NS-Täter aus Wuppertal - Bergischer Geschichtsverein Abteilung

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entlassen und zum Militär eingezogen. Kurze
Zeit später starb er (Vgl. H. Herberts: Zur Geschichte, S. 159).
31 Vgl. Knies: Arbeiterbewegung , S. 86.
32 Vgl. Miller: Burgfrieden, S. 167.
33 Vgl. Knies: Arbeiterbewegung, S. 87 Die Mitgliederzahlen werden dort mit 2575 (Sommer
1917) USPD gegen 739 (Frühjahr 1918) SPD
angegeben. Zum Problem vgl. auch Jürgen
Reulecke: Der erste Weltkrieg, S. 223 ff.
Michael Okroy
„… kann nicht bezweifelt werden, daß er beim Aufbau
eines freien Deutschlands seine Kraft einsetzen wird.“
NS-Täter aus Wuppertal: Auf Umwegen zurück in die ,Normalität‘.1
Ausgangspunkt der Recherchen über NSTäter, deren Biographie mit Wuppertal und der
bergischen Region eng verbunden ist, war ein
Ausstellungsprojekt der Begegnungsstätte Alte
Synagoge zur Geschichte der Juden im Bergischen Land. Diese Wanderausstellung mit dem
Titel „Hier wohnte Frau Antonie Giese“ wurde
im November 1996 erstmalig in Wuppertal gezeigt und war seitdem an elf Orten im Bergischen zu sehen. In diese Ausstellung ist als eine
Art Nebenthema die Biographie eines NS-Täters integriert: die des früheren Solinger Architekten und SS-Standartenführers Paul Blobel.
Blobel, der an der Kgl. Baugewerkschule Barmen-Elberfeld am Haspel studiert hatte und
dessen SS-Laufbahn im bergischen Städtedreieck begann, führte von Juni 1941 bis Januar
1942 ein Einsatzkommando der Sicherheitspolizei und des SD, das für die Ermordung von
rund 60.000 ukrainischen Juden verantwortlich
war. Ab Mitte 1942 organisierte und beaufsichtigte Blobel dann die Enterdungs- und Leichenverbrennungskommandos, die die von den
Einsatzgruppen hinterlassenen Massengräber
im Osten beseitigen sollten und deren Tätigkeit
die letzte und zugleich abgründigste Variante
der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik
darstellte.2
Diese in das Hauptthema der Ausstellung
eingeflochtene und chronologisch entwickelte
Täterbiographie verfolgte das Ziel, die abstrakte Dimension des millionenfachen Juden-
mords über eine unmittelbare Konfrontation
mit einem aus unserer Region stammenden Täter ,begreiflicher‘ zu machen und den Ausstellungsbesuchern näher zu rücken. Einerseits
sollte damit deutlich werden, daß die zahlreichen Mordaktionen an Juden und nichtjüdischen Zivilisten in den besetzten Ostgebieten
nicht von gesichtslosen und anonymen Täterkollektiven wie z.B. SS oder Gestapo, sondern
von konkreten Individuen ausgeführt wurden:
Paul Blobel (1894–1951), 1935
chiv Berlin)
(Bundesar-
105
Von Menschen aus der Mitte der deutschen Gesellschaft, Nachbarn oft, mit einer Lebensgeschichte, die jenseits ihres vom Mord an wehrlosen Männern, Frauen und Kindern geprägten
Alltags lag. Zum anderen sollte eine dichte
Beschreibung der von Blobel und seinen Männern begangenen Verbrechen die historischzeitliche und räumliche Distanz zu einem
fernab, „irgendwo im Osten“ ablaufenden Geschehen verringern und darüber hinaus andere,
weniger bekannte Tat-Orte in den Blickpunkt
rücken. 3
Der Ausstellungskonzeption lag der Gedanke zugrunde, daß mit der Erinnerung an die
Opfer und Überlebenden der Shoa zugleich
Fragen nach den Tätern gestellt werden müssen: Nach deren Herkunft, ihren Motiven und
nicht zuletzt nach den mentalen und gesellschaftlichen Bedingungen, die es möglich
machten, daß sich „ganz normale“ Deutsche in
Mörder und Mordgehilfen verwandelten. Fragen aber auch danach, was mit ihnen nach
1945 geschehen und wie die deutsche Nachkriegsgesellschaft mit ihnen umgegangen ist.
Paul Blobel wurde nach dem Krieg von den
Alliierten im Nürnberger Einsatzgruppenprozeß angeklagt, zum Tode verurteilt und 1951 in
Landsberg hingerichtet. Neben Blobel gab es
aber noch eine ganze Reihe anderer Personen
aus unserer Region, die im Rahmen des nationalsozialistischen Vernichtungsprogramms –
sei es bei der logistischen Vorbereitung oder
der praktischen Umsetzung – eine verantwortliche und aktive Rolle gespielt haben. Von den
Bekannteren seien hier nur genannt: Adolf
Eichmann aus Solingen, der frühere Gauleiter
und Reichskommissar für die Ukraine Erich
Koch aus Elberfeld, die beiden in AuschwitzBirkenau tätigen SS-Ärzte Dr. Heinz Thilo und
Prof. Carl Clauberg sowie Julius Dorpmüller,
als Chef der Deutschen Reichsbahn mitverantwortlich für die Deportationen in die Ghettos
und Vernichtungslager. Hinzu kommen alle
diejenigen, die gleichsam am unteren Ende der
Befehlskette, z.B. als Angehörige der KZWachmannschaften, Polizeieinheiten oder Leichenverbrennungskommandos, in das Mordgeschehen einbezogen waren – häufig aus eigener Initiative und sogar ohne ausdrücklichen
106
Julius Dorpmüller (1869-1945), ca. 1935
(Sammlung Kurt Schnöring)
Befehl.4 Viele von ihnen kehrten nach 1945 unbehelligt von Strafverfolgung in unsere Region
zurück. Erst lange nach Kriegsende mußten
sich einige, zum Teil hier in Wuppertal, vor
Gericht für ihre Verbrechen verantworten.5
Für den vorliegenden Beitrag habe ich aus
einem insgesamt überraschend großen Personenkreis drei Täter aus Wuppertal ausgewählt,
da diese im Hinblick auf Biographie und Werdegang einige interessante Gemeinsamkeiten
aufweisen und das populäre Klischee des typischen NS-Verbrechers als eines dumpfen Befehlsempfängers oder sadistischen Exzeßtäters
widerlegen. Im Mittelpunkt stehen vielmehr
solche Personen, die in der SS, im Reichssicherheitshauptamt oder bei Sicherheitspolizei
und Einsatzgruppen leitende Funktionen innehatten und die im Rahmen von Deportationsund Vernichtungsmaßnahmen über ein hohes
Maß an Verantwortung und über individuelle
Entscheidungsspielräume verfügten.
I. „Vergangenheitspolitik“ in der jungen
Bundesrepublik …
Vorab soll ein kurzer Rückblick auf die
Gründungsphase der Bundesrepublik zeigen,
wie Politik und Gesellschaft seinerzeit mit dem
Erbe der NS-Verbrechen und mit den Tätern
umgegangen sind. Der Bochumer Historiker
Norbert Frei hat dieses insgesamt recht deprimierende Kapitel bundesrepublikanischer Geschichte 1996 in seiner vorzüglichen Studie
„Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit“ kritisch unter die Lupe genommen und kommentiert. Sein Befund dieser ersten Phase bundesdeutscher „Vergangenheitsbewältigung“ ist
ebenso knapp wie treffend:
Mitte der fünfziger Jahre […] hatte sich
aufgrund einer ebenso bedenkenlosen wie populären Vergangenheitspolitik ein öffentliches
Bewußtsein durchgesetzt, das die Verantwortung für die Schandtaten des „Dritten Reiches“
allein Hitler und einer kleinen Clique von
„Hauptkriegsverbrechern“ zuschrieb, während
es den Deutschen in ihrer Gesamtheit den Status von politisch „Verführten“ zubilligte, die
der Krieg und seine Folgen schließlich selbst
zu „Opfern“ gemacht hatte.6
Herangereift war dieses auf Schuldabwehr
und kollektive Entlastung zielende Bewußtsein
allerdings schon, bevor die ersten vergangenheitspolitischen Weichenstellungen der Adenauer-Regierung vorgenommen wurden und
dann als Gesetze zumeist einstimmig den Bundestag passierten. Bereits 1946/47 hatte es von
deutscher Seite – und hier vor allem von den
beiden Kirchen – Ansätze gegeben, das von
den Alliierten angeordnete Entnazifizierungsprogramm und die damit verbundenen Maßnahmen zur Ausschaltung und Strafverfolgung
von NS-Eliten als falsch und schädlich zu kritisieren und deren schleunigste Beendigung zu
fordern.7 Dieses Programm, das zunächst
durchaus erfolgreich angelaufen war, verfügte
über unterschiedlichste Formen von Sanktionen: automatischer Arrest für Angehörige von
SS, SD und Gestapo, Entlassungen aus dem öffentlichen Dienst, Internierungslager, Spruchkammern, zivile und militärische Strafpro-
zesse. Der zuerst von den Besatzungsbehörden
selbst durchgeführte und dann sukzessive den
Deutschen übertragene Versuch, alle NS-Belasteten zu überprüfen und notfalls zu bestrafen,
war jedoch angesichts der schieren Überforderung der zuständigen Instanzen kaum zu realisieren. Das Ergebnis waren vielfach recht
zweifelhafte und widersprüchliche Entscheidungen: Während aus pragmatischen Gründen
oft die „leichteren“ Fälle erledigt und häufig
scharf geahndet wurden, kamen die zurückgestellten Fälle der Schwer- und Schwerstbelasteten entweder nicht mehr zur Verhandlung
oder wurden mit lächerlich niedrigen Einstufungen versehen.8 Dazu später ein besonders
eklatantes Beispiel eines NS-Verbrechers aus
Wuppertal.
Die zweifellos unbefriedigende Praxis der
alliierten Säuberungen diente vielen Deutschen
als willkommener Anlaß, die Verfehltheit des
gesamten Entnazifizierungsprogramms anzuprangern. Die Kritik daran gipfelte etwa in dem
abstrusen Vorwurf, Internierung, Spruchkammern und Entnazifizierung seien nichts anderes als eine „grausame Verfolgung, die selbst
naziähnliche Methoden anwende, indem sie
Menschen den Prozeß mache und sie in ,Konzentrationslagern‘ gefangenhalte.“9 Mit der
Gründung der Bundesrepublik im Mai 1949 erreichte diese von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragene Ablehnung der Entnazifizierungspolitik eine neue Stufe und weitete
sich sogar auf den Bereich der juristischen
Strafverfolgung von NS-Verbrechern aus. Prominente Unterstützung fanden diese Kampagnen u.a. durch den Kölner Kardinal Frings
und den evangelischen Bischof und Bekenntnistheologen Otto Dibelius.
Bereits unmittelbar nach Eröffnung des ersten Bundestages im Herbst 1949 verabschiedete das neue Parlament als eines der ersten
Gesetze der Bundesrepublik einstimmig das
sogenannte 1. Straffreiheitsgesetz.10 Es sah die
Amnestierung aller vor dem 15. September
1949 begangenen Straftaten vor, die mit Gefängnis bis zu sechs Monaten geahndet werden
konnten. Zwar waren davon in der Mehrzahl
nichtpolitische Delikte aus der Schwarzmarktzeit betroffen; das Amnestiegesetz begünstigte
107
ausdrücklich aber auch die sogenannten „Illegalen“, die sich nach 1945 durch Annahme einer falschen Identität der Internierung und Entnazifizierung entzogen hatten. Nach heutigen
Erkenntnissen befanden sich darunter Zehntausende, zum Teil schwerbelastete NS-Täter.
