bolisch sehr aktiven Subgruppe arachnoidaler Zellen, welche an der Liquorresorption
beteiligt sind. Fast immer wachsen sie in die
Hirnhaut oder seltener in den darüber liegenden Knochen ein und können diesen zerstören. Somit ist der Terminus im Sinne seines Erscheinungsbildes gerechtfertigt.
Meningeome repräsentieren 13 bis 26% aller intrakraniellen Tumore, sind sehr häufig benigne, langsam und verdrängend
wachsend und doch so heterogen, dass das
Erscheinungsbild, der Spontanverlauf und
die therapeutischen Optionen sehr individuell sind (2, 3). In Deutschland erkranken
jährlich etwa 6/100 000 Menschen neu an
einem Meningeom, 2% aller Meningeome
werden bei Kindern und Jugendlichen diagnostiziert (4). Die höchste Inzidenz liegt
zwischen der 5. und 7. Lebensdekade. Frauen erkranken zwei- bis dreimal häufiger an
einem Meningeom als Männer, wobei allerdings die malignen Meningeome bei Männern und Kindern häufiger vorzufinden
sind (5, 6). Die Inzidenz steigt in den letzten
Jahrzehnten hauptsächlich durch zunehmende Bildgebung und steigende Lebenserwartung. Ein hereditäres Auftreten von
Meningeomen ist pathognomonisch bei
Patienten mit Neurofibromatose II schon
im Jugendalter ohne geschlechtliche Präferenz sowie im Gorlin-und-Cowden-Syndrom (7, 8).
Pathogenese
Nachgewiesener Risikofaktor für das Auftreten von Meningeomen ist ionisierende
Strahlung, häufig auch in niedrigen Dosen
(z. B. 8 Gy zur Behandlung von Tinea capitis in Israel der 1950er-Jahre) mit einer Latenzzeit von 35 Jahren (9), dann sehr oft
atypische Meningeome mit hohen Proliferationsindizes (10). Obwohl Meningeome
sehr häufig Progesteron- und Östrogenrezeptoren exprimieren und Frauen dreimal häufiger Meningeome entwickeln und
obwohl die Koinzidenz zwischen Brustkrebs und Meningeomen akzeptiert ist,
konnte kein Zusammenhang außerhalb der
Grundlagenforschung, zwischen dem Auftreten von Meningeomen und einer hormonellen Stimulation gefunden werden
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(11, 12). Der Nachweis des gehäuften Auftretens von Meningeomen durch verstärkten Mobilfunkgebrauch oder als Spätfolge
eines Schädelhirntraumas konnte in großen epidemiologischen Längsschnittstudien nicht erbracht werden (13–15).
Histologie
Die 2007 aufgestellte Subtypenklassifizierung listet neun niedriggradige Meningeomtypen auf (meningotheliomatös, fibrös,
transitional, psammomatös, angiomatös,
mikrozystisch, sekretorisch, metaplastisch
und lymphoplasmatisch), drei atypische
WHO °II (atypische, klarzellige, chordoide)
sowie drei maligne Meningeomtypen auf
(rhabdoide, papilläre, anaplastische) (3).
Der Proliferationsindex steigt von WHO °I
zu WHO °III sowie vom Erst- zum Rezidivtumor an (16). Atypische und anaplastische
Meningeome sind häufiger bei Männern zu
finden, wobei anaplastische Meningeome
eher primär auftreten und atypische Meningeome häufig aus WHO-°I-Tumoren im
Rahmen des Rezidivwachstums entstehen
(17). Die WHO-°III-Meningeome machen
etwa 1 bis 3% der Meningeome aus und
sind durch eine hohe Mitoserate (mindestens 20 Mitosen pro zehn Gesichtsfelder
von 0,16 mm2) mit Kernpolymorphien gekennzeichnet. Diese Tumore wachsen sehr
häufig infiltrierend in das Hirnparenchym
ein und weisen Tumornekrosen auf.
Pathogenese
Das proliferative Potenzial von Meningeomen wurde mit mehreren zytologischen
Markern untersucht, wobei sich der Ki-67
Index als sehr valide hinsichtlich der prognostischen Aussagekraft erwies (16, 18).
Die Expression des antiapoptotischen Proteins bcl-2 erniedrigt sich mit ansteigender
Malignität (19), auch scheint die Telomerase Aktivität einen kritischen Schritt in der
Pathogenese von atypischen und anaplastischen Meningeomen zu spielen (20).
