Mittendrin ( PDF , 624 KB)

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Mittendrin
Ein Ent-Wicklungsbegleiter aus den
Verwicklungen der Wechseljahre
2
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Idee, Konzeption und Redaktion
Petra Kellermann-Mühlhoff
Lichtscheider Straße 89
42285 Wuppertal
Konzeption und Text
Swaantje Düsenberg, Fachjournalistin,
Hannover
Medizinische Prüfung
www.barmer-gek.de
Dr. med. Maria J. Beckermann, Köln
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Frank W. Koch | Büro für Kommunikation
45481 Mülheim an der Ruhr
Fotos
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Stand: September 2012
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Alle Angaben wurden sorgfältig zusammengestellt und geprüft. Dennoch ist es
möglich, dass Inhalte nicht mehr aktuell
sind. Bitte haben Sie deshalb Verständnis,
dass wir für die Vollständigkeit und Richtigkeit des Inhalts keine Gewähr übernehmen
können. Für Anregungen und Hinweise
sind wir stets dankbar.
© BARMER GEK 2012
Alle Rechte vorbehalten
3
Inhaltsverzeichnis
Liebe Leserin 5
Natürliches Wunderwerk 6
Wann beginnt die Umstellung? 7
Verhütung bis zur Menopause 7
Sex macht Spaß, wenn er Spaß macht 8
Die große Schar der natürlichen Helfer 27
Heilkräuter und Phytohormone –
Natur pur? 27
Was wissen wir bereits heute über
Phytohormonpräparate? 28
Hormontheraphie & Co. – Was hilft? 29
Wellenbäder 9
Die Kraft der Selbstwirksamkeit 31
Klimawandel rund um die Frau 9
Natürliches Leiden? 9
Gedanken schaffen Wirklichkeit 10
Nachtrag aus 2002 11
Der Schlüssel zum Geheimnis lautet:
Selbstwirksamkeit entfalten 31
Ernährung – es geht auch ohne Hüftgold 31
Bleiben Sie in Bewegung! 32
Entspannung für mehr Gelassenheit 33
Bleiben Sie in Kontakt 33
Blick über den deutschen Tellerrand 12
Japanerinnen 12
Maori-Frauen in Neuseeland 13
Tapuri-Frauen im Tschad 13
Türkische Frauen 13
Werden Sie wesentlich! 14
Individuelle Lebenslagen 14
Angst vor dem Alter 14
Ansichten der Gesellschaft 15
Eigene Erwartungen und die des Partners 16
Die Sicht der Expertin 34
Gut vernetzt geht`s doppelt leicht 39
Ärztinnen und Ärzte 39
Ärztliche Einstellungen 39
Selbsthilfe 40
Die Familie 40
Welche Frauenärztin/welcher Frauenarzt
passt zur Lebensphase der Wechseljahre? 41
Freundinnen und Freunde 42
„Wenn du schwitzt, dann musst du
wenigstens nicht frieren“ 17
Lesenswert 43
Balanceakt 21
Quellenverzeichnis 46
Der Tanz um die Hormone 21
Hormone für die ewige Jugend? 21
Welche Risiken hat die Hormontherapie? 22
Wie übertragbar sind die
Studienergebnisse? 24
Keine Angst vor dem Absetzen der
Hormontherapie! 25
Hormontherapie: Mehr Nutzen oder mehr
Risiko? 25
Wann passt eine Hormontherapie zu einer
Frau? 26
4
5
Liebe Leserin,
die Wechseljahre – stecken Sie gerade mittendrin? Oder stehen Sie kurz davor?
Vielleicht können Sie diese Fragen auch gar nicht so genau beantworten, weil
Sie zu der wachsenden Anzahl von Frauen gehören, die sich um die Wechseljahre gar keinen großen „Kopf“ macht.
Die Zeit des Wechsels kommt und geht, doch
jede Frau erlebt sie anders. Manchmal können
diese Jahre von Ängsten und auch von körperlichen Symptomen begleitet sein, manchmal
spüren Frauen aber auch schon sehr früh,
wie viel neue Kraft ihnen jetzt zuwächst. In
jedem Fall ist es aber gut, zu wissen, was sich
in der Zeit der Wechseljahre in unserem
weiblichen Körper genau abspielt, wie wir
gegebenenfalls mit unserer ungewohnten
„Feurigkeit“ und anderen Veränderungen
umgehen und auf welche Weise wir Unterstützung erfahren können, wenn wir sie
wünschen.
Und lassen Sie sich nur nicht ins Bockshorn
jagen, wenn der Begriff „Wechseljahre“ von
vielen Leuten sofort mit „Beschwerden“ gleichgesetzt wird – sie wissen es einfach nicht
besser. Aber Sie! Wenn Sie diese Broschüre
der BARMER GEK gelesen haben, dann wissen
Sie, dass Beschwerden auftreten können,
aber nicht müssen. Und dass Sie viele Möglichkeiten haben, alle Herausforderungen,
die der Umbruch mit sich bringen kann, zu
meistern, ob mit oder ohne medizinische Hilfe.
Es mag auch sein, dass Sie zu denjenigen
Leserinnen mit besonders ausgeprägten
Wechseljahrsymptomen gehören. Das kann
sich dann zeitweilig so anfühlen, als sei man
nicht mehr selbst die Herrin im eigenen Körper,
sondern vielmehr die Schlaflosigkeit oder
Erschöpfung, die Hitzewellen oder die Niedergeschlagenheit. Aber lassen Sie sich von derartigen Empfindungen nicht entmutigen,
sondern gerade dann von dieser Broschüre
unterstützen. Damit nicht die Wechseljahre
weiter Regie in Ihrem Alltag führen, sondern
Sie Ihr Leben wieder selbst und selbstwirksam
gestalten können. Hier werden Ihnen unsere
Informationen über körperliche Abläufe, individuelles Belastungsempfinden und verschiedene (Be-)Handlungsoptionen ganz
sicher helfen, sich aus den Verwicklungen
der Wechseljahre herauszulösen.
Die BARMER GEK wünscht Ihnen bei allen
derzeitigen und kommenden Entwicklungen
gutes Gelingen!
6
Natürliches Wunderwerk
Rund zehn Millionen Frauen in Deutschland sind derzeit mehr oder weniger
gerade „mittendrin“. Die hormonelle Umstellung in den Wechseljahren wirft
neben vielen anderen Fragen auch die Frage auf: Was spielt sich in meinem
Körper jetzt eigentlich genau ab?
Drehen wir für die Antwort auf diese Frage
die Lebensuhr für einen Moment zu unserer
Geburt zurück, und staunen wir noch einmal
über das natürliche Wunderwerk unseres
weiblichen Körpers: Er wird bereits mit zwei
Eierstöcken geboren, in denen Abertausende
Eizellen in kleinen Bläschen (Follikeln) lagern.
Mit der Geschlechtsreife bewirkt nun jeden
Monat neu ein fantastisches Zusammenspiel
verschiedener Hormone in unserem Körper,
dass schließlich ein Follikel heranreift und
eine Eizelle freigegeben wird (Eisprung, fachsprachlich auch Ovulation genannt). Sie könnte
nun befruchtet werden und sich in der Gebärmutter einnisten, die sich dafür eigens mit
zusätzlicher Schleimhaut „ausgepolstert“ hat.
In diesem „Nest“ kann sich die befruchtete
Eizelle sicher und geschützt zum ausgereiften
Baby entwickeln.
Findet keine Befruchtung statt, stirbt die Eizelle, und die Gebärmutter trennt sich von
der ungenutzten Schleimhaut. Dieser monatliche Zyklus der Regelblutung währt bei der
Frau von ihrer Geschlechtsreife bis zu ihrer
Menopause, also bis zur letzten Blutung. In
diesen 35 bis 40 Jahren leistet der weibliche
Körper – ob mit oder ohne Geburten – sehr,
sehr viel!
Ebenso gehört es zum Wunderwerk der
schlauen Natur, dass wir nicht schon während
unserer Kindheit oder noch im höheren Alter
Babys zur Welt bringen. Denn in beiden Lebensphasen haben wir andere Entwicklungsaufgaben: Als Mädchen sind wir vollauf mit
unserem eigenen Heranwachsen beschäftigt,
als Frau in der Lebensmitte können wir uns
dank unserer erworbenen Reife und Erfahrung neuen Aufgaben zuwenden, ohne auf
Stillzeiten, volle Windelpakete oder nächtliches Geschrei Rücksicht nehmen zu müssen.
Die Wechseljahre sind also genau das, was
sie uns versprechen: der Wechsel in eine
neue Lebenszeit. Solche entscheidenden
Wechsel haben wir bereits mehrfach erlebt,
zum Beispiel beim Übergang vom Kind zur
Frau oder als Erwachsene, wenn wir schwanger und schließlich Mutter werden. Allen
Wechseln, wohin auch immer sie uns führen,
ist eines gemeinsam: Wenn wir erst einmal
zur Frau geworden sind, bleiben wir das für
den Rest unseres Lebens! Unsere Weiblichkeit erlischt nie.
Der Volksmund nennt die Zeit der hormonellen Umstellung vor und nach der letzten
Regelblutung Wechseljahre. Der Fachbegriff
dafür lautet Klimakterium. Es umfasst die
gesamte Zeit der hormonellen Umstellung
(etwa zwölf Jahre) und wird in mehrere Phasen eingeteilt:
Ein fruchtbarer Zyklus ist ein ausgeklügeltes
System, das viel Energie und eine gute Durch-
7
blutung benötigt. Die Prämenopause beginnt, wenn der Zyklus der Frau „unzuverlässig“ wird, meist verkürzt er sich zu Beginn
dieser Phase. Ein Auslöser dafür ist die mit
zunehmendem Alter nachlassende Durchblutung der Eierstöcke. Dadurch kann die
Östrogenproduktion allmählich sogar so weit
sinken, dass kein gut ausgebildetes Eibläschen
entsteht und kein Eisprung mehr stattfindet.
In der Folge bildet sich auch der Gelbkörper
nicht mehr aus, der in der zweiten Zyklushälfte eigentlich das Hormon Progesteron
produzieren soll.
Während der Prämenopause kommen „unzuverlässige“ Zyklen mit wenig oder viel
Östrogen- und Progesteronbildung vor. Das
kann neben- oder nacheinander, regelmäßig
oder abwechselnd sowie in kurzen oder
langen Abständen geschehen. Schließlich
lässt die Regelblutung immer länger auf sich
warten, bis sie schließlich ganz ausbleibt.
Dieser Zeitpunkt wird Menopause genannt
(griechisch meno = Monat, pausis = beenden).
Der Zeitraum vor der letzten Regelblutung
heißt entsprechend Prämenopause (griechisch prä = vor, Menopause = ultimativ
letzte Regelblutung). Den Zeitraum plus/
minus zwei Jahre um die Menopause herum
bezeichnet man als Perimenopause (griechisch peri = um … herum). In dieser Phase
kann das Körpererleben der Frau besonders
intensiv sein. Anschließend folgt die Postmenopause (griechisch post = danach).
Der Zeitpunkt der Menopause selbst ist erst
sicher zu bestimmen, wenn die Regelblutung
dauerhaft nicht mehr aufgetreten ist. „Wenn
Frauen unter 50 Jahre zwei Jahre und Frauen
über 50 Jahre ein Jahr lang keine Regelblutung mehr hatten, kann man davon ausgehen,
dass die Menopause eingesetzt hat“, erklärt
dazu Dr. Christian Albring, Präsident des
Berufsverbands der Frauenärzte e.V.1
Wann beginnt die Umstellung?
Bei vielen Frauen setzen die ersten Anzeichen
für die beginnende hormonelle Umstellung
etwa Mitte 40 ein, bei anderen früher oder
später. Ähnliches gilt für die Menopause
selbst: Viele Frauen erreichen sie bei uns in
Deutschland um das 52. Lebensjahr, andere
einige Zeit davor oder danach. Hier spielen
verschiedene Faktoren eine Rolle. „Viele
Gynäkologen berichten, dass bei starken
Raucherinnen die Wechseljahre überdurchschnittlich früh beginnen“, sagt zum Beispiel
die Medizinpsychologin Dr. Beate SchultzZehden2, die intensiv über das Klimakterium
geforscht hat. Auch die Anzahl der Geburten,
schwere Belastungen, der allgemeine gesundheitliche Zustand und die Veranlagung
können die zeitlichen Verläufe beeinflussen.
Verhütung bis zur Menopause
In jedem Fall ist vor der verlässlich eingetretenen Menopause – also dem Ende der
fruchtbaren Zeit der Frau – die Verhütung
unbedingt erforderlich. Denn bis zur Menopause, die sich ja erst nachträglich bestimmen
lässt, kann auch bei unregelmäßigem Zyklus
ein Eisprung stattfinden. Wer also auf keinen
Fall schwanger werden möchte, muss verlässlich verhüten!
8
Mechanische Verhütungsmittel wie Kondome,
Diaphragma oder Portiokappe greifen nicht
in körperliche Abläufe ein und haben den
Vorzug, nur bei Bedarf zum Einsatz zu kommen.
Sie bilden gerade für die Frau jenseits der 40
eine gute Alternative zu hormonellen Verhütungsmitteln wie der „Pille“ (nicht zu verwechseln mit der Hormontherapie bei starken
Wechseljahrbeschwerden, (siehe Seite 21 ff.).
Sex macht Spaß, wenn er Spaß macht
Es ist ein weitverbreiteter Irrglaube, dass
Frauen, deren fruchtbare Zeit zu Ende ist,
auch keine Lust mehr auf Sex haben. Frauen
haben solchen hartnäckigen Vorurteilen, mit
denen sie ins sexuelle Niemandsland verbannt
werden sollen, schon lange widersprochen.
Jetzt beweist eine Studie in den USA an fast
2.000 Frauen zwischen 45 und 80 Jahren:
Sexualität und sexuelles Interesse sind auch
im höheren Lebensalter bei einem Großteil
der Frauen vorhanden. Und das umso mehr,
wenn sie schon vorher ein erfülltes Sexualleben (mit sich, mit ihm, mit ihr) hatten.3 Gut,
dass viele Frauen das auch ohne wissenschaftliche Belege wissen!
Andererseits muss auch gesagt werden: Für
Frauen können während der Wechseljahre
sehr viele belastende Lebensumstände zusammentreffen, die ihnen die hormonelle
Umstellungsphase nicht gerade erleichtern
und die sich deshalb auch zu sexuellen „Lustkillern“ auswachsen können. Zu nennen sind
hier beispielsweise vermehrte Scheidungen,
die Pflege kranker Eltern/Schwiegereltern
oder auch das „leere Nest“ zu Hause, wenn
das jüngste Kind in die Welt hinausgezogen
ist. Möglicherweise kämpfen Frauen jetzt
auch mit aufkommender Angst vor „dem
Alter“. Vielleicht müssen sie sich nun im Beruf
gegenüber Jüngeren behaupten. Oder sie
werden schon rund um das 50. Lebensjahr
Großmutter, was sie zwar meist freut, aber
auch vor neue Herausforderungen stellen
kann. „Große Belastungen können die Lebensqualität der Wechseljahre verschlechtern und
auch mögliche Beschwerden verstärken“,
sagt die Kölner Frauenärztin Dr. Maria J.
Beckermann der BARMER GEK (siehe Seite
34 ff.).
