MONTESQUIEU und die GEWALTENTEILUNG Johannes Kepler Universität Linz Institut für Soziologie Abteilung für Politik- und Entwicklungsforschung Univ.Prof. Dr. Klaus Zapotoczky Seminararbeit: „Geschichte der Soziologie und Sozialphilosophie“ (Vorlesung und Übung, Mai 2002) anzurechnen als Seminar aus „Soziologischer Theorie mit historischem Schwerpunkt“ Johanna Eidenberger (9856764) -1- Inhaltsverzeichnis Seite 1. Montesquieu ...................................................................................................................3 1.1. Biografie ..........................................................................................................3 1.2. Das Hauptwerk Montesquieus ................................................................4 2. Zeitalter der Aufklärung .......................................................................................6 3. Teilung der Staatsgewalt als Garantie politischer Freiheit ..............7 4. Gewaltenteilung ...........................................................................................................9 4.1. Prinzip der Gewaltenteilung ............................................................................9 4.1.1 Die Legislative = gesetzgebende Gewalt ......................................................10 4.1.2. Die Exekutive = vollziehende Gewalt .........................................................10 4.1.3. Die richterliche Gewalt ................................................................................11 4.2. Die traditionelle Lehre von der Gewaltenteilung ...................................11 4.3. Abweichungen von der traditionellen Lehre der Gewalteneilung ...12 4.4. Neubestimmung der Lehre von der Gewaltenteilung ...........................13 4.5. Check and Balances .....................................................................….…………14 4.6. Neue Formen der Gewaltenteilung im 20. Jahrhundert ......................14 4.7. Sechs Ebenen der Gewaltenteilung .............................................................16 4.7.1. Die staatsrechtliche, horizontale Ebene der Gewaltenteilung ..................16 4.7.2. Die zeitliche Ebene der Gewaltenteilung ....................................................16 4.7.3. Die föderative Ebene der Gewaltenteilung .................................................17 4.7.4. Die konstitutionelle Ebene der Gewalteneilung .........................................17 4.7.5. Die dezisive Ebene der Gewaltenteilung .....................................................17 4.7.6. Die soziale Ebene der Gewaltenteilung .......................................................17 4.8. Gewaltenverschränkung statt Gewaltentrennung .................................18 4.9. Gegengewicht Länder .......................................................................................19 4.10. Weitere Modelle der Gewaltenteilung .........................................................20 -2- 4.10.1. Verfassungsinitiative ..................................................................................20 4.10.2. Allgemeine Initiative – Allgemeines Referendum ...................................20 4.10.3. Parlamentarische Initiative .......................................................................21 4.10.4. Regionsinitiative .........................................................................................21 4.10.5. Verfassungsreferendum .............................................................................21 4.11. Zusammenfassung zeitliche und institutionelle Gewaltenteilung ..21 5. Schlussbemerkung ....................................................................................................22 6. Literaturverzeichnis ...............................................................................................23 -3- 1. Montesquieu Charles-Louis de Secondat MONTESQUIEU 1.1. Biografie1 Französischer Schriftsteller und Staatsphilosoph Montesquieu wurde am 18.1.1689 in Schloß La Brède bei Bordeaux als ältester Sohn einer geadelten Bürgerfamilie geboren. Trotz des Reichtums wurde innerhalb der Familie auch immer an die Verpflichtungen gegenüber den Armen erinnert. Auf Grund des Todes seiner Mutter wurde er 1700 auf ein Internat der Oratorianer von Juilly bei Paris gebracht, deren Weltpriester eine strenge Erziehung führten. Neben den üblichen Fächern wurde er auch im Fechten, Tanzen und den modernen Naturwissenschaften unterrichtet und er erhielt Einblick in die Philosophie. Es folgten juristische und humanistische Studien in Bordeaux und Paris, 1708 erhielt er den akademischen Grad und der junge Montesquieu blieb bis 1713 in Paris. Der Tod seines Vaters ließ ihn nach Bordeaux zurückkehren, um für seine Geschwister zu sorgen. Kurz darauf heiratete er die Calvinistin Jeanne de Latrigue. 1714 erbte er einen Sitz im Parlamentsrat von Bordeaux, den sein Großvater selbst gekauft hatte. Aufgabe dieses Amtssitzes war das Eintragen der Gesetze des Königs und deren Kontrolle. Die Bedeutung dieses Amtes nahm zu, von 1716 –26 war er Gerichtspräsident in Bordeaux und so konnte er als Richter viele Erfahrungen sammeln, die später in seinem Hauptwerk „Vom Geist der Gesetze“ seine Niederschrift fanden. Montesquieu gilt als wichtiger Vertreter der Aufklärung und so veröffentlichte er 1721 sein erstes literarisches Werk „Lettres persanes“. Diese Persischen Briefe berichteten kritisch über das eigene Land aus der Sicht eines Fremden, sie wurden anonym in Amsterdam herausgegeben und erreichten großen Erfolg. In diesem Werk tadelte er die Monarchie, die Europäer, die Franzosen im Besonderen, sprach sich gegen das System der Gewaltherrschaft aus und berichtete von der Vorstellung einer Idealgesellschaft. 1 Vgl. http://www.hausarbeiten.de/rd/upload.shtml, downloaded am 13.3.2002 -4- 1726 verkauft er sein Amt als Gerichtspräsident und widmet sein Interesse den Studien über Literatur und Weinbau. 