PDGFß stimuliert bei Meningeomen die
Zellproliferation (21, 22), Metalloproteinasen haben das Potenzial die Basalmembranen zu zerstören und die Invasivität der
Meningeome einzuleiten (23–25).
Zytogenetik
Die genetischen Aberrationen in Meningeomen sind unter anderem eine Monosomie 22 und eine Mutationen des Neurofibromatose-Typ2-Gens (NF2), das auf
Chromosom 22 lokalisiert ist (26). Die Monosomie 22 wurde als erste zytogenetische
Auffälligkeit in soliden Tumoren bzw. Meningeomen nachgewiesen (27). Die
NF2-Genmutation führt zu einem Defekt
im Genprodukt Merlin (28). Ein Allelverlust an weiteren Stellen kann zur Tumorprogression beitragen, die zur Entwicklung
von atypischen und anaplastischen Meningeomen führt (29–32). Vor allem eine
1p-Deletion ist mit einem erhöhten Rezidivrisiko, Malignisierung und Tumorprogression verbunden (33, 34).
Prognostische Faktoren
Die meisten Meningeome haben eine gute
Prognose, die 5-Jahres-Überlebensrate
liegt bei über 80%, nach zehn Jahren 74 bis
79% (35). Der Spontanverlauf zeigt Wachstum in allen Meningeomen, jedoch in sehr
unterschiedlicher Bandbreite (Tumorverdopplungszeit von 0,5 bis 100 Jahren) (36).
Kalzifizierte, größere und spinale Meningeome wachsen langsamer, Tumore in jüngeren Patienten schneller. Die Kombination aus negativem Progesteronrezeptorstatus und hohem Proliferationsindex (Ki-67)
gilt als prognostisch ungünstig und ist trotz
radikalen Resektionen mit Rezidivwachstum vergesellschaftet (37). Atypische Meningeome haben aufgrund ihrer Rezidivneigung eine 5-Jahres-Überlebensrate von
57% (38). Höhere Rezidivraten zeigen sich
auch bei inkompletter Resektion (die 1957
aufgestellte Simpson-Klassifikation ist
noch immer Standard; 39), bei höherem
WHO-Grad, bei hämangioperizytärer Histologie, bei größeren Tumoren, bei hohen
Mitose- und Apoptoseraten sowie bei chromosomalen Aberrationen.
Klinik
Meningeome weisen keine krankheitsspezifischen Symptome auf und können aufgrund ihres langsam verdrängenden Wachs-
tums über eine sehr lange Zeit asymptomatisch sein. Mit 25 bis 40% gelten epileptische
Anfälle als die häufigsten klinischen Merkmale (40). Das Meningeom kann sich durch
Kompression, Irritation oder durch die Invasion der benachbarten Hirnregion klinisch manifestieren, die Symptome werden
dabei durch Lokalisation und Größe des Tumors bestimmt, können aber auch durch ein
vom Tumor hervorgerufenes perifokales
Ödem hervorgerufen sein. Die erhöhte Expression des „vascular endothelial growth
factor“ (VEGF) führt zur verstärkten Vaskularisierung und exzessiv gesteigerten Gefäßpermeabilität, die ein Ödem als Folge hat
(41). Insbesondere bei Tumoren kleinen
Umfangs kann das peritumoröse Ödem verantwortlich für die klinischen Symptome
sein (42–44).
So manifestiert sich ein parasagittales
Meningeom im mittleren Sinusdrittel
durch motorische Funktionsstörungen
(Mantelkantensyndrom), je nach komprimierter Hirnregion kann es zu Sprachstörungen, fokalen Anfällen oder Paresen
kommen. Geruchsverlust und Visusstörungen können bei Olfaktoriusmeningeomen oder Meningeomen des Tuberculum sellae auftreten. Die Keilbeinflügelmeningeome können je nach Lokalisierung
die Arteria carotis interna, den Nervus opticus oder Nervus oculomotorius umwachsen und so zu einer Visusverschlechterung
führen. Meningeome des Sinus cavernosus
beeinträchtigen die Hirnnerven III, IV und
VI. Nackenhinterkopfschmerz mit Gangstörungen und Schwindel können ein Hinweis eines Meningeoms des kraniozervikalen Übergangs sein. Isolierte Störungen
von Hirnnervenfunktionen (Hörverlust,
Schwindel, Doppelbilder, Fazialisparese)
sind oft Erstsymptome eines Schädelbasismeningeoms (씰Abb. 1).
