Lernen:

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Lernen:
Operante Konditionierung,
Teil II
Lernen am Modell
Bestrafung: Effektiv oder nicht?
• Klassisches Exp. von ESTES (1944)
•
Versuchsaufbau
• Skinner-Box mit Hebel, Futtermagazin und elektrifizierbarem
Bodengitter. Mechanismus, der die Anzahl Hebeldrücke pro
Zeiteinheit registrierte
• Phase mit positiver Verstärkung;16 Ratten wurden auf
möglichst häufiges Hebeldrücken operant konditioniert,
zunächst kontinuierlich, später intermittierend.
Ergebnis: stabil hohe Reaktionsfrequenz
2
Bestrafung: Effektiv oder nicht?
• Klassisches Exp. von ESTES (1944), Forts.
• 1. Löschungsphase: 8 Tiere (EG) während einstündiger
Periode nicht nur nicht mehr verstärkt, sondern auch von der 5.
bis 20. Minute bei Hebeldruck oft, aber nicht immer, leicht
elektrisch geschockt.
Die restlichen 8 Tiere (KG) wurden während der gleichen Zeit
für Hebeldrücken weder verstärkt noch bestraft (Löschung).
• In der 2. und 3. Löschungsphase wurde das Verhalten beider
Gruppen nur gelöscht, d.h. weder verstärkt noch bestraft.
3
Bestrafung: Effektiv oder nicht?
• Ergebnisse
!Bestrafung unterdrückt lediglich das Verhalten, löscht es aber nicht!
4
Bestrafung
• Verhalten wird seltener, wenn…
1 der Verstärker wegfällt (Löschung)
2 konkurrierendes Verhalten aufgebaut wird
3 Bestrafung erfolgt
• Beispiele für 1:
• Stören im Unterricht: Kind aus der Klasse schicken
• Wutanfälle ignorieren; aber: Eskalationsfalle!
• Sättigung
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Bestrafung
• Beispiel für 2:
• Alkoholiker/innen: Hobby statt Kneipe
• Zu 3: Bestrafung führt zu geringerer
Verhaltenshäufigkeit
• Kurzfristige Verhaltensunterdrückung bei wenig
intensiver Bestrafung
• Langfristige Verhaltensänderung bei intensiver
6
Bestrafung
• Bestrafungsregeln (Azrin & Holz, 1966)
1. Von Anfang an mit voller Intensität
2. Unmittelbar
3. Anfangs immer bestrafen (sonst Verstärkung!)
4. Verhaltensmotivation senken
5. Alternative Verhaltensweisen stärken
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Bestrafung
• Nachteile von Bestrafung
1. Emotionale Konsequenzen
•
Lern- und Performanzschwächen
2. Allgemeine Verhaltensunterdrückung
3. Notwendigkeit der Überwachung
4. Regeln brechen/Situationsflucht
5. Aggression, soziale Konsequenzen
6. Spielen andere mit (Personal)? Aversion gegen
Anwendung von Bestrafung
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Bestrafung
• Alternative: Negative
Bestrafung/Omission/Bestrafung Typ II
• Angenehmer Stimulus wird
weggenommen/weggelassen: Verhalten wird seltener
• Vorteil: Ohne Hinzufügen eines aversiven Reizes
Verhaltenshäufigkeit senken
• Anwendung von Bestrafung: Techniken, die
unerwünschtes Verhalten reduzieren oder
eliminieren (Beispiele aus Mazur, 2006)
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Bestrafung
• Bestrafung (Typ I) bei gefährlichem Verhalten
• Selbstverletzung bei retardierten Kindern
•
•
•
Leichte Elektroschocks bei Schlägen
Ethisch: 2 Dutzend Schocks statt Fixieren
Alternativen zu Schocks?
• Bestrafung von automatischem Verhalten
• Bruxismus: bei ca. 5% aller Studierenden
•
Geräusch bei lautem Knirschen reduziert Häufigkeit und Stärke
• Auch eingesetzt bei chron. Husten, unwillkürlichen
Krämpfen, häufigem Erbrechen etc. ohne erkennbare
med. Ursache
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Bestrafung
• Bestrafung und Belohnung alternativen
Verhaltens
• Bsp. Token Economy
• Verhalten von Gruppen verbessern
• Tokens: generalisierte sekundäre Verstärker
• Erwünschte vs. unerwünschte Verhaltensweisen
identifizieren
• Bsp. Wohnheim, Kindergarten
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Angst und Vermeidung
• Vermeidungslernen
(Solomon & Wynne,
1954)
•
Zweikammerkäfig mit
Metallboden, durch Barriere
getrennt
•
10 Sek. Dunkelheit ⇒
Elektroschock
•
Erst Flucht-, dann
Vermeidungsreaktion
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Angst und Vermeidung
• Viele Hunde wurden nie wieder geschockt!
• Schnelle Routinereaktionen
• Vermeidungsparadox: Nicht stattfindendes
Ereignis als Verstärker?
