2 Endokrinologie

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Endokrinologie
2.1 Schilddrüsendiagnostik
Leitlinie zur Schilddrüsendiagnostik (Version 2)1, 2
III. In-vitro-Diagnostik
Markus Dietlein, Jochen Dressler, Frank Grünwald,
Klaus Joseph, Bernhard Leisner, Ernst Moser,
Christoph Reiners, Johann Rendl, Harald Schicha,
Peter Schneider, Otmar Schober
1. Indikationen:
a. Bestandteil jeder Schilddrüsenfunktionsdiagnostik
b. TSH-Screening bei Neugeborenen
2. Standardmethoden: immunometrische Methoden der zweiten, dritten oder vierten Generation (IRMA, ILMA)
3. Qualitätskriterien:
a. funktionelle Assaysensitivität (TSH-Konzentration bei VK ≤ 20 %): < 0,1 mU/l
b. Messung von WHO- oder Medical Research Council (MRC) Standards mit ±5 %
des erwarteten Wertes
c. sichere Trennung von euthyreoten und hyperthyreoten Patientenkollektiven (Überlappung < 1 %)
d. kein High-Dose-Hook-Effekt bis zu einer
TSH-Konzentration von 300 mU/l
e. Parallelität von Verdünnungskurven von
Patientenseren zur Standardkurve (±10 %)
f. Kreuzreaktion mit anderen Glykoproteinen
(LH, FSH, hCG) < 0,01 %
4. Beurteilung:
a. Referenzbereich: meist 0,4−4,0 mU/l
b. bei Hypothyreose: > 4,0 mU/l
c. bei Hyperthyreose supprimiert: < 0,1 mU/l
d. bei klinischer Euthyreose und normalem
TSH zusätzliche Bestimmung der Schilddrüsenhormone nicht nötig!
I.
Zielsetzung
Diagnostik von Schilddrüsenkrankheiten mit Labormethoden und bildgebenden Verfahren
II. Definition
Schilddrüsenkrankheiten sind durch pathologische Veränderungen entweder der Morphologie
(Struma, benigne oder maligne) und/oder des
Funktionszustandes des Organs (Hypothyreose
oder Hyperthyreose) definiert. Die genaue Klassifikation der Schilddrüsenerkrankungen der
Sektion Schilddrüse der Deutschen Gesellschaft
für Endokrinologie befindet sich in den Tabellen
2-1 und 2-2.
1 Die vorliegende Leitlinie wurde abgestimmt zwischen
der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin (Vorstand, Arbeitsausschuss Klinisches Qualitätsmanagement, Arbeitsgemeinschaft Therapie, Arbeitsgemeinschaft Schilddrüse), der Deutschen Gesellschaft für
Endokrinologie (Sektion Schilddrüse) und der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (Chirurgische Arbeitsgemeinschaft Endokrinologie).
2 Aus: Nuklearmedizin 2003; 42: 109–15.
A.Basales TSH
B. TRH-Test
1. Indikationen: nur noch in Problemfällen
a. Non-Thyroidal Illness (NTI) und gleichzeitig Verdacht auf Schilddrüsenkrankheit
b. Vorliegen einer hypophysären oder hypothalamischen Erkrankung
2.1 Schilddrüsendiagnostik 19
Tab. 2-1 Einteilung der Schilddrüsenfunktionsstörungen (nach Sektion Schilddrüse 1985)
Hypothyreose
Hyperthyreose
1. Neugeborenen-Hypothyreose
1.
bei Immunthyreopathie
1.1
1.1
bei Morbus Basedow
angeboren (irreversibel)
1.1.1 bei Schilddrüsenaplasie
1.1.2 bei Schilddrüsendysplasie
1.1.2.1 entop
1.2bei anderen Immunkrankheiten
(z. B. Hashimoto-Thyreoditis)
2.
bei anderen Entzündungen
1.1.3 bei Iodfehlverwertung
3.