Die MRT ist die sensibelste Methode zur
Diagnose und Interpretation von Differenzialdiagnosen von Meningeomen, da sie im
Gegensatz zur CT eine deutlich bessere
Weichteildarstellung gewährleistet. Moderne MRT-Sequenzen finden Anwendung bei
speziellen Fragestellungen zur venöse Drainage (SWI, susceptibility weighted imaging), MR-Angiografie, MR-Spektroskopie
zur Differenzialdiagnose von Metastasen
oder hirneigenen Prozessen, DTI-Sequenzen zur Darstellung des möglicherweise
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Abb. 1
Bildgebung in Meningeomen: kalzifiziertes petroclivales
Meningeom, ax. CTUntersuchung (A);
homogen KM-aufnehmendes Meningeom des linken Seitenventrikels, ax.
T1-gew. MRT (B); bilaterales orbito-spheno-petroclivales Meningeom, ax.
T1-gew. MRT (C);
rechts parietales
Konvexitätsmeningeom mit deutlichem
perifokalem Ödem,
ax. T2-gew. MRT (D);
en plaque Meningeom des Felsenbeins,
ax. T1-gew. MRT (E);
intraossäres Meningeom des rechten
Keilbeinflügels, ax.
knochengew. CT (F)
verlagerten Verlaufes der Pyramidenbahnen. Eine CT-Untersuchung bietet unerlässliche Informationen über die knöcherne Infiltration des Meningeoms speziell im
Bereich des Keilbeinflügels (45, 46). Auch
kann der CT-Nachweis von Verkalkung die
Behandlungsstrategie mit beeinflussen.
Die Angiografie bleibt speziellen Fragestellungen vorbehalten. Hier können dynamische Informationen über Gefäßversorgung und Drainage dargestellt werden.
Bei nachgewiesenem starkem Tumorblush
in der Angiografie kann eine selektive endovaskuläre Embolisation die darauf folgende Operation erleichtern und zur Verbesserung des postoperativen Outcomes
beitragen (47–49). Die Blutversorgung der
Meningeome erfolgt dabei meistens aus Arterien der Hirnhäute, eine piale Mitversorgung ist bei infiltrativen Meningeomen mit
perifokalem Ödem zu sehen. Mit nuklearmedizinischen Untersuchungen, wie dem
PET-MRT, können Zonen der Infiltration
besser dargestellt werden und so eine präoperative Planung und Volumenplanung
der Strahlentherapie optimieren (50).
Resektion
Das Therapieregime für Meningeome ist
individuell und interdisziplinär. Noch vor
20 Jahren galt die maximale chirurgische
Radikalität als Mittel der Wahl für alle Meningeome. Heute steht die Erhaltung der
Lebensqualität bei maximaler Überlebenszeit im Vordergrund. Daher haben sich
multimodale Therapieprogramme bewährt, die auf der Basis von Lokalisation,
Tumoreigenschaften und verschiedenen
individuellen Einflussfaktoren, z. B. Alter,
Komorbiditäten, aufgestellt werden. Ein
Großteil der Patienten mit Meningeomen
kann durch eine operative Resektion des
Tumors geheilt werden. Die Dringlichkeit
eines Eingriffs ist von der Größe, Lokalisation und Klinik abhängig. Ein „Wait-andscan“-Regime ist bei asymptomatischen
Tumoren egal welcher Lokalisation und
Größe gerechtfertigt, um die Dynamik des
Prozesses abschätzen zu können. Meningeome treten bevorzugt an der Falx cerebri
und der zerebralen Konvexität auf. Weniger
häufig sind die Meningeome der Frontobasis, der Region des Keilbeinflügels, des
Kleinhirnbrückenwinkels und noch seltener des Spinalkanals(51). Sehr selten treten
intraventrikuläre und orbitale Meningeome auf (52, 53). Der Anteil der aggressivsten, größten Tumore ist an der Konvexität
am höchsten und im Spinalkanal am niedrigsten (54; 씰Abb. 2, 3).
