Ist Erziehung die Basis einer reifen Persönlichkeit?

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Prof. Dr. Klaus
Garber
Ist Erziehung
die
Basis einer „reifen“
Persönlichkeit
Vortrag
Diskussion
Brixen 14.05.2013
Prof. Dr. Klaus Garber
Sigmund Freud Privat Universität
Wien
Fragestellungen
Im aktuellen Wissenschaftsdiskurs (Pro und Contra) nehmen
biologische Ansätze (Genetik, Neurowissenschaften)
zunehmend großen Raum ein.
Ist eine “reife Persönlichkeit“ abhängig von, den Erbanlagen
und der Ausreifung des Gehirns?
Oder: Ist der freier Wille nichts anderes als das Feuern der
Neuronen?
Sind es die Umwelteinflüsse (Imprintings-sichtbare und
unsichtbare), welche die Persönlichkeitsentfaltung wesentlich
mitgestalten?
Wie können Eltern – ErzieherInnen der Entwicklung der Kinder
förderlich zur Seite stehen? Welche Rolle nehmen sie ein?
Selbst -Modell als eine Möglichkeit “Blue Print“ für Bildung und
Erziehung.
© Prof. Dr. K. Garber
Persönlichkeit
• Die Persönlichkeit bezieht sich auf die einzigartigen
psychologischen Merkmale eines Individuums (Zimbardo& Gerrig,
1999).
• Persönlichkeit ist eine Vielzahl von offenen und verdeckten
charakteristischen konsistenten Verhaltensmustern
(psychische Eigenschaften) in verschiedenen Situationen
und zu unterschiedlichen Zeitpunkten.
• In der „Alltags“-Psychologie versteht man darunter die
Gesamtheit aller Eigenschaften (Dispositionen,
Gestalteigenschaften und Verhaltensmuster) einer Person,
in denen sie sich von anderen Menschen unterscheidet“
( Asendorpf 1999, S. 5 ).
• Persönlichkeitsentwicklung ist ein lebenslanger Prozess.
© Prof. Dr. K. Garber
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Persönlichkeitspsychologie
Teildisziplin der Psychologie,
deren Gegenstand die Beobachtung, die Untersuchung,
Beschreibung und Erklärung Individueller Unterschiede
zwischen Personen ist.(Es geht dabei neben der Messung der
Intelligenz, hauptsächlich um Verhaltensmuster von Personen)
In der Forschung gibt es grundsätzlich 2 Strategieansätze:
- den idiographischen Ansatz (Einzelfallanalyse – jeder
Mensch wird als einzigartig angesehen, die Merkmale wirken bei
jedem Menschen einzigartig)
- der nomothetische Ansatz (es wird angenommen, dass
universelle Eigenschaften die Grundstruktur der Persönlichkeit bilden)
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Persönlichkeitstheorien
Persönlichkeitstheorien sind Gefüge von Annahmen über
die Struktur und Funktion individueller
Persönlichkeitsmerkmale
Ziel ist das Verständnis und die Vorhersage bezüglich
des Verhaltens einer Person
Insgesamt gibt es derzeit 5 große Kategorien von
Persönlichkeitstheorien:
1. Typen- und Eigenschaftstheorien
2. Psychodynamische Theorien
3. Humanistische Theorien
4. Kognitiv und sozialkognitive Theorien
5. Theorien des Selbst
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Persönlichkeitstheorien
1.
Typen und Eigenschaftstheorien (traits)
-
Sie sprechen von Unterschiedsmerkmalen:
im Alltag: Geschlecht /Rasse/ Klasse/ Gender- Merkmale u.a.m.
in der Psychologie: Persönlichkeitstypen (Temperament,
Disposition, Charaktertyp, Zustand, Gewohnheit, Werte u.a.m.
(Zimbardo,1999)
Eine der frühesten Typologien geht auf Hippokrates (5. Jh. v. Chr.)
zurück.
Diese basiert auf Zusammenhänge zwischen Körperflüssigkeit und
Temperament
-
Blut
Sanguinisches Temperament (heiter / aktiv)
Phlegma (Schleim)
Phlegmatisches Temperament (teilnahmslos
schwerfällig)
Schwarze Gallenflüssigkeit
Melancholisches Temperament
(grüblerisch/traurig)
Gelbe Gallenflüssigkeit
cholerisches Temperament, (reiz-/
erregbar)
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Typen und Eigenschaftstheorien (traits)
Das Eigenschafts - Paradigma von Wiliam Stern & Gordon
Allport 1897 -1967 (ideographischer Ansatz)
Jede Person weist eine einmalige Kombination von Persönlichkeitsmerkmalen auf.
