BAU ELEMENTE Sensoren Integriertes Hallsensor-Strommessmodul Richard Dickinson, Shaun Milano Auf allen Gebieten der Elektrotechnik spielt der Umweltschutzgedanke eine immer dominantere Rolle. Dieser Sachverhalt resultiert zum einem aus gesetzlichen Vorschriften und zum anderen aus dem gestiegenen Verantwortungsbewusstsein in Umweltfragen der Anwender. Die zunehmende staatliche Förderung von energie-effizienten Systemen erzeugt zudem einen Druck zur Kostenersparnis. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, werden Möglichkeiten zur Wirkungsgradverbesserung von elektrotechnischen Systemen gesucht, die in vielen Applikationen nur durch Einsatz von geeigneten Strommessverfahren erzielt werden können. D ie üblicherweise an solche Strommessungen gestellten Anforderungen sind galvanische Trennung, kleine Bauformen, einfache Implementierung in das System und ein hoher Wirkungsgrad. Zudem soll ein geeignetes Strommesssystem natürlich auch möglichst geringe Kosten erzeugen. In diesem Bericht werden die Optimierungsmöglichkeiten eines integrierten Sensormodul-Designs auf Basis einer Open-Loop-Konfiguration dargestellt. Die zu realisierende Genauigkeit soll dabei im Bereich der derzeit gängigen Shunt-Strommessung mit präzisem Messwiderstand liegen. Messwiderstand (Shunt) Der Messwiderstand ist in Serie zur Last geschaltet. Nach dem ohmschen Gesetz ist die über dem Widerstand abfallende Spannung proportional zum Strom. Der Spannungsabfall wird mittels eines externen Präzisions-OPV gemessen und mit einem geeigneten Verstärkungsfaktor versehen. Die entstehende Verlustleistung ist ein systeminhärentes Problem. Hierdurch werden besonders bei Messung von großen Strömen thermisch optimierte Widerstandsgehäuse erforderlich, die sich zusammen mit der notwendigen externen Signalverarbeitung kostenseitig nachteilig auswirken. Die nicht vorhandene galvanische Trennung macht ein ShuntMesssystem anfällig für Potenzial-Verschiebungen. In Motorapplikationen ist daher bei elektronischer Motor-Ansteuerung in Brücken-Konfiguration eine Messung unmittelbar in Serie zur Wicklung nur bedingt möglich. Bild 1: Darstellung des Hall-Effekts Spannung ist proportional zum Messstrom. Über das Windungsverhältnis zwischen Primär- und Sekundärwicklung kann ein entsprechender Verstärkungsfaktor eingestellt werden. Nachteilig an dieser Lösung ist insbesondere der Sachverhalt, dass ausschließlich Wechselströme gemessen werden können. Strommessung mit Hall-ICs Bei einer Strommessung mit Hall-ICs wird der stromproportionale magnetische Fluss um einen elektrischen Leiter gemessen. Zunächst soll hier die Funktionsweise des Hall-Effekts dargestellt werden sowie die Größe des durch Stromfluss entstehenden magnetischen Flusses um einen Leiter erörtert werden: Hall-Effekt. Ein Halbleiterplättchen wird vom Strom IC durchflossen (Bild 1). Auf die Oberfläche des Halbleiterplättchens wirkt die magnetische Flussdichte B. In- folge der Lorentz-Kraft wird dabei der Elektronenstrom abgelenkt, so dass sich an den Seiten des Plättchens unterschiedliche Elektronendichten ausbilden. Die so entstandene Spannung wird Hall-Spannung genannt. Sie ist bei konstantem Strom IC und konstanter Dicke des Halbleiterplättchens proportional zur einwirkenden magnetischen Flussdichte. Magnetischer Fluss um einen stromdurchflossenen Leiter. Der Stromfluss durch einen elektrischen Leiter erzeugt konzentrische magnetische Feldlinien um die Leitergeometrie. Unter der Annahme, der Leiter ist unendlich lang, ist für einen Leiter mit rundem Querschnitt die magnetische Feldstärke mit B = µoI/ 2 π r zu berechnen mit µo = magnetische Feldkonstante, I = Strom durch den Leiter, r = Radius des Leiters. Zur Realisierung von Strommessungen basierend auf dem Hall-Effekt stehen zwei Messverfahren Open-Loop und Closed-Loop zur Verfügung. Open-Loop-Konfiguration Da die