1728 erfolgte die Aufnahme in die Académie Francaise. Von 1929 bis 1731 unternahme er Studienreisen nach Deutschland, Österreich, Italien und England, wo er in London großes Ansehen genoss und sogar in die Royal Society aufgenommen wurde. 1748 erschien das Hauptwerk Montesquieus „De l’esprit des lois“ nach vierzehn anstrengenden Jahren, als anonyme Ausgabe in Genf. 1755 stirbt dieser weltoffene Schriftsteller im Alter von 66 Jahren in Paris. 1.2. Das Hauptwerk Montesquieus Sein Hauptwerk „Lésprit des lois“ (Vom Geist der Gesetze; 1748) untersucht die Abhängigkeit der drei Staatsformen (Demokratie – Monarchie – Despotie) von natürlichen Bedingungen. Drei Tatbestände werden von ihm vorausgesetzt: „Die republikanische Regierung ist diejenige, in der das Volk als Ganzes oder auch nur ein Teil des Volkes die oberste Gewalt innehat; die monarchische ist die, bei der ein einzelner, aber nach fest bestimmten Gesetzen regiert, während bei der despotischen ein einzelner ohne Recht und Gesetz alles nach seinem Willen und seinen Launen lenkt.“2 Er erkannte, dass zwischen Herrscher und Untertanen eine ausgeglichene Machtverteilung nicht zu realisieren sei. Weil ein Teil - sprich die Herrscher - immer mächtiger waren, musste das Volk leiden. In seinem Buch untersucht er des weiteren die Verbindung von Staatswesen, juristischer Einrichtungen, von Politik, Produktion, natürlichen Gewohnheiten und der geografischen und kulturellen Lebensweisen aller Nationen. Auch die Bedeutung des Glaubens und die verschiedenen Persönlichkeiten der Menschen werden berücksichtigt. Immer wieder tauchen die Gesetze auf, die positiven Gesetze der Vergangenheit und der Gegenwart und er spricht von der Schaffung neuer Gesetze zur Erhaltung der Ordnung eines Staates. 2 Forsthoff Ernst: Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, Erster Band, 1951, S. 18 -5- So meint er in seinem Buch: „Besteht eine Republik, in der die Gesetze viele Durchschnittsmenschen erzogen haben, aus klugen Leuten, so wird sie sich weise regieren, und besteht sie aus glücklichen Menschen, so wird auch sie sehr glücklich sein.“3 Er spricht von Gleichheit, Bescheidenheit und Einfachheit in der Demokratie, welche in Monarchien und despotischen Staaten niemals angestrebt wird, da jeder der Überlegene sein möchte. Montesquieu war auch ein Befürworter der Freiheit. Freiheit bedeutete aber bei ihm keinesfalls tun, zu was man gerade Lust hat. Es ist vielmehr ein ruhiges und sicheres Zusammenleben der Bürger mit dem Anspruch auf gewisse Rechte innerhalb von Gesetzen: „In einem Staat, das heißt in einer Gesellschaft, in der es Gesetze gibt, kann die Freiheit nur darin bestehen, das tun zu können, was man wollen darf, und nicht gezwungen zu sein, zu tun, was man nicht wollen darf.“4 Nur Regierungsformen, die keinen Machtmissbrauch ermöglichen, erfüllen diese Aussage und es kann nur dort realisiert werden, wo alle bedeutenden Bevölkerungsschichten an der Herrschaft beteiligt sind und so die Mächte sich gegenseitig beschränken. Er wünschte daher die Beseitigung des Absolutismus durch die nach englischem Vorbild entworfene konstitutionelle Monarchie. Gesetze regeln auf verschiedenste Art und Weise das Zusammenleben der Menschen: Naturrecht, göttliches Recht, Kirchenrecht, Völkerrecht, allgemeines Staatsrecht, bürgerliches Recht, Hausrecht,... So meint Montesquieu: „Es gibt also verschiedene Gattungen von Gesetzen, und die menschliche Vernunft gipfelt darin, genau zu wissen, zu welcher dieser Gattungen die Gegenstände hauptsächlich gehören, die man gesetzlich regeln will, und keine Verwirrung unter den Grundsätzen anzurichten, die die Menschen regieren sollen.“5 So muss also für jedes Vergehen das jeweils zuständige Gremium über Recht und Unrecht entscheiden, aber das oberste Gesetz – die Erhaltung des Wohles des Volkes – darf nicht verletzt werden. Mit seiner Gewaltenteilung hat er einen großen Einfluss auf die Französische Revolution bis 1791 und auf die Verfassung der Vereinigten Staaten ausgeübt. Sein Prinzip ist in alle Verfassungen der demokratischen Staaten eingegangen. 2. Zeitalter der Aufklärung Montesquieu war ein bedeutender Vertreter der Aufklärung. Der Beginn dieser Geistesbewegung ist gegen Ende des 17. Jahrhundert zu setzen und dauert bis ins 19. Jahrhundert. Kant bezeichnet 3 Forsthoff Ernst: Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, Erster Band, 1951, S. 64 Forsthoff Ernst: Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, Erster Band, 1951, S. 212-213 5 Forsthoff Ernst: Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, Zweiter Band, 1951, S. 205-206 4 -6- diese Geistesbewegung als „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten 6 Unmündigkeit.“ Die Bedeutung der Wissenschaft, der Glaube an die verborgene Güte des Menschen sind besondere Kennzeichen dieser Zeit. Vernunft, Einsicht und Belehrung sollten zu Freiheit, menschenwürdiger und glücklicher Lebensgestaltung führen. Ausgehend von Holland (Grotius, Spinoza) verbreitete sich dieser Gedanke in England (Locke, Hume, Newton) und von hier aus nach Frankreich und Deutschland (Wolff, Lessing). Besonders das aufstrebende Bürgertum übernahm diese Grundidee und es konnten auch einige Monarchen für diesen Fortschritt im aufgeklärten Absolutismus gewonnen werden (Friedrich der Große und Kaiser Joseph II.). Der fortschrittliche Gedanke der Vernunft wurde von den Verfechtern der geschichtlichen Tradition skeptisch betrachtet. Anhänger dieses Fortschritts setzten sich aber intensiv mit der Geschichte auseinander: Bayle, Hume, Gibbon, Voltaire und die Geschichtsphilosophen Montesquieu und Herder. Gibbon und Montesquieu wendeten sich besonders gegen den Kulturverfall. Die Formen der Gesellschaft wurden vor allem als die Ergebnisse von Vereinbarungen verstanden. Geschlossen wurden sie entweder zwischen einzelnen Personen oder zum allgemeinen Nutzen. Menschenrechte seien somit unverzichtbar und gültig. Dadurch betonte die Verfassungslehre fordergründlich die Rechte des einzelnen und die sich aus ihnen ergebenden Grenzen der Staatsgewalt. Der Gedanke der Gewaltenteilung entstand durch Montesquieu und Locke. Dadurch wurde das feste Gefüge des absolutistischen Staates gelockert und wie schon erwähnt, waren einige Monarchen zu Reformen bereit. Die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten sowie der Beginn der Französische Revolution waren vom Gedanken der Aufklärung bestimmt. 