Die technischen und methodologischen
Innovationen in der Neurochirurgie können bei der Therapie der Meningeome unterstützend eingesetzt werden. Navigationshilfen unterstützen die Minimalinvasivität des Zuganges oder die Kontrolle des
Ausmaßes der Knochenresektion an der
Schädelbasis (55), fluoreszenzbasierte Resektionen können bei infiltrierenden Rezidivmeningeomen hilfreich sein (56), Ultraschallgeräte und die Neuroendoskopie
können das Tumorbett visualisieren (57).
Konvexität
Konvexitätsmeningeome haben aufgrund
ihrer chirurgischen Erreichbarkeit die
höchste Rate an radikalen Resektionen.
Wegen der Größe der Tumore findet man
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Abb. 2 Intraoperative Darstellung von Meningeomen: endoskopische Resektionskontrolle an der Schädelbasis (A); Tumorinfiltration an der Adventitia
der Art. carotis int. (B); piale Infiltration des Meningeoms (C); Eröffnung des
Optikuskanals rechts bei Infiltration durch Clinoidfortsatz-Meningeom (D);
häufiger atypische Meningeome. Klinisch
fallen diese Tumore durch lokalisationsbezogene Defizite und epileptische Anfälle
auf. Die Mitresektion der betroffenen Dura
ist für das Rezidivauftreten entscheidend;
die Frage, ob der auf den MRT-Aufnahmen
nachgewiesene „Dural-tail“-Tumor oder
reaktive Duraverdickung darstellt, ist nicht
eindeutig belegt (58, 59). Die Infiltration
venöser Sinus kann für das Ausmaß der Resektion limitierend sein. Zeigt die präoperative Bildgebung (CT-A, MR-A, Angiografie) einen verschlossenen Sinus sagittalis
mit vorhandenem venösen Umgehungskreislauf, so ist eine En-bloc-Resektion
möglich. Allerdings wachsen Tumorzapfen
oft im Bereich der in den distalen offenen
Sinus mündenden Umgehungsvenen ein,
die keinesfalls geopfert werden dürfen.
Schädelbasis
Frontobasale Meningeome sind aufgrund
des relativ stummen Hirnareals des fronta-
En-plaque-Infiltration der Dura am linken Felsenbein (E); Duraplastik nach
Komplettresektion eines Konvexitätsmeningeoms (F); Kleinhirnbrückenwinkel-Meningeom mit Verlagerung der N. VII/VIII (G)
len Kortex lange asymptomatisch und fallen erst spät durch Riechverlust oder zunehmender Antriebsarmut des Patienten
auf. Häufig zeigt sich ein transossäres
Durchwachsen des Tumors durch die Schädelbasis in die Nasennebenhöhlen, was eine
Rekonstruktion der Frontobasis nach Resektion des Tumors notwendig macht
(split-bone-graft, Galealappen). Die Nervi
olfactorii sind in solchen Tumoren meist
nicht zu erhalten. Eröffnete Stirnhöhlen
sollten zur Vermeidung von postoperativen
Mukozelen kranialisiert werden. Eine endoskopische transbasale-transsphenoidale
Resektion dieser Tumore ist von einigen
hochspezialisierten Zentren sehr erfolgreich durchgeführt worden (60, 61). Meningeome des Sinus cavernosus oder in diesen infiltrierende Tumoranteile sollten radiochirurgischen Verfahren vorbehalten
bleiben, da eine Resektion zu bleibenden
Hirnnervendefiziten führt (62–64).
Die Wahl des geeigneten Zugangsweges
zur Resektion von Schädelbasismeningeomen, welche oft mehrere Schädelgruben
betreffen, wird kontrovers diskutiert, ist jedoch immer abhängig von der Erfahrung
des Chirurgen. In den vergangenen Jahren
haben sich minimal-invasive standardisierte Zugänge gegenüber großen morbiditätsreichen kombinierten Zugängen bewährt,
da eventuelle nicht resezierbare Tumorreste sehr erfolgreich radiotherapeutisch
nachbehandelt werden können (65, 66).
Die Erhaltung lebenswichtiger Hirnnervenfunktionen ist in der Schädelbasischirurgie von entscheidender Bedeutung. Hier
kommt dem intraoperativen Monitoring
eine Schlüsselrolle zu. Nicht nur die Überwachung langer Bahnensysteme (SSEP,
MEP), sondern auch der Hirnnerven im
Operationsgebiet (N. III bis XII) sollten
durchgeführt werden, um eine Funktionsstörung frühzeitig zu detektieren (67, 68).