Manchmal reichen aber auch schon Hitzewallungen oder die Müdigkeit nach einem
schlechten Nachtschlaf, um von körperlicher
Nähe zum anderen vorübergehend Abstand
zu nehmen. Eine kurze Erklärung dazu wirkt
Wunder und schafft Verständnis. Der Mut,
eventuelle Scham zu überwinden und intime
Wünsche, Ängste und Befindlichkeiten auszusprechen, wird sich auszahlen. Darüber
hinaus können Sie darauf vertrauen, dass
sich Körper und Seele immer besser auf das
neue hormonelle System einstellen. Unabhängig davon gilt aber wie im gesamten
Frauenleben: Wer Lust hat, hat Lust, wer
keine Lust hat, hat keine Lust. Das hat aber
nichts mit den Wechseljahren zu tun. Denn
eine spezielle Sexualität in den Wechseljahren
gibt es nicht.
9
Wellenbäder
„Wenn die Wellen kommen, bauen die einen Mauern und die anderen Schiffe“,
heißt es in China. Schauen wir mal, wie in der Vergangenheit über die Wechseljahre gedacht wurde, welche Wellentäler wir heute durchschreiten, ob wir dabei
auch mit Frauen aus anderen Ländern auf einer Wellenlinie liegen und welchen
Wellengang die Gesellschaft uns jetzt beschert.
Klimawandel rund um die Frau
Das Älterwerden im Allgemeinen und die
Wechseljahre der Frau im Besonderen sind
heute in unserer Gesellschaft ein großes Thema. War das eigentlich auch in früheren
Zeiten so? Hier erhellen einige Bücher aus
unterschiedlichen Epochen die öffentliche
Meinung sowie das Empfinden der Frauen.
Der folgende kleine literarische Streifzug
bis hinein in das 21. Jahrhundert fördert zutage, dass sich in 200 Jahren viel weniger
verändert hat, als man erwarten dürfte.
Natürliches Leiden?
Im 19. Jahrhundert lag die Bestimmung der
Frau nahezu ausschließlich in ihrer Reproduktionsfähigkeit und im Mutterdasein. Entsprechend galt die Menopause als behandlungsbedürftiges Krankheitsbild und wurde
für viele seelische wie körperliche „Anomalien“
der Betroffenen verantwortlich gemacht.4
Diese „bedauerliche Leidenszeit der Frau“
setzte sich auch im Verständnis des beginnenden 20. Jahrhunderts fort. War das jüngste
Kind flügge geworden, hatte sich damit die
Lebensaufgabe der Mutter und Pflicht der
Ehefrau erledigt. Die damalige Gesellschaft
habe „für das nun kommende Alter nicht viel
übrig gehabt“, schreibt die Ärztin Helenefriederike Stelzner im Jahre 1931.5 In den
frühen 30er-Jahren bemerkt sie jedoch einen
allmählichen Wandel. Von da an sah man
Mütter und Ehefrauen mit der Menopause
nun nichtmehr automatisch dem Ende
ihres Frauendaseins entgegengehen, erklärt
die Frauenärztin.
Dr. Helenefriederike Stelzner selbst sah das
Klimakterium als natürlichen Prozess mit
vielen Entwicklungsmöglichkeiten an. Sie
wusste schon damals, dass diese Chancen
weit über das hinausragen, was die Frauen
hinter sich lassen.
10
Gedanken schaffen Wirklichkeit
Diese Sichtweise schildern ebenso andere
Autoren aus den nachfolgenden Jahrzehnten.
Prof. Dr. Heinrich Martius, damals Direktor
der Universitätsfrauenklinik Göttingen, betont
in den 60er-Jahren: „Die Wechseljahre bestehen (…) nur darin, dass etwas aufhört (…)
und ein neues Regulationsgleichgewicht im
weiblichen Körper hergestellt wird.“7 Umso
mehr bedauert er, dass ihnen von der Gesellschaft und auch von Ärzten immer noch etwas Krankhaftes angedichtet werde. Prof.
Dr. Martius widerspricht vehement, dass es
mit der Frau nun körperlich oder geistig bergab gehe. Er warnt zudem vor einer Hormonbehandlung, die er „nicht für völlig ungefährlich“ hält. Damit ging er weiter als sein
Kollege Prof. Dr. Hans Hermann Schmid,
Direktor der Universitätsfrauenklinik Rostock,
der im Jahre 1956 „die Ausfallerscheinungen
während der Wechseljahre verhältnismäßig
leicht durch künstliche Hormonzufuhr“ günstig beeinflussen will. Allerdings sei dies kein
„Jungbrunnen“ für die moderne Frau.8
Auch Mitte der 80er-Jahre erhalten die Wechseljahre viel Aufmerksamkeit. Für die Autorin
Kristine Kurth beispielsweise, die das Klimakterium nicht aus medizinischer Sicht, sondern
aus eigenem Erleben schildert, ist es etwas
ganz Natürliches – und doch „zweifellos oft
eine quälende Zeit des Leidens“.9 Vor allem,
weil sie zur Auseinandersetzung mit dem
Älterwerden zwinge.
In den 80er-Jahren setzen sich die Frauen
zunehmend mit ihrem Körpererleben während
der Wechseljahre auseinander. Sie wollen
jetzt genau wissen, was sich in ihrem Körper
abspielt. In den vorangegangenen Jahrzehnten konnte man über das Klimakterium noch
vom „Leben im Schatten jahrhundertalter
Märchen“10 lesen (1931), von „vielen Fehlauffassungen beim Laienpublikum“11 (1965)
oder sogar noch im Jahre 1973 über „altverwurzelte Vorstellungen, von der Ahne her
überliefert.“12 Somit übten also zu jeder Zeit
fehlerhafte Vorstellungen, Hand in Hand mit
dem individuellen Empfinden der Frau, erheblichen Einfluss auf ihr klimakterisches
Erleben aus.
Dr. Helenefriederike Stelzner hielt zu viel Beschäftigung mit den biologischen Vorgängen
allerdings für wenig hilfreich. So schreibt sie
im Jahre 1931, es würden diejenigen am
wenigsten leiden, die „weder Zeit noch Lust
haben, tiefschürfenden Forschungen (…)
nachzuhängen.“13 Ähnlich sieht das Prof. Dr.
Hans Hermann Schmid in den 50er-Jahren.14
Im Übrigen verstecke sich hinter der Angst
vor den Wechseljahren nur die Angst vor dem
Alter, was eine Wechselwirkung zwischen
körperlichen Symptomen und seelischem Zustand der Frauen erzeuge. Dieser Zusammenhang blieb weiter im Blickpunkt. Kristine Kurth
formuliert etwa Mitte der 80er-Jahre, dass
„die gesamte körperliche und seelische Verfassung einer Frau, ihre Lebenseinstellung
(…), ihr Verhältnis zur Umwelt und das Verhältnis der Umwelt zu ihr (…) mildernd oder
verstärkend auf die Beschwerden wirken
können.“16
11
Nachtrag aus 2002
Noch 2002 ließ der Berufsverband der Frauenärzte e.V., Landesverband Niedersachsen,
in einer Presseerklärung verlauten: „Wechseljahre sind eine Krankheit und nicht
natürlich. Sie sind von Menschenhand geschaffen. Frauen wurden um 1897 38 Jahre
alt. Eine Hormonersatzbehandlung bedeutet daher eine Zurückversetzung der Frau
in ihren ‚Naturzustand‘.“
Diese Verlautbarung empörte nicht nur die Frauenforscherin und Bremer Professorin
Dr. Petra Kolip. Sie kommentierte dazu: „Aus solchen Formulierungen wird deutlich,
dass die älter werdende Frau noch immer zu einem Mangelwesen erklärt wird, das
an einer Hormonmangelkrankheit (…) leidet. Dieses Bild hat sich nicht nur innerhalb
der Medizin durchgesetzt, sondern prägt leider auch das öffentliche Bild und die
Selbstwahrnehmung von Frauen. Dass dies so ist, hängt natürlich mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zusammen, die eine Medikalisierung der Wechseljahre
erleichtern. Denn auch die Wechseljahre unterliegen einer sozialen Konstruktion, an
der viele Akteurinnen und Akteure beteiligt sind.“27
12
Blick über den deutschen Tellerrand
Der gesellschaftliche Stand der Frauen beeinflusste von jeher auch die Bewertung
der Wechseljahre. Dies ist jedoch nicht nur auf der zeitlichen Schiene ein Phänomen,
sondern auch aus der kulturellen Perspektive betrachtet. Denn das Klimakterium
hat in unterschiedlichen Kulturen auch eine unterschiedliche Bedeutung.
Je nach Tradition und religiösen Wurzeln
findet sich längst nicht in allen Ländern und
Völkern ein reduzierter biomedizinischer Blick
auf die „kritischen Jahre“, der insbesondere
den „Hormonmangel“ für sämtliche Beschwerden verantwortlich sieht und vor psychosozialen Faktoren die Augen verschließt.
einem spürbaren Zeichen des Älterwerdens –
im Besonderen. In der Folge kann oft gar
nicht geklärt werden, ob Stimmungstiefs oder
Antriebslosigkeit körperlich begründet sind
oder eher von der Furcht vor einer grauen
Zukunft, vor Unbedeutsamkeit und möglichen
Gebrechen herrühren.
Hitzewallungen und Nachtschweiß sind als
Begleiter der Wechseljahre zwar meist kulturübergreifend bekannt. Aber ob sie auch als
belastend empfunden werden, wird unterschiedlich eingeschätzt. Das hängt entscheidend
auch davon ab, welches Ansehen und welche
Lebensqualität die Frau nach der Menopause
erwarten. Das Konstrukt „Menopause“ der
westlichen Kultur sei in der Dritten Welt nicht
anzutreffen, schlussfolgert Prof. Dr. Ingrid
Kowalcek nach Studienlage. „Der Wahrnehmung und den Vorstellungen von Krankheit
und Gesundheit liegen kulturell produzierte
Muster zugrunde.“28
Diverse Frauenforscherinnen haben vielfach
zusammengetragen, wie die Wechseljahre
in anderen Kulturen gesehen und erlebt
werden. In den folgenden Abschnitten sind
entsprechende Beispiele dafür aufgeführt.
In einer Gesellschaft wie der unsrigen, die
Jugendlichkeit zum Götzen erhebt, stetige
Vitalität, Leistungsfähigkeit und Energie erwartet sowie reife Frauen für unattraktiv hält
und in die Unsichtbarkeit drängt, dürfte statt
der Freude auf eine neue spannende Lebensphase eher die Angst vor dem Älterwerden
überwiegen. Diese Angst beeinflusst die
immer älter werdende Gesellschaft allgemein
und die Frauen angesichts der Wechseljahre –
Japanerinnen
Das traditionelle Asien fixiert sich nicht auf
Hormone. Es schreibt Veränderungen in der
weiblichen Lebensmitte ganzheitlich tendenziell dem allgemeinen Älterwerden und den
damit einhergehenden sinkenden Energien
zu. Deshalb gilt auch vielen Japanerinnen das
Versiegen der Regelblutung eher als sinnvolles
Ereignis, das dem Körper hilft, Energie zu
sparen. Entsprechend spielen Hitze und
Nachtschweiß in den traditionellen Gruppen
als Belastung kaum eine Rolle, umso mehr
dafür die steife Schulter und ein Klingeln in
den Ohren. Je stärker ihre Lebensweise jedoch jener der westlichen Industrienationen
ähnelt, umso deutlicher tritt die Hitzewallung
als Leitsymptom der Wechseljahre hervor.29
13
Maori-Frauen in Neuseeland
Türkische Frauen
Maoris fassen Wechseljahre als eine normale
Übergangszeit innerhalb des Frauenlebens
auf. Zwar kennen auch Maori-Frauen körperliche Sensationen wie das Hitzegefühl, bewerten dies aber als allgemeine Begleiterscheinung während der Übergangszeit hin
zu einer besseren gesellschaftlichen Stellung.
Denn in der traditionell orientierten MaoriGesellschaft gewinnen Frauen nach der
Menopause an Einfluss und Autorität.30
Ihr Lebensort bestimmt ihre Wahrnehmung
der Beschwerden. Frauen in türkischen Großstädten wie Istanbul oder Ankara berichten
von Hitzewallungen sowie von Muskel-,
Gelenk- und Knochenschmerzen. Für Frauen
aus ländlichen Regionen stehen während der
Wechseljahre eher Erschöpfung, verminderte
Gedächtnisleistung und Libidoverlust im Vordergrund. Gemeinsam empfinden aber alle
das Klimakterium als erwartbares, natürliches
Ereignis, in dessen Zusammenhang nicht nur
Hitzewallungen, sondern auch heftige Kopfschmerzen und „Nervenkrisen“ gesehen
werden. In Deutschland lebende Frauen mit
türkischem Migrationshintergrund fühlen
sich mit vergleichbaren Symptomen belastet.
Tapuri-Frauen im Tschad31
Hier sind jegliche Anspielungen auf die Wechseljahre absolut tabu. Für Frauen jenseits der
Gebärfähigkeit gilt jedoch das ungeschriebene
Gesetz, dass sie nach der Menopause jegliche
sexuellen Kontakte zu unterlassen haben.
Denn diese dienen nach Überzeugung der
Tapuris nur der Fortpflanzung. Frauen in und
nach den Wechseljahren werden als „gealtert“
und als „Großmutter“ bezeichnet. Allerdings
kann „die Großmutter“ auch neue Freiheiten
genießen, denn die Tapuris sagen: „Sie hat
sich in einen Mann verwandelt.“
Ähnlich ergeht es den Beti-Frauen im Süden
Kameruns. Die Menopause beendet auch
für sie jegliche sexuellen Kontakte – aber
ebenso die Zeit der Unterwerfung unter die
männliche Autorität. Denn nun werden sie
dem Mann gleichgestellt. Die Wechseljahre
stärken also ihr Ansehen und ihre Macht und
stehen deshalb für den Beginn einer neuen,
guten Lebenszeit.31
Innerhalb der Familie und Gesellschaft bedeutet die Menopause aber einen Statusgewinn für Türkinnen in der Türkei, sie erfahren
mehr Respekt. Offen ist jedoch, ob das steigende gesellschaftliche Ansehen auch in der
Migration erhalten bleibt.34
14
Werden Sie wesentlich!
Unsere zeitlichen wie auch die kulturellen Betrachtungen zeigen, wie unterschiedlich
die Wechseljahre sowohl von Frauen selbst als auch von der Gesellschaft empfunden werden. Diese Wahrnehmungen steht in einem inneren Zusammenhang.
Auch Frauen in Deutschland erleben die
Wechseljahre höchst individuell. Je nach Lebenslage, mehr oder weniger ausgeprägter
Angst vor dem Alter sowie den Botschaften
und Erwartungen, die an sie gerichtet sind,
erweisen sich die Wechseljahre als eine verletzliche Zeit voller Leiden und Beeinträchtigung – oder aber als eine Zeit, aus der neue
Kraft und Energie erwachsen können.
Individuelle Lebenslagen
Aus der Schmerzforschung wissen wir: Wenn
zwei Menschen die gleiche Wunde aufweisen
– sie haben sich zum Beispiel beide in den
Finger geschnitten oder bei einem Sturz das
Knie aufgeschlagen –, so kann die Schmerzwahrnehmung trotzdem sehr unterschiedlich
sein. „Bei der Bestimmung der emotionalen
Komponente des Schmerzes spielen die Zentren im Hirn, die den psychologischen Zustand
des Menschen beeinflussen, eine wichtige
Rolle. So können negative Stimmungen zu
einer Zunahme der Schmerzvorstellung führen“,
schreibt die Schmerzforscherin Prof. Dr.