• Vermeidungsverhalten ist extrem
löschungsresistent! (Phobien, Zwänge, …)
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Angst und Vermeidung
Zwei-Faktoren Theorie des Vermeidungslernens
Phase 1
Klassische Konditionierung
Stromschläge (US) lösen aus:
Schmerz-/Angstreaktion (UR).
Operante Konditionierung
Verlassen der dunklen Käfighälfte
(Fluchtverhalten) wird negativ verstärkt durch
Beendigung der Stromschläge (aversiver Reiz)
Dunkelheit (NS) gepaart mit
Stromschlägen (US).
Dunkelheit wird konditionierter Reiz
(CS).
Dunkle Käfighälfte wird diskriminativer
Hinweisreiz.
CS löst aus: Furcht-/Angstreaktion (CR)
Phase 2
Verlassen der dunklen Käfighälfte (aktives
Vermeidungsverhalten) wird negativ verstärkt
durch Verringerung der Furcht bei Beendigung
des diskr. Hinweisreizes
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Angst und Vermeidung
• Kognitive Theorie d. Vermeidungslernens
(Seligman & Johnston, 1973)
• Erwartung der Konsequenz der Reaktion
• Erwartung der Konsequenz der Nichtreaktion
• Solange keine Erwartung verletzt wird, ändert sich
Verhalten nicht
• Löschung durch Konfrontation: Vermeidungsreaktion blockieren; dadurch Erwartung
falsifizieren
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Erlernte Hilflosigkeit
• EH (Seligman, 1975)
• Konsequenzen von unkontrollierbaren, wiederholten,
aversiven Ereignissen
• Experiment:
•
Hunde unvermeidbaren Schocks aussetzen
•
Danach Solomon & Wynne-Prozedur
•
2/3 lernen weder Flucht noch Vermeidung
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Erlernte Hilflosigkeit
• Drei Komponenten
• Motivational; verminderte Motivation, Ereignisse zu
kontrollieren; schnelles Aufgeben
• Kognitiv; verminderte Fähigkeit, aus Erfahrungen zu
lernen
• Emotional; psychsomatische Reaktionen,
Antriebslosigkeit
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Erlernte Hilflosigkeit
• Praktische Konsequenz:
• In möglichst vielen Situationen sollten Menschen Kontrolle
über wichtige Ereignisse in ihrem Leben haben
• Bsp. Altenheim, Fabrikarbeit, …
• EH ist mit viel Hilfe reversibel, wenn Erfahrung
gesammelt wird, die Erwartung von Kontrolle
unterstützt
• Immunisierung als Schutz, dh. Erfahrung von Kontrolle kann
gegen EH ‘immunisieren’
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Erlernte Hilflosigkeit
• Um EH bei Menschen zu erklären, müssen
Kausalattributionen negativer Ereignisse
berücksichtigt werden:
• global vs. situationsspezifisch
• stabil vs. variabel
• internal vs. external
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Kognitive Sicht des Lernens
• Damit resultiert eine kognitive Sicht des Lernens:
• Kognitionen wie Ziele, Erwartungen,
Ursachenzuschreibungen sind grundlegend
• Nicht S-R-Verbindungen, sondern flexibel nutzbares
Wissen wird erworben
• Nicht gemeinsames Auftreten zweier Reize, sondern
Informationsgehalt ist entscheidend
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Ergänzt durch:
Biologische Vorbedingungen
• Seligman (1970): Konzept der „preparedness”
• „preparedness” als artspezifische Bereitschaft zur
Kombination spezifischer CS und US, aufgrund natürlicher
Selektion (Schutz vor Vergiftung, Schutz vor äußeren
Bedrohungen)
• Anwendung auf Phobien:
• Phobien gegenüber offenen Plätzen, Dunkelheit, Schlangen,
Spinnen; nicht aber gegenüber Autos, elektrischen Geräten,
Steckdosen, Pferden, Pilzen etc.
• spricht für preparedness, d.h. Effekt genetischer Disposition
und aversiver Lernerfahrung
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Biologisch vorbereitetes Lernen
• Geschmacksaversion
• Paarung aus Geschmacksreiz und Übelkeit führt zu Vermeidung des
Geschmacks
• Übelkeit wird dagegen nicht mit anderen anwesenden Stimuli (Licht,
Elektroschock) in Verbindung gebracht
• Geschmacksaversion auch bei Menschen zu beobachten und kaum
steuerbar
• EINE Paarung von Nahrung und Übelkeit kann Aversion hervorrufen
• Evolutionäre Basis: Schnelles Lernen hier überlebenswichtig!