bei funktioneller Autonomie
1.1.4 bei peripherer Hormonresistenz
3.1
disseminiert
1.1.5 bei TSH-Mangel
3.2
unifokal (sog. autonomes Adenom)
1.2intrauterin erworben, z. B. durch
Iodmangel, Iodexzess, immunogen
3.3
multifokal
4.
bei Neoplasien
4.1
Adenome
4.2
Karzinome
1.1.2.2 ektop
2.
postnatal erworben
2.1
primär (mit und ohne Struma)
2.1.1 entzündlich
2.1.2 postoperativ
2.1.3 nach Strahlenbehandlung
2.1.4 durch strumigene Substanzen
2.1.5 bei extremem Iodmangel
2.1.6 anderer Art
2.2sekundär (hypophysär
bzw. hypothalamisch)
3.
periphere Hormonresistenz
2. Standardmethoden:
a. 200 µg TRH i. v. oder 1 mg als Spray nasal,
bei Kindern Dosis körpergewichtsbezogen
reduzieren
b. Zeitpunkt der zweiten Blutentnahme abhängig von der Applikationsart und der
Fragestellung: 30 min nach i. v. Applikation, 45 min nach nasaler Applikation bei
vermuteter primärer Schilddrüsenerkrankung. Bei vermuteter hypophysärer oder
hypothalamischer Erkrankung werden
Blutentnahmen über 2–3 h in Intervallen
von 30–60 min empfohlen.
5.durch TSH oder TSH-ähnliche
Aktivitäten
5.1
hypophysär
5.2
paraneoplastisch
6.
bei Iodexzess
7.durch exogene Hormonzufuhr
(Thyreotoxicosis factitia)
3. Beurteilung: Stimulationswert 2,5−25 mU/l,
Voraussetzung ist die Bestimmung des basalen
TSH nach obigen Qualitätskriterien!
C.Schilddrüsenhormone
1. Indikationen:
a. erniedrigtes (< 0,4 mU/l) oder supprimiertes (< 0,1 mU/l) basales TSH zum Ausschluss oder Nachweis einer manifesten
Hyperthyreose: Bestimmung von f T4 und
f T3 (bzw. TT3)
b. erhöhtes (> 4,0 mU/l) basales TSH: alleinige Bestimmung von f T4 ausreichend
20 2 Endokrinologie
Tab. 2-2 Einteilung der Schilddrüsenkrankheiten (nach Sektion Schilddrüse 1985 und WHO 1988)
Struma
Schilddrüsenentzündungen
A.
Befunddeskription
1.
akute Thyreoiditis
a.
entop (im Halsbereich)
1.1
eitrig
1.2
nicht eitrig (z. B. radiogen)
a.α. diffus
a.β. einknotig
a.γ. mehrknotig
b.
2.akut-subakute Thyreoiditis de Quervain
dystop
3.
chronische Thyreoiditis
b.α. intrathorakal
3.1
Immunthyreopathie
b.β. Zungengrundstruma
3.1.1 Struma lymphomatosa Hashimoto
B.
Pathogenese
1.
bei Iodmangel
2.
durch strumigene Substanzen
3.
mit Autonomie
4.bei Zystenbildung, durch Blutung, nach
Trauma
5.
bei Immunthyreopathien
6.
bei anderen Entzündungen
7.
bei Schilddrüsentumoren
3.1.2 atrophische Thyreoditis
3.2
invasiv-sklerosierend (Riedel-Struma)
3.3spezifische Entzündungen
(z. B. Tbc, Sarkoidose)
4.andere (sog. silent oder postpartale
Thyreoditis) Schilddrüsentumoren
I.
epitheliale Tumoren
A.
benigne
1.
follikuläres Adenom
2.
andere
bei Akromegalie
B.
maligne
10.
bei Iodfehlverwertung
1.
follikuläres Karzinom
11.
bei Hormonresistenz
2.
papilläres Karzinom
3.
medulläres Karzinom
4.
undifferenzierte Karzinome
5.
andere
II.
nicht epitheliale Tumoren
A.
benigne
B.
maligne
III.
maligne Lymphome
IV.
andere
VI.
unklassifizierbare Tumoren
8.bei neoplastischer Produktion von TSH
oder TSH-ähnlichen Aktivitäten
9.