Rohini Kuner, Universität Heidelberg.35
Ähnlich verhält es sich mit möglichen Symptomen der Wechseljahre. Deren Intensität und
Belastungsgrad können genauso wenig objektiv gemessen werden wie die Heftigkeit
eines Schmerzes. Beide Grade bestimmen
sich subjektiv von Patient zu Patient, von Frau
zu Frau. So, wie das aufgeschlagene Knie
auf der Schmerzskala (von 0 = kein Schmerz
bis 10 = unerträglicher Schmerz) eine 2 oder
auch eine 6 sein kann, so kann eine Frau
mögliche Hitzewallungen auf einer solchen
Skala mit 0 oder 1 bewerten, eine andere
dagegen mit 8 oder gar 9. Beide Einschätzungen müssen ernst genommen werden. Denn
so wenig, wie die Frau mit niedrig empfundenem Belastungsgrad gefühllos ist, so wenig
ist die Frau mit hoch empfundener Belastung
hysterisch. Beide geben nur ihre persönliche
Wirklichkeit wieder, und die ist immer wahr.
Angst vor dem Alter
„Das Alter“ wird in unserer Gesellschaft
meist in Zusammenhang mit Abstellgleis,
Gebrechen, abnehmender Attraktivität und
zunehmender Einsamkeit diskutiert. Es
scheint wie eine Naturkatastrophe über uns
hereinzubrechen und ist nie willkommen.
„Alt“ sind immer nur die anderen, und das
„richtige Alter“ kommt sowieso stets später,
besonders das eigene. Diesem Bild entsprechend werden auch Alterszeichen wie graue
Haare oder Fältchen massiv bekämpft, Jugendlichkeit ist das Gebot der Stunde. Auf
dieser Welle reiten übrigens unzählige Geschäftemacher, die mit der Angst vor dem
Alter ordentlich Geld scheffeln. Und immer
ganz vorn mit dabei: die Pharmaindustrie.
15
Die Menopause kennzeichnet nun für die
Frau das Ende der Gebärfähigkeit und ist für
sie somit ein eindeutiges Zeichen dafür, dass
sie älter geworden ist. Damit wird ihr – ob
sie will oder nicht – das Thema „Älterwerden“
direkt vor die Füße gelegt, sie kann ihm nicht
ausweichen. Hat sie nun die allgemeinen
Vorstellungen vom Älterwerden und Alter
verinnerlicht, bleibt die Angst vor der kommenden Lebensphase kaum aus. In diesem
Sinne könnten wir mit Prof. Dr. Kuner sagen:
Dann können in den Wechseljahren negative
Stimmungen auftreten und zu einer Zunahme
der empfundenen Beschwerden führen.
Ansichten der Gesellschaft
Tatsache ist: Wechseljahre sind ein Entwicklungsvorgang und keine Krankheit. Trotzdem
spukt diese Sicht – auch aufgrund der Medikalisierung des Klimakteriums – immer noch
leise in vielen Köpfen herum. Laut wird jedoch gesagt: Aber Wechseljahre sind doch
ganz natürlich! Wie wahr … Allerdings
scheint das kaum jemand zu glauben, wie
die unzähligen Ratgeberbücher zum Thema
nahelegen. Hier zwei Schlaglichter auf die
Untertitel einiger gedruckter WechseljahreMöchtegern-Ratgeber:
„Orientierungshilfen und Strategien bei
Beschwerden“, „Wechseljahrbeschwerden
erfolgreich behandeln“ oder auch „Rat und
Hilfe bei typischen Beschwerden“ – aha, da
ist sie also wieder, die unsägliche Botschaft:
Wechseljahre und Beschwerden gehören
offenbar zwingend zusammen. Leider ist
diese Aussage so häufig wie falsch. Noch
verhängnisvoller klingt übrigens „Ein behandelbares Schicksal“.
■
Wechseljahre als „schicksalhafter“ Vorgang,
dem man nur mit „Behandlung“ entrinnen
kann? Oh nein!
„Was Frauen wissen sollten, um gesund,
lustvoll und jung zu bleiben“ oder „So bleiben Sie jung, schön und sinnlich“ – natürlich
wünscht sich das jede Frau! Nur leider befördern solche Versprechen nicht nur die
überzogenen Erwartungen an die „ewige
Jugend“, sondern unterstellen auch noch,
dass Gesundheit, Lust und Schönheit durch
die Wechseljahre bedroht sein könnten.
■
Traurig! Denn Schönheit liegt immer im Auge
des Betrachters, Lust und Sinnlichkeit jenseits jeder Altersgrenze – und persönliche
Gesundheit zu einem wesentlichen Teil auch
in unseren eigenen Händen.
16
Eigene Erwartungen und die des Partners
Auch die verschiedenen Erwartungen spielen
eine wesentliche Rolle dabei, wie es Frauen
in den Wechseljahren ergeht.
Schon mit den Ansprüchen an sich selbst
überfordern sich viele Frauen – und das nicht
nur in Zeiten der hormonellen Umstellung.
Das Streben nach Perfektion in Haushalt,
Beruf, Partnerschaft und Kindererziehung ist
auch heute noch allzu oft ein Begleiter im
täglichen Leben von Frauen. Zudem fällt es
manchen Frauen schwer, ihre Bedürfnisse
klar zu äußern. „Ich wünsche mir mehr Mithilfe durch die Familie, mehr Zärtlichkeit von
meinem Partner, mehr Respekt am Arbeitsplatz“, solche Äußerungen kommen Frauen
zuweilen schwer über die Lippen. Unbewusst
könnten sie dann den Umweg wählen, Rücksichtnahme, Zuwendung oder eine Auszeit
über die Äußerung körperlicher Beschwerden
zu erlangen zu versuchen. „Ich kann nicht
mehr“ mutet irgendwie vertretbarer an als
„Ich will nicht mehr“ (etwa den Haushalt
allein bewältigen). „Ich fordere“ (zum Beispiel
mehr Rücksichtnahme) und „Ich wünsche mir“
(etwa mehr Einfühlungsvermögen) rücken
damit jedoch in noch weitere Ferne. Dabei
bieten gerade die Wechseljahre eine große
Chance, hier umzudenken und den Stier bei
den Hörnern zu packen. Auch deshalb haben
Renée Zucker und Ingke Brodersen ihr sehr
erhellendes und Mut machendes Buch über
die Frau um die 50 „Werden Sie wesentlich!“
genannt (Piper Verlag 2008).
Doch nicht nur der Eigenanspruch kann
Frauen während der Wechseljahre in die Erschöpfung treiben, sondern auch ein wenig
einfühlsamer oder unaufmerksamer Partner
ist Gift für ihr Selbstbewusstsein.
Hört eine Frau etwa ein „Stell dich doch nicht
so an!“ oder „Das bildest du dir doch alles
nur ein!“, wenn sie sich mal unpässlich fühlt
oder ihrem Partner von ihrem Körpererleben
während der Wechseljahre oder auch von
ihren Ängsten berichtet, dann wird ihr das
wohl kaum Flügel verleihen. In diesem Fall
wäre der Partner wahrscheinlich ein hartnäckiger Fortbildungsfall in Sachen gelingendes Miteinander.
17
„Wenn du schwitzt, dann musst du
wenigstens nicht frieren“
Jede einzelne Frau ist Expertin in eigener Sache. Sie weiß am besten: Wie fühle
ich mich vor und nach der Menopause? Welche Chancen sehe ich in den Wechseljahren? Und was macht mir in dieser Zeit besonders zu schaffen?
Stellvertretend sprechen hier Andrea Reimann
(46 Jahre), Dörte Dietz-Möbius (52 Jahre)
und Brigitte Stellmacher (64 Jahre) über die
„Frauensache Wechseljahre“.36 Die drei Freundinnen singen zusammen in einem Chor. Das
Gespräch hatte die BARMER GEK im Herbst
2011 in Hannover organisiert und moderiert.
Andrea: Vielleicht sollten wir uns erst mal
den Leserinnen vorstellen. Ich kann ja mal
den Anfang machen. Also, ich bin jetzt 46
Jahre alt, nach mehreren Beziehungen mal
wieder Single, habe keine Kinder und war
bis vor Kurzem im Einkauf eines Modegeschäfts tätig. Im Moment bin ich aber arbeitslos und hoffe, bald wieder was Neues zu
finden. Das ist in meinem Alter ja auch nicht
mehr ganz so einfach.
Mit 57 Jahren habe ich mich scheiden lassen,
seit zwei Jahren lebe ich nun mit einem
neuen Mann zusammen und bin sehr, sehr
glücklich mit ihm. Ach ja, und ich bin schon
64. Die Wechseljahre sind für mich also
eigentlich gar kein Thema mehr.
Andrea: Erzähl doch bitte trotzdem mal, wie
das bei dir war. Man hört ja immer wieder
von so vielen Beschwerden, dass mir richtig
angst und bange wird, was da noch so alles
auf mich zukommt. Besonders, wenn ich an
meine Mutter denke. Deren Wechseljahre
hab ich so schlimm erlebt, das war schon
nicht mehr zum Aushalten. Sie war launisch
und irgendwie dauernd schlecht drauf.
Dörte: Das muss aber nicht heißen, dass es
bei dir jetzt auch so wird!
Dörte: Jetzt hör aber mal auf! Du wirst dich
bestimmt bald wieder voll in einen neuen
Job schmeißen können. Bestimmt! Okay, also
dann kurz zu mir: Ich bin schon 52, seit 26
Jahren verheiratet und habe drei Kinder. Die
beiden Großen sind 24 und 22, unsere Merle
ist gerade 16 geworden. Tagsüber arbeite
ich mit einer halben Stelle bei einem Steuerberater.
Brigitte: Ich bin bei einem Rechtsanwalt als
Gehilfin angestellt, gehe aber bald in den
Ruhestand. Schließlich bin ich schon Großmutter! Mein Enkel ist 14, meine Tochter 34.
Andrea: Aber seit meine Regel unregelmäßiger wird, hab ich auch schon ganz schöne
Stimmungsschwankungen, du meine Güte!
Einen Moment himmelhochjauchzend, dann
wieder zu Tode betrübt. Irgendwie fühle ich
mich dem Auf und Ab total ausgeliefert. So,
als hätte ich die Kontrolle über mein ganzes
Leben verloren. Außerdem erinnert mich das
an meine Pubertät, die echt nicht die beste
Zeit in meinem Leben war. Und was mich
noch nervt: Manchmal schwitze ich schon
wie blöd. Und zwar zu den unmöglichsten
Zeiten, wenn’s einem so gar nicht in den
18
Kram passt. Voll peinlich, besonders, wenn
du dann gerade im Vorstellungsgespräch
sitzt.
Dörte: In erster Linie bringen einen die sinkenden Hormonwerte zum Schwitzen.
Brigitte: Ja, ja. Aber es kommt immer noch
Brigitte: Dann wirst du wahrscheinlich gar
nicht wissen wollen, wie das bei mir war.
Denn meine Wechseljahre waren zeitweise
die Hölle für mich. Am schlimmsten waren
die Hitzewellen, besonders nachts. Da war
ich durchgeschwitzt wie ein nasser Lappen,
musste manchmal dreimal das Nachtzeug
wechseln und konnte danach nicht wieder
einschlafen. Dann habe ich versucht zu lesen,
aber das hat Jürgen so gestört, dass ich dann
schlaflos im Dunkeln lag und den schrecklichsten Gedanken ausgesetzt war. Na ja, und
morgens hab ich mich dann wie gerädert
aus dem Bett gequält und so durch den Tag
geschleppt. Und wenn die Hitze kam, dann
hatte ich auch dieses Herzrasen …
Dörte: … also Brigitte, jetzt hör aber mal
auf, du machst Andrea ja noch ganz verrückt!
Brigitte: Warte, warte mal, heute denke ich
über diese Zeit nämlich anders. Weißt du,
damals war meine Ehe schon ziemlich kaputt,
du weißt ja, wie Jürgen war. Nie ein nettes
Wort. Für ihn war ich doch nur noch ein
Möbelstück, und zwar ein ziemlich unerotisches (lacht). Irgendwann hab ich mich dann
wie jemand gefühlt, der nur noch funktionieren muss, obwohl er schon alt und klapprig
ist. Aber das finde ich heute gar nicht mehr
erstaunlich. Schließlich musste ich mich damals ja auch noch um Jürgens Mutter kümmern, und die war erst richtig klapprig. Und
biestig dazu. Und ausgerechnet in dieser Zeit
kriegte meine Anja dann auch noch den
Kleinen, machte mich zur Oma und zog auch
noch aus. Da wurde ich dann richtig depressiv. Also wenn das Ganze zusammen eine
Frau nicht zum Schwitzen bringt, dann weiß
ich auch nicht!
darauf an, wie man das verkraftet. Und bei
mir kam einfach alles zusammen.
Andrea: Wurde es denn irgendwann besser?
Brigitte: Und ob! Und zwar hat mir mein
Frauenarzt dann Hormone verschrieben –
und ich war die scheußlichen Hitzewellen so
ziemlich los.
Andrea: Aber hast du denn keine Angst gehabt, dass die Hormone Krebs oder so auslösen?
Brigitte: Ganz ehrlich? Nein, hab ich nicht.
Denn erstens konnte es mit mir sowieso nicht
so weitergehen – und zweitens hab ich die
Hormone ja nicht so wahnsinnig lange genommen. Und auch ziemlich niedrig dosiert.
Für mich war das dann überhaupt erst die
Voraussetzung dafür, dass ich wieder einen
klaren Kopf bekam und schließlich wegen
meiner Depressionen eine Therapie machen
konnte. Hormone und Therapie, das war für
mich damals genau die richtige Mischung.
Dörte: Na ja, wenn es mir so schlecht gehen
würde wie dir damals, dann würde ich auch
Hormone nehmen. Hitzewallungen habe ich
zwar auch, aber sie machen mir nicht so viel
zu schaffen. Außerdem trinke ich regelmäßig
Rotkleetee, da sind pflanzliche Hormone drin,
die mir gut helfen.
Brigitte: Hab ich auch alles gemacht. Rotklee, Salbei, Yamswurzel hoch und runter,
vor allem Soja, bis es mir zu den Ohren herauskam. Geholfen hat mir das nicht.
19
Dörte: Das ist sicher bei jeder Frau anders.
Außerdem geht es mir ja auch insgesamt
sehr viel besser. Klar hab ich auch mal Brustspannen gehabt, auch mal Kopfschmerzen
zwischendurch. Und schwindlig ist mir auch
hin und wieder. Aber wenn mich überhaupt
etwas stört, dann ist das die Hitze. Da ist
Hans-Peter aber ziemlich verständnisvoll, das
muss ich wirklich sagen. Wenn ich nachts so
vor mich hin transpiriere und nicht schlafen
kann, dann bringt er mir manchmal sogar
einen feuchten Waschlappen zur Abkühlung.
Ihr glaubt gar nicht, wie gut mir das tut, dass
er mich so liebt, wie ich bin. Mit ein paar
Pfund zu viel und manchmal auch ein Häuflein Elend. Er sagt immer, ein Häuflein Elend
streichelt er besonders gern. Und wenn mir
der Schweiß von der Nase rinnt, dann sagt
er: Wenn du schwitzt, dann musst du wenigstens nicht frieren (lacht). Dieser Kerl!
Aber meine überflüssigen Pfunde, die will
ich ernsthaft loswerden.
Andrea: Na dann fang mal damit an!
Dörte: Wenn das bloß so einfach wäre!
Glaub ja nicht, dass man in meinem Alter
noch so locker abnimmt wie früher.
Andrea: Das wohl nicht. Aber dann musst
du halt deine Ernährung umstellen und ordentlich Sport machen. Einfach weniger
essen und dich mehr bewegen.
Dörte: Ja, ja, ich weiß. Aber im Moment, wo
Merle noch so stark pubertiert, da schaff ich
das einfach nicht, weniger zu essen.
Brigitte: Oh je, das stelle ich mir aber auch
schwierig vor: Wechseljahre trifft Pubertät.