Dieser Ansatz vertritt die Auffassung: Angeborene
Eigenschaften sind wichtiger als die Umwelt
Die Eigenschaften einer Person bestimmen, welche
Reaktionen sie in einer bestimmten Situation zeigt.
z.B.: Wie aggressiv Menschen reagieren ist demnach die Funktion der
Situation und ihrer Aggressivität, oder wie „intelligent“ jemand reagiert
also der Situation und ihrer Intelligenz.
Annahme: Dieser Sachverhalt zeugt stabile Beziehungen
zwischen Situationen und Reaktionen von Personen
Begriffe: Kohärenz im Verhalten (Kardinaleigenschaften,
zentrale Eigenschaften, sekundäre Eigenschaften)
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Die vier Quadranten von Eysecks
Persönlichkeitszirkel 1973 -1990
Zimbardo & Gerrig, Psychologie, 1999; S524
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Psychodynamische Theorien
Sigmund Freud (1856 – 1939)
Freud zeichnet das Bild der
Persönlichkeit als einen ständigen
Kampf zwischen zwei Teilen: dem ES
und dem Über-Ich, gemildert durch den
dritten Aspekt des SELBST des ICH`s.
www.freudmuseum.cz
Menschliches Handeln hat einen manifesten und latenten
Inhalt. Die Motive werden auf der unbewussten Ebene gesucht.
Freud spricht von Phasen der Persönlichkeitsentwicklung.
Individuelle Persönlichkeitsmerkmale werden insbesondere
durch die individuelle Verarbeitung der frühkindliche
Entwicklungsphasen bestimmt.
Diese Annahmen wurden in Folge weiter verfeinert, z.B.: durch Anna Freud et. al.
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Psychodynamische Theorien
Annahmen: Strukturelle und Funktionelle Libido Theorie (Freud
et.al.)
Die individuelle Persönlichkeit und das Verhalten des
Menschen wird mittels innerer psychischer Kräfte (Energie
und Triebbegriff) im Verlaufe seiner Entwicklung geformt und
motiviert.
Diese 3 Instanzen: ES/Über-Ich/Ich (Freud) werden häufig
metaphorisch als drei kleine Männchen in unserem Kopf
symbolisiert. Diese “DREI“ ringen um die Kontrolle der
psychischen Energie.
• Beispiel: Freud ging davon aus, dass Kinder Ihre Geschlechtsidentität
erst durch die Überwindung des Ödipuskonfliktes (4-6 Jahre) entwickeln,
Im Gegensatz dazu weiß man heute, dass Kinder ihre
Geschlechtsidentität wesentlich früher entwickeln, auch, wenn ein
gleichgeschlechtlicher Elternteil (zwecks notwendiger Identifikation) nicht
anwesend ist. (vgl. Frieze et al. Women and sex-roles. New York, 1978).
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Humanistische Persönlichkeitstheorie
(Carl Rogers 1902 -. 1987)
Der Personenzentrierte Ansatz - Humanistischer Ansatz.
Es ist die Private Welt, das phänomenale Feld das verstanden werden soll.
Der Begriff der Selbstverwirklichung (unbedingte positive
Wertschätzung) steht im Mittelpunkt.
2 Formen der Selbstaktualisierung für die Entwicklung einer “reifen
Persönlichkeit“
Sozial - kognitive Persönlichkeitstheorie (Albert Bandura 1986 -1992) und
die Theorie des sozialen Lernens
Reziproker Determinismus zwischen Person, Umwelt und Verhalten
z.B.: Schwimmbadbesuch (sportliche Betätigung /abnehmen) (schwimmen wenig motivierend/ nette
Menschen …subjektiv anders bewertete Umwelt)
Selbstwirksamkeit (Bandura, Self –efficacy):
Ist die individuell, unterschiedlich ausgeprägte Überzeugung, in einer
Situation die angemessen Leistungen erbringen zu können (agieren und
reagieren)
(Quelle: Zimbardo & Gerrig, Psychologie, 1999)
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Struktur des Gehirns
Zimbardo & Gerrig, Psychologie, 1999; S. 69;
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Reifung
Reifung beruht im wesentlichem auf genetisch
festgelegte/angelegte Anlagen, welche mit der
Zeit heranreifen.
