Tutorübung 9 Analysis 1 für Lehramt TU Dortmund, Wintersemester 2013/2014 Aufgabe T1 Zeige durch explizite Angabe von δ = δ(ε) > 0, dass die Funktion f (x) = x2 auf R stetig ist. Beweis. a) Definition der Stetigkeit: Sei I ⊆ R ein Intervall und a ∈ I. Eine Funktion f : I → R heißt stetig in a, falls ∀ε > 0∃δ > 0∀x ∈ I : |x − a| < δ ⇒ |f (x) − f (a)| < ε (1) Ist f in allen a ∈ I stetig, so sagt man f ist stetig auf I und man schreibt f ∈ C(I, R) oder wenn die Zielmenge klar ist f ∈ C(I). [Continuous ist das engl. Wort für stetig.] Es gibt eine nützliche Charakterisierung der Stetigkeit mittels Folgen: f ∈ C(I, R) ⇔ Für jede Folge (xn ) ∈ I mit xn → x0 ∈ I folgt auch f (xn ) → f (x0 ). (Äquivalenz der beiden Definitionen s. Vorlesung, Satz 8.4) b) Sei |x − a| < δ für a ∈ R beliebig. Dann gilt |f (x)−f (a)| = |x2 −a2 | = |x−a|·|x+a| < δ ·|x−a+2a| ≤ δ ·(|x−a|+|2a|) < δ(δ +2|a|) Wegen δ(δ + 2|a|) > 0 setze ε := δ(δ + 2|a|). Umstellen nach δ ergibt δ>0 ε = δ 2 + 2δ|a| ⇔ δ 2 + 2δ|a| − ε = 0 ⇔ δ = −|a| + p |a|2 + ε > 0 (2) Wählt man also δ wie in (2), so erhält man abschließend ∀ε > 0 p p |f (x) − f (a)| < δ(δ + 2|a|) = (−|a| + |a|2 + ε)(−|a| + |a|2 + ε + 2|a|) p p = ( |a|2 + ε − |a|)( |a|2 + ε + |a|) = |a|2 + ε − |a|2 =ε Damit ist die Stetigkeitsbedingung für alle a ∈ R erfüllt und f (x) = x2 ist stetig auf ganz R, f ∈ C(R). Aufgabe T2 Für a < b ∈ R sei f ∈ C([a, b], [a, b]). Zeige, dass mindestens ein x ∈ [a, b] existiert, für das f (x) = x gilt. x heißt dann Fixpunkt von f . 1 Analysis 1 Beweis. Definiere die Hilfsfunktion h(x) := f (x) − x. Diese Funktion ist als Summe stetiger Funktionen ebenfalls stetig. Für sie gilt wegen f (a), f (b) ∈ [a, b] h(a) = f (a) − a ≥ a − a = 0 h(b) = f (b) − b ≤ b − b = 0 Es gilt also h(b) ≤ 0 ≤ h(a). Wegen der Stetigkeit von h existiert nach dem Zwischenwertsatz ein x ∈ [a, b] mit h(x) = 0. Damit ergibt sich wegen der Definition von h sofort h(x) = f (x) − x = 0 ⇒ f (x) = x. Also ist x ein Fixpunkt von f . Vorbereitung für T3 Zur Vorbereitung auf den Beweis des Satzes von Weierstraß wird eine Aussage über das Supremum bewiesen. Es sei ∅ = 6 M ⊆ R nach oben beschränkt und S = sup(M ), dann existiert eine Folge (xn ) ⊆ M mit xn → S. Beweis. Für n ∈ N ist S − n1 wegen der Supremumseigenschaft von S keine obere Schranke von M. Nun kann man zwischen S und S − n1 undendlich viele Zahlen xn ∈ M finden, sodass S − n1 ≤ xn ≤ S, ∀n ∈ N. Beim Grenzübergang für n → ∞ folgt mit dem Schachtelungsprinzip S ≤ x ≤ S. Somit konvergiert eine Folge gegen das Supremum S. Aufgabe T3 Es sei R > 0 und BR := {z ∈ C| |z − z0 | ≤ R, z0 ∈ C} der Kreis mit Radius R um den Mittelpunkt z0 in der komplexen Ebene. Beweise den wichtigen Satz von Weierstraß über die Existenz von Maximum und Minimum: Jede Funktion f ∈ C(BR , R) ist auf BR beschränkt und besitzt dort ein Maximum und ein Minimum. Beweis. a) Angenommen f wäre auf BR nicht beschränkt, dann gibt es eine beschränkte Folge (zn ) in BR sodass ∀ε > 0∃n0 ∈ N∀n ≥ n0 : |f (zn )| > ε. Da zn beschränkt ist, existiert nach dem Satz von Bolzano-Weierstraß eine konvergente Teilfolge znj → z ∈ C. Dieses z liegt sogar in BR , denn znj ≤ R, ∀j ∈ N ⇒ z ≤ R. Wegen der Stetigkeit von f gilt f (znj ) → f (z) im Widerspruch zu |f (znj )| > ε, ∀j ≥ j0 ∈ N. . Die Funktion f muss also auf BR beschränkt sein. b) Da f auf BR beschränkt ist, existiert S := sup f (BR ) < ∞. Nach den Vorüberlegungen existiert dann eine Folge (z)n ⊆ BR mit f (zn ) → S ∈ R. Wie