Grundprinzip der Operanten Konditionierung Eine Reaktion, bzw. ein Reaktionsmuster entsteht oder wird verändert auf Grund von Reizen, die auf die Reaktion folgen (oder ausbleiben). Das Verhalten wird durch die „Konsequenz“ beeinflusst (verändert, stabilisiert: „verstärkt“). = Basis der „Verhaltensmodifikation“ Operante Konditionierung Drei mögliche Konsequenzen • Verstärkung • Bestrafung • Extinktion (Löschung) Grundprinzip der Operanten Konditionierung Operante Konditionierung = Prozess, durch den sich die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Reaktion in einer Stimulus-Situation als Folge von Verstärkung erhöht Verstärker = Stimulus, durch dessen Präsentation oder Beseitigung die Wahrscheinlichkeit des vorangegangenen operanten Verhaltens erhöht wird Operante Konditionierung Verstärkung Prozess, durch den die Wahrscheinlichkeit des dem Verstärker vorangegangenen Verhaltens erhöht wird. • Positive Verstärkung: – Erhöhung der Verhaltenswahrscheinlichkeit durch Darbietung eines („erwünschten“) Stimulus nach dem Response. • Negative Verstärkung: – Erhöhung der Verhaltenswahrscheinlichkeit durch Vermeidung oder Ausschaltung einer drohenden (schädlichen) Konsequenz. Operantes Konditionieren - Negative Verstärkung - • Hierbei besteht die „Belohnung“ in der Abschwächung oder Beendigung von etwas Unangenehmem, Schmerzhaftem, Negativem etc. • Das konditionierte Verhalten hilft, den aversiven Reiz zu vermeiden Operante Konditionierung Bestrafung Prozess, durch den die Wahrscheinlichkeit des der Strafe vorangegangenen Verhaltens verringert wird. • Im Gegensatz zu positiven Verstärkern, deren Wirkungen erheblich vom aktuellen Sättigungsstand abhängen, wirken negative Verstärker unabhängig vom Bedürfniszustand. 1 Operante Konditionierung Bestrafung Operante Konditionierung Bestrafung Prozess, durch den die Wahrscheinlichkeit des der Strafe vorangegangenen Verhaltens verringert wird. Prozess, durch den die Wahrscheinlichkeit des der Strafe vorangegangenen Verhaltens verringert wird. • Aversive Bestrafung (Typ I): Darbietung eines aversiven Stimulus (z. B. Strafzettel). • Aversive Bestrafung (Typ I) :Darbietung eines aversiven Stimulus (z. B. Strafzettel). • Entziehende Bestrafung (Typ II): Entfernung eines angenehmen oder geschätzten Stimulus (z. B. Führerscheinentzug). Operantes Konditionieren Operantes Konditionieren - Effektive Bestrafung (Azrin & Holz, 1966) - - Nebenwirkungen der Bestrafung - • Die Strafe sollte unmittelbar auf die fragliche Reaktion folgen (Falsch: „Warte nur, bis Vati nach Hause kommt!“). • Beachten, dass Bestrafung nicht als Belohnung wirkt (schimpfende Lehrerin, die dem auffälligen Schüler dadurch Aufmerksamkeit schenkt). • Strafstimulus muss so gesetzt werden, dass ein Ausweichen unmöglich ist. • Strafstimulus sollte so intensiv und aversiv wie möglich sein (hohe Bußgelder im Straßenverkehr). • Häufigkeit der Bestrafung sollte so hoch wie möglich sein (jede strafbare Handlung wird auch bestraft). Operante Konditionierung • Das Fehlverhalten wird zwar unterdrückt, gewünschtes Verhalten aber nicht aufgebaut. • Strafe ruft bei dem Bestraften Angst und Abneigung hervor, oft gefolgt von Vermeidungsverhalten, d.h. Situationen, in denen Strafen drohen, werden gemieden bzw. das unerwünschte Verhalten wird heimlich ausgeführt. • Harte Strafen können zu Aggressionen auf Seiten des Bestraften führen. • ... Fünf „Kontingenzmuster“ (=Lernarten) Extinktion/Löschung Reduktion der Wahrscheinlichkeit des Verhaltens durch das Verhindern/Unterlassen einer (erkennbaren) Konsequenz auf das Verhalten z.B. keine Beachtung des störenden Verhaltens; Ignorieren von Diskussionsbeiträgen. Art der Konsequenz auf das Verhalten Darbietung Entzug Angenehmer Reiz oder Zustand Unangenehmer Reiz oder Zustand (Aversiver Reiz) Keine Konsequenz Löschung (Extinktion) 2 Fünf „Kontingenzmuster“ (=Lernarten) Art der Konsequenz auf das Verhalten Darbietung Entzug Angenehmer Reiz oder Zustand Positive Verstärkung Bestrafung II entziehend Unangenehmer Reiz oder