Quelle: rev, t-online.de
Quelle: unbekannt
Boston, Confidencial Tower: Exhibition Immigration, (FG 2013)
Reifung beruht auf die Bildung neuer Neuronen im Gehirn,
bzw. auf synaptische Verbindungen und auf
Markscheidenreifung.
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Zunahme der Dichte der Neuronen und synaptischen
Verbindungen im Gehirn
(Quelle: Neil A. Campbell &
Jane B. Reece, Biologie)
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Desoxyribonukleinsäure DNS/DNA – das Genom
Ein Teilbereich der Genetik
beschäftigt sich mit Vererbung
Ein Gen ist ein bestimmter
Abschnitt der Chromosomen,
der ein bestimmtes Merkmal
kodiert (Ausführung und Steuerung
(Quelle: Neil A. Campbell & Jane B. Reece, Biologie)
Chromatidentrennung (in der
Anaphase)
eines speziellen Zellstoffwechsel ca. 22 500 Gene (2013)
Genschalter: (sie bestehen aus dem
Erbmolekül DNS). Wenn Signal- Botenstoffe
vorhanden sind, die zum Genschalter eines
Gens passen, setzen sie zur Landung an: Sie
binden an den Genschalter, was zur Folge
hat, dass das nachfolgende Gen entweder
aufgedreht (vermehrt abgelesen) oder
heruntergedreht (weniger abgelesen) wird.
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Genotyp - Phänotyp - Epigenetik
Der Genotyp wird oftmals auch als Erbbild
bezeichnet. Alle in den Genen festgelegten
Erbinformationen bilden in ihrer Gesamtheit den
Genotyp. (Der Genotyp ist der wichtigste Faktor dafür, wie
ein Organismus aussehen wird. Aber nicht exakt, denn hier
spielen wie bereits beim Phänotyp noch weitere Faktoren
eine Rolle)
Unter dem Phänotyp versteht man das äußere
Erscheinungsbild eines Organismus. (Das
Erscheinungsbild - also der Phänotyp - hängt nicht nur von
den genetischen Eigenschaften des Organismus ab, sondern
auch von Umweltfaktoren und auch von psychologischen
Einflüssen)
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Epigenetik
EPIGENETIK: Wenn Umwelteinflüsse die Ablesbarkeit von
Genen langfristig verändern. Die Steuerung der GenAktivität durch eine solche, länger andauernde
Versiegelung (oder Entsiegelung) nennt man Epigenetik.
Im Gehirn ausgeschüttete Botenstoffe (Neurotransmitter)
wirken nicht nur auf das Gehirn selbst zurück, sondern
auch auf die Zellen des Körpers:
Überall, wo Neurotransmitter Wirkung entfalten, aktivieren sie
Gene und verändern den Stoffwechsel.
Neuere Forschungsergebnisse haben nachgewiesen, dass
der Organismus die Möglichkeit hat, sozusagen seitlich
kleine Mini- Moleküle (die sogenannten Methylgruppen) an
das Erbmolekül DNS anzuhängen.
Dadurch wird der Genschalter eines Gens durch mehrere
solcher Mini- Moleküle eingepackt und dadurch quasi
versiegelt (Signal- Moleküle).
Was heißt das für unsere Diskussion?
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Hirnforschung
(http://de.wikipedia.org/wiki/Gyrus_cinguli)
Die Hirnforschung
hat eigene
Emotionszentren im
Gehirn ausgemacht.
Es sind dies der Gyrus
Cinguli und die Amygdala
- der Mandelkern.
Verhaltenssteuerung hängt im wesentlich von Gefühlen
ab. (Emotionalen Prozesse laufen weitgehend im
Unterbewussten ab, wirken aber auch in das bewusste Denken
und Handeln hinein)
Es sind Kräfte oder Beweger, die eine grundlegende
Bedeutung für die ganze Persönlichkeit haben.
Sie greifen als Motivation in die bewusste
Verhaltenssteuerung ein.
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Hirnforschung
Die neu entdeckten “neuronalen Motivationssysteme“, deren
Kern im Mittelhirn sitzt , ist über Nervenbahnen mit den
verschiedenen Hirnarealen verbunden, vor allem mit den
Emotionszentren.