Dörte: Ja, da kannste manchmal wirklich die
Krise kriegen. Aber irgendwann geht das ja
bei uns beiden auch vorbei, das stehen wir
schon durch. Und wenn nichts mehr geht
20
mit uns und wir dem Hans-Peter dann beide
die Ohren vollheulen, dann hat er so seine
Art, uns zu beruhigen.
Brigitte: Ach was, diesen ganzen elenden
Andrea: Ja, ja, der liiiiebe, gute Hans-Peter!
Was soll ich denn sagen, so ganz ohne Mann?
Ach, was soll‘s, ich hab ja euch! Aber trotzdem … jetzt, mit 46, fühle ich mich schon
merkwürdig, weil die Wechseljahre mit so
großen Schritten auf mich zukommen und
ich keine Kinder habe. Die Gelegenheit ist
nun bald verpasst. Das macht mich irgendwie traurig.
Wettbewerb um die jugendliche Straffheit
hab ich doch gar nicht mehr nötig. Und du
glaubst gar nicht, wie gut sich das anfühlt,
wie entspannt! Ich fühle mich überhaupt so
entspannt und gut wie noch nie in meinem
Leben. Wenn ich müde bin, ruhe ich mich
einfach aus, wenn mir nach langem Schlabberpulli ist, meckert auch keiner an mir herum, ich treffe mich mit Freundinnen, wann
immer ich will, ich gehe ins Museum, in Ausstellungen, ins Theater, lese viel, singe schön
mit euch – na, wie hört sich das an?
Dörte: Ich glaube, die Menopause bedeutet
Dörte: Das hört sich für mich nach einem
für jede Frau Abschied von der Gebärfähigkeit, ganz egal, ob sie Kinder hat oder nicht.
sehr guten Leben an – und nicht wie nach
altem Eisen.
Andrea: Na ja, ich wollte eben keine Kinder
ohne Vater aufziehen und habe den richtigen
Mann halt noch nicht gefunden. Damit muss
ich mich jetzt abfinden, dass ich eben kein
Kind habe. Aber das Herz ist mir schon
schwer.
Brigitte: Und das Interessanteste ist dabei:
Seit ich mich so fühle, genieße ich überall
ganz andere Aufmerksamkeit. Das war schon
so, als ich noch solo war. Plötzlich hörten mir
die Leute ganz anders zu, es war irgendwie,
als hätte ich auf einmal Wichtigeres zu sagen
als vorher.
Brigitte: Manchmal ist es auch schwer, mit
dem falschen Mann die Kinder aufzuziehen.
Das hast du ja bei mir gesehen. Ich habe den
Richtigen auch erst mit Ende 50 kennengelernt. Und dass ich da schon längst keine
Periode mehr hatte, fand ich einfach nur
wundervoll!
Andrea (spöttisch): Ach nee, und ich dachte,
mit den Wechseljahren ist dann alles aus
und vorbei …
Brigitte (grinst): Denkste! Manchmal geht
Andrea: Vielleicht war das ja auch so?
Brigitte: Ich weiß nicht. Eigentlich war ich
einfach nur selbstbewusster und zielstrebiger.
Ich war mir selbst einfach wichtiger geworden. Danach wurde es mir auch ziemlich
wurscht, was andere Leute über mich gesagt
haben. Das war der Moment, in dem ich anfing, mich selbst zu entdecken.
Andrea: Hört sich an wie ein Frauenbuch:
„Brigitte auf Schatzsuche nach sich selbst“…
es da erst richtig los!
Brigitte: … aber genau so war‘s! Nur hab
Andrea: Trotz Dellen in den Schenkeln? Und
jeden Tag guckt dich eine neue Falte im
Spiegel an?
ich damit leider ziemlich spät angefangen.
Also macht nicht den gleichen Fehler wie ich
und legt einfach früher los!
21
Hormontherapie
Ob sich eine Frau in den Wechseljahren behandlungsbedürftig empfindet oder
nicht, entscheidet sie ganz allein. Ausschlaggebend dafür ist, wie wohl sie sich
in der hormonellen Umstellungsphase fühlt, wie sie ihre Lebensqualität beurteilt
und was sie selbst zur Verbesserung ihres Befindens beitragen kann. Sollte sie
Beschwerden verspüren, die nur schwer zu bewältigen sind, so wird sie diese
und weitere Fragen ausführlich mit ihrer Frauenärztin bzw. ihrem Frauenarzt
erörtern. Ist sie über ihre Handlungsmöglichkeiten sowie mögliche Risiken von
Behandlungsformen informiert, kann sie ihren eigenen Weg zum inneren Gleichgewicht finden.
Der Tanz um die Hormone
Hormone für die ewige Jugend?
Dass es im menschlichen Körper „innere Absonderungen“ gibt, die verschiedene Prozesse
auslösen, hat die Wissenschaft schon vor
über 200 Jahren vermutet. Aber erst 1905
gab ihnen der britische Physiologe Ernest
H. Starling einen Namen: Hormone. Dieser
Begriff geht auf das griechische Wort „hormao“
zurück und bedeutet so viel wie „antreiben“.
Heute wissen wir: Viele verschiedene Hormone
wirken in der Frau als Botenstoffe innerhalb
eines ausgeklügelten Systems, das – im feinen Zusammenspiel mit unserem Nervensystem – unser körpereigener Motor und
Dirigent zugleich ist.
Die rasante Entwicklung der Sexualendokrinologie brachte die Hormontherapie hervor.
Diese revolutionierte in der Folge nicht nur
die Reproduktionsmedizin, sondern versprach
vor allem, dem Alterungsprozess der Frau
wundersam Einhalt zu gebieten. Dabei war
die Grundannahme so schlicht wie problematisch: Damals glaubte man, dass allein die
Östrogene eine Frau jung und attraktiv erhalten würden. Da die Östrogenproduktion
mit zunehmendem Alter aber de facto abnimmt, ging man von einem „Hormonmangel“ aus, der das „Mangelwesen“ Frau körperlich und geistig dahinwelken ließe. Dieser
„Mangel“ wurde für eine hormonelle Erkrankung gehalten, die nur mit einer Östrogenersatztherapie zu „heilen“ sei.
Wodurch unterscheidet sich die Frau vom
Mann? Auch diese Frage beschäftigt die
Wissenschaft schon seit Langem. Insbesondere die Sexualendokrinologie, die sich seit
1920 speziell mit der Produktion der Geschlechtshormone und ihrem Steuerungssystem befasst, konzentrierte sich auf die
Frau.
22
1942 wurde in den USA das erste Präparat
auf dem Markt zugelassen (Premarin®), das
aus einem reinen Östrogencocktail aus dem
Urin trächtiger Stuten bestand. Ab 1964 waren solche sogenannten konjugierten Östrogene dann auch auf dem deutschen Heilmittelmarkt zu haben.39 Jetzt pries auch der
New Yorker Gynäkologe Robert A. Wilson
in seinem Bestseller „Feminine forever“ die
Hormontherapie, die damals noch Hormonersatztherapie hieß, als Heilmittel gegen die
„Krankheit Klimakterium“ und als Zaubermittel für ewige Jugend, Schönheit, Libido,
Gesundheit und Eheglück. Das Buch erschien
1968 unter dem vielsagenden Titel „Die vollkommene Frau“ auch in Deutschland,40 danach war die hormonelle Jungbrunnenkur
mit reinen Östrogenen ein Muss für jede
älter werdende Frau.
Was Wilson geflissentlich verschwiegen hatte,
war aber bereits damals bekannt: Östrogene
regen in bestimmten Körperteilen die Zellteilung an, genau darauf beruht ja zum Teil
der therapeutische Effekt der „Ersatztherapie“
mit reinen Östrogenen. „Aus diesem Grunde
kann das Hormon aber auch das Wachstum
eines bereits vorhandenen, möglicherweise
unentdeckten Tumors anregen“, warnte die
„ZEIT“ schon im Februar 1966. In den 70erJahren bestätigten erste Studien mit Anwenderinnen von Östrogenkuren das mehrfach
erhöhte Krebsrisiko für die Gebärmutter.41
Also setzte man den Östrogenpräparaten
synthetisches Gestagen (Progesteron) hinzu,
das als „Gegenspieler“ des Östrogens die
negativen Effekte verhindern sollte. Diese
Hormonkombination wurde Frauen hauptsächlich nach der Menopause in den 80erund 90er-Jahren massenweise verabreicht,
denn sie sollte auch „vor verschiedenen
Alterskrankheiten“ schützen. Die Bandbreite
reichte von Herz-Kreislauf-Erkrankungen
über die Osteoporose bis hin zu Morbus
Parkinson und Demenz. Selbst dem Zahnverlust und der Makuladegeneration des Auges
lasse sich durch die Einnahme der Hormone
vorbeugen, lautete die Botschaft.42 Beweise
gab es dafür allerdings nicht. Auch die amerikanische HERS-Studie43 konnte 1998 keine
positive Wirkung etwa für die Herzgesundheit belegen.
Welche Risiken hat die Hormontherapie?
Es sind mittlerweile unzweifelhaft verschiedene Risiken der Hormontherapie wissenschaftlich seriös nachgewiesen. Hier ein kurzer
Überblick über aussagekräftige Studien, aus
denen die WHI-Studie besonders heraussticht.
Die WHI-Studie44 schockte im August 2002
die Welt mit ersten alarmierenden Analysen.
Dazu sagt die Frauenärztin Dr. Maria J.
Beckermann gegenüber der BARMER GEK
(siehe auch Seite 34 ff.): „Seit die Ergebnisse
bekannt geworden sind, haben viele Frauen
aus gutem Grund Bedenken gegen die Einnahme von Hormonpräparaten. Die Ergebnisse der WHI-Studie (…) bestätigen, dass
jede Hormontherapie – auch die kurzfristige – mit Risiken verbunden ist. Und dass die
meisten Risiken mit der Dauer der Einnahme
und mit der Dosis der Therapie ansteigen.“
In den USA hatte die Women‘s Health Initiative (WHI) in einer auf acht Jahre angelegten
Untersuchung an mehr als 16.000 Frauen
zwischen 50 und 79 Jahren hauptsächlich die
präventive Wirkung der Hormontherapie mit
einem Kombipräparat aus Östrogenen und
Gestagenen45 untersucht. Gut fünf Jahre
später – im Jahre 2002 – leiteten die ersten
Ergebnisse einen entscheidenden Wendepunkt ein, denn man hatte erhebliche Risiken herausgefunden, wie der folgenden
Tabelle zu entnehmen ist.
23
Erkrankungen pro Jahr innerhalb von fünf Jahren
Von 10.000 Frauen
erkrankten an
Frauen in der PlaceboKontrollgruppe (ohne
Hormoneinnahme)
Frauen unter
Hormoneinnahme
Mehr
Erkrankungen
in %
Herzinfarkt
30
37
23%
Schlaganfall
21
29
38%
Thrombose
16
34
112%
Brustkrebs
30
38
26%
Quelle: Writing Group for the Women’s Health Initiative Randomized Controlled Trial W. Risks and Benefits of Estrogen Plus Progestin
in Healthy Postmenopausal Women. JAMA 2002.
24
�Dagegen stand die gute Nachricht:
Immerhin gab es unter der Hormontherapie
pro Jahr sechs Fälle weniger Darmkrebs und
fünf Oberschenkelhalsbrüche weniger als in
der Placebo-Kontrollgruppe.
Für die WHI-Studie sei nur eine einzige
Wirkstoffkombination in immer gleicher Dosierung, per Tablette verabreicht, beforscht
worden. In der Praxis werden Wirkstoffe,
Dosierung und Verabreichungsform jedoch
dem individuellen Bedarf der einzelnen Patientin angepasst.
■
�Dennoch überstiegen die Risiken, die die
Studie den Frauen bescherte, den Nutzen.
Angesichts der Ergebnisse wurde die Studie
vorzeitig abgebrochen. Weltweit und auch
in Deutschland nahmen Frauen gegenüber
der Hormontherapie fortan eine kritischere
Haltung ein, und die Verschreibungszahlen
gingen tatsächlich zurück. „Während 2001
beinahe jede zweite Frau zwischen 50 und
70 Jahren Hormone bekam, war es von 2004
bis 2006 nur noch etwa jede vierte bis fünfte
Frau“, so Dr. Maria J. Beckermann im Gespräch mit der BARMER GEK. Tendenz:
weiter sinkend. Parallel dazu sank auch die
Zahl der Brustkrebs-Neuerkrankungen. Hier
wird ein Zusammenhang mit dem Rückgang
der Hormontherapie vermutet. Der wissenschaftliche Beweis steht jedoch noch aus.
Spätere Auswertungen der WHI-Studie fanden
außerdem ein erhöhtes Risiko für Eierstockkrebs.47 Und mehr Frauen, die eine kombinierte Östrogen-Gestagen-Therapie erhalten
hatten,verstarben an Lungenkrebs.48
Wie übertragbar sind die
Studienergebnisse?
Die Übertragbarkeit der Ergebnisse aus der
WHI-Studie wird bis heute in Deutschland
kontrovers diskutiert. Prof. Dr. Martina Dören,
u. a. Mitglied der Arzneimittelkommission
der deutschen Ärzteschaft und streitbare
Kämpferin für die Gesundheit der Frauen,
legt folgende Argumente der Zweifler dar:49
Die an der Studie beteiligten Frauen seien
relativ alt gewesen und hätten möglicherweise entsprechende Vorschädigungen insbesondere der Blutgefäße. Wissenschaftlich
geprüft werden müsse daher, ob andere
Präparate in anderer Dosierung und anderer
Darreichungsform bei jüngeren Frauen nicht
präventive und risikoarme Wirkung hätten.
■
�Prof. Dr. Dören positioniert sich zu solchen
Überlegungen eindeutig kritisch: „Wir sollten
lieber ärztliche Bestrebungen ins Zentrum
rücken, die Frauen zu mehr gesundem Lebensstil in der Postmenopause befähigen,
einschließlich mehr sportlicher Aktivität,
und von behaupteten präventiven Effekten
von Hormonpräparaten, für die sich keine
belastbaren wissenschaftlichen Belege finden
lassen, Abstand nehmen.“50
Im Übrigen bestätigte auch die britische Million Women Study,51 die parallel zur WHIStudie lief, an über einer Million Frauen, dass
eine Hormontherapie sowohl als kombiniertes Östrogen-Gestagen-Präparat als auch als
Östrogen-Monotherapie Brustkrebs begünstigt. In beiden Fällen zeigte sich sogar ein
höheres Risiko für Brustkrebs als bei der
WHI-Studie. Allerdings sank es nach Absetzen der Therapie wieder ab.
Auch die MARIE-Studie52 des Deutschen
Krebsforschungszentrums und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, die zwischen 2002 und 2005 ebenfalls den Zusammenhang zwischen Hormontherapie und
25
Brustkrebs untersuchten, kam zum Ergebnis:
Das Risiko für Brustkrebs bei Frauen, die Hormone einnehmen, ist im Vergleich zu Frauen,
die keine Hormone einnehmen, um 37% erhöht. Das höchste Risiko haben dabei Frauen,
die sich länger als fünf Jahre einer Östrogen-Gestagen-Kombitherapie unterzogen.
Keine Angst vor dem Absetzen der
Hormontherapie!
Andererseits ist nachvollziehbar: Wenn Frauen
mit Hormonen behandelt werden und es
ihnen damit gut geht, könnten sie durch das
Absetzen der Therapie eine Verschlechterung
fürchten. Deshalb untersuchte Prof. Dr. Ursula
Härtel von der Ludwig-Maximilian-Universität
München bei Frauen zwischen 55 und 69
Jahren die Belastung nach dem Absetzen einer
mindestens dreijährigen Hormontherapie.