Ein weiteres vergangenheitspolitisches
Signal mit weitreichenden Folgen setzte das im
April 1951 im Bundestag einstimmig verabschiedete sogenannte „131er Gesetz“. Durch
den Grundgesetzartikel 131 wurde nahezu allen Beamten, die nach 1945 von den Alliierten
aus politischen Gründen aus dem öffentlichen
Dienst entfernt worden waren, nicht nur die
Möglichkeit, sondern sogar das Recht verliehen, in ihre einstigen Positionen zurückzukehren. Die Folge war, daß auch das Gros der ehemaligen Gestapo-Beamten ihren alten Status
zurückerhielt und diesen notfalls einklagen
konnte. Von dieser großzügigen Regelung profitierten auch zahlreiche Angehörige der
Schutz- und Ordnungspolizei, die, wie wir seit
längerem wissen, nicht nur die Deportationstransporte in die Ghettos und Vernichtungszentren begleitet hat, sondern selbst aktiv und
oft aus eigener Initiative Judenmordaktionen
durchführte.
Ein Beispiel dazu aus unserer Stadt: 1968
wurde der damalige Wuppertaler Hauptkommissar Rolf-Joachim Buchs wegen seiner Mitwirkung an der Ermordung von mehr als 1000
Juden in der Stadt Bialystok zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt. Buchs und
noch einige andere der im Wuppertaler Bialystok-Prozeß Angeklagten – insgesamt waren es
14 Personen – gehörten als Offiziere dem Bataillon 309 der Ordnungspolizei an. Mit Hilfe
des „131-Gesetzes“ wurden einige dieser Männer wieder in den öffentlichen Dienst übernommen und hatten so ungehindert ihre Laufbahn
bei der Polizei fortsetzen können. Rolf-Joachim
Buchs avancierte vom Polizeichef in Solingen
zum Führer einer Hundertschaft der Wuppertaler Bereitschaftspolizei und anschließend zum
Fachlehrer und Lehrgangsleiter an den Polizeiausbildungsschulen in Düsseldorf und Bork.
Die bevorstehende Beförderung zum Polizeirat
kam dann allerdings im Zuge der gegen ihn geführten Ermittlungen nicht mehr zustande.11
108
Durch das sog. 2. Straffreiheitsgesetz von
1954 erhielt das inzwischen immer selbstbewußter auftretende und populäre SchlußstrichDenken eine weitere Gesetzeslegitimität. Dieses Gesetz sah die Amnestierung nun auch
derjenigen Täter vor, deren Tötungsverbrechen in der Endphase des „Dritten Reichs“
verübt wurden und die bei Anklage eine Strafe
von bis zu drei Jahren zu erwarten hatten. Infolge dieses Gesetzes sank im Jahr 1954 die
Zahl der neu eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen NS-Verbrechen auf ein Rekordtief:
Auf knapp 200 gegenüber noch rund 2500 im
Jahr 1950. Diesen dramatischen Rückgang
hatte aber noch ein anderer Faktor entscheidend mitverursacht. Denn nicht nur der Justizapparat selbst, auch die Polizei war in hohem
Maße mit ehemaligen Nationalsozialisten
kontaminiert. Dazu ein Beispiel aus Nordrhein-Westfalen: Gegen Mitte der 50er Jahre
waren von den 33 leitenden Stellen der Kriminalpolizei in NRW mehr als 20 von ehemaligen SS-Sturmbann- und Obersturmbannführern, also höheren SS-Offiziersrängen, besetzt.12 Kein Wunder also, daß bei der Ermittlung und Strafverfolgung von NS-Verbrechern
kein sonderlich großer Ehrgeiz entwickelt und
diese auch des öfteren vorsätzlich behindert
oder verzögert wurde.
Einen besonders deprimierenden Akzent
im Hinblick auf den Umgang mit NS-Tätern
setzten zu Beginn der 50er Jahre die von einem
breiten gesellschaftlichen Konsens getragenen
Bemühungen um die Freilassung der von den
Alliierten verurteilten Kriegsverbrecher. Diese
firmierten in der deutschen Öffentlichkeit in
der Regel unter verharmlosenden Begriffen
wie „Kriegsverurteilte“ oder „Internierte“. Zu
diesem Personenkreis zählten etwa die in den
Nürnberger Nachfolgeprozessen verurteilten
Spitzenbeamten des Reichsaußenministeriums,
führende Industrielle und Industriemanager,
Mediziner, hohe Wehrmachtsoffiziere, aber
auch zahlreiche Kommandeure der Einsatzgruppen- und -kommandos, die für millionenfachen Massenmord verantwortlich waren.
Einflußreiche Exponenten dieser auf eine Generalamnestie hinwirkenden Kampagne waren
der Essener Rechtsanwalt und F.D.P.-Land-
tagsabgeordnete Ernst Achenbach und dessen
enger Mitarbeiter Dr. Werner Best, der bis
1940 Heydrichs Stellvertreter im Reichssicherheitshauptamt war.13 Anfang der 50er Jahre
fungierte Best dann als Rechtsberater der nordrhein-westfälischen F.D.P. – nachgerade ein
Sammelbecken ehemaliger NS-Eliten – und
wechselte anschließend als Justitiar zum Stinnes-Konzern nach Mühlheim. Dort war Best
bis 1972 tätig. Aber auch führende Vertreter
der evangelischen und katholischen Kirche arbeiteten zielstrebig und erfolgreich auf die
Freilassung der in Landsberg, Werl und Wittlich einsitzenden NS-Verbrecher hin und übten
gemeinsam mit hochrangigen Politikern massiven Druck auf die Alliierten aus. Mit Erfolg:
Bereits Ende der 50er Jahre saß von den ursprünglich zum Tode oder zu lebenslanger oder
langjähriger Haft verurteilten insgesamt 24
Einsatzgruppenkommandeuren niemand mehr
hinter Gittern.14 Lediglich die Todesurteile der
vier sogenannten „Landsberger Rotjacken“,
darunter Paul Blobel, wurden 1951 unter
großem öffentlichen Protest vollstreckt. Selbst
vor Blobel, einem der fraglos ruchlosesten
Massenmörder, machten diese Mitleids- und
Begnadigungskampagnen nicht halt. Ein Kommentar in der „Rheinischen Post“ vom Februar
1951 bringt die damalige Stimmung auf den
Punkt, denn er formulierte offen, was seinerzeit wohl viele dachten:
Seit mehr als fünf Jahren warten die Verurteilten in der Festung Landsberg in ständiger
Furcht, ob sie den kommenden Tag noch erleben, auf ihr Schicksal […] auch der Solinger
Paul Blobel. Die Schuld Blobels ist ohne Zweifel ungeheuerlich – ebenso wahr ist aber auch
die Tatsache, daß ein Mensch, der fünf Jahre in
der bangen Ungewißheit ,Leben oder Tod‘ sein
Dasein […] fristet, einen Teil dieser Schuld
weitgehend abgetragen hat.15
… und im Wuppertal der 50er und 60er
Jahre
Immer wieder kamen derartige Sympathiebekundungen und Initiativen zugunsten von
NS-Tätern auch aus Wuppertal. Dazu zählen
etwa die Aktivitäten des 1951 gegründeten und
als gemeinnützig eingetragenen Vereins mit
dem harmlos klingenden Namen „Stille Hilfe
für Kriegsgefangene und Internierte“. In ihm
waren neben ehemaligen aktiven Nationalsozialisten und Angehörigen der Waffen-SS auch
zahlreiche evangelische und katholische Geistliche aktiv tätig.16 Die Tatsache, daß der angesehene Arzt, Theologe und Friedensnobelpreisträger Albert Schweitzer Ehrenpräsident
der „Stillen Hilfe“ war, läßt auf die breite gesellschaftliche Akzeptanz und vermeintliche
moralische Dignität dieses Vereins schließen.
Anfang der 60er Jahre hatten dessen Vorstand
und Geschäftsführung für längere Zeit ihren
Sitz in Wuppertal (Lothringerstr. 43) und verschickten von dort aus ihren Rundbrief an
Freunde und Symphatisanten. Seit Sommer
1994 ist die „Stille Hilfe“ erneut unter einer
Wuppertaler Adresse eingetragen. Der Verein,
an dessen Spitze heute die Tochter Heinrich
Himmlers steht, sorgte erst kürzlich wieder für
Schlagzeilen, als bekannt wurde, daß eine
Wuppertalerin seit Jahren die Betreuung der
aus lebenslanger Haft vorzeitig entlassenen
KZ-Aufseherin Hermine Braunsteiner-Ryan
übernommen hatte.17
Breite Resonanz fand auch ein 1952 im katholischen Wuppertaler Abendland-Verlag erschienenes Buch mit dem Titel: „Landsberg.
Henker des Rechts?“ Darin wurden nicht nur
die Kriegsverbrechen zweier zum Tode verurteilter Marineoffiziere aus Wuppertal in skandalöser Weise bagatellisiert; der Autor dieser
Publikation, K. W. Hammerstein, verunglimpfte auch die alliierten Strafverfahren gegen NS-Verbrecher pauschal als unrechtmäßig
und stilisierte die Verurteilten zu Märtyrern
und zu Opfern der sog. alliierten „Siegerjustiz“. Das Vorwort zu diesem Buch schrieb
bezeichnenderweise der Jurist Dr. Rudolf
Aschenauer, der im Nürnberger Einsatzgruppenprozeß den SS-Führer Otto Ohlendorf verteidigt hatte. Ohlendorf war wegen seiner Verantwortung für die Ermordung von mehr als
90.000 Juden zum Tode verurteilt und hingerichtet worden.
Von ganz anderen, mehr an theologischethischen Paradigmen der Vergebung orientier-
109
Die Angeklagten im Nürnberger Einsatzgruppenprozeß 1947/48. Paul Blobel (mit Vollbart):