3. Teilung der Staatsgewalt als Garantie politischer Freiheit7 Montesquieu entwickelt in seiner Rechtsphilosophie die Idee der Vereinbarkeit der verschiedenen nationalen Gesetze mit der Idee eines gemeinsamen, universalen Rechts. Für ihn stellte die Gesellschaft ein in sich zusammenhängendes Ganzes dar. Zwischen den verschiedenen Gesetzen 6 7 Der Neue Brockhaus, Erster Band, 1973, S. 157 gl. http://www.psm-dat.de/fr_rev/frz_mon.htm, 13.03.2002 -7- herrscht eine notwendige Beziehung, welche auf Rechtsverhältnissen beruht, die den positiven Gesetzen vorausgehen. Ähnlich wie Locke behauptet auch Montesquieu, dass die Freiheit des Individuums am besten durch eine Teilung der Staatsmacht zu sichern sei. So vertritt er in seinen Lehren die sogenannte Gewaltenteilung in eine legislative (gesetzgebende), eine exekutive (ausübende) und eine judikative (urteilende) Gewalt. „Vermöge der ersten gibt der Fürst oder Magistrat Gesetze auf Zeit oder für immer, verbessert er die bestehenden oder hebt sie auf. Vermöge der zweiten schließt er Frieden oder führt er Krieg, schickt oder empfängt Gesandtschaften, befestigt die Sicherheit, kommt Invasionen zuvor. Vermöge der dritten straft er Verbrechen oder spricht das Urteil in Streitigkeiten der Privatperson: Ich werde diese letzte die richterliche Gewalt und die andere schlechthin die vollziehende Gewalt des Staates nennen. Die politische Freiheit des Bürgers ist jene Ruhe des Gemüts, die aus dem Vertrauen erwächst, das ein jeder zu seiner Sicherheit hat. Damit man diese Freiheit hat, muss die Regierung so eingerichtet sein, dass ein Bürger die anderen nicht zu fürchten braucht. Wenn in derselben Person oder der gleichen obrigkeitlichen Körperschaft die gesetzgebende Gewalt mit der vollziehenden vereinigt ist, gibt es keine Freiheit; denn es steht zu befürchten, dass derselbe Monarch oder derselbe Senat tyrannische Gesetze macht, um sie tyrannisch zu vollziehen.“8 Montesquieu meint, dass dann wenn dieselbe Person bzw. Körperschaft gesetzgebende und vollziehende Gewalt vereint, es zu befürchten ist, dass tyrannische Gesetze auch tyrannisch vollzogen werden. Außerdem wäre die Freiheit insofern eingeschränkt, dass die richterliche Gewalt jederzeit die Gesetze so festlegen kann, wie es dem Richter gerade gesinnt ist. Leben und Freiheit der Bürger wäre willkürlich, der Richter würde die Macht eines Unterdrückers haben. Auch die zeitliche Dauer darf nur begrenzt sein, so lange Notwendigkeit besteht. Außerdem soll es ein Vertreter des Volkes sein. Die schreckliche richterliche Gewalt muss losgelöst sein von einem bestimmten Stand oder einem bestimmten Beruf, es soll nur mehr das Amt gefürchtet werden, aber nicht die Beamten. In einem freien Staat soll der Wille des Volkes herrschen. Da dies dem gesamten Volk nicht zugemutet werden kann, werden Vertreter vom Volk gewählt, die eben dieses Volk vertreten. Jede Stadt soll sich eigene Repräsentanten wählen, da es leichter ist in der Nähe zu agieren als die Wünsche von Ferne zu sehen. 8 Forsthoff Ernst: Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, Erster Band, 1951, S.215 -8- Jeder Bürger hat außerdem das Recht zur Wahl der Repräsentanten, mit Ausnahme derer, „die in einem solchen Zustand der Niedrigkeit leben, dass ihnen die allgemeine Anschauung keinen eigenen Willen zuerkennt.“9 Nur fähige Personen sollen in die Regierungssphäre gewählt werden, die dann auch Gesetze machen und darauf achten, dass diese auch ausgeführt werden. Da sich in einem Staat auch Leute befinden, die durch Geburt, Reichtum oder Ehrenstellung ausgezeichnet sind, muss diesen eine besondere Stellung zugeordnet werden, da sonst der Großteil der Entschließungen gegen sie gerichtet wäre. Ihr Anteil an der Gesetzgebung muss daher den übrigen Vorteilen angepasst sein. Daher sollen diese eine eigene Körperschaft bilden. Die gesetzgebende Gewalt setzt sich daher aus der gewählten Körperschaft des Adels und aus der gewählten Körperschaft des übrigen Volkes zusammen und beiden führen ihre Verhandlungen und Beratungen getrennt, mit gesonderten Ansichten und Interessen. Die Körperschaft des Adels muss nach Montesquieu erblich sein. Einerseits durch die Natur, andererseits sollten sie ihre Vorrechte haben, da diese doch verhasst sind und dadurch würden sie immer in Gefahr sein. Da gerade im Steuerrecht die Gefahr der Bestechung sehr groß ist, sollten in diesem Bereich die Verantwortlichen nur mit dem Vetorecht und nicht mit dem Beschlussrecht betraut werden. Beschlussrecht = Recht selbst zu verordnen oder zu verbessern, was von einem anderen verordnet worden ist. Vetorecht = Recht des einzelnen, einer Behörde oder Körperschaft, durch Einspruch einen Beschluss unwirksam (= absolutes) zu machen oder aufzuschieben (= suspensives). Die vollziehende Gewalt muss nach Montesquieu in die Hände eines Monarchen. Das was von der gesetzgebenden Gewalt abhängt, gehört in die Hände mehrerer. Würde nämlich die Vollziehung von denen übernommen, die die Gesetze erstellen, gäbe es keine Freiheit mehr. Der vollziehenden Gewalt muss außerdem das Recht zustehen, die gesetzgebende Gewalt zu Einhalt zu ermahnen, sonst könnte sie sich alle Macht zusprechen und die übrigen Gewalten vernichten. Umgekehrt wäre es nicht sinnvoll, das der Vollziehung natürliche Grenzen gesetzt werden. Da man aber bedenken muss, dass die gesetzgebende ohne Kontrolle über die vollziehende Gewalt sein soll, würde niemals die Überprüfung der von ihr gesetzten Gesetze erfolgen. Gesetzgebende Körperschaften dürfen aber in keiner Weise eine vollziehende Funktion wahrnehmen, sie dürfen nicht tyrannisch werden. Eine Anklage der Vollziehung würde den Verlust der Freiheit bedeuten. 