Die von diesem Motivationssystem ausgehenden Wirkungen
beruhen auf neuro- chemischen Botenstoffen
(Neurotransmitter). Es sind dies vor allem Dopamin, Opioide
und Oxytozin.
Darunter sind biologische Antriebsaggregate für den
Lebenswillen zu verstehen, die vergleichsweise eine ähnliche
Wirkung haben wie Drogen, und die als Mittel zu einer
Steigerung oder Dämpfung von Antrieb, Verlangen und
Motivation eingesetzt werden.
Spiegelneuronen geben die Antwort auf die Frage, wie es
kommt, dass man fühlen kann, wie ein anderer fühlt.
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Diskussion:
Genetik – Hirnforschung –
Persönlichkeitsentwicklung
Folgerung : Weder das Genom eines Menschen, noch die
Einflüsse aus der Umwelt legen alleine fest, wer jemand
ist und wer er in Zukunft sein wird (heute ist man wieder
bei 50/50% angelangt)
Die Gene definieren lediglich die Struktur (die Bandbreite)
möglicher Auswirkungen, die die Umwelt bei der
Entscheidung des Phänotyps (Erscheinungsbild) und der
Entwicklung von Verhalten ausüben. (Zimbardo & Gerrig, 1999; S 65)
Einflüsse von Umwelt und Erfahrung (Lernen) bestimmen,
wie weit dieses Potenzial ausgeschöpft werden kann
Frage: Weshalb wurde Mozart zu Mozart?
Andererseits: Kann ein Fisch in der Wüste
Schwimmen lernen?
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Gene sind keine in sich
abgeschlossenen „Eigenbrötler“
• Bei jedem Kind werden die Gene der Eltern neu gemischt.
Was, welcher Elternteil an das Kind weitergibt, wird jedes mal neu
entschieden. (auch, wenn 99,9% des Genmusters des Menschen (1
Milliarde) gleich ist.
• Die epigenetische Ausstattung öffnet sich entsprechend
der Erfahrungen und der Anpassung an die Umwelt.
• Hierbei bekommen die frühen Erfahrungen, insbesondere
mit den Eltern oder ersten, engsten Bezugspersonen,
besondere Bedeutung; vor allem im Hinblick auf die
Entwicklung des „Persönlichen Fingerabdrucks“ eines
Menschen (bio-psycho-sozial).
• Bei Kindern, die in der Frühphase des Lebens keine
liebevolle Betreuung und Zuwendung erhalten, bleibt das
Anti- Stress- Gen (Glucocorticoid- Rezeptor- Gen)
blockiert. Die Folge davon ist ein erhöhtes Risiko von
depressiven und psychosomatischen Erkrankungen. (Michael
Meaney, führender kanadischer Neurobiologe, McGill University in Montreal, Kanada)
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Erziehung
Selbstbestimmung zu erlernen ist Ziel der Erziehung.
Erziehung ist ein multidisziplinäres Unterfangen,
Ein Prozess der Balance zwischen Anlagen - Selbst - und
Umwelt.
Boston, Park Street, (FG 2013)
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Erziehung - und
Bildungssprozesse
E. Kant hatte die Vorstellung durch Erziehung die menschliche
Natur verbessern zu können.
Dabei spricht Kant die Erziehung zur Persönlichkeit an:
„Erziehung zu einem frei handelndem Wesen, das sich selbst
erhalten kann, in der Gesellschaft ein Glied ausmacht und für
sich selbst einen inneren Wert entwickelt:“(I. Kant. 1803. Vorlesung „Über
Pädagogik“ BD.XII,699; Der Mensch kann nur Mensch werden durch Erziehung/den Menschen aus seiner Unmündigkeit
befreien).
Erziehungsprozesse beziehen sich, im Zusammenhang mit der
Persönlichkeitsentwicklung und dem Sozialverhalten auf
motivationale und affektive Aspekte. (Erwerb von Wertehaltungen,
Einstellungen/ Hineinwachsen in die soziale Gesellschaft u.a.m.).