1. Reihe, 5. Person von rechts.
(Ullstein Bilderdienst)
ten Motiven geprägt waren dagegen die
Bemühungen von Professor Hermann Schlingensiepen aus Wuppertal, ehemals Ordinarius für Praktische Theologie in Bonn und
langjähriger Ephorus der Kirchlichen Hochschule Wuppertal. Auslöser für dessen unmittelbar praktische und publizistische Aktivitäten
war der 1960/61 in Jerusalem geführte und
weltweites Aufsehen erregende Prozeß gegen
Adolf Eichmann. Mit diesem hatte Schlingensiepen mehrfach versucht, brieflich in Kontakt
zu treten.18 In Zeitungs- und Zeitschriftenbeiträgen sowie in etlichen Interviews warb er
für Verständnis und Vergebung für einsitzende
NS-Täter, besuchte diese im Gefängnis und
nahm Kontakt mit deren Familienangehörigen
auf. Im Mai 1965 veröffentlichte Schlingensiepen aus Anlaß der Verjährungsdebatten im
Deutschen Bundestag einen Beitrag über die in
110
den deutschen Nachkriegsprozessen verurteilten NS-Verbrecher im evangelischen „Sonntagsblatt“. Darin forderte er auf, Frieden zu
schließen mit denen, die „bösen Willens sind“
und empfahl, NS-Täter „in der tiefsten Tiefe
unseres Herzens und Gewissens als Opfer jener
Tage zu beklagen“.19 Durch sein gewiß aufrichtig empfundenes und theologisch motiviertes
Engagement wurde Hermann Schlingensiepen
nachgerade zu einer Leitfigur im Bereich der
seelsorgerlichen Betreuung von inhaftierten
NS-Verbrechern. Einen Niederschlag seiner
Bemühungen um Vergebung läßt sich etwa
auch in einer umstrittenen Stellungnahme der
„Arbeitsgemeinschaft der Bergischen Gefängnisgemeinde“ zu den NS-Prozessen vom September 1963 finden.20
Aus alldem läßt sich für die Anfangsjahre
der Bundesrepublik im Hinblick auf den Um-
gang mit NS-Tätern resümieren: Mitte der 50er
Jahre mußte fast niemand mehr befürchten,
wegen seiner nationalsozialistischen Vergangenheit von Staat und Justiz behelligt zu werden. Innerhalb von nur wenigen Jahren waren
nahezu sämtliche alliierten Säuberungsmaßnahmen aus den Nachkriegsjahren rückgängig
gemacht und die Mehrzahl der nationalsozialistischen Funktionsträger amnestiert und weitgehend reintegriert worden. Nach Ansicht des
Freiburger Historikers Ulrich Herbert war
diese unverhoffte Gunst der Stunde für die
Mehrheit der Davongekommenen jedoch an
ein bestimmtes soziales Verhaltensmuster gekoppelt, nämlich die eigene Vergangenheit
möglichst ganz vergessen zu machen und sich
jeder verdächtigen politischen Äußerung zu
enthalten. Die Strategie eines angepaßten und
unauffälligen Lebens, die soziale Integration
und ökonomischen Aufstieg erst garantierte,
führte – so Ulrich Herbert – „zu einer moralisch gewiß zweifelhaften, aber durchaus effektiven Einpassung von großen Teilen der
ehemaligen NS-Eliten in den neuen deutschen
Staat und seine Gesellschaft.“21
Erste Risse bekam diese gleichermaßen auf
Amnestie wie auf Amnesie zielende „Vergangenheitsbewältigung“ mit der in den 60er und
70er Jahren einsetzenden Welle von NS-Prozessen. Möglich wurden diese Verfahren durch
die Tätigkeit der Ende 1958 in Ludwigsburg
eingerichteten „Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen“. Obwohl diese Verfahren nicht selten die Chance zu einer kritischen Selbstaufklärung boten, wurden sie in
der breiten Öffentlichkeit – von wenigen Ausnahmen abgesehen – entweder kaum wahrgenommen oder sogar offen abgelehnt. Ein tieferliegendes Motiv für diese Haltung war gewiß
auch, daß diese Prozesse schockierend unmittelbar vor Augen führten, wie schmal der Grat
zwischen Normalität und Massenmord in
Wirklichkeit gewesen ist und daß an den Verbrechen weit mehr ganz normale Deutsche beteiligt waren, als man sich eingestehen wollte.
Anstelle prominenter und zumeist längst verstorbener Nazifunktionäre oder anonymer Tätergruppen gerieten nun konkret handelnde
Personen ins Blickfeld: Personen mit Namen
und Gesichtern, mit politischen Überzeugungen und mit Verantwortung. Die meisten dieser
Personen galten bis zu diesem Zeitpunkt als
angesehene Nachbarn und Kollegen, geliebte
Familienväter, respektierte Vorgesetzte oder
gute Bekannte, denen man diese Verbrechen
nicht zugetraut hatte.
II. Auf Umwegen nach Wuppertal: Die Täter kehren zurück
Vor diesem gesellschaftspolitischen und
mentalen Hintergrund müssen die nun folgenden und in gewisser Hinsicht exemplarischen
Täterbiographien wahrgenommen und eingeordnet werden. Vorab noch einige Informationen zu den historischen Quellen meiner Recherchen. Reichhaltiges Material bieten die
zum Teil veröffentlichten Prozeßunterlagen der
Justizbehörden aus den Verfahren der 60er und
70er Jahre. Dort finden sich detaillierte Beschreibungen der Verbrechenskomplexe, Aussagen und Verhörprotokolle, aber auch zahlreiche Angaben zur Person und zum Lebensweg
vor und nach 1945, die wichtige Daten zur Rekonstruktion der Rückkehr und Integration in
die westdeutsche Nachkriegsgesellschaft liefern.22 Einen weitereren wichtigen Quellenbestand bilden die Unterlagen der Spruchgerichte
und Entnazifizierungsbehörden im Bundesarchiv Koblenz und im NRW-Hauptstaatsarchiv
sowie die im Berliner Bundesarchiv lagernden
Personaldokumente von SS-Offizieren und die
Personenakten des Rasse- und Siedlungshauptamtes. Von besonderem Interesse waren natürlich auch die mehr oder weniger zahlreichen
Berichte über NS-Prozesse in diversen lokalen
und überregionalen Zeitungen und Zeitschriften.
1.) Kurt Hans: Zum Opfer alliierter „Siegerjustiz“ verklärt.
Der erste der im folgenden vorgestellten
NS-Täter aus Wuppertal ist der frühere SSHauptsturmführer und Kriminalrat Kurt Hans,
111
der als Offizier dem von Paul Blobel geführten
Sondereinsatzkommando 4a der Einsatzgruppe
C der Sicherheitspolizei und des SD angehörte.
Dieses Kommando war u.a. an der Ermordung
von mehr als 33.000 ukrainischen Juden in der
Schlucht von Babi Jar bei Kiew Ende September 1941 beteiligt.23 Kurt Hans führte bei dieser
größten geschlossenen Massenerschießungsaktion während des 2. Weltkriegs die Aufsicht
über die Exekutionskommandos.
Kurt Hans wurde am 14. April 1911 als
siebter Sohn des Schreinermeisters Robert
Hans in Wuppertal-Barmen geboren. Er besuchte dort zunächst die evangelische Volksschule, ab 1924 die Deutsche Oberschule in der
Siegesstraße und absolvierte 1930 die Reifeprüfung. Anschließend studierte Kurt Hans einige Semester Bergwissenschaften in Tübingen und Köln, mußte aber das Studium im
Frühjahr 1932 wegen des wirtschaftlichen Zusammenbruchs des väterlichen Betriebes, der
sich in der Schülkestraße befand, abbrechen
und mit Gelegenheitsarbeiten zur Existenzsicherung der Familie beitragen. Infolge einer
Verletzung, die sich der nationalsozialistische
Aktivist bei einer Schießerei mit Regimegegnern im Februar 1933 – möglicherweise in der
Elberfelder Nordstadt24 – zugezogen hatte, war
er zunächst eine zeitlang arbeitsunfähig. Nach
seiner Genesung beschäftigte ihn dann die
Stadtsparkasse Wuppertal für sechs Monate als
Tarifangestellten.25
Vom 1. Juni 1931 bis zum 1. August 1933
war Hans Mitglied der SA. Mitglied der
NSDAP-Ortsgruppe Wuppertal wurde er im
März 1932, zählte also zu den sog. „Alten
Kämpfern“, die sich bereits vor der Machtübergabe an Hitler für den Nationalsozialismus
engagierten. Ab Oktober 1932 avancierte er
bereits zum Ortsgruppenamtsleiter der Partei
und fungierte von März 1936 bis September
1938 als Parteirichter beim Kreisgericht der
NSDAP. Auf der Suche nach einer außerparteilichen Festanstellung bewarb sich Hans Anfang 1934 bei der Wuppertaler Polizeibehörde
und wurde als Kriminal-Assistenten-Anwärter
zur Probe bei der Kriminalpolizei eingestellt.
1937 erhielt er eine Kriminalkommissar-Anwärterstelle, und nach erfolgreichem Abschluß
112
Kurt Hans (1911–1997), ca. 1938 (Bundesarchiv Berlin)
eines Lehrgangs an der Führerschule der Sicherheitspolizei in Berlin-Charlottenburg erfolgte die Beförderung zum Kriminalkommissar und seine Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit. Das Dienststellenverzeichnis des
Wuppertaler Polizeipräsidiums für das Jahr
1940/41 führt Kurt Hans als Leiter des für
Raub, Erpressung und Nötigung zuständigen 2.
Kommissariats.26
In die SS, die 1936 mit der staatlichen Polizei verschmolzen wurde, trat Kurt Hans im Juli
1938 ein: eigenen Angaben zufolge, um in seinem Beruf weiterzukommen und dort Karriere
zu machen. Den im Zuge der Entkonfessionalisierung der SS obligatorischen Kirchenaustritt
hatte er bereits 1936 vollzogen, obwohl sich
der Protestant auf audrücklichen Wunsch seiner Frau noch ein Jahr zuvor katholisch hatte
trauen lassen. Vermutlich tat er diesen Schritt
nicht nur im Sinne einer demonstrativen Identifikation mit der nationalsozialistischen Ideologie, sondern auch, um seinen Karriereambi-
tionen auf Himmlers und Heydrichs Eliteformation wirkungsvoll Ausdruck zu verleihen.
Ab 1938 war Hans neben seiner Kripotätigkeit
dann auch verstärkt für den SD, den Nachrichtendienst der SS, tätig. Ihm oblagen in dieser
Funktion im Vorfeld polizeilicher Exekutivmaßnahmen die Observierung der politischen
Gegner der Nationalsozialisten sowie die Registrierung und Überwachung jüdischer und
kirchlicher Organisationen in Wuppertal.27
Darüber hinaus war der SD für die Berichterstattung über die Stimmungslager in der Bevölkerung und die Beurteilung der politischen Zuverlässigkeit einzelner „Volks- bzw. Parteigenossen“ zuständig. Die enge personelle Verflechtung und fachliche Abhängigkeit von SD
und der aus Gestapo und Kripo gebildeten Sicherheitspolizei führte im September 1939
schließlich zur Zusammenfassung beider Institutionen im neugegründeten und von Reinhard
Heydrich geleiteten Reichssicherheitshauptamt.
Seit April 1940 bekleidete Kurt Hans den
Rang eines SS-Obersturmführers und bereitete
sich auf den leitenden Dienst in der Sicherheitspolizei vor. Als im Mai/Juni 1941 im Zuge
der Vorbereitungen des Überfalls auf die Sowjetunion die Einsatzgruppen zusammengestellt wurden, kam Hans in das von Paul Blobel
geführte Sonderkommando 4a, das die 6. Armee auf ihrem Weg durch Wolhynien und die
Ukraine begleiten sollte. Es ist nicht auszuschließen, daß die Überstellung von Kurt Hans
in das Blobel-Kommando nicht zufällig, sondern über persönliche Beziehungen und vielleicht sogar auf ausdrücklichen Wunsch beider
geschehen ist. Möglicherweise kannten sich
beide schon länger, denn Blobel war von 1935
bis 1941 als regionaler SD-Führer u.a. auch für
das bergische Städtedreieck zuständig und daher mit dem Personal der lokalen Dienststellen
von Kripo, SD und Gestapo vertraut.28 Gleich
zu Beginn des Einmarsches in die UdSSR hatten die Einsatzgruppen, teils in Kooperation
mit Wehrmachts- und Polizeieinheiten, damit
begonnen, zunächst alle männlichen Juden, sofern sie nicht zur Arbeit benötigt wurden, zu
exekutieren. Daneben hatten sie den Auftrag,
sämtliche politischen Kommissare, Funk-
tionäre in Staatsstellungen sowie alle als rassisch minderwertig stigmatisierten Personen zu
töten. Ab Spätsommer 1941 wurden die Mordaktionen sukzessive auch auf jüdische Frauen
und Kinder ausgedehnt. Kurt Hans war als befehlsbefugter Offizier an mehreren dieser Aktionen unmittelbar beteiligt, so z.B. in Luzk,
Shitomir, Radomyschl und in der Schlucht von
Babi Jar bei Kiew. Um deren Effektivität zu erhöhen und die psychische Belastung der Schützen zu vermindern, wurden in einigen Fällen
auch mobile Gaskammern zur Tötung der Juden eingesetzt. Ferner war Hans an einer von
Paul Blobel angeordneten und als Wirkungstest für Explosivmunition durchgeführten Exekution von sowjetischen Kriegsgefangenen in
Shitomir beteiligt.
