9 2.1. BANACHRÄUME Vorlesung 2 2.1 Banachräume In einem normierten Raum können wir wie folgt einen Konvergenzbegriff einführen: Definition. Eine Folge {xn }n=1,2,... aus einem linearen Raum normierten Raum (X, k · k) konvergiert (in der Norm) gegen ein Element x ∈ X, in Zeichen xn → x oder x = lim xn , n→∞ wenn lim kxn − xk = 0 n→∞ richtig ist. Übung. Zeigen Sie: (i) Für alle x, y ∈ X gilt die inverse Dreiecksungleichung kxk − kyk ≤ kx − yk. (ii) Zeigen Sie hiermit: Falls xn → x, dann auch kxn k → kxk. Definition. Die Folge {xn }n=1,2,... heisst Fundamentalfolge oder Cauchy-Folge, wenn es zu jeder positiven Zahl ε ein natürliche Zahl N (ε) gibt, so dass kxn − xm k ≤ ε für alle n, m ≥ N (ε) erfüllt ist. Übung. Zeigen Sie: Jede konvergente Folge ist auch Cauchy-Folge und besitzt ein eindeutig bestimmtes Grenzelement. Die Umkehrung diese Aussage ist im Allgemeinen nicht richtig. So ist z.B. der Raum Q der rationalen Zahlen nicht vollständig: So ist beispielsweise x1 = 1, zwar eine Cauchy-Folge, konvergiert aber gegen xn+1 = 1 xn + 2 xn √ 2 6∈ Q. Daher die folgende Definition. Ein normierter Vektorraum heisst Banachraum, wenn jede Fundamentalfolge eine in diesem Raum konvergent Folge ist und somit ein eindeutig bestimmtes Grenzelement besitzt. Das einfachste Beispiel eines Banachraums ist der reelle Zahlenraum R selbst: Die geforderte Vollständigkeit ist ja gerade die Vollständigkeit der reellen Zahlen. In anderen Worten, der in der ersten Vorlesung bewiesene Satz von der Äquivalenz aller Normen in einem n-dimensionalen Raum nimmt folgende Form an. Satz. Jeder N -dimensionale normierte Vektorraum ist ein Banachraum. Sämtliche Normen sind untereinander äquivalent. In der ersten Vorlesung haben wir die normierten Folgenräume ℓp kennengelernt. Jetzt wollen wir uns von ihrer Vollständigkeit überzeugen. 10 KAPITEL I. FUNKTIONALANALYTISCHE STUKTUREN Satz. Der Raum ℓp , 1 ≤ p ≤ ∞, ist bez. der Norm k · kℓp ein Banachraum. Beweis. (Triebel [18], Beweis zu Satz 2.1) Wir betrachten nur den Fall p < ∞. Es seien xn = (xjn )j=1,2,... Elemente einer Fundamentalfolge, d.h. kxn − xm k ≤ ε für alle n, m ≥ N (ε) für die Norm der Differenzfolgen, aber dann auch für jede Komponente |xjn − xjm | ≤ ε für alle n, m ≥ N (ε), für alle j = 1, . . . , n. Jede der Komponentenfolgen {xjn }n=1,2,..., ⊂ R konvergiert wegen der Vollständigkeit von R gegen ein Element xj . Die Minkowski-Ungleichung (für endliche Reihen) liefert für festes N ∗ p1 ∗ N X j=1 |xj − xjn |p = p1 ∗ N X j=1 |(xi − xjm ) + (xjm − xjn )|p ≤ p1 ∗ N X j=1 |xj − xjm |p + p1 ∗ N X j=1 |xjm − xjn |p . Die zweite Summe auf der rechten Seite kann durch geeignete Wahl von m, n ≥ N (ε) kleiner oder gleich ε gemacht werden. Durch eventuelle Vergrößerung von m können wir anschliessend erreichen, dass auch die erste Summe rechts kleiner oder gleich ε werden. Das bedeutet aber, dass die linke Seite unabhängig von der Wahl von N ∗ durch hinreichende Wahl von n ≥ N (ε) stets kleiner oder gleich 2ε ist. Somit gilt xn → x, und wegen ∗ N X j=1 p1 |xj |p = p1 ∗ N X j=1 |xj − xjm + xjm |p ≤ p1 ∗ N X j=1 |xj − xjm |p + ∗ N X j=1 p1 |xjm |p für eine gegen x konvergente Cauchy-Folge xm ∈ ℓp ist die linke Seite für alle N ∗ beschränkt, d.h. x ∈ ℓp . Übung. Zeigen Sie, dass ℓ∞ mit der in Abschnitt 1.2 angegebenen Supremumsnorm ein Banachraum ist. 2.2 Hilberträume Hilberträume sind spezielle Banachräume, ausgezeichnet durch eine besondere Struktur. Definition. Es sei X ein linearer Raum. Eine Abbildung h·, ·i : X × X → R heisst Skalarprodukt, falls folgende Bedingungen erfüllt sind: (S1) hx, xi > 0, wobei hx, xi = 0 genau dann, wenn x = 0 (Positivität) (S2) hλx + µy, zi = λhx, zi + µhy, zi (Linearität) (S3) hx, yi = hy, xi (Symmetrie) Bemerkung. Aus der Linearität erhalten wir unmittelbar h0, xi = h0 · x, xi = 0 · hx, xi = 0, insbesondere h0, 0i = 0. Ein Skalarprodukt kann dazu dienen, eine Norm einzuführen: Satz. (Schwarzsches Lemma) Für alle x, y ∈ X gilt |hx, yi| ≤ kxkkyk mit der Norm k · k := p h·, ·i . Hierbei tritt Gleichheit dann und nur dann ein, wenn entweder x = 0 oder y = 0 oder x = λy mit einer passenden reellen Zahl λ gilt. Übung. Beweisen Sie das Schwarzsche Lemma. Wir kommen nun zu einer fundamentalen Begriff der gesamten Analysis: 11 2.2. HILBERTRÄUME Definition. Ein Hilbertraum ist ein vollständiger, linearer, und normierter Raum, wobei die Norm im Sinne des Schwarzschen Lemmas aus einem Skalarprodukt gewonnen wird. Der RN ist mit dem Skalarprodukt hx, yi := N X xi y i i=1 p und der daraus resultierenden Norm kxk = hx, xi ein Hilbertraum. Ebenso wird der Folgenraum ℓ2 zu einem Hilbertraum mit dem Skalarprodukt hx, yi = ∞ X xi y i . i=1 Die Ungleichung aus dem Schwarzschen Lemma, die sogenannte Schwarzsche Ungleichung, stimmt dann für p = q = 2 mit der Hölderschen Ungleichung überein. Schliesslich ist der Raum L2 (Ω) aller quadratintegrierbaren Funktionen f : Ω → R ein Hilbertraum mit dem Skalarprodukt Z hf, gi := f (x)g(x) dx. Ω Auch hier gelten wieder die Schwarzsche und die Höldersche Ungleichung. Wir werden diese und weitere Banach- und Hilberträume ausführlicher im Verlaufe dieser Vorlesung kennenlernen. 12 KAPITEL I. FUNKTIONALANALYTISCHE STUKTUREN