Spinal
Spinale Meningeome stellen eine Besonderheit dar. Wegen der engen Lagebezie-
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Abb. 3 Exemplarische Fallbeispiele A: großes bihemisphärisches Olfaktoriusmeningeom mit perifokalem Ödem (T2-gew. axial und T1-gew. cor.
MRT). Klinisch bestand eine Anosmie, Antriebsschwäche, Müdigkeit, Verschwommensehen. Mikrochirurgische Resektion über eine 3x2 cm große
fronto-laterale Kraniotomie über einen Augenbrauenschnitt. B: sphenopetro-
hung zum Rückenmark werden Meningeome früh symptomatisch und sind somit
fast immer benigne (psammomatös). Sie
neigen eher zur Kalzifizierung. Aufgrund
ihres – auch im Vergleich zu den intrakraniellen Tumoren – äußerst langsamen
Wachstums, kann ihre Größe im Verhältnis
zum Rückenmark enorm sein (69, 70). Die
chirurgische Resektion ist bei spinalen Meningeomen ohne Alternative (51). Elektrophysiologisches Neuromonitoring zur
Überwachung der Rückenmarkfunktion
hat sich als prognostisch günstig erweisen.
Ventrale en-plaque wachsende Meningeome können nicht radikal reseziert werden,
auch der durale Ansatz verbleibt oft in situ
(71). Dennoch sind die Rezidivraten nicht
höher, die Simpson-Klassifikation findet
keine Anwendung.
clivales Meningeom rechts. Über einen pterionalen Zugang Resektion des Tumors bis zur Wand des Sinus cavernosus, endoskopisch assist. Resektion der
Tumoranteile in der hinteren Schädelgrube. C: großes spheno-petroclivales
Meningeom. Komplette Resektion über einen retrosigmoidalen Zugang. Verlust des. N. trochlearis, klinisch gut kompensiert.
Das Therapieregime bei jungen Neurofibromatose Patienten, die unter einer oft
massiven Meningeomatose leiden, sollte individuell an den Gesamtstatus des Patienten
angepasst sein. Radikale Resektionen unter
Inkaufnahme eines hohen Morbiditätsrisikos haben genauso wenig Platz wie primäre
Strahlentherapien von Meningeomen in
den sehr jungen Patienten (75). Da es bei
Neurofibromatose Patienten aufgrund der
hohen Tumorlast um die langmögliche Erhaltung der Lebensqualität geht, hat sich die
chirurgische Dekompression unter kontinuierlichem elektrophysiologischen Monitoring bewährt. Bei nicht erfolgter Radikalität sind engmaschige Verlaufskontrollen
der gesamten Neuroachse zur Rezidivwachstumsbeurteilung notwendig (76).
Strahlentherapie
Ethische Aspekte
Chirurgische Morbiditätsraten im höheren
Lebensalter sind nicht signifikant höher,
selbst Schädelbasiseingriffe können sicher
durchgeführt werden (72). Eine sorgfältige
präoperative Evaluation ist aber notwendig
(73). Zufallsbefunde in höherem Lebensalter sollten zunächst beobachtet werden,
ggf. antiepileptisch anbehandelt werden.
Zeigt sich eine deutliche Wachstumstendenz, so sollte je nach Größe des Tumors
die Therapie eingeleitet werden. Die Radiochirurgie ist in multimorbiden Patienten
die Therapie der Wahl (74).
Der Fokus der Therapiemaßnahmen stützt
sich vor allem auf die chirurgische Entfernung des Tumors, da auf diese Weise eine
sofortige Volumenreduktion erzielt werden
kann. Eine nicht invasive Maßnahme, die
zur Nachbehandlung teilresezierter Tumore eingesetzt wird, stellt die stereotaktische
Radiochirurgie dar. Der hohe Grad an Präzision, der durch einen steilen Abfall der
Dosiskurven am Tumorrand gekennzeichnet ist, und die geringe Invasivität der Behandlung sind von zentraler Bedeutung.