9 Forsthoff Ernst: Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, Erster Band, 1951, S.219 -9- Die vollziehende Gewalt kann aber nichts schlecht vollziehen, wenn die Ratgeber entsprechend vorgehen. Daher soll die vollziehende Gewalt mit dem Vetorecht an der Gesetzgebung teilhaben, eine Teilnahme des Monarchen an der Gesetzgebung würde wiederum die Freiheit aufs Spiel setzen. Daher hat auch er die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Vetorechts. Verfassungsmäßige Grundordnung der Regierung: gesetzgebende Körperschaften aus zwei Teilen mit wechselseitigem Vetorecht, gebunden durch die vollziehende Gewalt, die ihrerseits wieder durch die Gesetzgebung ist. Von den drei Gewalten bleiben eigentlich nur zwei übrig, da die richterliche in gewisser Weise gar nicht vorhanden ist.10 4. Gewaltenteilung 4.1. Prinzip der Gewaltenteilung Montesquieu verlangt sowohl eine organisatorische als auch eine soziale Aufteilung der drei Staatsfunktionen: die Legislative, die für die Gesetzgebung und Abschaffung von Gesetzen existiert, die Judikative, die in Streitfällen oder bei Verbrechen richtet und die Exekutive als ausführende Gewalt, die für die äußere und innere Sicherheit zuständig ist. Durch die von verschiedenen Gesellschaftsgruppen ausgeführte Funktion wird dem Machtmissbrauch vorgebeugt und die Rechtssicherheit dem Volk garantiert, indem sich die staatlichen Mächte durch ihre Aufteilung auch gegenseitig kontrollieren können. Das Volk soll die Repräsentanten wählen, die seinen Willen vertreten, sie sollen eine Art Interessensgemeinschaft mit ihren Wählern bilden, damit ihre Entscheidungen im Sinne des Gemeinwohls der Nation gefällt werden. So meinte doch Montesquieu „Es ist die Aufgabe des Gesetzgebers, sich dem Volksgeist anzupassen, wenn dieser nicht den Regierungsgrundsätzen widerspricht; denn nichts tun wir so gut wie das, was wir aus freiem Willen und unserer Natur entsprechend tun.“11 Durch diese Trennung werden auch verschiedene soziale Interessen vertreten. Montesquieu befürwortet zwar eine Monarchie, schränkt aber durch die Gewaltenteilung die Macht des Königs 10 11 Vgl. Steffani Winfried: Gewaltenteilung und Parteien im Wandel, 1997, S. 35 Forsthoff Ernst: Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, Erster Band, 1951, S. 414 - 10 - ein, um das Wohl des Volkes in den Vordergrund zu stellen und die absolutistischen Absichten zu unterbinden. Nur durch die Trennung ist die Freiheit der Bürger gesichert. Die Souveränität im Staat liegt dennoch in der Einheit aller drei Gewalten, Übereinstimmung vor dem Handeln ist ebenso wichtig, wie deren Trennung. Montesquieu behauptet außerdem, dass schon wenn nur zwei Gewalten, wie zum Beispiel Legislative und Exekutive, von der gleichen Person oder Körperschaft ausgeführt werden würden, die Balance der Kräfte zerstört sei und vollkommene Willkür und Tyrannei herrschen. Die Auswirkungen der Lehre Montesquieu spiegeln sich heute in vielen Staaten wieder, auch wenn in den Ländern , die eine Regierung mit Parlament besitzen die Trennung von Legislative und Exekutive nicht bzw. kaum mehr gegeben ist. 4.1.1 Die Legislative = gesetzgebende Gewalt Die Gesetzgebung erfolgt in Österreich durch das Parlament, welches von Volksvertretern besetzt ist und dem Bundesrat als legislative Ländervertretung. Die von der Legislative erlassenen Bundesgesetze vollziehen unabhängige, unversetzbare und unabsetzbare Richter. 4.1.2. Die Exekutive = ausführende, vollziehende Gewalt Die vom Nationalrat erlassenen Bundesgesetze und die von den Landtagen erlassenen Landesgesetze oder die von den Verwaltungsbehörden erlassenen Verordnungen werden von weisungsgebundenen Beamten, Vertragsbediensteten, sprich Exekutive vollzogen. 4.1.3. Die Judikative = richterliche Gewalt Darunter versteht man die gesamte Gerichtsbarkeit, aufgeteilt in Zivil-, Straf- und Verwaltungsrecht. Im Falle eines juristischen Problems muss sich der Bürger an die entsprechende Gerichtsbarkeit wenden. Diese richterliche Gewalt sorgt für Rechtsprechung. Die höchste Instanz ist der Verfassungsgerichtshof. Dieser wacht über die gesetzgebende Gewalt, er erkennt über die Verfassungswidrigkeit von Bundes- und Landesgesetzen, seine bedeutendste Aufgabe ist aber die Gesetzesprüfungskompetenz. So hat sich der Bereich der Rechtssprechung außerordentliche Rechte aufgebaut. Der Verfassungsgerichtshof kontrolliert sowohl den Gesetzgeber als auch die Regierung. - 11 - 4.2. Die traditionelle Lehre von der Gewaltenteilung Die Freiheit eines Volkes ist nur gegeben, wenn die Staatsgewalt auf diese 3 unabhängigen Organe aufgeteilt ist. Gerade in der Gewaltenteilung liegt der Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur. Denkt man nur an die Zeit Hitlers,12 der als „Führer und Reichskanzler“ alle politischen Funktionen in sich vereinigte: Staatsoberhaut, oberste Spitze der Reichsverwaltung, oberster Gesetzgeber, oberster Gerichtsherr, Oberbefehlshaber über die Wehrmacht und Führer der NSDAP. Er entschied alleine über Kriegserklärungen und Friedensschlüsse. Er bestimmte die politischen Grundsätze, seine Verwaltungsakte benötigten keine Gegenzeichnung durch irgendwelche Minister. Es war eine vollständige Aufhebung der Gewaltenteilung. Hitler besaß alle Macht im Staat, wodurch er einige Kompetenzen an seine Unterführer abgeben musste. So hat bereits Montesquieu gesagt: „Alles wäre verloren, wenn derselbe Mensch oder die gleiche Körperschaft der Grossen, des Adels oder des Volkes diese drei Gewalten ausüben würde: die Macht, Gesetze zu geben, die öffentlichen Beschlüsse zu vollstrecken und Verbrechen oder die Streitsachen der einzelnen zu richten.