12.bei Befall der Schilddrüse durch
extrathyreoidale bzw. systemische
Erkrankungen
13.
andere
VII. „tumor-like lesions“
2.1 Schilddrüsendiagnostik 2. Standardmethoden:
a. 2-Schritt-Verfahren
b. 1-Schritt-Verfahren
c. Indexmethode
3. Qualitätskriterien: 2-Schritt-Verfahren und
moderne 1-Schritt-Verfahren sind weniger
störanfällig und deshalb Analog-Tracer-Methoden vorzuziehen.
4. Beurteilung:
a. Bei Kindern liegen höhere, bei Älteren
(> 60 Jahre) niedrigere Hormonspiegel vor,
deshalb sind altersentsprechende Referenzbereiche erforderlich!
b. Fehlbestimmung freier Schilddrüsenhormone in folgenden Situationen möglich
• bestimmte Medikamente (z. B. Heparin,
Barbiturate, Acetylsalicylsäure usw.).
• schwerkranke Patienten mit NTI-Syndrom
• Schilddrüsenhormonantikörper
• angeborene Anomalien der Schilddrüsenhormonbindungsproteine (bei Index-Methoden!)
D Schilddrüsenautoantikörper
1. Antikörper gegen den TSH-Rezeptor (TSHR-AK)
a. Indikationen:
• Abgrenzung immunogene/nicht immunogene Hyperthyreose
• bei Hyperthyreose und gleichzeitiger
endokriner Orbitopathie entbehrlich
• bei Schwangeren mit bestehendem oder
zurückliegendem Morbus Basedow
b. Standardmethoden: Radioligandenassay
mit solubilisierten Thyreozytenmembranen vom Schwein; besser Assaysysteme der
zweiten Generation (ILMA), bei denen als
Antigen der rekombinante menschliche
TSH-Rezeptor eingesetzt wird
c. Beurteilung:
• in etwa 80 % bei Patienten mit unbehandeltem Morbus Basedow TSH-R-AK
nachweisbar, bei den Assays der zweiten
Generation in mehr als 90 % der Patienten
• selten bei Patienten mit Thyreoiditis Hashimoto oder atrophischer Thyreoiditis
21
• keine Aussage über die funktionelle Aktivität von TSH-R-AK
• kein gesicherter Stellenwert in der Ver-
laufsbeurteilung des Morbus Basedow
hohe Titer sprechen jedoch für
hohe Rezidivgefahr
2. Antikörper gegen Schilddrüsenperoxidase
(TPO-AK)
a. Indikationen: Verdacht auf chronisch lymphozytäre Thyreoiditis
• bei echoarmer Binnenstruktur im Sonogramm, insbesondere vor Einleitung
einer Therapie mit Iodid
• bei latenter oder manifester Hypothyreose
• Abgrenzung einer immunogenen von
einer nicht immunogenen Hyperthyreose
b. Standardmethoden: RIA, IRMA, ILMA,
ELISA mit gereinigter humaner oder rekombinanter Schilddrüsenperoxidase als
Antigen
c. Qualitätskriterien:
• Quantifizierung in internationalen Einheiten (IU/l)
• Referenzpräparation: MRC 66/387
• Referenzbereich sollte in jedem Labor
überprüft und neu erstellt werden.
• Hämagglutinationstests sollten wegen
ihrer geringen Sensitivität nicht mehr
verwendet werden.