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Lernen am Modell
• Zentrale Annahmen der sozial-kognitiven
Lerntheorie
• Gelernt werden symbolische Repräsentationen der beobachteten
Verhaltensweise, dh. Modellverhalten wird kognitiv gespeichert
• Gedanklich vorweggenommene Verstärkung hat eine
aufmerksamkeitslenkende Wirkung bei der Beobachtung des
Modellverhaltens
• Modellverhalten muss angemessen kodiert werden, dh in einer
individuell bedeutsamen Form
• Resultat ist überdauernde kognitive Repräsentation des
Beobachteten, die Ausgangspunkt für die Reproduktion ist
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Rocky Experiment von Bandura
• 66 Kinder im Alter von 4-6 Jahren sehen Film, in dem
erwachsene Modellperson eine lebensgroße
Plastikpuppe malträtiert, die ihr nicht aus dem Weg
geht.
• Drei Gruppen mit unterschiedlichem Ausgang der
Szene
1: stellvertretende Belohnung: Modellperson wird belobigt
und beschenkt
2: stellvertretende Bestrafung: Modellperson wird bestraft
3: Version ohne Folgen
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Rocky Experiment von Bandura
• Testphase 1: nach dem Film kommen Kinder in
ein Spielzimmer, das Gegenstände des Films
enthält (Puppe, Holzhammer, etc.); spontanes
Spielverhalten
• Testphase 2: Kinder werden angehalten, Verhalten
aus dem Film zu zeigen und für jedes Verhalten
verstärkt
• registriert wird Zahl der nachgeahmten
Verhaltensweisen
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Rocky Experiment: Ergebnisse
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Rocky Experiment: Ergebnisse
• Bestrafung des Modells
führt unter spontanen
Bedingungen zur
Unterdrückung des
Verhaltens
• jedoch: in allen Gruppen
ist das aggressive
Verhalten gelernt worden,
denn nach Aufforderung
zeigen fast alle Kinder
unter allen Bedingungen
das Verhalten
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Lernen am Modell
• Unterscheidung von Akquisition und Performanz
• dh. Lernender muss Verhalten nicht ausführen (ZweiKomponenten-Theorie)
• Bsp. Kind hat aggressive Verhaltenweisen gelernt,
führt sie aber nicht aus
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Lernen am Modell
• Lernen ohne Verstärkung
• weder direkte noch stellvertretende Verstärkung
notwendige Bedingungen für Lernen
• direkte und indirekte Verstärkung beeinflussen die
Ausführung des Verhaltens, nicht das Erlernen
• im Unterschied zu reiner Imitation auch ohne
Anwesenheit des Modells und auch noch nach langer
Zeit wirksam
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Kernannahmen
• (1) Stellvertretende Prozesse; neben unmittelbarer Erfahrung
eine zweite Quelle von Erfahrungen
• (2) Symbolische Prozesse; machen Vorstellung von Ereignissen
möglich, erlauben Analysen und Planungen, ermöglichen
Kommunikation mit anderen
• (3) Selbstregulierende Prozesse; Menschen reagieren nicht
direkt auf äußere Einflüsse. Stattdessen: Reiz-Auswahl, ReizOrganisation, Reiz-Umformung. Eigene Verhaltenskontrolle
durch selbsterzeugte Anreize und Konsequenzen.
• Klare Abgrenzung zu mechanistischem Menschenbild;
Betonung kognitiver Prozesse
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Subprozesse des
Beobachtungslernens
• (1) Aufmerksamkeitsprozesse: Vorbildverhalten muss
wahrgenommen werden; Aufmerksamkeitssteuerung durch
Merkmale des Verhaltens, des Modells, der Situation und des
Beobachters
• (2) symbolische Repräsentation (Behaltensprozesse): bildliche
oder sprachliche Kodierung, aktive Organisationsprozesse
• (3) motorische Reproduktion (Nachbildungsprozesse)
• (4) Motivationsprozesse: Bekräftigungen wirken doppelt: auf
Aufmerksamkeit und Ausführung
•
Prozesse (1) und (2) regeln Erwerb, (3) und (4) die Ausführung
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Zusammenfassung
• OK findet ungefähr überall Anwendung
• Bestrafung muss nach ethischer Abwägung nach
bestimmten Regeln eingesetzt werden und hat
viele Nachteile
• Bestrafung Typ II ist oft vorzuziehen
• Vermeidungslernen ist extrem löschungsresistent
• Wenn man erwartet, keinen Einfluss auf wichtige
Ereignisse zu haben, resultiert erlernte
Hilflosigkeit
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Zusammenfassung
• Studien zu biologisch vorbereitetem Lernen
zeigen, dass nicht beliebige Reizkombinationen
gelernt werden können, biologisch vorbereitete
dagegen sehr schnell und nachhaltig
• Kognitive Perspektive wichtige Ergänzung zur
Erklärung von Vermeidungslernen und auch von
Lernen am Modell
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Literatur
• Spada, H. (Ed.). (2006). Lehrbuch Allgemeine
Psychologie. Bern: Huber (Kap. 6.3, 6.4)
• Anwendungsbeispiele aus:
• Mazur, J. E. (2006). Lernen und Verhalten. München:
Pearson Studium.
• Lefrancois, G. R. (2006). Psychologie des Lernens.
Heidelberg: Springer.
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