BAUSCHÄDEN Gebäudeschadstoffe – erkennen, bewerten, beseitigen Die Autorinnen Dipl.-Ing. Petra Pohling, Dresden TEIL 1 Dipl.-Ing. (FH) Sabrina Wurm, Gelsenkirchen Müller-BBM GmbH 1 Einleitung Als Schadstoffe werden im Allgemeinen chemische Stoffe bezeichnet, die den Menschen und die ihn umgebende Umwelt wie Wasser, Boden, Luft und alle darin lebenden Organismen, schädigen können. Typische Gebäudeschadstoffe sind Asbest und künstliche Mineralfasern, polychlorierte Biphenyle (PCB), polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), schwerflüchtige Schadstoffe wie Holzschutzmittel sowie leichtflüchtige Schadstoffe wie beispielsweise Formaldehyd und nach neuerer Lesart auch biologische Gefährdungen, die u. a. aus der Anwesenheit von Schimmelpilzen, Bakterien und Taubenkot resultieren. In der Vergangenheit wurden Stoffe, die heute gemeinhin als Schadstoffe bezeichnet werden, aufgrund ihrer Materialeigenschaften in großem Umfang bei der Errichtung von baulichen Anlagen eingesetzt. Im Laufe der Zeit wurden die gesundheitlichen Auswirkungen für Verarbeiter und Nutzer deutlich, so dass es nach und nach zu Herstellungs- und Verwendungsverboten kam. So wurden in der BRD die Verbindung PCB in offenen Systemen im Jahr 1978 und die Verwen- dung von Spritzasbest 1979 verboten. 1986 hat der Gesetzgeber den Einsatz von pentachlorphenolhaltigen Holzschutzmitteln in Innenräumen verboten und 1988 einen Emissionsgrenzwert für Holzplatten und Holzwerkstoffe, bezogen auf Formaldehyd, festgelegt. 1997 trat die Teerölverordnung in Kraft, die die Verwendung PAK-haltiger Holzschutzmittel untersagte. Viele dieser Produkte sind jedoch in Bestandsgebäuden nach wie vor zu finden. Durch steigende Sensibilität der Nutzer und aufgrund gesetzlicher Anforderungen, zum Beispiel in den Landesbauordnungen, werden Sanierungsmaßnahmen immer häufiger erforderlich. 2 Sanierungsnotwendigkeit Aufgrund ihrer Verbreitung sind Gebäudeschadstoffe nahezu immer ein Thema, wenn in die Bausubstanz von Bestandsgebäuden eingegriffen werden soll. Sinnvollerweise wird im Vorfeld aller weiteren Planungen ein Schadstoffkataster erstellt. Nur so ist gewährleistet, dass alle folgenden Maßnahmen nicht durch das »plötzliche« Auftreten von Schadstoffen verzögert und die Bauarbeiten dadurch unkalkulierbar verteuert werden. Abb. 1: Gefahr der Schadstoff­ freisetzung beim Abbruch 20 Als Gründe für Baumaßnahmen an Bestandsgebäuden seien erwähnt: Energetische Ertüchtigung von Fassade, Dach oder Fenstern Umbau Erweiterung/Anbau Barrierefreies Ausrüsten Umwandlung von Gewerbe- und Betriebsstätten in Wohnbebauung oder Büros Brand-, Wasser- oder Sturmschäden 3 Erkundung und Bewertung Die Erfassung der Schadstoffbelastung einer baulichen Anlage erfordert umfassende Kenntnisse und intensive Untersuchungen. Das Gebäude ist von außen und von innen zu begutachten, wobei zuerst alle zugänglichen Bereiche überprüft werden sollten. Nach diesem ersten Überblick wird ein Probenahmeplan erstellt, der auch Bauteilöffnungen und Materialprobenahmen beinhaltet. Möglicherweise kann es auch erforderlich werden, Kontakt-, Abklatsch-, oder Hausstaubproben zu entnehmen bzw. Raumluftmessungen durchzuführen. Als Grund­ lage dienen alle vorhandenen Informationen über das Gebäude