Zustand (Aversiver Reiz) Bestrafung I aversiv Negative Verstärkung Keine Konsequenz 1. Beispiel Familie: Da die 15-jährige Claudia wiederholt deutlich und entgegen aller Absprachen zu spät von der Party nach Hause gekommen ist, bekommt sie für die nächsten 14 Tage Hausarrest und Fernsehverbot. Kontingenzmuster: Hausarrest = Aversive Bestrafung (Typ I), Fernsehverbot = Entziehende Bestrafung (Typ II) Löschung (Extinktion) 2. Beispiel Straßenverkehr: Da es Herr Peters, Vertreter einer Lebensmittelfirma, wieder einmal sehr eilig hat und deshalb mit überhöhter Geschwindigkeit (55 km/h zu schnell) in eine Autobahn-Baustelle einfährt, muss er 150 € zahlen und kassiert 4 Punkte in Flensburg. 3. Beispiel Betrieb: Da die Praktikantin des Betriebes sehr engagiert arbeitet und in letzter Zeit viele freiwillige Überstunden gemacht hat, bekommt sie eine Gratifikation und darf an einer Fortbildung ihrer Wahl teilnehmen. Kontingenzmuster: Positive Verstärkung (zweifach: Gratifikation und Fortbildung) Kontingenzmuster: Aversive Bestrafung (Typ I) 4. Beispiel Schule: Die 14-jährige Anneliese hat die englischen Vokabeln nicht gelernt. Als die Englischlehrerin Rolf zur Überprüfung der Vokabeln drannimmt, ist Anneliese sehr erleichtert. Kontingenzmuster: Negative Verstärkung Fall-Beispiel "Michael" „Hör auf zu schwatzen, Michael!“ mahnt die Lehrerin im Englischunterricht. Der Erfolg ist mäßig. – „Michael, wie oft muss ich dir noch sagen, du sollst deine Nachbarn mit deinem Schwatzen nicht stören?“ – Es wird mit Bleistift gearbeitet und Michael lässt seinen Bleistiftspitzer herunterfallen, der wie gewünscht aufspringt und sich auf den Boden entleert. „Donnerwetter, Michael! Muss das sein? Hol‘ Schaufel und Besen und bring das in Ordnung!“ Michael kommt nach einer Weile ohne Werkzeug wieder. „Nicht einmal die einfachsten Dinge kann man dich heißen ...“. Die Störung ist perfekt. Die Aufmerksamkeit der Schüler ist längst nicht mehr bei der Grammatik. Aus: Steiner:Lernen (1991, S.54-55) 3 Fall-Beispiel "Michael" Beim anschließenden Vokabelnabfragen läuft es erst wie am Schnürchen: „Genießen?“ fragt die Lehrerin. Die Schüler heben die Hände. „To enjoy!“. Dann hebt auch Michael einmal die Hand. Um seinen Eifer hervorzuheben, knipst er mit den Fingern, fuchtelt mit der Hand in der Luft herum und unterstreicht jede Bewegung mit herausgepressten Stöhnlauten. Die Lehrerin, ihrer pädagogischen Aufgabe und ihrer Förderpflicht für schwächere Schüler schlagartig bewusst: „Michael!“ – „Äh, was war noch das Wort?“ – Gelächter!“ – „Jetzt pass‘ doch endlich einmal auf! Kauen!“ – „Kauen, ach ja! Äh! ...“ – „Pass nächstes Mal besser auf, sonst kannst du es nicht am nächsten Mittwoch! Kauen?“ – „To chew“ .... Fall-Beispiel "Michael" 1. Wie lässt sich das störende Verhalten von Michael in Phase 1und Phase 2 erklären? Welche Mechanismen lösen es aus und halten es aufrecht? 2. Wie lässt sich das Verhalten der Lehrerin erklären? Warum reagiert sie in der beschriebenen Weise auf Michael, obwohl sie damit offensichtlich nichts bewirkt? 3. Was könnte die Lehrerin tun um das Verhalten von Michael im erwünschten Sinn zu ändern? Aus: Steiner:Lernen (1991, S.54-55) Skinners Schulkritik Das Verhalten in der Schule ist eher von aversiven (unangenehmen) als von positiven Stimuli geprägt: Der Schüler lernt, um negative Folgen zu vermeiden. Zwischen Verhalten und Verstärkung besteht ein zu grosser Zeitabstand: Heute wird ein Test geschrieben und nach einer Woche oder später erst wieder zurückgegeben. Es besteht kein Programm für eine Abfolge von Verstärkungen, was seinerseits eine Gliederung des Gesamtverhaltens in kleine Einzelschritte voraussetzen würde. Die Verstärkung erfolgt zu unregelmäßig. Behavioristische Prinzipien der Gestaltung von Lernprozessen Das Konzept des programmierten Unterrichts... ... ist gekennzeichnet durch: Eingehen auf die Lernvoraussetzung und Lerngeschwindigkeit eines jeden Einzelnen. Erhöhen der Lernbereitschaft und Fixieren der richtigen Reaktion durch sofortige Verstärkung