Anfang Oktober 1941, nur wenige Tage
also nach der Mordaktion von Kiew, wurde
Kurt Hans mit anderen Anwärtern des leitenden Dienstes von seinem Einsatzort abberufen,
um seine Ausbildung an der Führerschule der
Sicherheitspolizei in Berlin fortzusetzen. Nach
erfolgreichem Abschluß ging er zurück „in die
Praxis“, wurde zunächst stellv. Leiter der
Kripo in Mönchengladbach und Anfang 1944,
inzwischen zum SS-Hauptsturmführer und
Kriminalrat ernannt, Chef der Kriminalpolizeileitstelle in Würzburg. Hier war er u.a. für die
Aufstellung und Beaufsichtigung von sogenannten Jagdkommandos der Polizei zuständig. Deren Aufgabe war es, alle Feindflieger,
die den aus Kripo- und Gestapoleuten bestehenden Kommandos in die Hände gefallen waren, als Vergeltung gegen die alliierten Luftangriffe unverzüglich zu erschießen.29
Für seine „Verdienste“ im sicherheitspolizeilichen Einsatz erhielt Kurt Hans 1944 von
Reichsführer-SS Heinrich Himmler den sog.
„Totenkopfring“, ein Ehrensymbol, das vornehmlich solchen SS-Angehörigen verliehen
wurde, die der SS als Organisation und Träger
einer Weltanschauung gegenüber größte Ergebenheit bezeugt hatten. Anfang April 1945,
kurz vor der Eroberung Würzburgs durch die
US-Truppen, gelang es Hans und seiner Familie, aus der Stadt zu entkommen und vorläufig
unterzutauchen. Als er mit anderen Angehörigen der Würzburger Kripo weiter nach Öster-
113
reich fliehen wollte, wurde er von den Amerikanern verhaftet und als Kriegsverbrecher angeklagt.
Obwohl die die Mordaktionen der Sicherheitspolizei in der UdSSR zu diesem Zeitpunkt
bereits Gegenstand des Nürnberger Einsatzgruppenprozesses waren, wurde Hans mit diesen nicht in Zusammenhang gebracht und ausschließlich wegen seiner Verantwortung für die
Ermordung alliierter Jagdflieger angeklagt und
im Oktober 1947 zum Tode verurteilt. Man
überführte ihn aus Dachau zur Hinrichtung in
das eigens für NS-Verbrecher eingerichtete
Gefängnis nach Landsberg/Lech, wo seinerzeit
auch sein ehemaliger Vorgesetzter Paul Blobel
einsaß. Zu dieser Zeit liefen auch bereits die ersten Kampagnen zur Begnadigung der verharmlosend als „Kriegsverurteilte“ bezeichneten Häftlinge. Nicht nur der bis 1946 in Wuppertal-Langerfeld tätige Pfarrer Johannes Sy,
der Kurt Hans konfirmiert hatte, auch der Kölner Kardinal Frings setzte sich vehement für
ihn und die anderen Delinquenten ein, galten
doch die inhaftierten NS-Verbrecher in der Regel als bedauernswerte Opfer der alliierten
„Siegerjustiz“. Mit Erfolg: Im Januar 1951
wurde die Todesstrafe für Kurt Hans und andere Häftlinge in lebenslängliche Haft umgewandelt.
Das im Anschluß daran eingeleitete obligatorische Prüfungsverfahren der Entnazifizierungskammer in Düsseldorf wurde im Februar
1952 eingestellt, da man Kurt Hans lediglich
als „Mitläufer“ einstufte. Ebenso erfolgreich
verlief für ihn das 1953 geführte Spruchkammerverfahren, das ihm den Status „minderbelastet“ zubilligte. Juristischen Beistand erhielt
Kurt Hans u.a. von dem bereits erwähnten Essener Rechtsanwalt Achenbach. Aber auch die
Intervention von höchsten kirchlichen Stellen
machte offenbar Eindruck auf die Spruchkammerrichter. In diesem Verfahren war es Hans
nämlich nicht nur gelungen, seine Zugehörigkeit zu den Einsatzgruppen und seine Mitwirkung an den Massenmorden erfolgreich zu vertuschen, sondern sich auch als aufrechten und
geläuterten Christen darzustellen und seine
Mitgliedschaft in NSDAP und SA als seinen
persönlichen Beitrag zur – „Eindämmung der
114
kommunistischen Gefahr“ zu rechtfertigen:
Angesichts des beginnenden Kalten Krieges
war dies eine gleichermaßen einleuchtende wie
populäre Einlassung, die offensichtlich ihre
Wirkung auch nicht verfehlte. Denn bereits
1954 wurde die lebenslange Haftstrafe von
Kurt Hans auf eine befristete reduziert. Und im
Oktober desselben Jahres befand sich Hans gegen die Zusicherung, sich jeder politischen
Betätigung zu enthalten, wieder auf freiem
Fuß. Er kehrte zu seiner Familie nach Wuppertal zurück, ließ sich – er fühlte sich wohl vor
weiterer Strafverfolgung sicher – ins Adreßbuch der Stadt mit seiner alten Funktion als
„Kriminalrat“ eintragen und war zunächst in
der Bauindustrie und im Handel, ab 1960 dann
als Versicherungskaufmann eines Wuppertaler
Unternehmens tätig.
Seine Vergangenheit holte ihn ein, als Anfang der 60er Jahre die „Zentrale Stelle“ in
Ludwigsburg systematisch Ermittlungen gegen
ehemalige Angehörige des Sonderkommandos
4a führte und in diesem Zusammenhang auch
auf Kurt Hans aufmerksam wurde. Im Mai
1965 wurde er schließlich in Wuppertal verhaftet und mit 10 weiteren Angehörigen seines
Kommandos im Oktober 1967 in einem der
größten bundesdeutschen Massenmordprozesse zur Verantwortung gezogen.30 Bis zuletzt
leugnete Hans jedoch, an diesen Massenmorden beteiligt gewesen zu sein. Nach Auswertung der einschlägigen Dokumente, umfangreichen Zeugenvernehmungen und Verhören
konnte ihm jedoch die Mitwirkung an mindestens fünf größeren Erschießungsaktionen
nachgewiesen werden. In Wirklichkeit dürften
es vermutlich noch viel mehr gewesen sein.
Die Richter charakterisierten Kurt Hans als einen ehemals „treu ergebenen“ Gefolgsmann
des NS-Regimes, der aus Überzeugung und um
seiner Karriere willen jeden Befehl willig ausführte, auch wenn ihm die Konsequenzen persönlich vielleicht „unangenehm und menschlich zuwider“ waren. In der Hauptverhandlung
hatte Hans weder Reue noch Bedauern über
das Schicksal der Ermordeten gezeigt, sondern
nur Selbstmitleid mit sich und dem eigenen
Schicksal. Gleichwohl verurteilte ihn das Gericht nicht als hauptverantwortlichen Täter,
sondern nur als Tatgehilfen, da er die Morde
„nur“ aus Pflichtgefühl und Opportunitätsgründen und nicht aus persönlichen und „niedrigen Beweggründen“ mitausgeführt hatte.
Diese fragwürdige und bis heute umstrittene
Unterscheidung zwischen Tätern und Tatgehilfen beruhte auf einer juristischen Definition,
derzufolge allein Hitler, Himmler, Göring,
Heydrich und deren „nähere Umgebung“ als
hauptverantwortliche Täter einzustufen waren.
In der Konsequenz hatte dies in zahlreichen
Prozessen lächerlich niedrige Haftstrafen für
NS-Verbrecher zur Folge. So kamen etwa Leiter von Exekutionen, Einsatzkommandoführer
und viele andere mitverantwortliche Akteure
bei der „Endlösung“ in der Regel mit einem
Strafmaß davon, das dem für Raub, Einbruch
und Betrug entsprach.31
Die problematische Gehilfenrechtssprechung suggerierte letztlich das Bild eines Täters, der ohne eigenes Zutun, ohne eigenen
Willen und ohne individuelle Tatmotivation –
also gleichsam von außen ferngesteuert – zum
Bestandteil einer Terror- und Vernichtungsmaschinerie geworden war. Diese auch heute
noch weitverbreite Auffassung reduzierte nicht
nur den moralischen Entscheidungsspielraum
des Individuums auf Null, sie entsprach auch
exakt dem Selbstbild, das die Täter vor Gericht
von sich entworfen hatten und das von der
deutschen Öffentlichkeit im Sinne kollektiver
Entlastung und der Verweigerung, Verantwortung zu übernehmen, natürlich nur allzu gerne
angenommen wurde.32
Zurück zu Kurt Hans. Im November 1968,
nach gut einjähriger Verhandlungsdauer verurteilte das Schwurgericht Darmstadt den ehemaligen SS-Hauptsturmführer und Kriminalrat
wegen gemeinschaftlicher Beihilfe zum Mord
und unter Anrechnung der Untersuchungshaft
zu 11 Jahren Zuchthaus. Bereits im Dezember
1969 wurde der Haftbefehl aber wegen angeblicher Haftunfähigkeit aufgehoben, trotz existierender Zweifel an der Ernsthaftigkeit seines
Gesundheitszustands. Im September 1970
wurde ihm gegen gewisse Auflagen und unabhängig von seinem Gesundheitszustand Haftverschonung zugebilligt. 1997 starb Kurt Hans
86jährig in Wuppertal.
2. Dr. Hans Schumacher: Bereitschaft zur
Übernahme von persönlicher Verantwortung
Der nun im folgenden beschriebene Fall eines Wuppertaler NS-Täters weicht hinsichtlich
des sonst üblichen Verhaltens- und Rechtfertigungsmusters dieses Personenkreises merklich
ab. Wer sich einmal näher mit Verfahren wegen
nationalsozialistischer Verbrechen beschäftigt
hat, weiß, daß der sogenannte „Befehlsnotstand“ das mit Abstand am häufigsten vorgebrachte Argument zur Verteidigung und Entlastung von NS-Tätern gewesen ist. Eine der
ganz seltenen Ausnahmen, bei der ein Angeklagter sich nicht darauf berief und darüber
hinaus sogar Reue und Unrechtsbewußtsein
zeigte, war der 1907 in Wuppertal-Barmen geborene (und 1992 verstorbene) Jurist Hans
Schumacher.33 Wegen seiner Tätigkeit als Leiter der Gestapo-Dienststelle beim Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Kiew
wurde der ehemalige SS-Sturmbannführer und
Regierungsrat Ende 1963 vor dem Landgericht
Karlsruhe zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt.