und die Nutzung seit der Errichtung. Eine sehr umfangreiche Auflistung möglicher SchadstoffQuellen ist in der Indikativliste in [1] veröffentlicht. Die entnommenen Proben werden auf Schadstoffe analysiert, wobei der Analysenumfang sachverständig vorgegeben wird. Die Ergebnisse werden bewertet, um auf dieser Grundlage ein Schadstoff-Kataster zu erstellen. Hierin sind Schadstoffart und -menge den jeweiligen Fundstellen und den vergleichbaren Baustoffen sowie daraus möglicherweise resultierende Sekundärkontaminationen zugeordnet. Damit ist das Gebäude und die vorhandenen Schad- Der Bausachverständige 2 · 2012 BAUSCHÄDEN stoffe erfasst, die Sanierungsarbeiten können geplant werden. Maßgeblich sind unter anderem die Technischen Regeln Gefahrstoffe wie die TRGS 519 »Asbest: Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten«, die TRGS 521 »Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten mit alter Mineralwolle«, die TRGS 524 »Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten in kontaminierten Bereichen« sowie die berufsgenossenschaftliche Regel BGR 128 »Kontaminierte Bereiche«. Die Zuordnung der Gebäudeschadstoff-kontaminierten Abfälle erfolgt gemäß der Abfallverzeichnis-Ver­ordnung gegebenenfalls in Absprache mit dem Entsorger. Im Folgenden werden einzelne Schadstoffe, die bei umfassenden Gebäudebegehungen mindestens zu beachten sind, kurz vorgestellt. Die genannten Abfallschlüsselnummern sind dabei als Beispiel gedacht und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Grundsätzlich wird bei der Bewertung der Schadstoffbelastung von Gebäuden unterschieden zwischen: primären Belastungen ⇒ Eintrag über verwendete (Bau-)Produkte sekundären Belastungen ⇒ ursprünglich unbelastetes Material wird kontaminiert nutzungsbedingten Belastungen ⇒ gewerblich, produktionsbedingt Gebäudeunterhalt ⇒ Reinigungsmittel, Desinfektions- und Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen biologischen Belastungen ⇒ Schimmelpilze, Bakterien, Taubenkot [2,3,4,5,6 und 8] 3.1 Asbest Als Asbest werden natürlich vorkommende Silikate mit spezifischer Faserstruktur bezeichnet. Sie wurden entweder in schwachgebundenen Produkten, wie z. B. Spritzasbest, oder in festgebundenen Produkten, wie z. B. Asbestzement, eingesetzt. Asbest ist hitze- und weitestgehend chemikalienbeständig sowie wasserabweisend. Diese erwünschten Materialeigenschaften führten zu einer Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten für asbesthaltige Produkte. Sie wurden beispielsweise als Dach- bzw. Fassadeneindeckung, Fensterbänke, Asbestzementrohre, Bodenbeläge, Brandschutzverkleidungen sowie in Putzen, Farben und Spachtelmassen verwendet. Bereits 1924 wurde durch einen britischen Mediziner ein Zusammenhang zwischen der Arbeit mit Asbestfasern und dem vermehrten 2 · 2012 Der Bausachverständige Abb. 2: Asbestfaser unter dem Rasterelektronenmikroskop (© Müller-BBM GmbH) Abb. 3: Asbesthaltige Brandschutzdecke in einer Tischlerei Auftreten einer spezifischen Lungenerkrankung, daraufhin Asbestose genannt, festgestellt. Bis zum EU-weiten Verbot der Verwendung von Asbestfasern dauerte es jedoch bis zum Jahr 2005. In Ländern außerhalb der EU wird Asbest weiterhin abgebaut und verwendet. Die Gefährlichkeit der Asbestfasern resultiert