Die Hälfte der Frauen erhielt ihr gewohntes
Hormonpräparat, die andere Hälfte ein Placebo – allerdings wusste keine der Frauen,
wer was bekam. Sechs Monate nach dem
Absetzen der Präparate wurden alle Frauen
nach körperlichen Symptomen und empfundener Lebensqualität befragt. Schon die
ersten Ergebnisse zeigten: In der Placebogruppe stiegen die vasomotorischen Probleme
(Hitzewellen, Schweißausbrüche) zwar stärker
an als in der Hormongruppe, nämlich um 12%
im Vergleich zu 6%. In den Veränderungen
der allgemeinen gesundheitlichen und psychischen Lebensqualität ließen sich dagegen
keine wesentlichen Unterschiede feststellen.53
Das bedeutet: Auch bei Frauen im höheren
Alter können nach dem abrupten Absetzen
einer langjährigen Hormontherapie noch
„typische“ Wechseljahrbeschwerden auftreten, die aber meistens nach wenigen Wochen
wieder vergehen. Die meisten Frauen fühlen
sich durch das Absetzen jedoch weder physisch noch psychisch stark belastet.
Hormontherapie: Mehr Nutzen oder
mehr Risiko?
Eine Hormontherapie kann trotz der beschriebenen Risiken während des Klimakteriums
die richtige Lösung für eine Frau sein. Das
gilt insbesondere, wenn sie sehr stark unter
vasomotorischen Beschwerden leidet (Hitzewallungen, Schwitzen). „Denn eindeutig
nachgewiesen ist, dass eine Hormonvergabe
genau diese Beschwerden, die für die Lebensqualität weitreichende Folgen haben können,
deutlich lindert“, bestätigt auch Dr. Maria J.
Beckermann (lesen Sie dazu auch Seite 34 ff.).
Ebenso nachgewiesen ist ein positiver Effekt
der Hormontherapie bei Scheidentrockenheit.
Entsprechend empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe in
der interdisziplinären S3-Leitlinie den Frauen
sowie ihren Frauenärztinnen und Frauenärzten, auch nur bei diesen beiden Beschwerdebildern eine Hormontherapie in Erwägung
zu ziehen. Dabei sollte die Therapie von möglichst kurzer Dauer und in möglichst geringer
Dosierung erfolgen. Allerdings soll Frauen
mit Vorerkrankungen wie Thrombose, Brustoder Gebärmutterkrebs sowie schweren
Leberschäden keine Hormontherapie verordnet werden.
In jedem Fall sind die Frauenärztinnen und
Frauenärzte gerade bei starken Wechseljahrbeschwerden die richtigen Ansprechpartner.
Sie wissen auch, ob das persönliche Risikoprofil einer Patientin eine Hormontherapie
überhaupt zulässt. Wenn dies der Fall ist und
die Behandlung mit Hormonen Besserung
verspricht, wird die Ärztin/der Arzt mit der
Patientin den zu erwartenden Nutzen gegen
die Risiken abwägen. Derart gut informiert,
kann die betreffende Frau anschließend
selbst eine Entscheidung treffen.
26
Wann passt eine Hormontherapie
zu einer Frau?
Eine Hormontherapie passt nur dann zu einer
Frau, wenn sie wirklich nötig ist und die
Hormongabe tatsächlich ganz individuell angepasst wird.
Für Frauen mit Gebärmutter beginnt die
individuell angepasste Therapie bei der Auswahl des Präparates, das immer aus einer
Kombination von Östrogenen und synthetischen Gestagenen, die dem körpereigenen
Progesteron nachgebildet wurden, besteht.
Es setzt sich bei der Bestimmung der Dosierung fort und mündet in der Entscheidung
über die Verabreichungsform und -dauer.
Prinzipiell gibt es verschiedene Möglichkeiten, gerade bei der kombinierten Hormontherapie. Sie kann zyklisch (Östrogene und
Gestagen im zeitlichen Wechsel) mit oder
ohne Einnahmepause erfolgen oder durch
dauerhafte gleichzeitige Einnahme beider
Hormongruppen.
Frauen ohne Gebärmutter erhalten stets
reine Östrogengaben. Bei ihnen ist die Zugabe von Gestagenen zum Schutz vor bösartigen Veränderungen der Gebärmutter
nicht erforderlich.
Große Auswahlmöglichkeiten bestehen bei der Art der Hormongaben:
über den Mund in Form von Tabletten oder Dragees (orale Anwendung)
unter der Zunge in Form von Tropfen (sublinguale Anwendung)
■ über die Nase in Form von Sprays (nasale Anwendung)
■ über die Scheide in Form von Tabletten, Zäpfchen, Hormonring, Gel oder Creme
(vaginale Anwendung)
■ über die Haut in Form von Pflaster, Creme oder Gel (transdermale Anwendung)
■ als Östrogen-Hormondepot im Unterhautgewebe in Form einer Injektion
(meist ins Gesäß oder in den Oberarm)
■
■
�Da Ihre Frauenärztin/Ihr Frauenarzt die Hormontherapie ohnehin fein auf
Sie abstimmt, werden Ihnen auch die Vor- und Nachteile der verschiedenen
Methoden erklärt und Empfehlungen ausgesprochen. Und auch während der
Hormontherapie bleiben Sie und Ihre Ärztin bzw. Ihr Arzt regelmäßig im Gespräch
und können über die Fortsetzung, den Abbruch oder die Änderung der Hormontherapie gemeinsam jederzeit neu entscheiden.
27
Die große Schar der natürlichen Helfer
Kennen Sie das? Es gibt Momente, da wünschen wir uns: Jetzt müsste es einen
Knall geben – und alles wäre genau so, wie wir es uns wünschen. Aber so sehr
nach diesem besonderen „Knaller gegen die Wechseljahre“ in der Vergangenheit
auch gesucht wurde – gefunden hat ihn bislang niemand. Denn es gibt ihn nicht.
Und es gibt schon gar kein Wundermittel, das zu jeder Frau passt. Schon allein
deshalb, weil jede Frau anders ist, anders lebt, anders empfindet. Dennoch bietet
uns die Naturheilkunde und Komplementärmedizin einige Möglichkeiten an,
wie wir unseren Körper und unsere Seele positiv beeinflussen können. Für viele
Frauen mit mäßigen Wechseljahrbeschwerden ist dieses breite Angebot eine
Alternative zur klassischen Hormontherapie.
Grundsätzlich vorausgeschickt werden muss
jedoch: Sollten Sie Beschwerden haben, die
Ihnen behandlungsbedürftig erscheinen, so
besorgen Sie sich nicht einfach selbst Medikamente, sondern ziehen Sie in jedem Fall
Ihre Frauenärztin/Ihren Frauenarzt zurate.
Und entscheiden Sie erst danach, welchen
Weg Sie für sich wählen wollen.
Heilkräuter und Phytohormone –
Natur pur?
Die Kräuterheilkunde zählt zu den ältesten
Künsten der Menschheit. Die ersten schriftlichen Aufzeichnungen dazu sind in einem
chinesischen Heilpflanzenbuch aus dem Jahre
3700 v. Chr. überliefert. Und dass etwa ein
Tee aus Johanniskraut die Stimmung aufhellen oder Baldrian beruhigen kann, war schon
für Hildegard von Bingen (1098 – 1179) ein
alter Hut. Sie hat die Wirkung verschiedener
Pflanzen auf den Menschen vielfach beschrieben und auch bereits Wechseljahrbeschwerden behandelt.
Aber erst seit Beginn des 20. Jahrhunderts
fand die Wissenschaft heraus, dass spezielle
Pflanzen bzw. pflanzliche Nahrungsmittel
sogenannte Phytohormone enthalten, die
den menschlichen Hormonen ähneln. Sie sind
zwar nicht „baugleich“ mit unseren körpereigenen Östrogenen oder dem Progesteron,
aber der weibliche Körper erkennt sie trotzdem als gleichartig an. Deshalb können
Phytohormone in uns als Botenstoffe in abgeschwächter Form ähnliche Prozesse bewirken wie unsere körpereigenen Hormone.
Entsprechend gelten sie bei verschiedenen
Beschwerden in den Wechseljahren als sanfte, natürliche Alternative zur risikobehafteten synthetischen Hormontherapie.
Doch ganz so einfach ist die Sache nicht.
Denn hier müssen wir zwischen Phytohormonen unterscheiden, die wir entweder mit
unseren natürlichen Nahrungsmitteln als
Gemüse, Obst oder Tee zu uns nehmen –
oder aber in konzentrierter Form etwa als
Kapseln oder Tabletten.
28
Als Faustregel gilt: Im Rahmen unserer Ernährung können wir Phytohormone unbedenklich zu uns nehmen. Denn Obst und
Gemüse, in denen oft östrogen- wie progesteronhaltige Phytohormone zu finden sind,
schmecken gut und sind gesund. Gleiches
gilt für eine gute Tasse Tee, die uns Hitze
nehmen, beruhigen, munter machen kann
oder besser schlafen lässt.
Zurückhaltung ist dagegen bei allen konzentrierten Präparaten geboten, die als Nahrungsergänzungsmittel im Supermarkt oder
auch als Heilmittel überwiegend rezeptfrei in
der Apotheke zu haben sind. Gerade Frauen,
die leicht oder etwas stärker unter Hitze leiden, der Hormontherapie aus der Retorte
aber kritisch gegenüberstehen, medikamentieren sich gern selbst mit phytohormonellen
Extrakten. Mit übrigens sehr unterschiedlichem Erfolg.
Das Entscheidende ist aber: Wer Wert auf
gesundheitlich risikoarme Effekte legt, kann
sich bei diesen Präparaten nicht absolut sicher
fühlen. Zwar haben zahlreiche Anwenderbeobachtungen und kleinere Studien gezeigt,
dass diese Medikamente nicht allen, aber
vielen Frauen helfen können. Die Untersuchungen lassen aber keine verlässlichen Aussagen zu, weil insbesondere die Sicherheit
der Arzneimittel noch nicht ausreichend auf
dem Prüfstand war. Hier gibt es also dringenden Nachholbedarf.
Was wissen wir bereits heute über
Phytohormonpräparate?
�Soja (Glycine max)
Soja gehört zu den sogenannten Phytoöstrogenen, weil es östrogenartige Isoflavone
enthält. Entsprechende Präparate sind als
Nahrungsergänzungsmittel in Supermärkten,
Drogerien, Reformhäusern und Apotheken
frei verkäuflich. Sie gelten nicht als Arzneimittel und unterliegen daher weniger strengen Prüfverfahren.
Nun hört man oft, dass Asiatinnen deutlich
weniger vasomotorische Beschwerden haben,
weil sie sich sehr sojareich ernähren. Dieser
Zusammenhang wurde bisher nicht belegt.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung, das
verschiedene Studien zur Sicherheit von Soja
weltweit geprüft hat, hält eine normale Sojakost für unbedenklich. Allerdings rät es von
der Einnahme konzentrierter Sojapräparate
mit isolierten Isoflavonen ab: „Signifikante
und klinisch relevante Effekte wurden ganz
überwiegend nicht nachgewiesen.“ Zudem
besserten sich die vasomotorischen Beschwerden bereits unter der Vergabe eines Placebos
um 30 bis 50%. Außerdem könnten die hochdosierten Sojapräparate die Funktion der
Schilddrüse beeinträchtigen und auch brustkrebsfördernd sein, warnt das Bundesinstitut.57
�Rotklee (Trifolium pratense)
Im Prinzip gilt für den Rotklee Ähnliches wie
für Soja: Auch er enthält Isoflavone, allerdings
etwas andere. Als Tee genossen, gehen Sie
sicher kein Risiko ein. Es gibt jedoch keinen
belastbaren wissenschaftlichen Beweis dafür,
dass Rotkleekonzentrate Hitzewallungen wirklich lindern und zudem kein Risiko bergen.58
29
�Traubensilberkerze
(Cimicifuga racemosa)
Östrogenartige Präparate aus der Traubensilberkerze werden vor allem gegen vasomotorische Beschwerden angeboten. Einige
enthalten zusätzlich noch Johanniskraut, das
bei Verstimmung und schlechtem Schlaf
Linderung bringen soll. Cimicifuga-Präparate
sind die am besten untersuchten Phytohormone im Hinblick auf die Wechseljahre, ihre
positiven Effekte wurden mehrfach in kleineren Studien belegt – nicht aber ihre Sicherheit.54 Frauen mit Brustkrebs wird daher von
der Einnahme abgeraten. Zudem warnte die
europäische Arzneimittelbehörde (EMEA)
schon 2006 vor Leberschäden in Verbindung
mit Cimicifuga-Präparaten, weltweit waren
in diesem Zusammenhang etwa 50 Fälle
bekannt geworden.55 Seit 2009 muss die
Produktinformation von Arzneimitteln mit
Traubensilberkerze nun auf ein mögliches
erhöhtes Risiko von Leberschädigungen hinweisen. Das hatte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte am 9. Juni
2009 angeordnet (www.bfarm.de).
�Mönchspfeffer (Agnus castus)
In den beginnenden Wechseljahren kann es
zu ähnlichen Symptomen wie beim prämenstruellen Syndrom kommen: zu Zyklusunregelmäßigkeiten, Brustspannen und Stimmungsschwankungen. In dieser Übergangszeit
kann der progesteronhaltige Mönchspfeffer
helfen, wie eine Reihe seriöser Studien belegen. „Auch der Langzeitgebrauch wird als
risikofrei angesehen“, so Christina Sachse in
einer seriösen Expertise.56
Es gibt noch eine ganze Reihe
weiterer Heilpflanzen, die wertvolle grüne Begleiterinnen
während der Wechseljahre sein
können. Immer vorausgesetzt,
sie werden zum Beispiel „nur“
als Tee genossen.
Beispiele sind: Frauenmantel,
Schafgarbe, Salbei, Johanniskraut oder Baldrian.
30
Alternative Behandlungsansätze
Aus der Sicht der westlichen Schulmedizin,
deren Behandlung von Beschwerden auf einer
wissenschaftlich nachgewiesenen Datenlage
basiert, können alternative Behandlungsansätze kaum bestehen. Denn deren Wirksamkeit ist bisher nicht wissenschaftlich
schlüssig erwiesen. Dennoch wählen viele
Frauen zur Stärkung ihres physischen und
psychischen Befindens gerade während der
Wechseljahre alternative Heilverfahren.
Die Homöopathie geht vom Ähnlichkeitsprinzip aus: Gleiches mit Gleichem heilen. Sie
ordnet unterschiedlichen Pflanzen, Mineralien
und tierischen Produkten Eigenschaften zu
und verdünnt die Extrakte in immer höheren
Potenzen. Grundannahme ist: Je höher die
Verdünnung, desto größer der Impuls für die
Selbstheilungskräfte. Verabreichungsformen
sind Globuli (Streukügelchen), Tabletten oder
Tropfen.
Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM)
geht sehr vereinfacht ausgedrückt von einem
komplexen psychischen und physischen Gefüge aus, in dem Energie fließt. Gerät dieses
empfindliche Gleichgewicht aus der Balance,
kann der Mensch Beschwerden entwickeln.
Diagnostik und Behandlung richten sich entsprechend auf die bestmögliche Harmonisierung der Energiedynamik. Aus der TCM sind
bei uns überwiegend die Akupunktur (mittels
kleiner Nadeln Impulse an definierten Körperpunkten setzen) und die Arzneimitteltherapie
(als verabreichter Dekokt = flüssiger Extrakt
aus verschiedenen abgekochten pflanzlichen,
tierischen und/oder mineralischen Stoffen)
bekannt. Beide Heilverfahren setzen viel Erfahrung bei der Therapeutin/beim Therapeuten voraus. Viele sind Heilpraktikerinnen
bzw. Heilpraktiker, einige auch ausgebildete
Ärztinnen bzw. Ärzte. Die TCM ist in der westlichen Kultur mittlerweile weit verbreitet,
einige Therapieformen wie die Akupunktur
finden auch in der Schulmedizin vermehrt
Anwendung.