In seiner Funktion hatte Schumacher die Erschießung von hunderten von Juden und nichtjüdischen Zivilisten angeordnet und den Einsatz der bei den Tötungsaktionen teilweise verwendeten und eigens aus Berlin herbeigeschafften fahrbaren Gaskammern überwacht.34
Die Biographie und der intellektuelle Werdegang von Schumacher fügen sich nahtlos in
ein Täterprofil, das nach Auffassung der Historiker Ulrich Herbert und Michael Wildt für die
mehrheitlich aus Akademikern bestehende
Führungsgruppe des Reichssicherheitshauptamtes insgesamt zutrifft. Diese Gruppe bestand
zu Kriegsbeginn aus etwa 300 Männern: Amtsund Referatsleiter, Chefs von regionalen
Staatspolizei- und Kripoleitstellen und ihre
Vertreter. Aus diesem vergleichsweise engen
Personalreservoir rekrutierte sich in den darauffolgenden Jahren ein Großteil der Leiter der
Einsatzgruppen- und kommandos, die Inspekteure und Befehlshaber der Sicherheitspolizei
und des SD in den von Deutschland besetzten
Ländern sowie die Leiter der regionalen Gesta-
115
postellen. Sie waren verantwortlich für beinahe
alle Deportations-, Verfolgungs- und Vernichtungsmaßnahmen sowohl in Deutschland
selbst als auch – und vor allem – in Osteuropa.
Wollte man eine Kerngruppe der nationalsozialistischen Verfolgungs- und Genozidpolitik bestimmen, dann, so die beiden Historiker, muß
sie aus den Reihen dieser Männer gebildet werden.35
Hans Schumacher, der selbst nicht aus einem akademischen Milieu, wohl aber aus gutsituierten bürgerlichen Verhältnissen stammte,
machte nach dem Besuch von Volks- und
Oberrealschule 1926 sein Abitur. Im Anschluß
daran studierte er in Würzburg, Bonn und Erlangen Staats- und Rechtswissenschaften, promovierte während seiner Referendarausbildung zum Dr. jur. und legte 1934 beim Preußischen Justizministerium die große Juristische
Staatsprüfung ab. Wegen des Überangebots an
Juristen im preußischen Staatsdienst entschied
sich Schumacher für eine Laufbahn bei der
Kriminalpolizei und acancierte bereits im Oktober 1936 zum Leiter der Personalstelle und
des Erkennungsdienstes bei der Kriminalpolizeileitstelle in Düsseldorf. Mitglied der
NSDAP wurde Schumacher im Mai 1933, der
– obligatorische – Kirchenaustritt erfolgte
1938, sein Beitritt zur SS im Januar 1939. Das
Angebot, auch für die Gestapo tätig zu werden,
lehnte Schumacher erstaunlicherweise aber
zunächst ab. In einer späteren Einlassung vor
Gericht begründete er dies mit seiner ablehnenden Haltung gegenüber der Errichtung von
Konzentrationslagern und der dort geübten
Praxis. Auf die Beurteilung durch seinen Vorgesetzten und seine Laufbahn bei Kripo, SD
und SS hat sich diese Kritik jedoch offenkundig nicht nachteilig ausgewirkt. Sein für das
SD-Hauptamt angefertigter Personal-Bericht
aus dem Jahr 1939 vermerkt statt dessen: „Dr.
Schumacher [ist] ein mit SS-Geist beseelter
und gefestigter Nationalsozialist und für Führungsaufgaben sehr geeignet.“
Im Februar 1939 wechselte Schumacher
von Düsseldorf zunächst nach Wien, dann als
Kripo-Dienststellenleiter nach Prag und
schließlich Ende 1940 – inzwischen zum Kriminalrat und SS-Hauptsturmführer ernannt –
116
Hans Schumacher (1907–1992), ca. 1938
(Bundesarchiv Berlin)
als Lehrer für Strafrecht an die Polizeischule
nach Pretzsch an der Elbe, wo im Frühjahr
1941 auch mit der Aufstellung der Einsatzgruppen begonnen wurde. Nach Kiew, wo er
als stellv. Kommandeur der Sicherheitspolizei
und des SD den Aufbau der Gestapo- und Kripodienststelle organisierte, kam Schumacher
Ende Oktober 1941. Nachdem die von Paul
Blobel und anderen angeführten Mordkommandos weiter nach Osten zogen, wurden die
mobilen Einheiten der Sicherheitspolizei und
des SD durch stationäre Dienststellen ersetzt.
Kein Zweifel also, daß Schumacher über die
Ende September 1941 durchgeführte Mordaktion an über 33.000 Juden aus Kiew informiert
war. Er blieb dort bis Juni 1942. Im August
desselben Jahres erfolgte dann seine Rückversetzung ins Reichssicherheitshauptamt nach
Berlin. Dort war er als Regierungsrat im Rang
eines SS-Sturmbannführers im Amt V für die
sogenannte „Verbrechensbekämpfung“ und
gleichzeitig als Untersuchungsführer und Gerichtsoffizier sowie bei der Kripoleitstelle Berlin tätig. Das Kriegsende erlebte Schumacher
in einem Lazarett in Nürnberg.
Bemerkenswert ist, daß Schumacher vor
Gericht bereitwillig seine Mitverantwortung an
den Verbrechen einräumte und sich durch detaillierte Aussagen an der Rekonstruktion des
Tatgeschehens beteiligte. So gab er nicht nur
uneingeschränkt zu, die Tötung von Juden in
mobilen Vergasungsanlagen persönlich angeordnet und überwacht, sondern auch zahlreiche
Exekutionen befohlen, selbst geleitet und sogar
eigenhändig getötet zu haben. Dabei konnte er
dem Gericht offenbar glaubhaft vermitteln, daß
er die Mordaktionen „nur mit großem Widerwillen“ und mit „innerer Abscheu“ durchgeführt und ihren Unrechtscharakter von Anfang
an erkannt hatte. Zudem konnte er vor den
Nachweis erbringen, daß er sich mehrfach –
und letztlich erfolgreich – bei seinem Vorgesetzten um eine Versetzung von seinem
Einsatzort in Kiew bemühte hatte. In der umfangreichen Urteilsbegründung erkannten die
Richter u.a. auch deshalb nur auf „Beihilfe
zum Mord“ und nicht auf Mittäterschaft. Schumacher begündete seine Mitwirkung an den
Verbrechen mit einem Argument, das die Richter zwar strafmildernd berücksichtigten, aber
zugleich auch als Beleg für seinen individuellen Tatbeitrag werteten: Schumacher gab an,
wegen seiner zunächst stets abschlägig beschiedenen Versetzungsgesuche zunehmend in
Resignation verfallen zu sein. Solange er aber
sein Kommando führte, wollte er von seinen
Untergebenen, also den Exekutionsschützen,
nicht mehr verlangen, als er selbst zu tun bereit
war. Außerdem habe er sich – auf baldige Ablösung von seinem Kommando hoffend – seinem Gehorsam als Beamter und seinem Soldateneid verpflichtet gefühlt. Einen „Befehlsnotstand“ machte Schumacher deshalb nicht geltend, weil er bei einer Befehlsverweigerung
sein Leben nicht als bedroht ansah.36
Für einige tausende der in Schumachers
Verantwortungsbereich verhafteten und „sicherheitspolizeilich“ behandelten Menschen
hatte dieses so verstandene Pflichtgefühl allerdings tödliche Konsequenzen. Denn trotz aller
persönlichen Skrupel und Hemmnisse entsprach Schumacher letztlich dennoch genau
dem, was die nationalsozialistischen Führer
von ihm als Beamten und Funktionär der sogenannten „Endlösung“ erwarteten. Obwohl der
Jurist gewiß nicht den Typus des ideologischen
Überzeugungstäters verkörperte und wohl
auch kein willfähriger Parteigänger der Nazis
war: Der von ihm und der Mehrheit seiner Generation verinnerlichte und verbindliche Kanon von Pflichterfüllung, Treue und Gehorsam, gepaart mit einem gefestigten, aber keineswegs zwangsläufig auf Mord programmierten Antisemitismus, haben das erschreckend
reibungslose Funktionieren des nationalsozialistischen Vernichtungsapparates erst ermöglicht und ihn über mehrere Jahre in Gang gehalten. Ein exterminatorischer, d.h. auf Vernichtung zielender Antisemitismus, wie ihn der
amerikanische Politologe Daniel J. Goldhagen
für NS-Täter generell annimmt, war daher eine
vielleicht erwünschte, aber keinesfalls die notwendige Voraussetzung einer aktiven Mitwirkung an der Ermordung von Juden.
Mit seinem weitreichenden Schuldeingeständnis und der Bereitschaft, die Verantwortung für seine Verbrechen zu übernehmen,
blieb Schumacher eine ganz seltene Ausnahme
unter allen vor Gericht angeklagten NS-Tätern.
Aber auch Schumachers Laufbahn nach 1945
markiert in gewisser Hinsicht eine Abweichung von der Regel. Bevor der promovierte
Jurist Anfang der 50er Jahre nach Wuppertal
zurückkehrte und zum Rechtsberater und Personalchef eines hiesigen Unternehmens avancierte, war er zeitweilig für den US-Geheimdienst und ab 1948 auch für einige Jahre als
Agent der sogenannten „Organisation Gehlen“,
dem Vorläufer des Bundesnachrichtendienstes,
tätig. Wir wissen heute, daß diese Organisation, aber auch der US-Geheimdienst zahlreiche zum Teil schwerstbelastete NS-Verbrecher,
vor allem aus dem Bereich ehemaliger Funktionseliten, nach 1945 übernommen und vermutlich auch gezielt vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt hat. Reinhard Gehlen war von
1942 bis zum Ende des Krieges im deutschen
117
Generalstab Chef der Spionageabteilung
„Fremde Heere Ost“ und als solcher bestens
mit der Sowjetunion vertraut. Bereits im März
1945 hatten Gehlen und seine engsten Mitarbeiter wichtige Dokumente über die UdSSR
auf Mikrofilm aufgenommen und sicher versteckt. Nach der Kapitulation übergaben sie
das Material an eine Abteilung der amerikanischen Gegenspionage – in kluger Voraussicht
der künftigen Frontverläufe und natürlich in
Erwartung einer entsprechenden Gegenleistung. Als Gehlen schließlich den Auftrag erhielt, in der amerikanischen Besatzungszone
einen Nachrichtendienst aufzubauen und zu
diesem Zweck ausgewiesene Fachleute rekrutierte, stellte sich auch Dr. Hans Schumacher
zur Verfügung.37 Auf die von Gehlen gewünschte Übernahme in den BND verzichtete
er jedoch ebenso wie auf die ab 1951 wirksam
werdenden Vergünstigungen des Artikels 131
des Grundgesetzes, der ihm die Rückkehr in
den öffentlichen Dienst ermöglicht hätte. Vor
Gericht begründete er seine Entscheidung damit, daß er sich wegen der ihm vorgeworfenen
Handlungen nicht für würdig genug halte, dem
Staat noch einmal als Beamter zu dienen.