aus ihren spezifischen Eigenschaften. Sie sind hinreichend lang und dünn, um z. B. in die Lunge vorzudringen, und werden im Organismus nicht abgebaut (biopersistent). Als typische Asbesterkrankungen gelten neben der Asbestose, das Mesotheliom, ein Rippenfell-Tumor, sowie Lungen- bzw. Kehlkopfkrebs. Eingebaute Asbestprodukte müssen unter bestimmten Umständen saniert werden. Hierfür sollte eine sachverständige Begutachtung erfolgen, bei der Kriterien z. B. nach der Asbestrichtlinie überprüft und bewertet werden. Relevant sind dabei die Art der Asbestverwendung, die Asbestart, die Struktur und der Zustand der Oberfläche des Asbestproduktes, die Beeinträchtigung des Asbestproduktes von außen, die Raumnutzung und die Lage des Produktes. Nach der Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) werden asbesthaltige Abfälle als gefährliche Abfälle eingestuft, beispielsweise mit den Abfallschlüsselnummern 17 06 01* (Dämmmaterial, das Asbest enthält) bzw. 17 06 05* (asbesthaltige Baustoffe). [7] sche Stabilität als Dämm- und Isoliermaterial eingesetzt. Man findet sie in der Wärme- und Schalldämmung von Decken und Wänden, als Dämmmaterialien an Rohrleitungen oder in Brandschutzprodukten. Glas- und Steinwolle geben bei der Bearbeitung und auch während der späteren Nutzung Fasern ab. Diese stehen je nach Länge, Breite und möglicher Biopersistenz im Verdacht, krebserzeugend zu wirken. Dies betrifft jedoch vor allem Mineralwolle, die vor dem Jahr 2000 hergestellt und eingebaut wurde. Bei diesen Produkten ist im Einzelfall zu prüfen, ob es sich um »alte« KMF mit möglicherweise krebserzeugenden Eigenschaften handelt. Eine Richtlinie zur Bewertung der Dringlichkeit einer Sanierung beim Vorliegen von »alten« KMF existiert nicht. Auch Grenzwerte für die Bewertung der Innenraumluft sind nicht veröffentlicht. Beim Umgang mit KMF der »alten« Generation zum Beispiel im Rahmen von Umbau- und Sanierungsarbeiten ist die TRGS 521 zu beachten. Sie beschreibt die erforderlichen Schritte zu Informationsermittlung, Gefährdungs- 3.2 Künstliche Mineralfasern Als künstliche Mineralfasern (KMF) werden im Baubereich glasartige Fasern aus Glas- oder Steinwolle bezeichnet. Sie unterscheiden sich vor allem in der Zusammensetzung ihrer Rohstoffe. Für Glaswolle wird als Hauptbestandteil bis zu 80 % Altglas eingesetzt, während Steinwolle zum überwiegenden Teil aus Gesteinsarten wie Basalt besteht. KMF werden aufgrund ihrer günstigen Eigenschaften wie Unbrennbarkeit und thermi- Abb. 4: Steinwolle an einer alten Steigleitung 21 BAURECHT Probleme der Schadstofflasten in Gebäuden Der Beitrag behandelt aus bautechnischer und aus juristischer Sicht die höchst praxisrelevante Frage, wie mit gesundheitsgefährdenden Baustoffen umzugehen ist. I. Einleitung Immer mal wieder liest man in der Zeitung oder hört in den Nachrichten von der zeitweisen Schließung öffentlicher Gebäude, weil bei Instandsetzungs- oder Sanierungsarbeiten vollkommen überraschend Schadstoffe – zumeist Asbest – gefunden wurden. In der Folge verzögern sich die Sanierungsarbeiten zumeist über Wochen und Monate. Die Kosten dafür trägt der Auftraggeber, und damit bei öffentlichen Gebäuden i.d.R. der Steuerzahler. Solange die aus Brandschutzgründen mit Spritzasbest ausgerüstete Decke der Inaugenscheinnahme durch darunter angeordnete sichtbare Deckenkonstruktionen entzogen war und kein Sanierungsbedarf bestand, war das Material Asbest, das aus heutiger Sicht einen gesundheitsgefährdenden Schadstoff darstellt, vergessen. Erst mit Durchführung der Sanierungsarbeiten ergibt sich die Frage nach dem seltsamen Material an der Deckenunterseite. Mit der Erkenntnis »Das ist ja Asbest!