Bildungsprozesse beziehen sich auf kognitive Aspekte der
Persönlichkeitsentwicklung. (Erwerb von Wissen,
Fähigkeiten, Fertigkeiten) (Schnotz, 2006)
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Wissenschaftliches
Paradigma: das Selbst
Ein eigenes “Ich- Zentrum“ ist derzeit im Gehirn nicht
auszumachen
„Ich denke, also bin ich“ – „Cogito ergo sum“ (René
Descartes) hat die abendländische Kultur und Philosophie
geprägt. Descates sah dieses, seiner selbst bewusstes Ich,
als ein denkendes Ding an
Das SELBST, prinzipiell wissenschaftliche Kompetenz der
Philosophie, ist implizit in Zusammenhang mit verwandten
Begriffen wie Person, Identität oder Persönlichkeit zu sehen.
(Garber, 2010).
Wie erlebt der Mensch sich selbst? (seine subjektiven
Erfahrungen)? Welchen Einfluss hat dieses Erleben auf ihn
selbst? (selbstreferenzielle Theorie)
Wie betrachten wir uns “Selbst“? (z.B. Zusammenhang
zwischen Metaebene und “reife“ Persönlichkeit)
Das Selbst ist ein dynamisches Konstrukt, das seine
Bedeutung vor allem in zwischenmenschlichen Beziehungen
gewinnt.
© Prof. Dr. K. Garber
Wissenschaftliches
Paradigma über das Selbst
Komponenten sind: persönliche Erinnerungen, Annahmen
über unsere Eigenschaften, das Ideal – Ich, die möglichen
Ich‘s, Selbstwert (+/-), die Überzeugung darüber, wie
andere uns sehen (McGuire 1986)
Das Selbstkonzept ist eine dynamische, mentale Struktur,
welche intrapersonale (innere) und interpersonale
(zwischenmenschliche) Verhaltensweisen und Prozesse
motiviert, interpretiert, organisiert, vermittelt und reguliert
(Zimbardo& Corsini,1999)
Begriffe: Selbstbestätigung (+/-); Selbstregulation (selfmonitoring = die Tendenz das Verhalten nach den sozialen
Erfordernissen zu regulieren)
© Prof. Dr. K. Garber
Das Selbst
Das Selbst ist zwar kein materielles Ding in uns; man könnte
es jedoch als, eine vom Einzelnen aufgebaute, narrative
Figur im Sinne einer (geistigen) Verkörperung der eigenen
Geschichte und Lebensgestaltung, also durchaus als ein
Konstrukt betrachten, ein Konstrukt des Gehirns, wie alles,
was der Mensch an Denken und Verhalten produziert, wie
z.B. auch hirnneurologische Befunde zeigen (Garber,2011)
Aber: Was beispielsweise eine Verletzung „Anderer“ wirklich
ist, muss manchen Kindern und Jugendlichen erst eigens
vermittelt werden.
Das Sozial- emotionale Wahrnehmungssystem und
Erfahrungsgedächtnis (Limbisches System) scheinen bei
der Geburt unterentwickelt zu sein.
Joachim Bauer zieht hierfür neurobiologische Befund heran,
die zeigen, dass der Mensch von Natur aus auf
Kooperation und soziale Bindung ausgelegt ist (Bauer, 2010).
© Prof. Dr. K. Garber
Selbst - Modell
Über
Ich
Es
Selbst
Du/
Wir
Ich
Zeit – Rhythmus Achse
Selbst = f (Metaerzählung, Kontext, Bedürfnisse, Narrativen Identität, Zeit)
© Prof. Dr. K. Garber
Quelle: K. Garber (2010) Entwurf eines systemischen Selbst-Modells für Therapie, Beratung und Coaching.Selbst und Selbstregulation Band 3 Dresden; ; Jakobs Verlag, Lage
Das 5 Vektoren Modell des narrativen Selbst
(Garber, 2010)
Therapeutischer Raum
Metaerzählung
Bedürfnis
Selbst
Narrative
Identität
Kommunikation - Beziehung
Zeit – Rhythmus Achse
Selbst = f (Metaerzählung, Kontext, Bedürfnisse, Narrativen Identität, Zeit)
K. Garber, 2010
© Prof. Dr. K. Garber
Anlage – Umwelt - Diskussion
Es ist höchst an der Zeit, den “Anlage - Umwelt- Diskurs“ in
den Erziehungsdiskurs vermehrt mit einzubeziehen.
Die Herausforderung ist dem „Druck“ beider Seiten
entgegenzuwirken.
Es sind zentrale Frage der Ethik, die es zu entwickeln gilt, da
es um eine zunehmend komplexer werdende Verknüpfung
von Werten und Inhalten geht.