3. Friedrich Bosshammer: Eichmanns „Judenberater“ in Italien bis 1968 Rechtsanwalt in Wuppertal
Bei dem dritten und letzten der hier vorgestellten NS-Täter handelt es sich um den früheren Wuppertaler Rechtsanwalt Friedrich Bosshammer, der 1972 u.a. wegen seiner Mitwirkung bei den Deportationen der italienischen
Juden nach Auschwitz zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt wurde. Er verdient in
besonderer Weise Aufmerksamkeit, denn seine
beharrlich forcierte, gleichwohl bescheidene
Nachkriegskarriere belegt anschaulich, wie unproblematisch es offenbar für viele schwerstbelastete NS-Verbrecher war, nach 1945 gesellschaftlich und beruflich wieder Fuß zu fassen. Bosshammer gehört, im Unterschied etwa
zu Hans Schumacher, in jene Kategorie der
ideologischen Überzeugungstäter, die sich vorbehaltlos in den Dienst der nationalsozialisti-
118
schen Vernichtungspolitik stellten und diese in
einem hohen Maße eigenverantwortlich und
willig in die Praxis umsetzten. Daß er nach
1945 wieder gesellschaftlich reüssieren
konnte, ist zum einen das Ergebnis einer nur
sehr halbherzig und unter Zeitdruck durchgeführten Entnazifizierung, zum anderen aber
auch das Resultat eines nahezu reibungslos und
ungemein selbstsicher ,durchgezogenen‘ Täuschungs- und Tarnmanövers, bei dem ihm –
vor allem hier in Wuppertal – offenkundig ein
Netzwerk gut funktionierender Beziehungen
behilflich war.
Geboren wurde Friedrich Bosshammer am
20.12.1906 in Opladen. Er enstammte einer
traditionsbewußten Handerwerkerfamilie, die
seit langem im Bergischen – in Remscheid, Solingen und Wermelskirchen – verwurzelt war.38
In Opladen machte Bosshammer 1926 das Abitur und studierte anschließend in Heidelberg
und Köln Staats- und Rechtswissenschaften.
1931 folgte das 1. Staatsexamen, 1935 nach
einer praktischen Ausbildung als Referendar
im Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf die
zweite große juristische Staatsprüfung.
NSDAP-Mitglied wurde er im Mai 1933. Da
Bosshammer das erst im zweiten Anlauf erreichte zweite Staatsexamen aber nur mit der
Note „ausreichend“ bestanden hatte, war der
von ihm ursprünglich angestrebte Richterberuf
in weite Ferne gerückt. Auf der offensichtlich
erfolglosen Suche nach einer seiner Ausbildung gemäßen Beschäftigung bot sich ihm die
Gelegenheit, „hauptamtlich“ in die Dienste der
Partei zu treten.39 Dort fungierte er von Sommer 1935 bis Herbst 1936 als Lager- und Kursusleiter der HJ und anschließend als Leiter eines „Kraft durch Freude-Jungarbeiterfreizeitlagers“ der I.G.-Farben. Anfang 1937 wurde
Bosshammer Angestellter beim Landesverband Rheinland für Deutsche Jugendherbergen
in Düsseldorf.
1936 trat Bosshammer aus der evangelischen Kirche aus. Im selben Jahr heiratete er
auch seine erste Frau. Aus dieser Ehe sind insgesamt vier Kinder hervorgegangen. Mitglied
der SS wurde er im September 1937, zu einer
Zeit, als sich die auf rasseideologischen Prinzipien gründende Eliteformation zunehmend zu
einer Organisation entwickelte, die jungen und
ehrgeizigen Intellektuellen, vor allem Juristen,
gute Aufstiegs- und Karrierechancen bot, aber
auch gescheiterten akademischen Existenzen
neue und vielversprechende Perspektiven
eröffnete und diese allmählich an die Theorie
und Praxis einer radikalen völkischen Neuordnung Deutschlands und Europas heranführte.
Nach eigenen Aussagen wurde Bosshammer
bereits kurz nach seinem SS-Beitritt auf Vermittlung eines früheren Schulkameraden
hauptamtlicher Angestellter beim Sicherheitsdienst der SS und war von Ende 1937 bis 1940
als sogenannter Referent für Judenfragen im
SD-Abschnitt Aachen tätig.40 Mit der Versetzung zum Inspekteur der Sicherheitspolizei
und des SD nach Wiesbaden, wo er von 1940
bis 1942 als Gerichtsoffizier und Untersuchungsführer für SS-interne Strafsachen zuständig war, hatte Bosshammer dann nicht nur
eine seiner Qualifikation gemäße Funktion erlangt, sondern offensichtlich auch den Beweis
seiner ideologischen und praktischen Zuverlässigkeit erbracht, zumal an diese Funktion besondere Anforderungen gestellt wurden.41
Erste Berührung mit dem engeren Kreis der
nationalsozialistischen Funktionselite bekam
Bosshammer im Zuge seiner Versetzung ins
Berliner Reichssicherheitshauptamt im Januar
1942, und zwar in das von Gestapo-Chef Heinrich Müller geleitete und für die sog. „Gegnerforschung- und Bekämpfung“ zuständige Amt
IV, das u.a. sämtliche Deportations- und Vernichtungsmaßnahmen gegen Juden vorbereitete, organisierte und durchführte. Es ist anzunehmen, daß die Versetzung Bosshammers in
die Berliner Zentrale unmittelbar mit der
„Wannsee-Konferenz“ vom Januar 1942 zusammenhängt. Auf dieser Konferenz waren unter der Federführung Reinhard Heydrichs die
Direktiven zur Deportation und Vernichtung
von rund 11 Millionen Juden aus den von
Deutschland besetzten oder mit ihm kollaborierenden Ländern Europas vereinbart und bereits erste organisatorische Vorbereitungen getroffen worden. Zur Realisierung dieses verbrecherischen Vorhabens benötigte das Reichssicherheitshauptamt ,fähiges‘ Personal, das bereits einschlägige – vor allem auch verwal-
Friedrich Bosshammer (1906–1972), ca. 1936/
38
(Bundesarchiv Berlin)
tungsjuristische – Erfahrungen in den regionalen Dienststellen des SD und der Gestapo gesammelt und sich dort bewährt hatte.
Im berüchtigten Referat IV B 4 „Judenangelegenheiten“, das von Adolf Eichmann geleitet wurde, bearbeitete Bosshammer zunächst
das Ressort „Vorbereitung der Lösung der europäischen Judenfrage in politischer Hinsicht“.
Im Kontext des NS-Vokabulars war dies eine
der zahlreichen Euphemismen, mit denen der
wahre Charakter der bevorstehenden Vernichtungsoperationen verschleiert werden sollte.
Konkret bestand die Aufgabe in der Beschaffung und Auswertung von Unterlagen, die für
die Vorbereitung, Durchführung, aber auch für
die Tarnung der geplanten Judendeportationen
notwendig waren. So redigierte Bosshammer
beispielsweise eine bebilderte Artikelserie, die
auf Veranlassung des Eichmann-Referates
Ende 1942 in zahlreichen slowakischen Zei-
119
tungen und Zeitschriften erschienen war und in
verharmlosender Weise über die Lage der bereits nach Auschwitz und in die Gegend von
Lublin deportierten rund 58.000 Juden aus der
Slowakei berichtete.42 Die als sogenannte
„Antigreuelpropaganda“ lancierte Artikelserie
zielte darauf ab, auch die mit einem sogenannten „Schutzbrief“ ausgestatteten slowakischen
Juden verhaften und nach Auschwitz-Birkenau
deportieren zu können.43 Darüber hinaus betreute Bosshammer in seinem Ressort die bei
den Kollaborationsregierungen tätigen sog.
„Judenberater“ des Reichssicherheitshauptamtes und gab deren Erfahrungsberichte an seinen
unmittelbaren Vorgesetzten Eichmann weiter.44
Im Rahmen seiner Tätigkeit entfaltete
Bosshammer anscheinend immer dann einen
besonderen Ehrgeiz, wenn sich Schwierigkeiten bei den Deportationen in den von Deutschland besetzten oder unter seinem Machteinfluß
stehenden Ländern einstellten. So etwa in Bulgarien, wo sich Teile der Bevölkerung schützend vor die Juden gestellt hatten und auch die
Regierung massive Einwände gegen die geplanten Deportationsmaßnahmen erhob. Im
Frühjahr 1943 waren die Verhandlungen über
die Deportation der rund 51.000 auf altbulgarischem Gebiet ansässigen Juden erheblich ins
Stocken geraten. Ein Zufall bot schließlich einen willkommenen Anlaß, mit Hilfe Bosshammers Druck auf die bulgarische Regierung auszuüben. Im Mai 1943 war ein deutscher Rundfunkingenieur bei einem Attentat in Sofia getötet und ein Jude als vermeintlicher Täter verhaftet worden. Gemeinsam mit dem im Außenministerium für „Judenangelegenheiten“ zuständigen Beamten regte Bosshammer an, diesen Vorfall gezielt auszunutzen:
[…] Es liegt im Interesse der vom Reichsführer-SS angestrebten Endlösung, daß in den
deutsch-bulgarischen Erörterungen über die
Ostevakuierung sämtlicher Juden aus Bulgarien die derzeitige, für Evakuierungsaktionen
besonders günstige Lage, wie sich insbesondere durch das letzte Attentat in Sofia eingetreten ist, mit allem Nachdruck ausgenutzt wird.45
In Italien, Bosshammers nächstem „Aufgabengebiet“, gingen seine Bemühungen um eine
Beschleunigung der „Endlösung“ allerdings
120
Friedrich Bosshammer (1906–1972), ca. 1938
(Landesarchiv Berlin)
weit über bloß taktische Empfehlungen hinaus.
Auch dort gab es Schwierigkeiten mit der Auslieferung von Juden an die Deutschen. Obwohl
Deutschlands engster Verbündeter (bis 1943),
und trotz der in Anlehnung an die „Nürnberger
Gesetze“ geschaffenen antijüdischen Gesetzgebung weigerte sich Mussolini beharrlich, die
in Italien lebenden Juden auszuliefern. In Italien und in den von Italien besetzten kroatischen und französischen Gebieten lebten damals rund 44.000 Juden. Als im September
1943 der „Duce“ gestürzt und verhaftet wurde
und seine Gegner einen Waffenstillstand mit
den Alliierten herbeiführten, verschlimmerte
sich die Lage der italienischen Juden dramatisch. Mit dem von einem SS-Kommando befreiten Mussolini an der Spitze, installierten
die Deutschen in Norditalien nun eine von ihnen abhängige Marionettenregierung. Eine ihrer ersten Anordnungen sah die unverzügliche
Einweisung aller im deutschen Einflußbereich
lebenden italienischen Juden in Konzentrationslager vor. Von dort aus sollten sie dann
anschließend in Sammeltransporten nach Aus-
chwitz-Birkenau deportiert werden.46
Als aber auch diese Maßnahmen nicht zu
den gewünschten Ergebnissen führten, empfahl das Auswärtige Amt in Berlin im Dezember 1943, deutsche Beamte nach Italien zu entsenden, die, als „Berater“ getarnt, die Konzentration und Deportation der italienischen Juden
überwachen sollten. Im Januar 1944 war der
mit den diesbezüglichen Vorbereitungen befaßte „Judenberater“ der Mussolini-Regierung,
Theodor Dannecker, abberufen worden und auf
seine Stelle der inzwischen zum Regierungsrat
und SS-Sturmbannführer47 ernannte Friedrich
Bosshammer nachgerückt. Er bezog er seine
Dienststelle beim Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD in Verona. Unverzüglich begann Bosshammer nun mit der Realisierung eines von ihm bereits im Dezember 1943
vorgelegten Plans, der seinerzeit aber aus taktischen Gründen zunächst zurückgestellt worden
war. Dieser Plan sah vor, von der italienischen
Regierung die Auslieferung aller in Konzentrationslager eingesperrten Juden zu verlangen
und diese dann unter deutscher Aufsicht umgehend nach Auschwitz-Birkenau zu deportieren.48
Zur Schaffung der dafür nötigen Rahmenbedingungen organisierte Bosshammer den
Neuaufbau eines Systems zur Erfassung, Konzentrierung und Deportation der italienischen
Juden, führte regelmäßige Inspektionen des bei
Modena gelegenen Sammellagers Fossoli di
Carpi durch, kümmerte sich persönlich um die
Beschaffung der notwendigen Transportmittel,
stellte eigenhändig Transportlisten zusammen
und überwachte sogar die Rekrutierung der
Zugbegleitkommandos.49 Bosshammers Radikalität übertraf sogar die Adolf Eichmanns.