« folgt das Erschrecken ob dieser Tatsache bei den Baubeteiligten. Denn jetzt kostet es Zeit und Geld. Der Spritzasbest wird im Sinne des Wortes zur Last – zur Schadstofflast. Nun ja, es war ja vorher auch schon da, nur wusste keiner mehr was davon, und in der Vorbereitung der Maßnahme hatten alle Beteiligten diese Tatsache ignoriert, und so hing die Schadstofflast wie ein Damoklesschwert über der Baumaßnahme. Bei manchen Baustoffen ist es so, dass sich erst nach einigen Jahren herausstellt, dass diese gesundheitsgefährdend sind. Wie ist damit umzugehen? Hat dies eine Auswirkung auf die Veräußerbarkeit einer Immobilie oder auf deren Vermietbarkeit? Der nachfolgende Artikel versucht diese Frage zu beantworten und möchte da- 72 bei eine Darstellung der Sachverhalte aus bautechnischer und der Bewertung aus juristischer Sicht geben. Maßgebend sind dabei die Fragestellungen: Was sind Schadstoffe? Woher kommen die Schadstofflasten in Gebäuden? Was bedeutet ihr Vorhandensein in juristischer Hinsicht? II. Schadstoffe 1. Was sind Schadstoffe? Umgangssprachlich verstehen wir Schadstoffe als Substanzen, die allein durch ihr Vorhandensein im Umfeld die Gesundheit von Mensch und Tier gefährden oder nachweislich schädigen, oder die die Umwelt gefährden, weil sie Ökosysteme schwer bis irreparabel schädigen können.1 Die Schadstoffeigenschaft eines Stoffes ist je nach Substanz von ihrer Konzentration abhängig. Zur Bewertung von Schadstoffbelastungen werden an Arbeitsstätten die MAK-Werte (Mittlere Arbeitsplatz Konzentration) und für das Wohnumfeld die NIK-Werte (niedrigste (toxikologisch) interessierende Konzentration für Innenräume im privaten und öffentlichen Bereich) herangezogen. Dabei wird die Belastung in Innenräumen differenziert nach dem Umfeld – Wohnung, Kindergarten, Schule, Krankenhaus, Altenheim oder Arbeitsplatz. Grenzwerte haben den Vorteil, dass sie messbar sind (MAK-Werte) bzw. sich leicht umrechnen lassen (NIK-Werte) und damit einen Bewertungsmaßstab liefern. Über das Risiko für den einzelnen Menschen sagen sie jedoch nichts aus. Es genügt das Einatmen einer einzigen Asbestfaser, um an Asbestose zu erkranken und mit hoher Wahrscheinlichkeit daran zu sterben. Je nach Lebens- und Gesund1 www.umweltlexiko-online.de Die Autoren Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht Birgit Schaarschmidt, Mediatorin, Frankfurt a.M. Dipl.-Ing.