In der Aromatherapie werden ätherische
Öle benutzt, die entspannend oder belebend, aber auch antibakteriell, entzündungshemmend oder krampflösend wirken sollen.
Sie werden niemals innerlich angewandt,
sondern verflüchtigen sich ausschließlich
äußerlich etwa über eine Duftlampe, einen
Aromadiffusor oder ein Duftkissen im Raum
sowie als Massageöl oder Badezusatz.
31
Die Kraft der Selbstwirksamkeit
Fragt man Frauen, was sie in den Wechseljahren besonders belastet, dann sagen
viele: das Gefühl der Machtlosigkeit, das Ausgeliefertsein. Das ist verständlich.
Denn jede Frau möchte die Kontrolle über sich behalten. Dies gelingt ihr besser,
wenn sie für Körper, Seele und Geist selbst gut sorgt. Das gilt zwar nicht nur für
die Zeit der hormonellen Umstellung – aber da besonders.
Der Schlüssel zum Geheimnis lautet:
Selbstwirksamkeit entfalten
Das klingt komplizierter, als es ist. Denn um
selbstwirksam seine Lebenslage zu verbessern, hilft es schon, sich gut zu kennen –
und in Zeiten der Veränderung wieder neu
kennenzulernen.
In jedem Fall können Sie in vier Lebensbereichen während der Wechseljahre ihrer Selbstwirksamkeit freien Lauf lassen: Essen und
trinken Sie gesund, sorgen Sie für genügend
Bewegung und Entspannung, und pflegen
Sie Kontakte zu anderen Menschen. Damit
kann jede Frau ihren eigenen wichtigen
Beitrag leisten, um ihre Lebensmitte trotz
hormoneller Umstellung positiv zu gestalten.
Deshalb werden diese vier Säulen im Folgenden noch einmal genauer beleuchtet.
Ernährung – es geht auch ohne Hüftgold
Leider wird den Wechseljahren immer noch
die angeblich unvermeidliche Gewichtszunahme angedichtet. Glauben Sie das nicht!
Denn überflüssige Pfunde entstehen nicht
etwa in den Produktionsstätten der Eierstöcke, sondern kommen immer noch von zu
üppigem Essen. Der Körper bekommt dadurch ständig mehr Kalorien, als er verbrau-
chen kann. Und die machen sich dann unweigerlich im wachsenden „Gold“ um Bauch
und Hüfte bemerkbar!
„Aber ich esse doch gar nicht mehr als vorher – und nehme trotzdem zu“, klagen viele
Frauen in den Wechseljahren. Und genau da
liegt der Hase im Pfeffer: Sie ernähren sich
genau wie vor den Wechseljahren – bewegen
sich allerdings gleichzeitig oftmals noch viel
weniger. Der Energiebedarf eines Menschen
beginnt jedoch schon mit Anfang 30 zu
sinken und liegt bei einer Frau um die 50 bis
55 etwa bei einem guten Viertel weniger.
Wer seine Essgewohnheiten also unverändert beibehält, nimmt unweigerlich zu.59
Ein weiterer Grund für die Gewichtszunahme
liegt im mit zunehmendem Alter langsamer
werdenden Stoffwechsel. Jene Zellen, die
die aufgenommene Nahrung im Körper biochemisch in andere Stoffe umwandeln und
an definierte Zielorte transportieren, arbeiten
einfach gemächlicher. Das betrifft auch die
Kalorienverbrennung. Verlangsamt sie sich,
sinkt der sogenannte Grundumsatz. Jetzt
kann der Körper leider viel leichter Fettgewebe
aufbauen als vorher.
32
Ein paar Pölsterchen mehr sind doch kein
Problem, denken Sie jetzt vielleicht. Im Prinzip
nicht. Der BMI (Body Mass Index) liegt bei
45- bis 54-Jährigen zwischen 22 und 27 und
bei 55- bis 65-Jährigen zwischen 23 und 28.
So errechnen Sie Ihren BMI: Multiplizieren
Sie Körpergröße x Körpergröße (in Metern),
Anschließend teilen Sie Ihr Körpergewicht
(in Kilogramm) durch das Multiplikationsergebnis, zum Beispiel: 1,70 m x 1,70 m =
2,89. 75 kg : 2,89 = 25,95. Dieses Ergebnis
ist Ihr ganz persönlicher BMI.
Bei den „paar Pölsterchen mehr“ geht es jedoch nicht um kleine Abweichungen im BMI,
sondern um Übergewicht. Das erhöht laut
Dr. Christian Albring, Präsident des Berufsverbands der Frauenärzte e.V., „in der Postmenopause aber das Risiko für Brustkrebs
und Herz-Kreislauf-Erkrankungen – insbesondere, wenn noch Bewegungsarmut dazukommt“.60 Das größere Brustkrebsrisiko ist nun
durch eine weitere aktuelle Studie belegt,61
der Zusammenhang von Übergewicht und
Herzgesundheit seit Langem bekannt.
Alles gute Gründe, besonders in den Wechseljahren für eine angemessene, ausgewogene
und abwechslungsreiche Kost zu sorgen.
Und die lässt sich sehr gut und selbstwirksam
beeinflussen!
Wenn Sie sich also vollwertig mit möglichst
unbehandelten und industriell wenig verarbeiteten Lebensmitteln ernähren, liegen
Sie goldrichtig. Dazu gehören viel Obst und
Gemüse, am besten mindestens drei Portionen
am Tag (auch als Saft), Vitamin D (zum Beispiel
Seefisch) und Kalzium (zum Beispiel Milchprodukte) gegen den Knochenabbau, weniger
Fleisch und Wurst – und ein gutes Auge auf
versteckte Fette. Ein von Ärzten empfohlenes
Vorbild kann die mediterrane Ernährung
darstellen,62 übrigens nicht nur während der
Wechseljahre.
Auch die Internetseiten http://www.was-wiressen.de/ sowie http://www.aid.de/ geben
wertvolle und seriöse Tipps.
Und nicht vergessen: Trinken Sie gerade in der
Zeit der hormonellen Umstellung möglichst
noch mehr als gewohnt, vorzugsweise Wasser.
Das harmonisiert Ihren Flüssigkeitshaushalt
im Körper (und auch im Gehirn), bringt Ihnen
rasch neue körperliche und geistige Energie
und schwemmt zudem Giftstoffe aus Ihrem
Körper.
Bleiben Sie in Bewegung!
Für Schwung im Stoffwechsel und körperliches
wie seelisches Wohlbefinden sorgt dazu regelmäßige Bewegung. Sie kräftigt nicht nur die
Muskeln, sondern verbessert auch die Stimmung! Sport hat außerdem positive Auswirkungen auf den Stoffwechsel. Besonders wichtig ist die bessere Insulinausnutzung. Dieses
Hormon der Bauchspeicheldrüse schleust
Blutzucker in die Zellen und kann in seiner
Wirkung durch sportliche Aktivitäten so verstärkt werden, dass Insulin gespart werden
kann. Das wirkt sich auf viele andere Organsysteme wie Herz und Gefäße günstig aus.
Zudem sorgt Sport für eine gute Durchblutung
des Unterleibs und damit der Gebärmutter,
Vagina und Blase. Dazu werden das Immunsystem sowie die Darmtätigkeit angekurbelt
und die Nerven gestärkt, ferner beugt Bewegung Bindegewebsschwäche, Osteoporose
und sogar Krebs vor. Steigern Sie also Ihre
Lebenslust rundum, indem Sie einfach in Bewegung bleiben. Optimal wäre drei- bis viermal
wöchentlich eine Kombination aus Ausdauerund Kraftübungen. Sie können zum Beispiel
schwimmen, walken, joggen, tanzen, radeln,
golfen und vieles mehr – was immer Ihnen
Spaß macht.
33
Übrigens: Auch Gartenarbeit hält fit und munter. Oder lassen Sie doch
einfach mal den Fahrstuhl aus, und benutzen Sie stattdessen die Treppe.
Auch das ist in Bewegung bleiben!
Entspannung für mehr Gelassenheit
Bleiben Sie in Kontakt!
Entspannung lässt die Seele lächeln und baut
zugleich Stress ab, führt also zu mehr Gelassenheit. Vielleicht genießen Sie ein Schaumbad
bei Kerzenschein, ein Buch bei einer leckeren
Tasse Tee oder einen Tagtraum bei Ihrer
Lieblingsmusik. Darüber hinaus findet manche
Frau ihre Mitte auch mit speziellen Entspannungstechniken wie Yoga, autogenem Training,
progressiver Muskelrelaxation, Tai-Chi oder
Qigong.
�Ach ja: Und warum das Ganze?
Soziale Kontakte fördern die Lebenslust, das
weiß jeder. Nun haben auch US-amerikanische
Wissenschaftler belegt: Wer sein soziales
Umfeld pflegt, lebt länger, gesünder – und
vor allem glücklicher.63 Dafür werteten sie in
einer Metaanalyse 148 Studien mit Daten
von über 300.000 Menschen aus westlichen
Ländern aus und kamen im Vergleich mit
anderen Risikofaktoren zu dem Ergebnis, dass
Einsamkeit genauso schädlich ist wie 15
Zigaretten täglich oder Alkoholmissbrauch.
Und sogar noch schädlicher als Sportverzicht
oder Fettsucht.
Weil Sie in einem entspannten Körper- und
Seelenzustand alle Herausforderungen der
neuen Lebensphase viel kraftvoller und gelassener meistern können.
Auch in Volkshochschulkursen und anderen
Bildungsangeboten kann man interessante
Menschen treffen. Zugleich fördern solche
Aktivitäten die geistige Fitness.
34
Die Sicht der Expertin
Dr. Maria J. Beckermann ist Frauenärztin mit psychosomatischem Schwerpunkt
in Köln und verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung in Klinik und Praxis. Als
Wissenschaftlerin engagiert sie sich für eine evidenzbasierte Medizin. Sie setzt
sich also für Behandlungen ein, die sich an wissenschaftlich nachgewiesener
Wirksamkeit und Sicherheit orientieren und sich an der jeweiligen Patientin ausrichten.
Im folgenden Gespräch sortiert die Expertin
verschiedene Symptome in den Wechseljahren
nach Ursache und Wirkung und positioniert
sich mit klaren Sätzen zur Frage, wann eine
Hormontherapie sinnvoll erscheint und was
Frauen darüber hinaus helfen kann, gut durch
die „kritischen Jahre“ zu kommen.
„Nur 20 % der Frauen brauchen eine
Behandlung.“
BARMER GEK: Frau Dr. Beckermann, kaum
hört oder liest man von Wechseljahren, da
folgen auch schon die Beschwerden auf dem
Fuße. Gehören Beschwerden zu den Wechseljahren wie der Deckel zum Topf?
Beckermann: Keineswegs! Sehr viele Frauen
verspüren zwar körperliche und auch seelische
Veränderungen während der Wechseljahre,
die meisten empfinden das aber nicht oder
nur wenig beschwerlich. Nicht nur nach meiner
Erfahrung haben tatsächlich nur etwa 20%
behandlungsbedürftige Beschwerden.64
BARMER GEK: Aber warum werden Wechseljahre und Beschwerden dann stets automatisch miteinander verknüpft?
Beckermann: Dafür müssen wir uns anschauen, in welchen Zusammenhängen diese Verknüpfung vorkommt. Einmal finden wir sie
natürlich in wissenschaftlichen Studien über
das Klimakterium. Dort wird beispielsweise
danach gefragt, ob und welche Beschwerden
Frauen in einem bestimmten Alter haben.
Aber schon die Frage „Haben Sie Beschwerden?“ oder „Welche Beschwerden haben Sie?“
halte ich für suggestiv, sie legt den befragten
Frauen nämlich „Beschwerliches“ eher nahe.
Anschließend bringen die Medien die Ergebnisse dann in die allgemeine Öffentlichkeit.
Dann heißt es, soundso viele Frauen haben
die und die Beschwerden in den Wechseljahren. Da haben Sie schon mal eine erste
wichtige Verknüpfung. Solche Informationen,
die die Wechseljahre auf Beschwerden reduzieren, setzen sich schnell in den Köpfen fest.
BARMER GEK: Sie meinen auch in den
Köpfen der Frauen, die auf die Wechseljahre zugehen oder schon mittendrin sind?
Beckermann: Absolut! Aber die Informationen beeinflussen auch allgemein das Denken
in unserer Gesellschaft – was sich gegenseitig verstärkt.
BARMER GEK: Haben Frauen im Hinblick
auf die Wechseljahre denn so etwas wie
Erwartungsangst?
Beckermann: Aber ja! Die Befürchtung, ab
einem gewissen Alter vielleicht selbst unter
körperlichen oder seelischen Beeinträchtigungen leiden zu müssen, ist eindeutig da.
Und diese Angst erhöht wiederum die Wahrscheinlichkeit, dass sich Beschwerden dann
35
auch tatsächlich einstellen. Diesen Effekt der
Erwartungsangst haben zahlreiche Wissenschaftler wie zum Beispiel Avis & McKinlay
längst nachgewiesen.
BARMER GEK: Also ein Teufelskreis …
Beckermann: … der auch durchbrochen
werden kann, wenn Frauen nur anders befragt werden. Zum Beispiel hat die von mir
sehr geschätzte Medizinpsychologin Dr. Beate
Schultz-Zehden in einer wichtigen Studie65 mit
ihren Fragen den Blick der Frauen auch auf
positive Veränderungen im Klimakterium
geleitet. Und da zeigt sich plötzlich, dass es
sehr viele Frauen angenehm finden, keine
Blutungen und die damit verbundenen Beschwerden mehr zu haben. Dass sie sich reif
und erfahren fühlen. Dass sie selbstbewusster
sind als in der Jugend und sich besser abgrenzen können; dass sie gelassener geworden
sind, genauer wissen, was sie wollen und wie
sie es erreichen. Und dass sie sich freuen am
Leben und stolz sind auf die Früchte, die sie
hervorgebracht haben. Viele Frauen können
ihren Körper im reiferen Alter besser akzeptieren und sind mit ihrer Attraktivität genauso zufrieden wie eine Kontrollgruppe 30jähriger Frauen. Sie verabschieden sich gerne
von ihren reproduktiven Aufgaben und sind
bereit, neue Ziele ins Visier zu nehmen. Frauen
erleben die Wechseljahre also auch als eine
Zeit des geistigen Wandels.
BARMER GEK: Dann scheint doch alles gut
zu sein?!
Beckermann: Leider nicht. Denn SchultzZehden hat in derselben Studie auch nachgewiesen, dass sich sehr viele Frauen jenseits
ihres 50. Lebensjahrs von der Gesellschaft
ganz anders wahrgenommen fühlen. Über
die Hälfte sieht sich abgewertet und zum
„alten Eisen“ gezählt. Das kann sich zu einem
richtigen Teufelskreis auswachsen, wenn sich
die äußere Abwertung durch die Gesellschaft
und die eigene innere Abwertung der Frau
gegenseitig verstärken.
BARMER GEK: Andererseits wird wohl kaum
eine 50-jährige Frau zu ihrer Gynäkologin
oder ihrem Gynäkologen sagen: „Ach wissen
Sie, eigentlich macht mir die rein körperliche
Umstellung gar nicht so viel aus. Aber weil
mich die Öffentlichkeit nicht so positiv sieht,
wie ich mich selbst erlebe, habe ich doch
arge Beschwerden.“
Beckermann (lacht): Nein, natürlich nicht!