Unter seiner Federführung wurden auch die bis
zur Jahreswende 1943/44 von der Deportation
ausgenommenen sogenannten „Judenmischlinge“ sowie die Partner aus „Mischehen“ mit
dem letzten aus Fossoli di Carpi abgehenden
Transport nach Auschwitz deportiert.50 Insgesamt sieben Transporte mit rund 4.700 Juden
gingen unter Bosshammers Regie nach Auschwitz. Die Gesamtzahl der deportierten Juden
aus Italien lag bei etwa 7.500. Nur ca. 800 von
ihnen haben überlebt. Für seinen „Einsatz“ in
Italien wurde Friedrich Bosshammer im April
1944 für das „Kriegsverdienstkreuz 1. Klasse
mit Schwertern“ vorgeschlagen. In der Begründung zur Ordensverleihung heißt es:
Bosshammer leitet seit Februar 1944 die
Bekämpfung der Juden im italienischen Raum.
Er hat sich dabei um die Endlösung der Judenfrage namhafte Verdienste erworben und sich
bei zahlreichen Judenaktionen persönlich ausgezeichnet.51
In Italien blieb Bosshammer bis Frühjahr
1945, zuletzt als Leiter der Außenstelle des Befehlshabers der Sicherheitspolizei und des SD
in Padua. Auf seiner Flucht nach Österreich geriet er im April 1945 – vermutlich getarnt als
Wehrmachtsangehöriger – in amerikanische
Gefangenschaft, wurde aber im September
desselben Jahres bereits wieder entlassen.
Unmittelbar nach seiner Entlassung kehrte
Bosshammer – offensichtlich aus Gründen der
Vorsicht und Tarnung – nicht zu seiner Familie
nach Wiesbaden zurück, sondern zog nach
Remscheid.52 Dort, in der Nähe seiner Verwandten (die Eltern lebten in Wermelskirchen,
seine Schwester in Wuppertal), wechselte er
seine Identität. Mit den Wehrmachtspapieren
seines Vetters ausgestattet, arbeitete er auf Vermittlung des Remscheider Arbeitsamtes unter
dem falschen Namen Max Müller bis Januar
1947 als Hilfsarbeiter in der Hobelfabrik E.C.
Emmerich in Remscheid-Hasten, wo sich der
ehemals hochrangige SS-Offizier und Regierungsrat Bosshammer „in bester Weise der Betriebsgemeinschaft eingeordnet [hatte] und
sich infolge seines einfachen, kameradschaftlichen Wesens […] der Wertschätzung der gesamten Betriebsangehörigen erfreute.“53 Vermutlich aufgrund einer anonymen Anzeige
wurde seine falsche Identität jedoch bekannt
und Bosshammer noch im selben Monat verhaftet und in ein Internierungslager der britischen Besatzungsbehörde nach Recklinghausen verbracht. Im anschließenden Spruchkammerverfahren – die Anklage lautete auf Mitgliedschaft in einer vom alliierten Militärtribunal in Nürnberg für verbrecherisch erklärten
Organisation – trat Bosshammer die Flucht
nach vorne an. Seine juristische Vertretung
übernahm der – im übrigen auch als (turnus-
121
mäßiger) Vorsitzender des Wuppertaler Entnazifizierungsberufungsausschusses tätige –
Rechtsanwalt Dr. Lüdecke aus Elberfeld.54 In
diesem Verfahren gab Bosshammer zwar bereitwillig zu, als Beamter im Reichssicherheitshauptamt und in Italien tätig gewesen zu
sein, aber niemals im Eichmann-Referat gearbeitet und nichts über den wahren Zweck der
Deportationen italienischer Juden gewußt zu
haben. Er erklärte, seine Hauptaufgabe habe lediglich darin bestanden, den Schwarzhandel
und die Korruption in den italienischen Verwaltungen zu bekämpfen und die Widerstandsbewegung zu kontrollieren. Den „Abtransport
und die Ansiedlung [der Juden] in unbevölkerte Gebiete des Reichs oder außerhalb des
Reiches“ betrachtete er als einen „kriegsbedingten Staatsnotstand“, leugnete aber, an diesen Aktionen beteiligt gewesen zu sein. Bosshammer erklärte ferner, es sei ihm nicht bekannt gewesen, „dass Juden in Konzentrationslager festgehalten worden sind, wenn nicht
staatspolizeiliche Gründe dazu vorlagen.“55
Zur weiteren Entlastung führte er an, daß ein
für ihn günstiges Leumundszeugnis des Bischofs von Padua eindeutig beweise, daß an
seiner Tätigkeit in Italien „in dieser Hinsicht“
nichts zu beanstanden sei.56 Dieser Version
folgte das Gericht weitgehend und verurteilte
Friedrich Bosshammer im März 1948 lediglich
wegen der Zugehörigkeit zu einer verbrecherischen Organisation zu einer einjährigen
Haftstrafe. Durch die Internierungshaft galt
dieses Urteil bereits als verbüßt. Dieses skandalös niedrige Strafmaß dürfte zunächst mit
zwei eher allgemeinen Faktoren zusammenhängen: Zum einen waren die in der Regel aus
einem Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen
Richtern zusammengesetzten und der alliierten
Oberaufsicht unterstellten Spruchkammergerichte notorisch überlastet und unter Druck.
Zum anderen gab es bei den alliierten Strafverfolgungsbehörden zu diesem Zeitpunkt nur
wenig detaillierte Informationen hinsichtlich
der Beteiligung der Sicherheitspolizei an Deportationen in den besetzten Ländern, erst
recht in Italien. Gleichwohl bleibt es – nicht
nur aus heutiger Sicht – unverständlich, daß
trotz der den Richtern bekannten hochrangigen
122
Funktion des „Zivilinternierten“ dessen Angaben über seine Tätigkeit im RSHA und insbesondere in Italien nicht mit größerem Mißtrauen begegnet und diese sorgfältiger überprüft wurden.
Ohne die vielen entlastenden Leumundszeugnisse, jene beliebten „Persilscheine“ also,
die Bosshammers (erste) Frau und sein Rechtsanwalt herbeigeschaftt hatten, wäre das
Spruchkammerurteil allerdings wohl kaum zu
rechtfertigen gewesen. Unter den Leumundszeugnissen, die allesamt das Bild eines „charakterlich einwandfreien Menschen“ zeichnen,
befand sich nicht nur das seines ehemaligen
Pfarrers aus Opladen57, der u.a. zur Entlastung
Bosshammers anführte, daß dieser einen Teil
seiner Referendarausbildung bei einem jüdischen Rechtsanwalt in Opladen absolviert
hatte und „nie politisch hervorgetreten oder aktiv im Sinne der Partei öffentlich tätig gewesen“ war, sondern auch das des bereits erwähnten Bischofs von Padua58 sowie das eines Pfarrers der Bekennenden Kirche, der Bosshammer
als SS-Untersuchungsführer in Wiesbaden
kennengelernt hatte.59 Besonders aufschlußreich ist das Leumundszeugnis einer
während der Internierungshaft Bosshammers
im Höseler Bethesda-Krankenhaus tätigen
Ärztin, einer guten Freundin seiner Schwester,
die mit dem späteren Chefarzt der Chirurgischen Abteilung der Bethesda-Klinik in Wuppertal verheiratet war. Im Haus seines Schwagers in der Platzhoffstraße 2 in Wuppertal-Elberfeld hatte Bosshammer Anfang der 50er
Jahre einige Zeit gewohnt und dort auch seine
erste Anwaltspraxis eröffnet. Bosshammer und
diese Ärztin waren sich 1942/43 in Berlin begegnet und hatten sich offenbar angefreundet.
In ihrem Entlastungszeugnis beschrieb sie ihre
Erinnerung an diese Zeit, in der Bosshammer
bereits vollständig in den Prozeß der „Endlösung“ involviert war:
[…] Mit großer Offenheit sprach er zu mir
über das, was ihn damals bewegte und bedrückte. Aus allem redete zu mir ein herzensguter, ehrlicher, gerecht empfindender Mensch,
hilfsbereit und zuverlässig. […]
Er [Bosshammer] habe sich damals zum
Studium der Rechtswissenschaften aus einem
inneren Drang heraus, einmal wirkliches Recht
zu sprechen, entschlossen. Nach Studienabschluß kam die erste Enttäuschung angesichts
der äußerst schlechten Berufsaussichten. Später Übernahme in den S.D. und die Unmöglichkeit, davon wieder loszukommen. Das einzige,
was er tun konnte, um sich und seiner Grundeinstellung zum Recht treu zu bleiben, war, innerhalb seines Wirkungsbereiches […] für
Ordnung, Sauberkeit und Gerechtigkeit zu sorgen unter rückhaltlosem Einsatz seiner ganzen
Person.
Auf Grund meiner Menschenkenntnis, die
zu erwerben man im ärztlichen Beruf reichlich
Gelegenheit hat, glaube ich sagen zu können,
daß Herr Bosshammer bei seinen charakterlichen Qualitäten und bei seinem Wesenszug, im
anderen Menschen stets das Gute zu wecken,
keinem Wesen ein Unrecht zu tun überhaupt in
der Lage ist.60
Aus heutiger Sicht ist es fast unmöglich,
präzise zu bestimmen, ob diese Loyalitätsbezeugung ehrlicher Auffassung und tatsächlicher
Ahnungslosigkeit entsprach, oder möglicherweise ein bewußt ,geschöntes‘ Bild, das der engen Beziehungen zur Person Bosshammers und
seiner Familie geschuldet war. Für die erste Annahme spricht, daß diese Eindrücke mit den in
den anderen Leumundszeugnissen vorgebrachten und durchaus glaubhaft wirkenden Erinnerungen an Bosshammer korrespondieren. Das
in diesen Dokumenten gezeichnete Persönlichkeitsprofil Bosshammers war gewiß nur schwer
mit dessen aktiver Teilhabe an der „Endlösung“
in Einklang zu bringen. Gleichwohl trifft diese
fast eine Persönlichkeitsspaltung nahelegende
Charakterisierung auf zahlreiche hochrangige
NS-Täter zu; diese indiziert geradezu die erschreckende – und den schmalen Grat zwischen
Normalität und Verbrechen markierende – Doppelgesichtigkeit der nationalsozialistischen
Vernichtungspolitik. Die Charakterisierung
Bosshammers als eines „zuverlässigen, ehrlichen und gerecht empfindenden Menschen“
fügten sich in jedem Fall nahtlos in die von ihm
und seinem Rechtsanwalt den Spruchkammerrichtern offerierte Version einer ,schuldlosen
Verstrickung‘ und Nichtteilhabe an den NSVerbrechen. Wie bereitwillig das Gericht dieser
Version folgte, dokumentiert die Urteilsbegründung im Fall Bosshammer vom 13. April 1948:
Das Gericht hat aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom Angeklagten einen recht
guten Eindruck gewonnen. Er war geständig.