(FH) Marc Ellinger, Bausachversrändige für Schäden an Gebäuden Bernau im Schwarzwald heitssituation reagiert der menschliche Organismus auf die Belastung durch Schadstoffe verändert. Kranke, alte, immungeschwächte Personen oder Säuglinge und Kleinkinder prägen frühzeitiger Reaktionen auf Schadstoffbelastungen, als Normalgesunde. Juristisch betrachtet gibt es hierfür keine eindeutige bzw. einheitliche Definition. Der Jurist benutzt die Wörter anders oder nutzt andere Wörter, um diese Fragestellungen zu beschreiben. So kann durchaus ein Anspruch auf Beseitigung oder Schadenersatz bestehen, wenn eine Gefahr für Leib und/oder Leben besteht. Dies kann bei einem Schadstoff in Gebäuden der Fall sein. Oder das Gesetz spricht von Immissionen, die in zumutbarer oder nicht zumutbarer Weise von einem Grundstück ausgehen. Das sind zivilrechtliche Fragestellungen. Ergänzt werden diese Betrachtungen durch öffentlich-rechtliche Vorschriften. Im Bereich der so genannten Gefahrenabwehr hat die zuständige Behörde, z.B. die Polizei oder das Ordnungsamt, die Pflicht einzuschreiten; gleich ob irgendjemand einen Anspruch geltend macht. Wird das Verhalten allgemein als gegen die Werte verstoßend betrachtet, so kann auch noch ein strafrechtlicher Aspekt hinzukommen. In dieser Ausarbeitung soll die Betrachtung auf zivilrechtliche Aspekte beschränkt werden. Das Thema »Schadstoffe in Gebäuden« gab es in unterschiedlicher Ausprägung schon immer. Früher waren es der Rauch des Schutz- und Herdfeuers, der sich als Ruß auf Bauteiloberflächen niederschlug und verkrustete, der Schimmel, der sich auf den Rauminnenflächen ausbreitete, die Stoffwechselprodukte von Nagetieren und die radioaktiven Einschlüsse in den Natursteinen aus denen Der Bausachverständige 2 · 2012 BAURECHT die Gebäude errichtet wurden. Später kamen Stoffgemische dazu, die bei der Fertigung von Lederwaren, Farben, Kosmetika verwendet wurden oder daraus resultierten. gendes Potenzial aufweisen. Sie werden daher als biologische Schadstoffe klassifiziert. 2. Woher kommen Schadstoffe in Gebäuden? Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten, die nachfolgend erläutert werden sollen. Die Schadstoffe wurden und werden im Zuge von Bauarbeiten – Errichtung des Gebäudes, Umbau- und Modernisierungsarbeiten – ins Gebäude eingebracht. Die Spanne reicht von der natürlichen Radioaktivität des Natursteinmauerwerks über Asbest, Schwermetalle bis hin zu kampagneartig eingebrachten Holzschutzmitteln. Sie kommen eingekapselt in Bauteilaufbauten oder auch oberflächennah – Spritzasbest und Holzschutzmittel, nanopartikelveredelte Oberflächen – vor. Vielfach wurden bis in die jüngere Vergangenheit Baustoffe verwendet, die heute als Schadstoffe klassifiziert sind. Heutzutage finden durch die breite Anwendung der Nanotechnologie in der Oberflächenveredelung Stoffe und Partikelgrößen Eingang ins Wohn- und Arbeitsumfeld, die das Potenzial zu einer Bewertung als Schadstoff latent in sich tragen. Sie wurden und werden im Zuge der Nutzung eingetragen und reichern sich im oberflächennahen Bereich der Raumhüllflächen, oder gar unmittelbar an den Oberflächen an. Typische Quellen sind: Putzmittelzusätze, Raumluftsprays, Tabakrauch, Rußpartikel, Kosmetika, Holzschutzmittel aus Möblierung, Rückstände aus gewerblicher Tätigkeit. Sie werden über die natürliche Fensterlüftung oder über lüftungstechnische Anlagen aus dem Außenbereich oder aus anderen Teilen des Gebäudes eingetragen. Dieser als Sekundärkontamination bezeichnete Sachverhalt ergibt sich für Gebäude mit natürlicher Fensterlüftung zwangsläufig, bei Kontamination über raumlufttechnische Anlagen aufgrund der Anlagenkonzeption. Typische Quellen sind: Straßenverkehr, Brandereignisse in der