“13 Auch George Washington erklärte 1796: „Der Geist der Machtanmaßung strebt danach, die Gewalt aller Ämter in einem zusammenzufassen und so unabhängig von der Regierungsform praktisch den Despotismus herbeizuführen. [...] Die Notwendigkeit gegenseitiger Kontrollen bei der Ausübung politischer Macht in Form ihrer Aufteilung auf verschiedene Regierungszweige, wobei jede zum Wächter des öffentlichen Wohls gegen Übergriffe des andern bestellt wird, ist aus Erfahrung in alter und neuer Zeit dargetan worden.“14 Diese beiden Zitate sagen aus, welches Motiv hinter der Gewalteneilung steckt. Die Gefahr des Missbrauchs der Macht ist so groß, dass diese daher begrenzt und in diesem Sinne aufgeteilt werden muss. 4.3. Abweichungen von der traditionellen Lehre der Gewalteneilung Auf der funktionalen Ebene geht es um die Unterscheidung von Regelsetzung, Regelanwendung und streitige Regelentscheidung. Unter Regelsetzung verstehen sich Gesetze, Verordnungen, Verfügungen, Erlässe, .. Gesetzgebung passiert auf der Ebene des Parlaments und jedes 12 13 14 Vgl. Lehner Oskar: Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 1992, S. 324 http://www.dadalos.org/deutsch/Demokratie/demokratie/grundkurs3/Gewaltenteilung/gewaltenteilung.htm, 25.04.2002 Vgl. http://www.dadalos.org/deutsch/Demokratie/demokratie/grundkurs3/Gewaltenteilung/gewaltenteilung.htm, downloaded am 25.04.2002 - 12 - parlamentarische Regierungssystem ist derart aufgebaut, dass die Regierung vom Parlament bestellt und gestürzt werden kann. Daraus geht auch klar hervor, dass das Parlament die Regierung so bildet, dass sie das Vertrauen in den eigenen Reihen genießen kann. Eine Person erfüllt somit zwei Plätze im Parlament: Regierungs- und Fraktionssitz. Fraktionsdisziplin verlangt daher von jedem Abgeordneten die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den anderen Fraktionsmitgliedern und entzieht ihm das Rechte, persönlich begründen und verantworten zu können. Wo findet sich demnach noch eine Trennung von Exekutive und Legislative? Ein weiterer Punkt wäre die Antragstellung von Gesetzesvorlagen, die großteils aus den Amtsstuben der Ministerien kommt und nicht aus den Büros der Abgeordnete. Für die Exekutive entstehen immer größere Entscheidungskompetenzen, da vom Parlament häufig nur Rahmengesetze verabschiedet werden. Einerseits ist diese Maßnahme notwendig, da sie sonst in den zahllosen Materien der Gesetzgebung ersticken würde, aber insgesamt betrachtet erhält dadurch die Exekutive eine politische Entscheidungsmacht. Ausschließlich die Judikative hat noch ihre klassische Trennung. 4.4. Neubestimmung der Lehre von der Gewaltenteilung Heute lässt sich die Tätigkeit der Staatsorgane nicht mehr in Gesetzgebung, Gesetzesvollziehung und Rechtssprechung teilen, vielmehr ist heute von politischer Grundentscheidung, Ausführung dieser Grundentscheidungen und Kontrolle im Sinne der Verfassungsprinzipien zu sprechen. Der Vollzug von Gesetzen oder die Durchführung außenpolitischer Zielsetzungen übernimmt hauptsächlich der öffentliche Dienst, sprich die Verwaltung. Als oberstes Weisungsorgan wacht die Regierung über diese Instanz. Eng verbunden mit der Regierung ist hingegen das Parlament, für die bedeutendsten Aktionen braucht die Regierung die Zustimmung des vom Volk gewählten Parlaments. Regierung und Parlament müssen die politischen Grundentscheidungen des Gemeinwesens treffen. Nur durch gemeinsames Handeln dieser beiden können sie ihre Aufgaben erfüllen, daher erscheint es sinnvoll, wenn sich beide Institutionen verbinden. - 13 - Freilich sollte zwischen der Aufgabe, die politischen Grundentscheidungen zu formulieren und sie praktisch durchzusetzen, getrennt werden. Hier wird der Grundsatz der Inkompatibilität wirksam, der über „die gesetzliche Unvereinbarkeit bestimmter staatlicher Ämter und Funktionen“ verfügt: Ein Mitglied des Nationalrates, der Bundesrates oder des europäischen Parlaments darf gem. Art. 59 B-VG nicht gleichzeitig einem der beiden anderen Vertretungskörper angehören.15 Ferner sind noch weitere staatliche Funktionen angeführt, die mit der Mitgliedschaft im Nationalrat, Bundesrat und Landesrat inkompatibel sind. Keinesfalls darf die richterliche Gewalt angetastet werden. Ihre „hochgradige Trennung von den sogenannten ‚politischen Gewalten’ ist das primäre Postulat rechtsstaatlicher Ordnung und der staatsrechtlichen Teilungslehre“16 Die Rechtsstellung der Richter ist gekennzeichnet durch eine verfassungsrechtliche Garantie der richterlichen Unabhängigkeit, weiters wird ihnen eine weitgehende Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit zuerkannt. (Art. 87 und 88 Abs. 1 B-VG) 4.5. Check and Balances Die in Anlehnung an Montesquieu vorgenommene Zuweisung verschiedenartigster Kompetenzen an die verschiedenen Verfassungsorgane wird mit den Begriffen check and balances belegt und Steffani17 weist in seinem Buch darauf hin, dass diese auch als „Zusatz der Gewaltenteilung“ bezeichnet werden. Dadurch, dass Parlament und Regierung in der selben Funktion tätig sind, haben beide auch die Möglichkeit, sich gegenseitig zu kontrollieren. Regierung und Parlament sind aufeinander angewiesen, ein System von Gegengewicht und Ausbalancierung und sie benötigen bei der Formulierung von Grundsatzentscheidungen einen Konsens. Montesquieu hat genau diesen Gedanken verfolgt, wenn er die Gesetzgebung vorrangig in den Bereich der politischen Grundsatzentscheidung einordnete und dabei zwei Kammern sah – die Kammer des Adels und die der Bürger. Beide gesellschaftlichen Gruppen waren gezwungen, zusammenzuwirken. Der Zwang zur Zusammenarbeit birgt ein Element der Kontrolle in sich. 15 Böhm Rainer, Kimmel Roberto: Gesetzestexte aus öffentlichem Recht, 8. Auflage, 2001, S. 19 Steffani Winfried: Gewaltenteilung und Parteien im