Die Indikation zur postoperativen Bestrahlung besteht bei malignen oder ana-
plastischen Meningeomen, unabhängig
vom Resektionsstatus atypischen Meningeomen, inkomplett resezierten benignen
Meningeomen mit Rezidivwachstum in den
postoperativen Kontrollen (77). Die empfohlene Dosis beträgt 54 Gy, bei einer Einzeldosis von 1,8 Gy, 5×/Woche. Das Zielvolumen erfasst die Tumor- (oder Resttumor-)region mit einem Sicherheitssaum
von 2 bis 3 cm. Bei Optikusscheiden- und Sinus-cavernosus-Meningeom sowie inoperablem Keilbeinflügelmeningeom ist eine
fraktionierte 3D-Konformationsbestrahlung angezeigt. Maligne Meningeome werden mit einer Gesamtdosis von 60 Gy in 1,8
bis 2 Gy Einzeldosis bestrahlt, wobei der Sicherheitsabstand über 2 cm beträgt. Kleine
und umschriebene Meningeome mit einem
maximalen Durchmesser von 3,5 cm eignen
sich gut für die stereotaktische Einzeitbestrahlung (Radiochirurgie mit dem Linearbeschleuniger oder Gamma-Knife), vorausgesetzt sie haben einen ausreichenden
Abstand zu sensiblen Strukturen, insbesondere dem optischen System (20, 37, 38). Das
mittlere Dosisniveau liegt bei etwa 15 Gy
(der minimalen Dosis im Zielvolumen entsprechend). Die Radiochirurgie hat Bedeutung als primäre Therapie bei schwieriger
Tumorlokalisation, bei Patienten mit erhöhtem Operationsrisiko oder Meningeomatose (78–82). Sie wird ebenfalls eingesetzt als
adjuvante Therapie nach mikrochirurgischer Teilresektion. In Einzelfällen kann die
Behandlung wegen Rezidiven oder weiterer
Tumorprogression wiederholt werden.
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Chemotherapie
Chemotherapeutische Ansätze haben keinen eindeutigen Nutzen zeigen können.
Behandlungen bleiben Einzelfällen vorbehalten (83). Experimentelle Therapieansätze mit Hormonpräparaten oder Hydroxyurea (20 mg/kg/Tag Dauertherapie
über ein bis zwei Jahre) haben noch keinen
Eingang in die klinische Routine gefunden
und müssen ihre Wirksamkeit erst beweisen (84, 85). Auch antikörpergestützte Therapien wie mit anti-EGFR (Imatinib) (86),
Somatostatinen (87), Temozolomide (88)
oder Kalziumantagonisten (89) konnten
sich nicht etablieren. Bei anaplastischen
Meningeomen kann ein Therapieregime
wie bei Weichteilsarkomen oder mit antiVEGF (Avastin, Bevacizumab) als Heilversuch eingeleitet werden (90).
Trotz aller Fortschritte in der Diagnostik, den mikrochirurgischen Techniken, radiochirurgischen Behandlungsverfahren
und neuropathologischen Diagnosen, stellen viele Meningeome immer wieder eine
große Herausforderung dar, die nur interdisziplinär gelöst werden kann. Der Konflikt zwischen Funktionserhalt mit dem
Ziel hoher Lebensqualität, der Notwendigkeit, den Tumor zu behandeln, und dem
Problem der Langzeitkontrolle von inkomplett resezierten, atypischen oder anaplastischen Meningeomen verbleibt. Diese Entscheidungen basieren auf der Erfahrung
von Risiken und Chancen einer mikrochirurgischen Behandlung und der Strahlentherapie, aber auch deren Langzeitfolgen,
Fazit für die Praxis
Meningeome haben als größte Gruppe intrakranieller Tumore einen wichtigen Stellenwert in der Neuroonkologie. Die Therapieoptionen sollten auf der Basis aller notwendigen Informationen durch Bildgebung (MRT
und CT), Anamnese, Spontanverlauf (waitand-scan) und Begleitmorbiditäten individuell gestellt werden. Neben einer möglichst
funktionserhaltenen mikrochirurgischen Resektion, haben radiotherapeutische Verfahren einen hohen Stellenwert. Chemotherapeutische Heilversuche sind rezidivierenden,
strahlenresistenten oder höhergradigen Meningeomen vorbehalten.
insbesondere der Ausbildung sekundärer
Tumoren oder Nekrosen durch strahlenchirurgische Verfahren (91, 92). Die Hoffnung bleibt, dass „targeted therapies“ eine
individualisierte auf der molekulargenetischen Untersuchung des Tumors basierte
Chemotherapie, das Problem der trotz
mehrfachen Operationen und Strahlentherapien rezidivierenden Meningeome lösen
können (93).
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