unmittelbaren und mittelbaren Umgebung, Emissionen von Fertigungsbetrieben. Die Stoffwechselprodukte der menschlichen Kulturfolger, in erster Linie Nagetiere und Schimmelpilze (je nach Art) können ebenfalls krankheitserre- 2 · 2012 Der Bausachverständige Mögliche Schadstoffe in Gebäuden Formaldehyd Blei Blei-Isotope PCP Dioxin Quecksilber PAK PCB Asbest Phlatate Kohlenwasserstoffe KMF Phosphorsäureester Schwermetalle Mykotoxine Anthrax Radon Chromate 3. Inwieweit betreffen vorhandene Schadstofflasten den wohnenden und arbeitenden Menschen? Solange Schadstoffe abgekapselt in Bauteilaufbauten eingeschlossen sind, stellen sie keine Gefahr für den wohnenden Menschen dar. Für den arbeitenden Menschen auch nicht, es sein denn, die Arbeitstätigkeit besteht im Eröffnen dieser Bauteilaufbauten, z.B. im Zuge von Reparatur-, Abbruch- oder Umbauarbeiten. Dann werden feine und feinste Schadstoffpartikel freigesetzt. Es kommt zur Aufnahme in den Körper über die Haut, die Atemwege oder den Mund. Oberflächlich anhaftende oder oberflächennah eingelagerte Schadstoffpartikel stellen für den wohnenden Menschen ein akutes Problem dar. Für Kinder im Krabbelalter stellen diese Schadstofflasten sogar ein erhebliches Risiko dar. Zum einen nehmen sie ihre Umgebung mit al- len Sinnen, somit auch durch Riechen, Schmecken und Fühlen war, zum anderen stehen sie mit einem großen Teil ihre Körperoberfläche in unmittelbarem Oberflächenkontakt. Bezogen auf Körpergröße und Gewicht kommt es in kurzer Zeit zu hoher Schadstoffkonzentration im kindlichen Körper. Organische Stoffwechsel- und Zersetzungsprodukte (tote Biomasse nach bloßer Desinfektion), die auf Wasserschäden in Gebäuden zurückzuführen sind und die in Bauteilaufbauten belassen wurden, stellen ein latent vorhandenes Risiko dar, da ein späterer Kontakt nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Mit Nanopartikeln veredelte schmutzabweisende Oberflächen stellen aus Sicht der Verfasser ein noch nicht einschätzbares Risikopotenzial dar. Die Auswirkungen von Nanopartikeln auf den tierischen und auch den menschlichen Organismus sind derzeit noch weitgehend unbekannt. Erste Untersuchungen haben gezeigt, dass es zu Anreicherungen von Nanopartikeln im Organismus und zu Veränderungen von Organfunktionen kommen kann. 4. Mit welchen Schadstofflasten in Gebäuden ist derzeit im Allgemeinen zu rechnen? Um diese Frage zu beantworten ist es notwendig, die Zeiträume der Herstellung und Verwendung der schadstoffhaltigen Baustoffkomponenten zu betrachten (siehe Tabelle 1). III. Kauf und Verkauf von Gebäuden Das Thema der Schadstoffe erlangt bei dem Kauf und Verkauf von Gebäuden an Bedeutung. Denn Schadstoffe in Gebäuden können den Wert eines solchen durchaus mindern. Denn unter Umständen muss der Käufer eines Gebäudes das Gebäude sanieren oder kann es nicht umbauen, weil sonst die Schadstoffe freigesetzt würden. Aber nicht nur bei Altbauten, sondern auch bei Neubauten kann die Schadstofffreiheit ein Thema sein. Denn um den Wert eines Gebäudes hochzuhalten, ist derzeit die Schadstofffreiheit sicherlich von Bedeutung. 1. Neubauten Es ist heute möglich Neubauten schadstoffarm – nach dem derzeitigen Kenntnisstand – zu errichten. Entsprechende Konzepte gibt es z.B. vom Sentinel Haus 73