Wenn die neuere Hirnforschung besagt, dass wir auf unser
Denken und aktives Handeln selbst nicht einwirken können,
dann wäre (lt. dieser Annahme) der Einzelne nicht
persönlich verantwortlich für seine Tat. Jedoch: „Nervenzellen
haben keine Willen, Moleküle können sich nicht für etwas interessieren,
und schließlich ist es auch nicht das Limbische System, das in
Prüfungssituationen Angst hat.“ (Becker 2006).
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Anlage – Umwelt - Diskussion
• Der Mensch ist individuell, weil er genetisch individuell ist
und weil er seine individuellen Umwelteinflüsse hat
• Die Entdeckung der “lebenslange Plastizität des Gehirns“
und „die Neubildung von Neuronen“ bestätigen bisherige
Annahmen zur Reifung des Gehirns und der
Persönlichkeit, sowie der Psychologie und Pädagogik (Otto
Speck, 2008).
• Bestätigung des “Frühen Lernens“ speziell bezüglich
Sprachenkompetenz (Franceschini et. al.,2003)
• Die Wichtigste Aufgabe der Eltern und Erzieher besteht
darin, ein Umfeld zu schaffen, das bei Kindern
Glückserlebnisse auslöst, während sie ihre Talente
ausüben“ (A Salcher, 2008)
© Prof. Dr. K. Garber
Diskussion
• Wir sollten den nächsten Generationen die Angst vor dem
Anderssein nehmen (Motivation)
• Das Gehirn (Nervenzellen) muss jedoch trainiert werden;
Lernen baut auf Gelerntem auf! Dies gilt genauso für die
Entwicklung der Persönlichkeit
• Die „Ich- Du- Beziehung“ ist zentrale Grundlage für das
erzieherische Verhältnis
• Wenn das kleine Kind „Ich“ zu sagen beginnt, kündigt sich
die werdende, eigene Persönlichkeit an
• Im “selber- machen- wollen“ gibt das Kind zu verstehen,
dass es eigene Erfahrungen machen will (und muss), um
lernen zu können.
• Größere Einwirkungen und Vorbild Funktion durch “in vivo
erlebte Personen“
© Prof. Dr. K. Garber
Diskussion
• Heinrich Pestalozzi verweist in seiner
Pädagogik auf eine „Erziehung mit Kopf,
Herz und Hand“ (Pestalozzi)
„Kinder – Menschen sollten nicht angetrieben
werden“ (Pestalozzi,1746-1827)
• In diesem Zusammenhang verweise ich auf
die Wichtigkeit des “Zeit – Rhythmus Vektors“
in der Erziehung und bei der Entwicklung zu
einer reifen Persönlichkeit
• Die neuere Hirnforschung bestätigt auch zum
Teil den Ansatz von “Maria Montessori“ und
insbesondere die Bedeutung der “Sensiblen
© Prof. Dr. K. Garber
Schlussfolgerungen
• Von zentraler Bedeutung (im doppeltem Sinne), für die
Entwicklung einer “reifen Persönlichkeit“ ist, was als „Ich“
oder „Selbst“ real erfahren wird.
• Roth unterscheidet beispielsweise ein wirkliches Gehirn
von einem realen Gehirn. Das „wirkliche Gehirn“ betrachtet
er dabei als einen Teil der erlebbaren Wirklichkeit, als
Konstruktion des „realen Gehirns“. (Gerhard Roth, Institut für
Hirnforschung, Bremen 1997)
• „Verstehen und verstanden werden“ aber auch das
Recht “nicht zu verstehen“ und “nicht verstanden zu
werden“ sind wichtige Faktoren für Entwicklung.
• Unverzichtbare Grundlagen für die Entwicklung einer
„reifen“ Persönlichkeit sind, Grundprinzipien wie die
Achtung und die Würde des Menschen zu berücksichtigen
und zu erhalten.
• Nicht der Durchschnitt - sondern der Unterschied macht
„Persönlichkeit“ aus.
© Prof. Dr. K. Garber
Schlussfolgerungen
• Die konstruierte Welt der Eltern als behütender Gegenpol
zur Orientierungslosigkeit in der Gesellschaft.
• Sinn- und Lebenswert orientierte Erziehungsumgebung
(Frankl V.E.,1996) sind unumgängliche Faktoren für die
Entwicklung einer reifen Persönlichkeit.