Begrenzen der einzelnen Lernschritte im Lernprogramm, so dass eine Fehlreaktion (falsche Antwort) kaum mehr eintreten kann und damit die günstige Wirkung der positiven Verstärkung voll zum Tragen kommt (Prinzip der kleinen Schritte - small steps). Progr. Unterricht - Beispiel (1) Das Unterrichten wird auf spezifische, beobachtbare Verhaltensweisen ausgerichtet. Die Lehrkraft führt dieses Verhalten, durch ihre Interventionen herbei. (2) Komplexe Lernvorgänge werden durch die Lehrkraft in einfache Lernschritte aufgegliedert, deren sinnvolle Kombination zu komplexere Verhaltensweisen führt. (3) Die Lehrkraft fördert und verstärkt richtiges Verhalten der Lernenden sofort, durch Belohnung. (4) Die Lehrkraft steuert und überwacht den Lernprozesse laufend, kontrolliert Lernfortschritt und korrigiert Fehler sofort. 4 Algorithmus Promentaboy Verzweigender Algorithmus Lernprogramme heute – Bsp. Vokabeln Anwendung der klassischen Lerntheorien bei der Gestaltung von Lernprozessen Fall-Beispiel "Michael" Analysieren Sie das folgende Beispiel aus dem theoretischen Blickwinkel des Instrumentellen Konditionierens und beantworten Sie folgende Fragen: Welche Folgerungen können aus der behavioristischen Perspektive für die optimale Gestaltung von Lehr-Lern-Prozessen gezogen werden? 1. Wie lässt sich das störende Verhalten von Michael in Phase 1 und Phase 2 erklären? Welche Mechanismen lösen es aus und halten es aufrecht? 2. Wie lässt sich das Verhalten der Lehrerin erklären? Warum reagiert sie in der beschriebenen Weise auf Michael, obwohl sie damit offensichtlich nichts bewirkt? 3. Was könnte die Lehrerin tun, um das Verhalten von Michael im erwünschten Sinn zu ändern? Aus: Steiner:Lernen (1991, S.54-55) 5 Zwei Theoriestränge Alles Lernen erfolgt nach einheitlichen Lerngesetzen. Der Prozess des Wissenerwerbs ist ein Implementationsprozess. Zwei Theoriestränge Behaviouristen Konstruktivsten Das Lernen erfolgt nicht nach einheitlichen Lerngesetzen. Der Prozess des Wissenserwerbs ist ein Konstruktionsprozess. Zusammenfassung Behaviorismus a) Jedes Verhalten wird mit dem ReizReaktions-Schema erklärt. b) Menschliches und tierisches Verhalten werden im Prinzip gleichgesetzt. c) Gründe für das Verhalten sind letztlich physiologische und chemische Eigenschaften des Organismus. d) Sinn, Wille und Motiv als handlungsbegründende Eigenschaften des Menschen werden geleugnet. e) Mensch wird als organische Maschine betrachtet. Kritik Nach behavioristischer Auffassung ist Verhalten immer reaktiv: durch Reize ausgelöst oder auf Verstärkung hin fixiert. Aber: Der Mensch handelt nicht allein aufgrund erfahrener Reize oder Verstärkungen, sondern auch aufgrund selbst gesetzter Motive. Er handelt , weil Ziele realisiert werden sollen, Ziele, die auch gegen Widerstand bzw.- in der Sprache der Behavioristen – trotz aversiver Reize zu erreichen versucht werden. Zusammenfassung Behaviorismus f) Psychologie wird als Wissenschaft angesehen, die nur Beobachtbares gelten lässt. g) Zweck des Verhaltens ist die Anpassung des Organismus an die Umwelt. h) Aussagen über Lernen werden an das Äußern von entsprechenden Verhaltensweisen gebunden; Vorgänge dagegen, die sich nicht beobachten lassen, werden für die Theoriebildung als nicht relevant beiseite geschoben. Kritik Es stellt einen kurzschlüssigen Reduktionismus (= Verkürzung) dar, menschliches und tierisches Verhalten gleichzusetzen. Wie die anthropologische Forschung deutlich hervorgehoben hat, bestehen grundlegende Differenzen zwischen Mensch und Tier. Der grundlegendste Unterschied ergibt sich dabei aus der Reflexivität des Menschen, von der auch die Behavioristen selbst Beweis ablegen: Tiere erforschen nicht ihr eigenes Leben, richten sich nicht auf sich selbst; damit ist eine Leistung angesprochen, die nur der Mensch erbringen kann. 6 Kritik Die behavioristischen Theoretiker gehen von einer willkürlich gesetzten Behauptung aus: Es gibt weder Sinn noch Motiv und Wille als Handlungsgründe. Warum nicht ? – Weil man sie nicht beobachten kann! 7