Aber Sie haben das schon richtig erkannt: Die
seelische Befindlichkeit beeinflusst natürlich
das Körpererleben der Frau – und wie sehr
sie sich durch ihre Beschwerden belastet fühlt.
Genau deshalb ist das ausführliche Gespräch
mit einer Patientin mit typischen klimakterischen Beschwerden für uns Frauenärztinnen
und Frauenärzte auch oft wichtiger als die
körperliche Untersuchung. Zumindest wenn
die Frau ansonsten regelmäßig zu den Vorsorgeuntersuchungen kommt.
„Hitzewallungen können Dominoeffekt
auslösen.“
BARMER GEK: Sie sprechen von „typischen
Wechseljahrbeschwerden“. Welche sind das?
Beckermann: Die nachlassende Hormonproduktion kann objektiv zu sogenannten
vasomotorischen Beschwerden führen –
also zu Hitzewallungen, Schweißausbrüchen,
Schwitzen. Nur diese Symptome sowie die
Trockenheit der Scheide sind in Zusammenhang mit einem niedrigen Hormongrad wissenschaftlich belegt.66 Alle anderen Beeinträchtigungen, die den Wechseljahren üblicherweise
zugeschrieben werden, können nicht ursächlich auf den Hormonstatus zurückgeführt
werden.
36
BARMER GEK: Aber nachweislich leiden
Frauen im Klimakterium doch trotzdem zum
Beispiel unter Schlafstörungen, Müdigkeit,
Stimmungsschwankungen, Konzentrationsschwäche oder sogar Depressionen.
Beckermann: Das stimmt. Aber vasomotorische Beschwerden können genau diese
Folgen haben. Stellen Sie sich folgenden Dominoeffekt vor: Hitzewallungen in der Nacht
können Schlafstörungen verursachen, die der
Frau wiederum Energie rauben. Wer aber
weniger Energie hat, ist schneller müde, abgeschlagen, lustlos, reizbar, unkonzentriert,
ist weniger belastbar, empfindlicher, weint
leichter und hat auch stärkere Stimmungsschwankungen. All das kann eine Folge von
Hitzewallungen und Schlafstörungen sein –
bis hin zur Depression. Meistens liegen dann
zusätzliche psychosoziale Belastungen vor.
„Hormontherapie nur bei großem
Leidensdruck“
BARMER GEK: Aber wenn nur die vasomotorischen Beschwerden und die Scheidentrockenheit vom niedrigen Hormongrad
herrühren – dann würde doch eine Hormontherapie auch nur bei diesen Beschwerden
Besserung bringen?
Beckermann: Genau das ist der derzeitige
wissenschaftliche Kenntnisstand. Eine sehr
seriöse Studie in England67 hat bewiesen: Die
Anzahl der Hitzewallungen und Schweißausbrüche wird durch eine Östrogen- bzw. Östrogen-Gestagen-Hormontherapie zu 75%
reduziert. Eine völlige Symptomfreiheit wird
also auch hiermit nicht erzielt. Andererseits
reduzierten sich in der Kontrollgruppe, die
keine Hormone einnahm, die Hitzewallungen
zu 58 % von allein. Also bei über der Hälfte
der Frauen! Deshalb will ich es mal so ausdrücken: Eine Hormontherapie kann bei vasomotorischen Beschwerden angezeigt sein –
sie ist aber nicht zwingend. Hier braucht die
Frau ausführliche ärztliche Beratung. Sie muss
zum Beispiel erfahren, dass die Hitzewallungen
meist phasenhaft verlaufen und eben auch
von allein wieder verschwinden. Sie sollte
auch wissen, was sie selbst zu einer Linderung
der Symptome beitragen kann. Und sie braucht
vor allem alle wichtigen Informationen über
die Chancen und Risiken einer hormonellen
Behandlung. Damit hat die Patientin dann
mehrere Handlungsmöglichkeiten und fühlt
sich den Symptomen schon nicht mehr so
ausgeliefert. Das kann für die Frau nämlich
das Schlimmste an den Hitzewallungen samt
Folgen sein – dieses Gefühl der Überwältigung, des Kontrollverlustes über den eigenen
Körper, der einfach macht, was er will. Und
das in den unpassendsten Momenten!
Letztlich bleibt also entscheidend, wie stark
eine Frau darunter leidet. Hat sie einen sehr
heftigen Leidensdruck durch Hitzewallungen,
eventuell verbunden mit Schlafstörungen
und Leistungsabfall, dann würde ich ihr sicher
Hormone anbieten, damit sie nicht noch
tiefer in die Krise gerät. Ich würde ihr allerdings eine so niedrige Hormondosis empfehlen, dass sie durchaus gelegentlich noch eine
Wärmewallung verspürt. Aus meiner Sicht
ist die völlige Symptomfreiheit gar nicht erstrebenswert, denn die Frau sollte das Abklingen der Hitze ja noch bemerken können.
BARMER GEK: Aber was ist, wenn eine Frau
weniger unter der Hitzewallung, dafür aber
unter hormonell bedingter Scheidentrockenheit leidet und dadurch sogar Schmerzen
beim Geschlechtsverkehr hat?
Beckermann: Diese Schmerzen sollten natürlich nicht sein. Wenn Gleitmittel wie zum
Beispiel Olivenöl oder spezielle hormonfreie
Präparate aus der Apotheke nicht helfen,
kann die Patientin eine gering dosierte, vaginal verabreichte Hormontherapie mit Östriol,
einem sehr schwachen Östrogen, nehmen.
37
BARMER GEK: Aber gerät die Frau nicht in
die nächste Falle, wenn ihr eine Hormontherapie empfohlen wird? Schließlich sind
die Risiken im Hinblick auf Herzinfarkte,
Schlaganfälle, Brustkrebs und Thrombosen
mittlerweile bekannt und steigen mit der
Einnahmedauer und Dosis sogar an.
Beckermann: Sie sprechen hier wohl vor
allem von der WHI-Studie, die ja auch enorm
wichtig war! Wir Ärzte wurden nämlich noch
vor zehn Jahren, also bis kurz vor Veröffentlichung der Forschungsergebnisse, wahnsinnig
unter Druck gesetzt, den Frauen Hormone
zu verschreiben – für die dauerhafte Jugend
und gegen alle möglichen Wechseljahrbeschwerden. Dieser Druck auf uns ging von
der Pharmaindustrie genauso aus wie von
Medizinern, die von Hormonen beseelt waren.
Die WHI-Studie und andere aussagekräftige
Arbeiten haben diesen Trend zum Glück
gestoppt.
26 %, in absoluten Zahlen sind das acht
Erkrankte mehr auf 10.000 Frauen pro Jahr.
Diese Zahl ist einerseits wirklich nicht hoch.
Andere Medikamente – zum Beispiel Zytostatika bei Krebserkrankungen – haben zahlenmäßig viel höhere Risiken. Andererseits müssen
Sie hier den harmlosen Anlass für die risikobehaftete Einnahme von Hormonen sehen:
Die Frauen schwitzen einfach nur! Angesichts
dieser Tatsache könnte man eine Hormontherapie und die damit verbundenen Risiken
für überflüssig halten. Aber ich betone noch
mal: Die aufsteigende Hitze belastet manche
Frauen wirklich enorm und mindert ihre
Lebensqualität deutlich. Deshalb hängt die
Entscheidung für oder gegen eine Hormontherapie eben sehr vom subjektiven Leidensdruck jeder Patientin ab. Im Einzelfall kann
eine Verordnung für eine kürzere Zeit und
in geringer Dosis durchaus sinnvoll sein und
die Frau trotzdem kaum gefährden.
BARMER GEK: Trotzdem ist die Studienlage
mit ihren verwirrenden Zahlen für die einzelne Frau schwer zu bewerten, insbesondere,
wenn sie keine Interpretationshilfe erhält.
Nehmen wir als Beispiel eine Zahl aus der
WHI-Studie. Einmal hört man, dass das Brustkrebsrisiko unter der Hormontherapie um 26%
steigt, was wirklich gefährlich klingt. Eine
andere Lesart dazu ist, dass unter der Hormoneinnahme im gleichen Zeitraum von
10.000 Frauen nur acht Frauen zusätzlich an
Brustkrebs erkranken, als dies ohne Hormonvergabe der Fall ist. Acht Frauen mehr von
insgesamt 10.000 – das klingt eher nach
wenig Risiko. Können Sie hier Licht ins Dunkel
bringen?
Beckermann: Korrekt ist: Ohne Hormonvergabe erkranken laut WHI-Studie innerhalb von fünf Jahren 30 von 10.000 Frauen
pro Jahr an Brustkrebs, mit Hormonvergabe
38 von 10.000 Frauen. Umgerechnet entspricht das einem gestiegenen Risiko von
„Bei konzentrierten Phytohormonen:
Vorsicht aus Mangel an Beweisen“
BARMER GEK: Viele Frauen unterscheiden
hier auch zwischen den synthetisch hergestellten Östrogenen und den sogenannten
„natürlichen“, die aus Pflanzen gewonnen
werden. Nehmen wir östrogenähnliche Isoflavon-Präparate etwa aus Soja oder Rotklee,
auf die gern ausgewichen wird. Sind diese
natürlichen Phytohormone harmlos?
Beckermann: Das ist ein weitverbreiteter
Irrglaube. „Natürliche“ oder „pflanzliche“
Hormone – das klingt nach „Natur“ und deshalb nach unbedenklich. Aber auch Präparate
aus Phytohormonen sind Konzentrate und
können deshalb unerwünschte Nebenwirkungen haben. Hier fehlen uns in der Regel gute
wissenschaftliche Studien, in denen sowohl
die Wirksamkeit als auch das langfristige
Risiko hinreichend untersucht wurden.
38
BARMER GEK: Aber es gibt doch eine ganze
Reihe kleinerer wissenschaftlicher Arbeiten
zu Phytohormonen …
Beckermann: Das schon – aber die meisten
besitzen keine wirkliche Beweiskraft, weil sich
die Ergebnisse oft widersprechen und die
Untersuchungen an zu wenigen Frauen über
einen zu kurzen Zeitraum sowie nicht placebokontrolliert geführt wurden.
Beckermann: Aber nein, denn da sieht die
Lage doch anders aus: Wem ein solcher Tee
guttut, der kann ihn in Maßen unbedenklich
trinken. Denn in Nahrungsmitteln ist die Hormonkonzentration so schwach, dass ein
Risiko nicht zu befürchten ist. Meine Zurückhaltung bezieht sich bei den Phytohormonen
ausschließlich auf die Einnahme von Konzentraten und Extrakten.
BARMER GEK: Sie sagen also: Vorsicht auch
bei Phytohormonen …
Beckermann: … zumindest, wenn sie als
Extrakte, also in konzentrierter Form, eingenommen werden. Das gilt übrigens auch für
Nahrungsergänzungsmittel, die ja auch Konzentrate sind. Ja, da sage ich aus Mangel an
Beweisen: Vorsicht! Gerade bei Nahrungsergänzungsmitteln haben wir das Problem,
dass sie längst nicht so gründlich geprüft
werden müssen wie Medikamente, aber
manchmal genau dieselben Inhaltsstoffe
besitzen.
„Richtig und wichtig: entspannen,
bewegen und gesund essen“
BARMER GEK: Da werden unsere Leserinnen, denen ein Tee aus Traubensilberkerze
oder Rotklee immer gutgetan hat, jetzt aber
verunsichert sein!
BARMER GEK: Unbedenklich sind sicher auch
ganz allgemeine Empfehlungen für die Wechseljahren. Ich denke hier etwa an den Rat,
sich bewusst Entspannung zu gönnen, Sport
zu treiben, Freundschaften zu pflegen – und
auch auf eine gesunde und ausgewogene
Kost zu achten.
Beckermann: Alle diese Maßnahmen sind
richtig und wichtig! Frauen, die sich entspannen, ausreichend bewegen und gesund
ernähren, haben nach meiner langjährigen
Erfahrung deutlich weniger Probleme in den
Wechseljahren. Und zwar sowohl körperlich
als auch seelisch. Sie sollten diese Ratschläge
aber nicht erst in den Wechseljahren beherzigen, sondern möglichst in jeder Lebensphase.
Dr. Maria J. Beckermann …
… wirkt auch als 1. Vorsitzende im bundesweit
tätigen Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin,
Psychotherapie und Gesellschaft e.V. (AKF). Außerdem
ist sie u.a. Beirätin der Deutschen Gesellschaft für
Psychosomatik in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe sowie Mitglied im Deutschen Netzwerk Evidenzbasierte Medizin (DNEbM) und in der Deutschen
Gesellschaft für Sexualforschung, Hamburg. Zudem
hat sich Dr. Maria J. Beckermann auch als Autorin
von Fachbüchern und -aufsätzen einen Namen gemacht und bildet zusammen mit Kolleginnen junge
Ärztinnen und Ärzte in der Psychosomatik aus.
39
Gut vernetzt geht‘s doppelt leicht
Die meisten Frauen in Deutschland erleben ihre Wechseljahre unspektakulär.
Trotzdem empfinden sie gerade während der hormonellen Umstellung Verständnis
und Unterstützung als wohltuend. Wen haben Sie an Ihrer Seite?
Ärztinnen und Ärzte
Normalerweise sehen Sie Ihre Frauenärztin
bzw. Ihren Frauenarzt auch während Ihrer
Wechseljahre wie gewohnt einmal jährlich
bei der Vorsorgeuntersuchung. Dabei können
Sie berichten, ob Sie Veränderungen an sich
wahrgenommen haben und wie Sie damit
zurechtkommen. Diese Informationen sind
für Ihre Ärztin/Ihren Arzt wichtig. Ergreifen
Sie jetzt auch die Gelegenheit, alle Fragen
zu klären, die Ihnen auf dem Herzen liegen.
Denn auch eine unregelmäßigere Blutung
oder andere Symptome können verunsichern.
Und Verunsicherung tut keiner Frau gut.
„Veränderungen körperlicher Abläufe und
auch ein verändertes Körpererleben sind im
Klimakterium ganz normal“, betont die Frauenärztin Dr. Maria J. Beckermann gegenüber
der BARMER GEK. „Oft möchten die Frauen
einfach nur darüber sprechen. Das Gefühl,
verstanden zu werden, braucht jeder Mensch,
gerade in Zeiten der Verunsicherung. Die
Bedeutung von hilfreichen Gesprächen wird
leider oft unterschätzt – die Wirkung von
Medikamenten dagegen zu oft überschätzt.“
Die meisten Frauen greifen bei Beschwerden
ohnehin zunächst zu ihren eigenen Mitteln.
Vielleicht ruhen sie sich etwas aus, nehmen
ein Entspannungsbad oder trinken einen Tee.
Erst wenn das nicht hilft, suchen sie ihre
gynäkologische Praxis auf. „Dort werden sie
angehört, untersucht, bekommen Erklärungen,
Empfehlungen – und vielleicht ein Rezept“,
so Dr. Maria J. Beckermann. Bessern sich die
Beschwerden dann zwei Tage nach Einnahme
der Medikamente, sagen sie: „Prima, das
Medikament hat geholfen.“ Dr. Beckermann
bedauert, dass viele Frauen alles andere, was
sie gegen ihre Beschwerden unternommen
haben, gedanklich vernachlässigen. „Vor
allem bedenken sie nicht den natürlichen
Verlauf: Denn fast alle Beschwerden, die eine
harmlose Ursache haben, verschwinden von
alleine wieder − auch ohne Medikament. Aber
wir alle sind leider so erzogen, dass wir jede
Linderung nur auf Arzneimittel zurückführen.