in a) hat man nach dem 2 Analysis 1 Satz von Bolzano-Weierstraß wieder eine konvergente Teilfolge znj → z ∈ BR . Da f stetig ist, gilt f (znj ) → f (z) . Wenn eine Folge konvergiert, muss auch jede Teilfolge gegen denselben Wert konvergieren. Also gilt S = lim f (zn ) = lim f (znj ) = f (z) n→∞ j→∞ Das Supremum wird also angenommen und ist damit sogar ein Maximum. c) Um die Existenz des Minimums zu beweisen, wende den Beweis einfach auf −f an, denn das Minimum von f ist das Maximum von −f . Bemerkungen zu T3 a) Im reellen Fall ist BR = {x ∈ R| |x − x0 | ≤ R, x0 ∈ R} = [x0 − R, x0 + R] einfach ein kompaktes/abgeschlossenes Intervall. Der Satz von Weierstraß lautet im Reellen also: Stetige Funktionen auf kompakten Intervallen sind beschränkt und nehmen Maximum und Minimum an. b) Der Satz liefert lediglich eine Existenzaussage über Maximum und Minimum. Die konkrete Berechnung dieser erfolgt in der Regel mit Methoden der Differentialrechnung. c) Der Satz von Weierstraß (und sein Beweis) gilt noch wesentlich allgemeiner für stetige Funktionen auf allen kompakten Mengen. Kompakt bedeutet dabei gerade, dass jede Folge in der Menge eine konvergente Teilfolge besitzt. Aufgabe T4 Bestimme alle Häufungspunkte von (a) Q ⊆ R, (b) M := {in + 3−m | m, n ∈ N} ⊆ C. Lösung. Def: Sei D ⊆ C. Ein Punkt z0 ∈ C heißt Häufungspunkt (HP) von D, falls ∀ε > 0 : D ∩ {z ∈ C| z 6= z0 und |z − z0 | < ε} = 6 ∅ Eine andere Formulierung dieser Definition ist: Ein Punkt z0 ∈ C heißt Häufungspunkt von D, falls es eine Folge (z)n ⊆ D\{z0 } mit zn → z0 gibt. a) Nach Vorlesung, Satz 7.2 lässt sich jede reelle Zahl x ∈ R als b−adische Entwicklung darstellen. Da Q ein Körper und somit insbesondere abgeschlossen bzgl. Addition und Multiplikation ist, gilt für (ak ) ⊆ Q qm := m X ak · 10−k ∈ Q k=−n 3 Analysis 1 Weiter gilt Q 3 qm → x ∈ R da jede reelle Zahl eine b−adische Entwicklung besitzt. Das heißt, für jedes x ∈ R gilt ∀ε > 0 : Q ∩ {z ∈ C| z 6= x und |z − x| < ε} = 6 ∅ Also ist jedes x ∈ R ein HP von Q. Man sagt auch R ist der Abschluss von Q oder Q liegt dicht in R. b) Die Folge an,m = in + 3−m besitzt offensichtlich nur die 4 konvergenten Teilfolgen a4n,m = i4n + 3−m = 1 + 3−m → 1, m → ∞ a4n+1,m = i4n+1 + 3−m = i + 3−m → i, m → ∞ a4n+2,m = i4n+2 + 3−m = −1 + 3−m → −1, m → ∞ a4n+3,m = i4n+3 + 3−m = −1 + 3−m → −i, m → ∞ Somit ist die Menge der Häufungspunkte von M gerade HP(M ) = {1, −1, i, −i}. Aufgabe T5 Zeige für die Stammbrüche-Funktion B : (0, ∞) → R mit ( 0, x ∈ (R\Q)+ B(x) := 1 n , x ∈ Q+ , für x = m mit n, m ∈ N teilerfremd m (a) B ist unstetig auf den positiven rationalen Zahlen, also in jedem x ∈ Q+ . (b) B ist stetig auf den positiven irrationalen Zahlen, also in jedem x ∈ (R\Q)+ . Lösung. a) Wegen (0, ∞) = ∞ S (k, k + 1] genügt es das offene Intervall (0, 1] zu betrachten. Sei k=0 ε > 0 und a ∈ (0, 1]. Nach dem Archimedischen Axiom gibt es nur endlich viele m ∈ N n mit m1 ≥ ε. Zu jedem solchen m gibt es höchstens m gekürzte Brüche der Form m in (0, 1]. Somit gibt es auch nur endlich viele Zahlen r1 , . . . rk ∈ (0, 1]\{a}, sodass B(rj ) ≥ ε für alle j = 1, . . . , k gilt. Wähle nun δ := min{|r1 − a|, . . . , |rk − a|} > 0, dann folgt für x ∈ (0, 1] mit 0 < |x − a| < δ sofort 0 = B(x) < ε, denn x − a kann nur kleiner als δ sein, wenn x ∈ / Q ist. Es gilt also für alle a ∈ (0, 1], dass lim B(x) = 0. x→a Damit ergibt sich im Endeffekt, dass B in den rationalen Punkten unstetig und in den irrationalen stetig ist. 4