Wandel, 1997, S. 38 17 Vgl. Steffani Winfried: Gewaltenteilung und Parteien im Wandel, 1997, S. 24 f 16 - 14 - Neben den beiden Kammern – Regierung und Parlament – tritt auch noch die Opposition als Kontrollorgan auf. Dieses von Montesquieu als klassisches Schema der Gewaltenteilung festgelegte System, lebt noch heute in der präsidialstaatlichen Verfassung der USA weiter. Anstelle des Monarchen tritt der vom Volk gewählte Präsident, der zugleich Regierungschef ist. Seine Legitimationsgrundlage erhält er durch die Volkswahl. Da ein Abberufen durch den Kongress nicht möglich ist, ergibt sich eine personale Trennung. Die Mitglieder der amerikanischen Regierung sind nicht Abgeordnete des Kongresses, sondern werden durch das Vertrauen des Präsidenten in ihr Amt berufen. Aber auch hier ist eine Zusammenarbeit von Kongress und Präsident notwendig, um bei grundlegenden Fragen zu einer Entscheidung zu gelangen. 4.6. Neue Formen der Gewaltenteilung im 20. Jahrhundert Der demokratische Gedanke des 20. Jahrhunderts hat somit die scharfe Trennung von Exekutive und Legislative beendet. Dennoch ist der Grundgedanke Montesquieu nach wie vor als Leitidee vorhanden, es haben sich nur die Formen verändert. Gewaltenteilung im parlamentarischen Regierungssystem ist dadurch gekennzeichnet, dass das vom Volk gewählte Parlament eine Regierung etabliert, die dann auch eine Parlamentsmehrheit erreicht, wenn es um Entscheidungen geht. Dazu benötigt die Regierung die Unterstützung des Parlaments. 18 Handlungsfähige Regierungen bedürfen einer sie aktiv tragenden Parlamentsmehrheit. Sie können dies aber nur durch Fraktionsdisziplin erreichen, die gerade im Parlamentarismus der europäischen Staaten zur Notwendigkeit geworden ist. Daraus erklärt sich auch das kompakte Auftreten der Parteien als Angehörige der Regierungsmehrheit auf der einen Seite und die der Opposition auf der anderen Seite. Es scheint, als ob alle Entscheidungsrechte bei der Regierungspartei liegen würden und die Opposition machtlos daneben stehen würde. Dem ist aber nicht so. Einerseits müssen sich die Regierungspartei(en) immer wieder mit der Kritik durch die Opposition auseinandersetzen und außerdem muss sich eine demokratische Regierungsmehrheit ebenso wie die Opposition der nächsten Wahl stellen. Es besteht also für die Opposition die Möglichkeit, durch ein gezieltes Aufzeigen der Schwächen der Regierungspartei, als Sieger bei der nächsten Wahl hervorzugehen. Natürlich wird auch die Regierungspartei darauf achte, ihre Vorzüge dem Volk näher zu bringen 18 Vgl. Steffani Winfried: Gewaltenteilung und Parteien im Wandel, 1997, S. 24 ff - 15 - und ihr Verhalten danach ausrichten. In dieser Dimension liegt das gewaltenteilige Potential der Opposition. Will man heute die gewaltenteilenden Elemente in einem politischen System herausarbeiten, so darf man sich nicht auf den institutionellen Bereich beschränken. Neben der institutionellen Ebene sprach Montesquieu auch von der gesellschaftlichen Ebene der Gewaltenteilung. Die Ständegesellschaft gehört der Vergangenheit an, andere gewaltenbeschränkende Elemente sind dazugekommen, man denke nur an die Bedeutung der Grundrechte, die modernen Parteien und die Interessensverbände. 4.7. Sechs Ebenen der Gewaltenteilung19 4.7.1. Die staatsrechtliche, horizontale Ebene der Gewaltenteilung Diese beruht auf der gängigen Unterscheidung von gesetzgebender Gewalt, ausführender oder vollziehender Gewalt und Rechtssprechung, ist aber durch die Einführung des parlamentarischen Regierungssystems und durch die modernen Parteiensysteme erheblich modifiziert worden. 4.7.2. Die zeitliche Ebene der Gewaltenteilung Nicht zu übersehen ist auch die periodische Wiederwahl der politischen Amtsträger als Prinzip der Gewaltenteilung. Die Macht wird temporär geteilt. Durch die Wahl hat das Volk, der Wähler Mitentscheidungsrecht bei der Gewaltenteilung und Gewaltenkontrolle. Auch der Dauer der Amtszeit ist eine entscheidende Rolle zuzuschreiben. Je kürzer Wahlperioden sind, um so stärker greift die Wählerschaft in das System der Kontrolle ein. So zitiert Steffani, wenn er schreibt: „ Das englische Volk glaubt frei zu sein; es täuscht sich gar sehr. Es ist nur während der Wahlen der Parlamentsmitglieder frei; sobald sie gewählt sind, ist es Sklave, ist es nichts. Der Gebrauch, den es in den kurzen 19 Vgl. Steffani Winfried: Gewaltenteilung und Parteien im Wandel, 1997, S. 38 ff - 16 - Momenten seiner Freiheit von dieser macht, verdient wohl, dass es sie verliert.“20 Für das Zeitproblem ergeben sich eine Fülle komplexer Beziehungen. Die Amtsinhaber diverser Kontrollinstanzen können in verschiedenen Intervallen, wie am Beispiel in den USA, wiedergewählt werden. Im parlamentarischen Regierungssystemen erhält das Zeitproblem einen besonderen Aspekt durch die Opposition. Wie schon erwähnt, kann sich diese durch ihre Oppositionstätigkeit eine reale Chance zur Erreichung der Regierungsmehrheit herausarbeiten. Daraus kann sich der Zeitrahmen zu einem Problem entwickeln, wenn Regierungspartei und Opposition als feste Gruppierungen auftreten und nur durch Parteispaltung Regierungschancen auftauchen. In diesem Zusammenhang sollte auch noch auf weitere Fristen- und Terminsetzungen aufmerksam gemacht werden: Fristenlegungen der Geschäftsordnung. Es soll noch darauf hingewiesen werden, dass sich die temporale Teilungslehre mit Zeitfragen wie richtiger Turnus der allgemeinen Wahlakte, richtige Zuordnung der Sessionen und Amtsperioden,... beschäftigt. Damit erklärt sich die Bedeutung der temporären Einteilung. 4.7.3. Die föderative Ebene der Gewaltenteilung Eine föderative Verfassung begrenzt die Macht der politischen Institutionen des Zentralstaates. Die Bundesländer haben in den verschiedenen politischen Systemen unterschiedlich geregelten Einfluss auf den Zentralstaat. Die föderative Teilungslehre verdeutlicht auch die völkerrechtlichen, internationalen Verflechtungen des jeweiligen Herrschaftssystems, die sich gewaltenhemmend auswirken können als auch das innerstaatliche Machtgefüge beeinflussen. 