durch den Stromfluss unmittelbar am Leiter entstehende magnetische Flussdichte aus konstruktiven Gründen nicht direkt an der Leiteroberfläche gemessen werden kann (bedingt durch Sensorgehäuse) und zudem mit dem Leiterabstand stark abfällt, wird zur Feldkonzentration im Abstand zum Lei- Strommessung mit Transformator Der Wechsel-Messstrom durchfließt die primärseitige Wicklung eines Transformators. Die sekundärseitig induzierte 24 Bild 2: Open-Loop-Konfiguration elektronik industrie 12-2002 BAU ELEMENTE Sensoren ter ein geschlitzter Torrioid verwendet (Bild 2). Dieser Torrioid aus ferromagnetischem Material, vorzugsweise Ferrit, sammelt die Feldlinien um den Leiter und homogenisiert diese; der Torrioid wird daher auch als Flusskonzentrator bezeichnet. Im Schlitz des Torrioiden wird der lineare Hall-IC positioniert. Das Ausgangsignal des linearen Hall-IC kann durch den Messverstärker mit einem Skalierungsfaktor versehen werden. Bei Messung von kleinen Strömen muss unter Umständen eine Verstärkung des Signals erfolgen. Zu diesem Zweck kann zum einem der Querschnitt im Positionierbereich des Hall-IC reduziert werden, wodurch eine Flusskonzentration durch den Zusammenhang V = A/AH erzielt wird, wobei V = Verstärkungsfaktor, A = Nenn-Querschnitt des Torrioiden und AH = Querschnitt des Torrioiden im Positionierbereich des Hall-ICs. Des weiteren kann der stromführende Leiter als Spule mit dem Torrioiden als Spulenkern ausgebildet werden (Leiter wird mehrfach um den Torrioiden gelegt). Der magnetische Fluss unterliegt dem Zusammenhang B = µo N I / 2 π r mit B = magnetischer Fluss, µo = magnetische Feldkonstante, N = Windungszahl, I = Messstrom, r = Radius des stromdurchflossenen Leiters. Ein signifikanter Nachteil der „OpenLoop“-Konfiguration ist der Sachverhalt, dass der Torrioid bei Messströmen, die deutlich größer als der definierte Messbereich sind, in magnetische Sättigung gerät, die bei erneutem Betrieb im definierten Messbereich zu Messfehlern führt. Zudem ändert der Torrioid seine magnetischen Eigenschaften über Temperatur und Frequenz des Messstroms. Der größte Vorteil ist das bis auf den Versorgungsstrom des linearen Hall-ICs nahezu verlustleistungsfreie Messprinzip. Zudem sind die entstehenden Kosten relativ gering. Closed-Loop-Konfiguration In dieser Konfiguration wird der im Torrioiden vorhandene magnetische Fluss Strommessverfahren SenseWiderstand Transformator Open loop Hall-Sensor Closed loop Hall-Sensor Genauigkeit hohen Sekundärstrom. Da der Sekundärstrom nicht in beliebiger Höhe zur Verfügung steht, begrenzt er den maximal messbaren Strom. Tabelle 1 zeigt einen Überblick der verschiedenen Kennwerte der StrommessKonfigurationen. Open-Loop Stromsensormodul Bild 3: Closed-Loop-Konfiguration Die kleine Bauform ermöglicht den Einsatz in Anwendungen die bisher Lösungen basierend auf Strommesswiderständen vorbehalten waren (Bild 4). Während Übergangswiderstände der lötbaren bzw. schraubbaren Anschlüsse von Strommesswiderständen das Messergebnis erheblich verfälschen, bietet das Allegro-Stromsensormodul hinsichtlich der Assemblierung erhebliche Vorteile. Die geometrischen Abmessungen des Gehäuses werden weitgehend durch den gewünschten Messbereich vorgegeben. Im Vergleich zu einem diskret aufgebauten Open-Loop-Stromsensor, können jedoch durch die Integration des Leiters in das Gehäuse bei einer integrierten Modullösung deutlich kleinere mechanische Abmessungen realisiert werden. Die Größe des Flusskonzentrators ist so zu dimensionieren, dass die nicht unmittelbar als Messsignal ausgegeben, sondern zur Abstimmung eines Regelkreises verwendet. Zu diesem Zweck wird auf den Torrioiden eine Sekundärspule aufgebracht, die indirekt vom Hallsensor angesteuert wird. Das erzeugte magnetische Sekundärfeld wirkt dem durch den Messstrom erzeugtem Primärfeld entgegen. Der Regelkreis bewirkt, dass