Diese Haltung ist mir gerade im Umgang mit
der Hormontherapie oft begegnet.“
Ärztliche Einstellungen
Vorweg möchte Ihnen die BARMER GEK
Mut machen: Wenn Sie den Eindruck haben,
Ihre Frauenärztin/Ihr Frauenarzt
■ nimmt Sie nicht ernst,
■ besitzt zu wenig Einfühlungsvermögen,
■ informiert Sie nicht hinreichend über ver schiedene Behandlungsoptionen und damit
verbundene Risiken oder
■ widmet sich Ihren Anliegen nur im Vorbei gehen,
40
dann sollten Sie sich einfach eine neue Frauenärztin/einen neuen Frauenarzt Ihres Vertrauens
suchen. Erste Aufschlüsse über die ärztliche
Einstellung kann hier die aktuelle Webseite
einer Praxis geben. Noch im Jahre 2003 hatte
eine Studie der Universität Bremen über den
Internetauftritt von Gynäkologinnen/Gynäkologen68 gezeigt, wie dort entgegen aller
Erkenntnisse die Risiken der Hormontherapie
bagatellisiert wurden. Knapp die Hälfte der
Praxen empfahl Östrogene sogar als AntiAging-Mittel. Studienleiterin Prof. Dr. Petra
Kolip: „Das war erschreckend!“
Vergleichbare Ergebnisse förderte dann eine
WIdO-Studie69 im Jahre 2005 in einer repräsentativen Befragung von Frauenärzten zutage:
Rund 80% der Befragten sahen die Risiken
einer Hormonbehandlung in den Wechseljahren als „überbewertet“ an, und über 50%
meinten, dass dem Alterungsprozess der Frauen
mit Hormonen entgegengewirkt werden
sollte.
Die Familie
Wen auch immer Sie zu Ihrer Familie zählen
mögen – nutzen Sie jede Gelegenheit, sich
unterstützen zu lassen. Dabei kann die Unterstützung sehr unterschiedliche Formen annehmen. Sie kann in ganz praktischer Hilfe
bestehen, zum Beispiel eine neue Aufgabenverteilung. Sie kann Verstehen und Verständnis, vielleicht auch mehr Rücksichtnahme
auf Sie bedeuten. Was auch immer Ihnen
hilft – soweit es von anderen abhängig ist,
wird es nicht vom Himmel fallen, sondern
in erster Linie durch Gespräche entstehen.
Sprechen Sie also mit Ihrem Partner offen
darüber, wie es Ihnen geht und was Sie sich
wünschen. Sprechen Sie gegebenenfalls
auch mit Ihrem Kind/Ihren Kindern darüber,
was Sie sich gern zumuten möchten, was Sie
„unter Umständen“ tun würden – und was
Sie nicht (oder nicht mehr) wollen.
�Im Prinzip gilt:
Das bedeutet für Sie, liebe Leserin: Bleiben
Sie weiter kritisch, und schauen und hören
Sie genau hin!
Selbsthilfe
Manche Frauen wünschen sich vor oder nach
ihrer Menopause auch regelmäßigen Austausch mit anderen Frauen in vergleichbarer
Lebensphase. Weil in der geschützten Runde
einer Selbsthilfegruppe jedes Thema ohne
Tabu angesprochen werden kann, entsteht
auf diesem Wege oft mehr Gelassenheit, zudem kann man von den Erfahrungen und
dem Wissen der anderen profitieren. Informieren Sie sich einfach bei Bedarf, ob es an
Ihrem Wohnort eine Selbsthilfegruppe für
Sie gibt.
Wenn Sie die anderen Familienmitglieder –
insbesondere jene, mit denen Sie zusammenleben Ihre Bedürfnisse nicht erraten lassen,
sondern darüber offen in Kenntnis setzen,
können weder Fehlinterpretationen noch
Verwirrung entstehen. Das wird Ihnen
zugutekommen!
41
Welche Frauenärztin/welcher Frauenarzt
passt zur Lebensphase der Wechseljahre?
Am besten aufgehoben sind Frauen in den Wechseljahren in einer ärztlichen Praxis,
■ in der alle Fragen geduldig, freundlich und verständlich beantwortet werden. Sollten
Sie also vermehrten Gesprächsbedarf haben, so kündigen Sie das am besten schon
bei der Terminvereinbarung an. Dann können die Sprechstundenhilfen diesen Wunsch
bei der Vergabe entsprechend berücksichtigen.
in der viel Erfahrung mit der Lebensphase Wechseljahre anzutreffen ist. Einige
Ärztinnen/Ärzte bieten inzwischen sogar spezielle Sprechstunden für Frauen im
Klimakterium an. Hier wird sich Zeit für das Thema genommen.
■
■ in der nicht einseitig in Richtung Hormontherapie beraten wird – und schon gar
nicht als Anti-Aging-Mittel.
■ in der gute Kenntnisse über Alternativen zur Hormontherapie bestehen. Dazu zählen
u.a. Informationen über Naturheilmittel, Entspannungsübungen, Sport und Ernährung.
■
in der möglichst mit psychosomatischem Blick behandelt wird. Denn das körperliche
und seelische Befinden einer Patientin steht gerade in den Wechseljahren in engem
Zusammenspiel. Die Ärztin/der Arzt sollte also auch wissen, dass zum Beispiel Depressionen nicht hormonell bedingt sind, aber auch in den Wechseljahren auftreten
können und gegebenenfalls therapeutischer Maßnahmen bedürfen. Übersteigt die
Abklärung die frauenärztliche Kompetenz, so sollte eine weitere Therapeutin/ein
weiterer Therapeut hinzugezogen werden.
42
Freundinnen und Freunde
Gute soziale Kontakte und gemeinsame
Unternehmungen im Freundeskreis sind in
jeder Lebenszeit wichtig − und in sensiblen
Umbruchphasen besonders. Eine besondere
Rolle spielen während der Wechseljahre
einer Frau ihre Freundinnen.
Mit einer Freundin lässt es sich meist einfach
gut reden. Da ist gewachsene oder auch
neue Vertrautheit von Frau zu Frau – und
damit gleich doppelte Erfahrung aus unterschiedlicher Perspektive. Mit einer Freundin
kann man auch Rotz und Wasser heulen,
bis die Wimperntusche verläuft, oder kichern
wie ein paar Teenies, bis das Zwerchfell vor
lauter Lachen schmerzt. Da kann es auch
Verstehen ohne Worte geben – es reicht ein
Blick, und schon bekommt man liebevoll
ein paar dicke Socken über die Füße gestreift
und ein Glas Tee vorgesetzt.
Nutzen Sie auch solche Freundschaften,
um sich aus möglichen Verwicklungen in
Zusammenhang mit den Wechseljahren zu
„entwickeln“!
43
Lesenswert
Wechseljahre allgemein
Feministisches
FrauenGesundheitsZentrum (Hg):
Dr. med. Christiane Northrup:
Weisheit der Wechseljahre. Selbstheilung,
Veränderung und Neuanfang in der
zweiten Lebenshälfte.
Goldmann Verlag 2010, 14,95 Euro
Wechseljahre. Praktische Begleitung für
diese Lebensphase.
Feministisches FrauenGesundheitsZentrum
2009, 7,00 Euro zzgl. Versand
www.ffgz.de
Lustvoll durch die Wechseljahre.
Goldmann Verlag 2011, 7,99 Euro
Marion Kiechle, Vanadin Seifert-Klauss,
Bernd Neumann:
Annette Bopp:
Wechseljahre als Chance.
Knaur Verlag 2003, 14,90 Euro
Wechseljahre – Den eigenen Weg finden.
Verlag Stiftung Warentest 2010, 16,90 Euro
Mimi Szyper, Catherine Markstein:
Roswitha Stemmer-Beer:
Gestern jung und morgen schön.
Orlanda Frauenverlag 2010, 17,90 Euro
Abenteuer Lebensmitte –
Frauen im Wirbel der Lebensjahre.
Centaurus Verlag 2005, 16,90 Euro
Bartholomäus Maris:
Wechseljahre der Frau: Die Kunst der Reifung
im Zeitalter der Hormonbehandlung.
Verlag Gesundheitspflege Initiativ 2010,
12,00 Euro
44
Entspannung
Erich Punz:
Dietmar Ohm:
Meine Lust zur Bewegung – Trainingsbuch
zur Mobilisierung des Körpers.
Wagner Verlag 2010, 14,80 Euro
Stressfrei durch Progressive Relaxation - Mehr
Gelassenheit durch Tiefmuskelentspannung
nach Jacobson. (Buch und CD)
Trias Verlag 2011, 14,95 Euro
Ernährung
Claus Derra:
Antonie Danz:
Stress lass nach! Autogenes Training für
Einsteiger. (CD)
Trias Verlag 2009, 14,95 Euro
Alles wird schwerer: Ich nicht!
Die genussvolle Ernährung für Frauen ab 40.
Trias Verlag 2010, 14,95 Euro
Henrik Brandt:
Gerald Wüchner:
Die Power-Pause – Autogenes Training für
zwischendurch. (CD)
Lüchow Verlag 2007, 14,95 Euro
Mediterrane Küche – eine Chance für die
Zukunft.
Deutsche Herzstiftung (Hrsg.), 20,00 Euro zzgl.
3,80 Euro Versand, www.herzstiftung.de/
kochbuch-mediterrane-kueche.html
Jon Kabat-Zinn:
Achtsamkeit für Anfänger. (Buch und CD)
Arbor Verlag 2009, 19,90 Euro
Naturheilkunde
Gaby Brecht:
Yoga für Frauen in der Lebensmitte.
Moderne Verlagsgesellschaft 2008, 15,90 Euro
Rina Nissim:
Wechseljahre Wechselzeit. Ein naturheilkundliches Handbuch.
Orlanda Frauenverlag 2008, 15,90 Euro
Bewegung
Gerda Hellmann:
Uta Engels:
Sport für Neu- und Wiedereinsteiger ab 50.
Limpert Verlag 2006, 16,95 Euro
Wechseljahre – Mit Naturheilkunde fit und
gesund.
Aurelia Verlag 2003, 12,90 Euro
Gabriele Blank:
Tees und Kräuter
Aus der Mitte entspringt eine Quelle –
Tanzend in die besten Jahre.
Moderne Verlagsgesellschaft 2008, 15,90 Euro
Heide Fischer:
Rosi Mittermaier, Christian Neureuther,
Bernd Wolfrath:
Die Heilkraft des Sports. Mit Spaß und Freude
mehr Gesundheit (mit Omron-Schrittzähler).
Nymphenburger Verlag 2008, 9,99 Euro
Frauenheilpflanzen – Wirkungen, Hausmittel
und praktische Selbsthilfetipps.
Nymphenburger Verlag 2006, 19,90 Euro
Anda Dinhopl:
Frauenkräuter – Handbuch für Frauen.
Milena Verlag 2007, 17,90 Euro
45
Älterwerden allgemein
Vergnügliches
Ernst Pöppel, Beatrice Wagner:
Nora Ephron:
Je älter, desto besser – Überraschende
Erkenntnisse aus der Hirnforschung.
Gräfe & Unzer Verlag 2010, 19,90 Euro
Der Hals lügt nie – Mein Leben als Frau in
den besten Jahren.
Blanvalet Verlag 2009, 7,95 Euro
Renate Daimler:
Susanne Fröhlich:
Lust auf 50 – Frauen am Wendepunkt.
Pieper Verlag 2010, 9,95 Euro
Lackschaden.
Krüger Verlag 2012, 16,99 Euro
Petra Gerster:
Marianne Sägebrecht:
Reifeprüfung - Die Frau von 50 Jahren.
Rowohlt Verlag 2007, 19,90 Euro
Auf ein prima Klimakterium! Meine Ratschläge für das reife Weibsbild von heute.
Nymphenburger Verlag 2012, 19,99 Euro
Margot Käßmann:
In der Mitte des Lebens.
Herder Verlag 2009, 16,95 Euro
Sabine Latz:
Kann man Hormone überlisten?
Dortmund-Verlag 2011, 9,80 Euro
Beziehungen
Christiane Lutz:
Ich krieg die Krise – Pubertät trifft
Wechseljahre.
Verlag opus magnum 2009, 15,00 Euro
BARMER GEK Broschüren zu bestellen
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Ich tu was für mich
Informationen für Frauen mit Harninkontinenz.
Theo Schoenaker:
Wenn die Kinder aus dem Hause sind und
der Hund gestorben ist - Lebendige Partnerschaft im Alter.
Rdi-Verlag 2008, 12,90 Euro
Brustkrebs Früherkennung
Informationen zur Mammografie
Depressionen
Erkennen. Verstehen. Behandeln.
Peter Fröhlich:
Meine Alte spinnt. Paare über 50 –
aus Männersicht.
Verlag Schardt 2011, 12,80 Euro
Osteoporose verstehen Knochenbrüche vorbeugen
Einfach. Schnell. Köstlich.
Die besten Rezepte mit Genuss-Garantie
46
Quellenverzeichnis
1, 2, 60, 62
www.frauenaerzte-im-netz.de
3
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American Geriatrics Society, August 2009.
Veronika Eberhart, Diplomarbeit: Qual der Wahl –
Spannungen zwischen Subjekt und biomedizinischem
Diskurs im Kontext der Wechseljahre. Wien 2009.
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Dr. Helenefriederike Stelzner: Gefährdete Jahre
im Geschlechtsleben des Weibes. J.F. Lehmanns Verlag,
München 1931.
5, 10, 13
Prof. Dr. med. Heinrich Martius: Das kleine
Frauenhandbuch. Goldmann Verlag, München 1965.
7, 11,
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Frau. VEB Verlag Volk und Gesundheit, Berlin 1956.
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Suzanne Ruelland: Jugend – Reife − Alter. Vom Status
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Krasfeld (Hrsg.): Regel-lose Frauen. Wechseljahre im
Kulturvergleich. Ulrike Helmer Verlag, Königstein/Taunus
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Meinungsbildes von deutschen Frauen, türkeistämmigen
und koreanischen Migrantinnen zu Wechseljahren
und Hormonersatztherapie vor und nach der
Veröffentlichung der WHI-Studie 2003. Medizinische
Fakultät Charité – Universitätsmedizin Berlin 2010.
35
Prof. Dr. Rohini Kuner: Schmerz: Jekyll und Hyde. In:
TENGO 1.2008.
36
Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.
39
„ZEIT“ vom 25.2.1966.
8
Kristine Kurth: Die verflixten Wechseljahre … und wie
man sie bewältigt. Herder Verlag, Freiburg 1986.
9, 16,
12
Waltraud Buchmann: Wechseljahre – kritische Jahre?
VEB Verlag Volk und Gesundheit, Berlin 1973.
14
Prof. Dr. Hans Hermann Schmid: Die Wechseljahre der
Frau. VEB Verlag Volk und Gesundheit, Berlin 1956.
Robert A. Wilson: Die vollkommene Frau. Keine
kritischen Jahre mehr – ein Geschenk der Wissenschaft.
Kindler Verlag, München 1968.
40
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Praxis. Bonn 2005.
70
Presseinformation des WIdO vom 7. Juli 2005:
Frauenärzte unterschätzen Gesundheitsrisiko.
60165 0912
Wechseljahre bezeichnen den körperlichen, seelischen
und geistigen Übergang von einer Lebensphase in die
nächste. Diesen Übergang möchten fortgeschrittene
Frauen bewusst und individuell gestalten. Etwa mit mehr
aktiven Pausen, einer ordentlichen Portion Selbstbewusstsein, guter Bindung zu anderen Menschen, Lust auf
Bewegung und gesunder Ernährung, neuen Interessen
und einem feinen Navigationssystem für den besten
persönlichen Weg. Dabei helfen auch Informationen,
Erfahrungen und manchmal ein ärztlicher Rat. Mit dieser
Ausrüstung, die Ihnen auch diese Broschüre näherbringen
möchte, können Sie Ihrer Entwicklung gelassen entgegensehen.
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