• Im Gehirn (im Limbischen System) läuft zwar der
Bewertungsprozess für Lebenssituationen und Handeln
ab. Dieser geht der moralischen Entscheidung voraus. Der
normative Inhalt stammt nicht aus den neuronalen
Systemen, sondern aus der Interpunktion und der
Interaktion zwischen Person und deren Umwelt: d.h. aus
der Kultur mit Wertsystemen, welche für den Menschen
Sinn ergeben müssen.
• Das „eigene Selbst mit dem Gehirn wäre nicht
ausreichend.
© Prof. Dr. K. Garber
Schlussfolgerungen
• „Das Gehirn und die biologische Anlage ist nicht nur der
Apparat, der mich steuert und neben mir agiert, sondern es
ist mein Gehirn, mit dem ich als Person eine Ganzheit bilde,
die “reife Persönlichkeit“.
• Diese entwickelt sich aber erst durch die Achtung vor der
Freiheit und der Selbstbestimmung des Anderen (O. Speck, 2008)
• Reife Persönlichkeit entsteht nur aus einer Orientierung
heraus (lebenslang, andauernder Verständigungsprozess).
Aber: Wonach soll man sich orientieren zwischen
Strukturierter Umgebung, Werten, Normen und Verstörung?
• „Gattungstypisches Verhalten“ muss sich der Mensch selbst
erarbeiten und zwar im Miteinander
• Die Neurobiologie bestätigt, dass die menschliche Natur in
erster Linie auf gegenseitige Kooperation und Ergänzung
angewiesen ist. Dem entsprechend ist für Erziehung und in
der Förderung der Entwicklung zu einer reifen Persönlichkeit
gerade auf diese Faktoren zu achten. (Otto Speck, 2008)
© Prof. Dr. K. Garber
Literatur
Asendorpf, J. (1999): Persönlichkeits- Psychologie. 2 Auflage. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York.
Bauer, J. (2010): Das kooperative Gen: Evolution als kreativer Prozess. Heyne Verlag.
Becker, N. (2006): Die neurowissenschaftliche Herausforderung der Pädagogik. Bad Heilbrunn, Klinkhardt.
Campbell, N.A., Reece, J.B. (2006): Biologie, 8. Auflage. Pearson Studium, München.
Frankl,V.E.( 1996): Der Wille zum Sinn. Ausgewählte Vorträge über Logotherapie. Piper Verlag, München.
Franceschini, R. /Zappatore, D. Nitsch, C. (2003): „Lexikon in the Brain: What Neurobiology has to Say about. Springer
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Frieze, I. Parsons, J., et al. (1978): Women and Sex Roles. A Social Psychological Perspective. Plurabelle Books Ltd.
Garber, K. (2010). Entwurf eines systemischen Selbst-Modells für Therapie, Coaching und Beratung. Reihe Selbst und
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Klein, G. (2005): Montessori – Pädagogik und Gehirnforschung. Montessori – Zeitschriften für Montessori-Pädagogik 43, H. 3,
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Meaney M, führender kanadischer Neurobiologe, McGill University in Montreal, Kanada
Pestalozzi, J. H.; Hrsg. Reble, Albert, Klinkhardt J. (1982): Wie Gertrud ihre Kinder lehrt. Taschenbuch. Klinkhardt.
Roth, G. (1997): Das Gehirn und seine Wirklichkeit. Kognitive Neurobiologie und ihre philosophischen Konsequenzen.
Suhrkamp Frankfurt am Main.
Salcher, A. (2008): Schule global in die Zukunft. http://derstandard.at/ denken.
Schnotz, W. (2009): Pädagogische Psychologie. Kompakt. Beltz PVC.
Selbstregulation HRSG. K. Pöhlmann Universitätsklinikum Dresden. Jacobs Verlag Lage. ISBN 978-3-89918-185-2
Speck ,O.(2008): Hirnforschung und erziehung.eine pädagogische auseinandersetzung mit Neurologischen
Erkenntnissen.Reinhardt Verlag, München Basel.
Zimbardo Ph. G. & Gerrig, R.J. (1999): Psychologie, 7 Auflage. Springer Verlag, Berlin Heidelberg New York.
© Prof. Dr. K. Garber
Boston, Confidencial Tower: Exhibition Immigration, (FG 2013)
© Prof. Dr. K. Garber
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