sich Sekundärfluss und Primärfluss aufheben. Der Sekundärstrom erzeugt über einem Messwiderstand einen dem Primärstrom (Messstrom) proportionalen Spannungsabfall (Bild 3). Da der Gesamtfluss im Torrioiden durch den Regelkreis auf Null gehalten wird, wirken sich temperaturbedingte Schwankungen der magnetischen Parameter eines Torrioiden nicht auf die Messgenauigkeit aus. Zudem kann der Torrioid systembedingt nicht in die magnetische Sättigung geraten; sein Frequenzverhalten wird ebenfalls ausgeblendet. Die Anordnung zeichnet sich durch höchste Genauigkeit aus. Nachteilig ist der im Vergleich zur Closed-LoopKonfiguration schlechtere Wirkungsgrad be- Bild 4: Gehäuse des 100-A-Stromsensor-Moduls dingt durch den relativ ACS750 >95% galvanisch getrennt nein Verlustleistung hoch relative Kosten niedrig typische Strombereiche <20 A/0...100 kHz ~95% 90...95% ja ja mittel gering mittel mittel bis zu 1000 A, AC bis zu 1000 A/0...20 kHz >95% ja mittel bis hoch hoch <500 A, o...150 kHz Tabelle 1: Vergleich von Strommessverfahren und ihrer Kennwerte elektronik industrie 12-2002 25 BAU ELEMENTE Sensoren auf den Hall-IC einwirkende magnetische Flussdichte bei maximalem Messstrom gleich dem maximal messbaren Fluss des linearen Hall-ICs ist (bei Überschreitung dieser maximalen Induktion gerät der Hall-IC in einen nicht linearen Bereich). Die im Flusskonzentrator entstehende magnetische Flussdichte ist zu dem Produkt aus Strom und einem geometriespezifischen Verstärkungsfaktor proportional. Der geometriespezifische Verstärkungsfaktor wird von der Querschnittsfläche, der mittleren Feldlinienlänge im Flusskonzentrator und der Größe des Luftspalts bestimmt. Als einfache Dimensionierungsregel gilt, dass der Querschnitt doppelt so groß sein sollte, wie die Fläche des Luftspalts. Eine Messbereichserweiterung kann durch die Vergrößerung des Luftspalts erzielt werden. Die Materialwahl wird durch die geforderte Permeabilität bestimmt. Die Permeabilität µe ist als Funktion des Messstroms wie folgt zu berechnen: µe = B l e/0,4 π N I mit N = Anzahl der Windungen (normalerweise 1), le = effektive Weglänge, I = maximaler Strom. Das für die Herstellung von Flusskonzentratoren üblicherweise verwendete Eisenpulver besitzt eine magnetischen Permeabilität von 2000 bis 5000. Die erforderlichen hochpermeablen Materialien besitzen die Eigenschaft, die magnetischen Induktionen, die ein materialspezifisches Maximum (Sättigungsinduktion Br) übersteigen, zu speichern. Dieses Speicherverhalten wird als magnetischer Offset bezeichnet, der besonders bei der Messung von kleinen Strömen große Genauigkeitseinbußen verursacht. Um die Genauigkeitseinbußen zu reduzieren, sind daher Flusskonzentrator-Materialien zu wählen, die entweder eine geringe Sättigungsinduktion besitzen (der entstehende Fehler wird daher möglichst klein gehalten), oder der Flusskonzentrator wird so groß dimensioniert, dass der entstehende magnetische Fluss kleiner als die Sättigungsinduktion ist (Peakströme außerhalb des Messbereichs führen zu großen mechanischen Abmessungen). Bild 5 zeigt den Verlauf der magnetischen Flussdichte im Flusskonzentrator. Die Materialwahl des Flusskonzentrators ist für das dynamische Verhalten des Stromsensors in Wechselstrom-Ap- 26 plikationen von besonderer Wichtigkeit. Die maximale Grenzfrequenz von Stromsensoren in Open-Loop-Konfiguration ist niedriger als die Grenzfrequenzen der anderen StrommessKonfigurationen, sie lässt sich jedoch durch geeignete Maßnahmen soweit optimieren, dass sie für die Majorität der Anwendungen eingesetzt werden kann. Ursache für das vergleichsweise schlechtere dynamische Verhalten ist der Sachverhalt, dass gemäß der Lenzschen-Regel dB/dt = µdI/dt jede Magnetfeldänderung Wirbelströme induziert, deren Felder der Ursache (Messfeld) entgegengerichtet sind. Diese wirbelstrombedingten Leistungsverluste