4.7.4. Die konstitutionelle Ebene der Gewalteneilung Im modernen Verfassungsstaat kann zwischen verschiedenen Rechtsebenen unterschieden werden: strukturierte Rangfolge zwischen den Ebenen der Verfassung, des Gesetzes, der Verordnungen, Verfügungen, Verwaltungsanweisungen usw. Sie schränkt in den meisten westlichen Demokratien die Entscheidungskompetenzen der jeweiligen Parlamentsmehrheiten ein, weil für Verfassungsänderungen Zwei-DrittelMehrheiten verlangt werden. 20 Du contrat social, III. Buch, 15. Kap., 5.Abs. Winfried: Gewaltenteilung und Parteien im Wandel, 1997, S. 42 - 17 - 4.7.5. Die dezisive Ebene (=Entscheidungsebene) der Gewaltenteilung Fünf autonome in Interdependenz stehende Entscheidungsebenen: Regierung, Parlament, Parteien, Interessensgruppen, öffentliche Meinung. Das bedeutet, dass der politische Willensbildungs- und Entscheidungsprozess sich nicht alleine auf staatlicher Ebene abspielt und kann somit auch nicht ausschließlich mit staatsrechtlichen Kategorien beschrieben werden. 4.7.6. Die soziale Ebene der Gewaltenteilung Unterschiedliche Interessen der verschiedenen gesellschaftlichen Schichten verlangen von den politischen Parteien unterschiedliche Angebote und Lösungsvorschläge für anstehende politische Probleme. 4.8. Gewaltenverschränkung statt Gewaltentrennung Legislative und Exekutive verknüpfen sich miteinander. Vergleichen wir zunächst zwischen einer „alten“ und einer „neuen“ Gewaltenteilung. So spricht man in einem parlamentarischen Regierungssystem von einer „alten“ und in einer organschaftlichen Teilung von einer „neuen“ verfassungskonformen institutionellen Gewaltenteilung. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass bei der „alten“ Gewaltenteilung die Verfassungsorgane durch eine Regelung über rechtlich gesicherte Entscheidungskompetenzen verfügen. Zwischen Legislative und Exekutive besteht demnach ein organschaftlicher Dualismus verfassungsrechtlicher Konfliktfähigkeit.21 Dieser organschftliche Dualismus wird nun von einem Miteinander von Parlament und Regierung ausgedrückt. Diese Regierungsmehrheit verfügt nun mehr oder weniger über die Kompetenzen beider Verfassungsorgane. Auf der anderen Seite bleibt nun die parlamentarische Opposition mehr oder weniger als Minderheit. So könnte man mit Steffani sagen, dass „im parlamentarischen Regierungssystem sei der genannte verfassungsorganschaftliche Dualismus zu einem Monismus verkürzt worden“.22 Dieser neue gewaltenteilige Dualismus unterscheidet sich von Exekutive und Legislative. Ich möchte diese Aussage folgendermaßen begründen: 21 22 Vgl. Steffani Winfried: Gewaltenteilung und Parteien im Wandel, 1997, S. 148 Steffani Winfried: Gewaltenteilung und Parteien im Wandel, 1997, S. 149 - 18 - In einem parlamentarischen System liegen die Entscheidungskompetenzen einseitig bei der Regierungspartei. Diese muss sich neben der öffentlichen Kritik auch der Kritik der Opposition stellen. Da, wie ich bereits beschrieben habe, dass Herrschaftssystem zeitlich begrenzt ist, stehen beide in einem „permanenten, gewaltenteilenden Wettstreit“23 miteinander. Die Abhängigkeit von Parlament und Regierung durch die Wählerschaft führt dazu, dass sie ständig wachsam gegenüber der Opposition agieren müssen. Denn gerade diese Opposition könnte in die Gunst der Wählerschaft geraten und somit als Gegengewalt zur Regierungsmehrheit werden. Mit dieser verfassungspolitisch-institutionellen „neuen“ Gewaltenteilung wird die verfassungsrechtlich-organschaftliche „alte“ nicht verdrängt sondern nur überlagert, verändert und erweitert. Es hat sich ein Wandel dahin vollzogen, dass die auf Gesetzgebung und Regierungskontrolle beschränkte Legislative zu einem Parlament mit dem zusätzlichen Recht der Abberufung des Regierungspersonals gehoben wurde. Somit bleibt die organschaftliche Gewaltenteilung voll wirksam. In der Öffentlichkeit wird großteils nur die Auseinandersetzung zwischen der Regierungsmehrheit und der Opposition beobachtet. Mit der „neuen Gewaltenteilung“ treten in einem parlamentarischen Regierungssystem sowohl die Erscheinungsformen die dieses System auszeichnen auf, als auch die traditionellen Aspekte organschaftlicher Gewaltenteilung aber mit neuen Perspektiven. Ein Zusammenwirken ist daher unbedingt notwendig, damit ein Funktionieren gesichert ist. 4.9. Gegengewicht Länder In Bundesstaaten wird die Macht des Bundes auch durch die Länder begrenzt. Während die Gerichtsbarkeit zur Gänze dem Bund vorbehalten ist, sind zwischen Bund und Länder die Staatsfunktionen Gesetzgebung und Verwaltung aufgeteilt. In Artikel 10-15 B-VG sind die Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen zwischen Bund und Länder geregelt. In der Bundesregierung wirken die Länder außerdem durch den Bundesrat mit, der aber großteils nur suspensives Vetorecht besitzt. Die Verwaltung, der die Ausführung der Gesetze und Rechtsverordnungen obliegt, ist überwiegend Sache der Bundesländer und darunter noch der Gemeinden. Die Landesregierungen Österreichs fühlen sich häufig von der Bundesregierung geschwächt und fordern daher mehr Kompetenzen. 23 Steffani Winfried: Gewaltenteilung und Parteien im Wandel, 1997, S. 150 - 19 - Aus einer Parlamentssitzung vom 28.3.2000:24 Die Länder haben in ihre Erwartungen auch eingeschlossen, dass sie nicht weiter geschwächt, sondern dass die Zusagen einer wirksameren Gewaltenteilung und tief greifender Reformen im Staatsgefüge endlich eingelöst werden. Die Bilanz der letzten Gesetzgebungsperioden war für die Länder bekanntlich bis auf den Konsultationsmechanismus klar negativ. 