d.Beurteilung:
• bei Hashimoto-Thyreoiditis oder atrophischer Thyreoiditis in etwa 90 % der
Fälle erhöht
• Inzidenz bei Morbus Basedow geringer
• mäßig erhöhte Titer auch bei nicht immunogenen Schilddrüsenerkrankungen
• leicht erhöhte Titer gelegentlich bei älteren Menschen ohne Schilddrüsenerkrankungen
3. Antikörper gegen Thyreoglobulin (Tg-AK)
a. Indikationen:
• Verdacht auf chronisch lymphozytäre
Thyreoiditis, wenn TPO-AK negativ
sind
• in Zusammenhang mit der Bestimmung
von Thyreoglobulin
• sehr
22 2 Endokrinologie
b. Standardmethoden: RIA, IRMA, ILMA,
ELISA
c. Qualitätskriterien: siehe TPO-AK
d. Beurteilung:
• bei etwa 60−70 % der Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis oder atrophischer
Thyreoiditis nachweisbar
• bei etwa 20−40 % der Patienten mit
Morbus Basedow nachweisbar
E.Thyreoglobulin (Tg)
1. Indikationen:
a. Verlaufskontrolle des differenzierten
Schilddrüsenkarzinoms
b. konnatale Hypothyreose
c. Hyperthyreosis factitia
2. Standardmethoden: IRMA, ICMA
3. Qualitätskriterien: funktionelle Assaysensitivität: ≤ 1 ng/ml bei Interassay-CV ≤ 20 %
4. Beurteilung:
a. zur Abschätzung einer möglichen Interferenz von Tg-AK
• initial Tg-AK bestimmen; wenn Tg-AK
erhöht, spätere Verlaufskontrollen
• Bei jeder Tg-Bestimmung ist ein Wiederfindungstest obligatorisch!
b. High-Dose-Hook-Effekt bei Wiederfindung ≤ 80 % beachten!
F. Calcitonin/Pentagastrin-Test
1. Indikationen: medulläres Schilddrüsenkarzinom: Verdacht, Nachsorge und Verlaufskontrolle
2. Standardmethoden: Two-Site-Immunoassays: ICMA, ELISA
3. Qualitätskriterien: funktionelle Assaysensitivität sollte bei 1 pg/ml liegen
4. Beurteilung:
a. Erhöhung bzw. grenzwertig hohes basales
Calcitonin bei Patienten mit medullärem
Schilddrüsenkarzinom
b. erhöhte Calcitonin-Spiegel auch bei anderen Tumoren wie Karzinoiden, kleinzelligen Bronchialkarzinomen, selten auch bei
Mamma- und Magenkarzinomen
c. eindeutiger Anstieg im Pentagastrintest
beweisend für ein manifestes medulläres
Schilddrüsenkarzinom
d. grenzwertiger oder fehlender Anstieg bei
den anderen Tumoren
G.Iodbestimmung im Urin
1. klinische Indikationen: bei klinischem Verdacht Ausschluss bzw. Nachweis einer Iodkontamination bei
a. Patienten mit klinisch schwer verlaufender
Hyperthyreose bzw. thyreotoxischer Krise
b. Patienten mit therapieresistenter Hyperthyreose unter üblich dosierter thyreostatischer Therapie
c. Patienten mit malignen Schilddrüsenerkrankungen vor Diagnostik oder Therapie
mit radioaktivem Iod
d. Kindern mit kongenitaler Hypothyreose
2. Standardmethoden:
a. automatisierte Methoden:
• Technikon-Autoanalyzer
• HPLC
b. nicht automatisierte Methoden:
• Cer-Arsenit-Methode
nach Wawschinek
• Ammoniumpersulfat-Methode
nach Pino
c. semiquantitative Methoden:
• Urojod®-Test
• Fast-B-Methode nach Dunn
3. Qualitätskriterien:
a. Herstellung von Standardpräparationen:
Kaliumiodat (KIO3) oder Kaliumiodid
(KI)
b. Interassay-CV der quantitativen Methoden
für Konzentrationen ≤ 50 µg/l unter 25 %,
bei Konzentrationen > 50 µg/l unter 15 %
c. Wiederfindungsrate für Iod sollte generell
zwischen 90 und 110 % liegen
d. interne Kontrollprobe obligat, z. B. gepoolter Urin mit Konzentration im Bereich
50−100 µg/l
4. Beurteilung:
a. in Iodmangelgebieten Konzentrationen
< 100 µg Iod/l bzw. < 100 µg Iod/g Kreatinin typisch
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