können bei gegebenem Material wie folgt berechnet werden: Pe = Bm2 f2 d2/Ω Pe = Wirbelstromverluste, Bm = maximale magnetische Induktion, f = Frequenz, d = minimaler Abstand in der Flussübertragung, Ω = ohmscher Materialwiderstand. Bei Verwendung von hochohmigen Ferriten als Flusskonzentrator-Materialien, bereiten die Wirbelstromverluste keine Probleme. Andere Materialien mit geringem ohmschen Widerstand, wie Stahllegierungen, führen jedoch zu erheblichen Wirbelstromverlusten und somit zu einer niedrigen Grenzfrequenz. Abhilfe schafft die Zerlegung des Flusskonzentrators in mehrere dünne Lagen, wodurch d nahezu Null wird. Der magnetische Widerstand bleibt durch diese Maßnahme nahezu unverändert, während der ohmsche Widerstand sich um Größenordnungen erhöht. Mittels dieser Laminat-Flusskonzentratoren wird daher das dynamische Verhalten maßgeblich verbessert. Funktionsweise des Hall-ICs Die dem Messstrom proportionale HallElemente-Spannung wird zunächst gefiltert und verstärkt. Um den 0A-Fehler zu minimieren wird ein durch ChopperStabilisierung, Offset- optimierter HallIC verwendet. Die Verstärkung des HallICs wird herstellerseitig in der Art und Weise abgeglichen, dass der lineare Messbereich des Hall-ICs mit der maximal auftretenden Flussdichte (Flussdichte bei maximalem Strom) übereinstimmt. Das Blockdiagramm Bild 6 gibt einen guten Überblick über die Funktionsweise des Hall-ICs. Fehlerbetrachtung Bild 5: Verlauf der magnetischen Flussdichte im Flusskonzentrator Zu unterscheiden ist der Fehler bei Null Ampere und bei maximalem Strom. Bei Null Ampere setzt sich der Fehler aus folgenden Größen zusammen: Temperaturdrift der Null Gauß Offsetspannung des linearen Hall-ICs und der Sättigungsinduktion des Flusskonzentrators. Bei maximalem Strom führen Unlinearitäten des Flusskonzentrators, thermischer Widerstand des Leiters, Bild 6: Blockdiagramm des Stromsensormodul ACS750KCA elektronik industrie 12-2002 BAU ELEMENTE Sensoren Trennung unbedingt erforderlich ist (z.B. Automotiv-Batterie-Management). Die Strommessung mittels Stromsensormodul ist ein geeignetes Verfahren, die Funktion und Leistungsfähigkeit von motorischen Lasten wie Lüfter, Pumpen oder Kühlanlagen zu überwachen. Oft ist die Aussage, dass die Last mit Strom versorgt wird, ausreichend. Ist die Motordrehzahl oder das Motordrehmoment zu steuern oder zu regeln, kann dies unter Ausnutzung der Stromproportionalität realisiert werden. Das Strommesssignal dient in diesem Fall als Führungsgröße. So ist das Drehmoment eines Nebenschluss-Motors proportional zum Strom (M = kΩIa). Bei Gleichstrommaschinen besteht ein Zusammenhang zwischen Drehzahl und Strom (n = [Va – (IR)]/ kΩ). Bild 7a: Messstrom (typ) als Funktion der Ausgangsspannung Temperaturdrift der Sensitivität und Quantisierungsfehler bedingt durch Abgleich der Sensitivität zu Messungenauigkeiten. Die Übertragungsfunktion des Messstroms über die Ausgangsspannung ist in Bild 7 dargestellt. Ferner liefert die Strommessung Aussagen über den Verschleiss bzw. den Betriebszustand von motorischen Komponenten. Durch die Auswertung einer Stromänderung bezogen auf einen typischen Wert, können Betriebsstörungen wie z.B. gebrochene Kupplungen, defekte bzw. lose Antriebsriemen, verschmutztes Pumpensieb oder verschmutzte Filter detektiert werden. Die Zunahme des Stromes auf Werte oberhalb des typischen Wertes liefert Aussagen über den Verschleiss von Kugellagern oder falsch ausgerichtete Antriebsriemen. Über die Strommessung kann auch die Auslastung einer Kühlanlage detektiert werden. Anwendungen Bild 7b: Messstrom als Funktion der Ausgangsspannung des ACS750LCA Stromsensormodule in Open-Loop-Konfiguration sind für sämtliche Applikationen geeignet, in denen galvanische Memec Insight 705 Richard Dickinson und Shaun Milano sind Mitarbweiter der Allegro MicroSystems, Inc., Concord NH, USA