4.10. Weitere Modelle der Gewaltenteilung Gewaltenteilung kann auch aus fünf oder sechs Gewalten bestehen25 Gibt es Modelle der Gewaltenteilung und Verfassung, die trotz gegebener Unterschiede im einzelnen verschiedenen Kulturen gemeinsam sind? Prof. Thomas Armbruster hat ein Modell der Gewaltenteilung mit fünf ja sogar sechs Gewalten aufgestellt, das bereits bekannte dreiteilige Modell ist hierin eingeschlossen. Das Modell beinhaltet die drei Gewalten Legislative, Exekutive und Judikative, dazu kommen Vermittlung und Aufsicht als zusätzliche Gewalten und die sechste Grundgewalt ist das Volk. China zum Beispiel hat Legislative, Exekutive, Judikative sowie die zentrale Armeekommission und die Staatsanwaltschaft. 4.10.1. Verfassungsinitiative Das Volk hat ein Vorschlagsrecht für die Verfassung, das bei der Entstehung von Gesetzen, aber auch als Entwurf für eine Verfassungsänderungen beansprucht werden kann. In der Schweiz ist dies ein wichtiger und unverzichtbarer Faktor im Bereich der Mitwirkungsrechte. 4.10.2. Allgemeine Initiative – Allgemeines Referendum Ein staatlicher Entscheid wird nicht allein negativ in Frage gestellt, sondern es kann ein Vorschlag gemacht werden. 24 25 http://www.parlinkom.gv.at/pd/pm/BR/BRSP/BRSP_661/661_134.html, 15.05.2002 Vgl. http://www.ch-forschung.ch/pd/0103/art_1.htm, 25.04.2002 - 20 - Volksvorschlag/Konstruktives Referendum wurde mit der neuen Berner Verfassung eingeführt. Dadurch können Gesetzesvorlage und Grundsatzbeschlüsse des Parlaments durch einen Volksvorschlag geändert werden. Der Volksvorschlag ist eine Kombination von Initiative und Referendum In Deutschland stellen Volksbegehren und Volksentscheid einen wichtigen Mitwirkungsfaktor dar. Volksbegehren ist ein Antrag, der aus dem Volk kommt während Volksentscheid eine verbindliche Entscheidung des Volkes über eine Sachfrage ist. In Österreich kennen wir die Volksabstimmung, die mit dem Volksentscheid verglichen werden kann, Volksbegehren ist gleich wie in Deutschland. 4.10.3. Parlamentarische Initiative Darunter versteht man das Mitwirkungsrecht des Parlaments bei der Gesetzgebung. Das Parlament hat ein Vorschlagsrecht für seine Entscheidungen über Verfassung und Gesetze. Dem Vorschlagsrecht des Parlaments entspricht das Initiativrecht der Regierung. 4.10.4. Regionsinitiative Es ist das Recht der zweiten staatlichen Ebene gegenüber dem Parlament. Dieser zweiten Ebene entsprechen in Deutschland die Länder, in der Schweiz die Kantone, in Österreich die Bundesländer 4.10.5. Verfassungsreferendum Das Verfassungsreferendum ist bei einer sechsteiligen Verfassung zweckmäßig und gegeben. Es kann auch Bestandteil der Verfassungsinitiative, vielleicht auch der Einheitsinitiative und des Einheitsreferendums sein. Dies entspricht dann wieder einer fünfteiligen Verfassung. 4.11. Zusammenfassung zeitliche und institutionelle Gewalteneilung Zusammenfassend möchte ich nun noch zwischen der zeitlichen und der Institutionellen Gewalteneilung unterscheiden: Zeitliche Gewaltenteilung: - 21 - Misstrauensvotum: die Regierung ist gegenüber dem Parlament verantwortlich und kann vom ihm gestürzt werden. Mitglieder der Regierung sind in der Regel auch Mitglieder des Parlaments Gewaltenbeschränkung: Mehrheitspartei/-koalition im Parlament unterstützt die Regierung Fraktionsdisziplin: starke Kohäsion der Parteien Vorzeitige Auflösung des Parlaments Kontrolle durch die Antizipation der Chance des Machtwechsels und durch die Opposition in der Regierung als Koalitionspartner Institutionelle Gewaltenteilung: Kein Misstrauensvotum: Exekutive kann vom Parlament nicht gestürzt werden Inkompatibilität von Regierungsamt und Parlamentsmandat Gewaltenteilung: Exekutive kann einer Mehrheit der gegnerischen Partei gegenüber stehen Parteien sind Wahlkampfapparate, daher schwache Kohäsion der Parteien Kontrolle durch völlige Trennung der Gewalten von Exekutive und Legislative und die Verantwortlichkeit der Exekutive gegenüber der Verfassung 5. Schlussbemerkung Wenn man auch immer wieder die Theorie Montesquieus verschiedenartig beurteilt, so kann man doch sagen, dass seine Ansichten über die Freiheit sich noch immer bewahrheitet haben und diese Freiheit gibt es nur dort, wo ein Ausgleich der Mächte existiert, dort wo Menschen mit unterschiedlicher Weltanschauung friedlich zusammenleben können. Seine Gedanken haben viele zum Nachdenken angeregt und der Einfluss Montesquieus hat viele Veränderungen bewirkt. Er war als Aufklärer für das Recht auf Freiheit und Gerechtigkeit im Staat. Jeder Bürger hat das Recht auf Freiheit, nicht Unterdrückung und Despotie dürfen herrschen, sondern die Sicherheit einer Verfassung, „dass niemand gezwungen ist, Dinge zu tun, zu denen das Gesetz ihn nicht verpflichtet, und Dinge nicht zu tun, die das Gesetz ihm erlaubt.“26 26 Forsthoff Ernst: Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, Erster Band, 1951, S. 213 - 22 - Literaturverzeichnis: Forsthoff, Ernst: Montesquieu, Vom Geist der Gesetze. Erster Band, Deutschland, 1951 Forsthoff, Ernst: Montesquieu, Vom Geist der Gesetze. Zweiter Band, Deutschland, 1951 Böhm, Rainer; Kimmel, Roberto: Gesetzestexte aus öffentlichem Recht. 8. Auflage, Linz, 2001 Lehner, Oskar: Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte mit Grundzügen der Wirtschafts-und Sozialgeschichte. Linz, 1992 Oberndorfer, Peter, Univ.Prof.Dr.; Binder, Bruno, Univ.Prof.Dr.: Skriptum Öffentliches Recht. 3. Auflage, Linz, 1999 Steffani, Winfried: Gewaltenteilung und Parteien im Wandel. Opladen, 1997 Der Neue Brockhaus. Lexikon und Wörterbuch in fünf Bänden und einem Atlas, Erster Band, Wiesbaden, 1973 Internet: http://www.hausarbeiten.de/rd/upload.shtml, downloaded am 13.3.2002 . http://www.psm-dat.de/fr_rev/frz_mon.htm, downloaded am 13.03.2002 - 23 - http://www.dadalos.org/deutsch/Demokratie/demokratie/grundkurs3/Gewaltenteilung/gewaltenteilung.htm, downloaded am 25.04.2002 http://www.parlinkom.gv.at/pd/pm/BR/BRSP/BRSP_661/661_134.html, 15.05.2002 http://www.ch-forschung.ch/pd/0103/art_1.htm, downloaded - 24 - am 25.04.2002 downloaded am