Sein anständiges männliches Verhalten zeigt,
dass ihn sein schweres persönliches Erleben
nach dem Zusammenbruch des Reichs geläutert hat. Er sieht seine Vergangenheit jetzt in einem anderen Licht. Trotz seiner früheren
Tätigkeit kann nicht bezweifelt werden, daß er
beim Aufbau eines freien Deutschland seine
Kraft einsetzen wird.61
Derartige Unbedenklichkeitsatteste waren
– zumindest was den Großteil ehemaliger NSFunktionseliten betraf – keineswegs die Ausnahme, sondern entsprachen der Regel. Sie ebneten Bosshammer und zahlreichen anderen
Tätern den Weg zurück in die Gesellschaft und
legten das Fundament für den erfolgreichen sozialen und beruflichen Wiederaufstieg. Das
sich unmittelbar an das Spruchkammerverfahren anschließende Entnazifizierungsverfahren
vor dem Wuppertaler Entnazifizierungsausschuß war daher fast nur noch eine Formsache
und endete für ihn – nachdem sein Wuppertaler
Rechtsanwalt auch die Berufung erfolgreich
durchgefochten hatte62 – im November 1948
mit einer Einstufung in die Kategorie IV – als
Mitläufer. Zwei Jahre brauchte es allerdings
noch, um wieder an die juristische Laufbahn
anknüpfen zu können. Auch hier erwiesen sich
einmal mehr die Politiker als äußerst entgegenkommend. Im Oktober 1950 empfahl nämlich
der Deutsche Bundestag den Ländern, die noch
laufenden Entnazifizierungsverfahren einzustellen und die mit der Entnazifizierung verbundenen Berufsbeschränkungen aufzuheben.63 Offenbar noch im selben Monat beantragte Bosshammer deshalb beim Oberlandesgericht in Düsseldorf die Übernahme in den
anwaltlichen Anwärterdienst.64 Nachdem
schließlich im Februar 1952 auch in Nordrhein-Westfalen das Gesetz zum Abschluß der
Entnazifizierung wirksam wurde, erhielt Bosshammer noch im August desselben Jahres beim
Wuppertaler Amts- und Landgericht seine endgültige Zulassung als Rechtsanwalt. Seine Anwaltspraxis eröffnete er dann zunächst im Haus
123
seines Schwagers in der Elberfelder Platzhoffstraße, und kurz darauf an seinem neuen
Wohnsitz in der Kärtnerstraße 13 in Vohwinkel, wo Bosshammers zweite Ehefrau ein Haus
und eine Metzgerei besaß.
Die kleine Kanzlei, die zwar gut ausgelastet
war, aber wohl nicht besonders ambitioniert geführt wurde, befaßte sich hauptsächlich mit zivilrechtlichen Angelegenheiten. Bosshammers
Anwaltspraxis profitierte indes nachhaltig von
den Anfang der 60er Jahre im Zusammenhang
des Baus der Stadtautobahn A 46 angestrengten
Enteigungs- und Entschädigungsverfahren betroffener Vohwinkler Hauseigentümer und
Grundstücksbesitzer.65 In diesen Kreisen erwarb
sich Bosshammer durch sein juristisches Engagement hohes Ansehen.66 Zwar waren zahlreiche Gerüchte im Umlauf, er sei „ein hohes Tier“
in der SS gewesen, genaueres wußte man darüber wohl aber nicht bzw. wollte man in seinem
persönlichen und gesellschaftlichen Umfeld
möglicherweise auch nicht in Erfahrung bringen.67 Gesellschaftliche Aktivität entfaltete der
als sehr gesellig geltende und regelmäßig bei
kammermusikalischen Abenden seines Schwagers als Pianist auftretende Bosshammer u.a. als
Vorstandsmitglied des Bürgervereins Vohwinkel-Nord. Eine gewisse lokale Prominenz erlangte er in seiner Funktion als juristischer Vertreter der seinerzeit zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossenen drei Vohwinkler Bürgervereine. Ende 1960 hatte diese Arbeitsgemeinschaft beim Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen einen lebhaft diskutierten und umstrittenen Antrag auf Ausgliederung des Stadtteils Vohwinkel aus dem Stadtgefüge Wuppertals gestellt und die Neubildung einer selbständigen Stadt angeregt. Beauftragter
Unterzeichner dieses Antrags war Friedrich
Bosshammer, unter dessen Vohwinkler Kanzleiadresse die ,AG‘ überdies firmierte.68 Die
Tatsache, daß sich der frühere „Judenberater“
und enge Mitarbeiter Adolf Eichmanns derart
öffentlich exponierte und damit immerhin riskierte, daß man auch außerhalb Wuppertals, ja
sogar an höchsten Stellen auf ihn aufmerksam
wurde, läßt vermuten, daß Bosshammer sich
vor einer Strafverfolgung durch die deutschen
Justizbehörden ziemlich sicher fühlte.
124
Als 1963 neue Aktenfunde aus dem Potsdamer Zentralarchiv auftauchten und an die
„Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen“ in Ludwigsburg weitergeleitet wurden, setzen gegen ihn und andere
ehemalige leitende Beamte des Reichsicherheitshauptamtes Ermittlungen ein, die schließlich am 11. Januar 1968 zur Verhaftung Bosshammers in Wuppertal führten.69 Mitte Mai
1971 lag die 634 Seiten umfassende Anklageschrift vor, der Prozeß selbst begann Anfang
Juni. Während dieses Prozesses wurden insgesamt 150 Zeugen vernommen, über 120 NSDokumente als Beweise vorgelegt und mehrere
Historiker aus Deutschland und Italien als Gutachter gehört. Nach knapp einjähriger Verhandlungsdauer sprachen die Richter Bosshammer als eines „mit Hitler, Himmler und
Eichmann gemeinschaftlich handelnden Mittäters wegen vorsätzlichen Mordes schuldig“
und verurteilten ihn zu lebenslänglicher Haft.70
Die Richter sahen es als zweifelsfrei erwiesen
an, daß sich Bosshammer mit besonderem Eifer und „Radikalität in der Behandlung der Judenfrage“ hervorgetan und „sich den der nationalsozialistischen Weltanschauung innewohnenden Rassenhaß“ zu eigen gemacht hatte.71
Während des Verfahrens hatte Bosshammer
zwar eine Mitverantwortung an den Verbrechen eingeräumt, seine direkte Mitwirkung
daran jedoch hartnäckig geleugnet und seine
Unschuld beteuert. Der Versuch seiner Verteidiger, ihn nicht als aktiven Mittäter, sondern lediglich als „Tatgehilfen“ zu belangen, schlug
angesichts der erdrückenden Beweislast fehl.
Ein halbes Jahr nach der Urteilsverkündung
verstarb Bosshammer in der Haft an den Folgen eines Gehirnschlags. Anläßlich seiner Beerdigung am 21. Dezember 1972 fand in der –
vollbesetzten – Kapelle des Friedhofs Ehrenhainstraße ein Trauergottesdienst für den Verstorbenen statt.72 Da offensichtlich die evangelischen Pfarrer in Vohwinkel die Durchführung
einer solchen Zeremonie verweigert hatten,
wurde Bosshammers Berliner Anstaltsseelsorger, der gute Beziehungen zum damaligen Vohwinkler Gemeindepfarrer unterhielt, damit beauftragt.73 Der Berliner Seelsorger würdigte in
seiner Trauerrede, deren Text an die anwesen-
den Trauergäste verteilt wurde, Bosshammer
als einen tiefgläubigen, künstlerischen und
sensiblen Menschen, der in ungerechtfertigter
Weise das Opfer von Staatsanwälten geworden
war, die ihres Alters wegen „das damalige Geschehen nicht verstehen und nachempfinden“
können. Viel war in dieser Rede auch von
Gottes Gnade, göttlichen Gleichnissen und den
Bomben auf deutsche Städte zu hören. Wörter
wie Schuld und Verantwortung, oder gar eine
Geste des Mitgefühls für die von Bosshammer
in den Tod geschickten Menschen sucht man in
dieser Rede allerdings vergebens.74
III. Zusammenfassung und Perspektiven
für weitere Nachforschungen
Abschließend seien hier noch einmal einige
signifikante Merkmale der in diesem Beitrag
vorgestellten NS-Täter hervorgehoben, denn in
vielerlei Hinsicht sind sie für den Kreis der
ehemaligen nationalsozialistischen Funktionseliten der mittleren Ebene in SS, SD, Gestapo
und im Reichssicherheitshauptamt insgesamt
charakteristisch:
Erstens: Diese Männer entsprechen in keiner Weise dem populären Klischee des intellektuell beschränkten, nur auf Befehl und Gehorsam gedrillten „Nazi-Schergen“, dem ein
verbrecherisches Regime die Lizenz zu Terror
und Mord erteilt hatte und von denen sich
heute zu distanzieren nicht allzu schwer fallen
dürfte.
Zweitens: Diese Männer kamen nicht vom
Rand, sondern aus der Mitte der deutschen Gesellschaft und waren dort eng in soziale und familiäre Kontexte eingebunden. Sie besaßen in
der Regel eine über dem (deutschen) Durchschnitt liegende Bildung, hatten studiert, vielfach sogar promoviert und waren keineswegs
von Beginn an auf eine Laufbahn im nationalsozialistischen Terror- und Vernichtungsapparat abonniert. Gleichwohl nutzten sie bewußt
und zielstrebig die mit ihrem Eintritt in die SS
verbundenen Karriere- und Aufstiegschancen.
Drittens: Ihre verbrecherischen Handlungen resultieren aus einem Bündel sich ergänzender Motivzusammenhänge und Erklärungs-
muster: Gehorsam und Pflichtbewußtsein,
Karrierestreben, Männlichkeitsideale von
Härte gegen sich und andere, Abschottung gegen Humanitätsideale. Dazu gehörte aber auch
eine gefestigte völkisch-nationale und antisemitische Weltanschauung und ein Menschenbild, das auf biologisch-rassistischen
Prinzipien beruhte.
Viertens: Kurt Hans, Hans Schumacher und
Friedrich Bosshammer gehörten einer Generation an, deren Einstellungen, Überzeugungen
und Verhaltensmuster bereits vor 1933 entscheidend geprägt wurden. Alle drei waren in
einem protestantischen Milieu herangewachsen. Die Fundamente ihres humanen, sozialen
und moralischen Wertekanons wurden nicht
erst im „Dritten Reich“ gelegt, sondern waren
bereits bei Machtantritt Hitlers wesentlich vorgebildet.
Fünftens: Nach 1945 sind diese Männer in
der Regel wieder in die Normalität und Bürgerlichkeit zurückgekehrt und haben sich – mit
Hilfe großzügiger Integrationsangebote aus
Politik und Gesellschaft – überwiegend erfolgreich in der deutschen Nachkriegsgesellschaft
etabliert. Die meisten, die im Reichssicherheitshauptamt als sog. „Schreibtischtäter“
wirkten, wurden niemals von einem deutschen
Gericht zur Verantwortung gezogen.75
Bei der Beantwortung der Frage nach den
Voraussetzungen für die bewußte Komplizenschaft mit einem verbrecherischen Regime
wird man diese Faktoren mit einbeziehen und
die Geschichte der Täter gleichsam als „Kollektivbiographie“ einer spezifischen Generation untersuchen und in eine Gesellschaftsgeschichte Deutschlands nicht nur während der
NS-Zeit, sondern auch und vor allem der Jahre
vor 1933 und nach 1945 einordnen müssen. Einen solchen Ansatz vertreten vor allem die Historiker Michael Wildt und Ulrich Herbert im
Rahmen ihrer Untersuchungen über das
Führungspersonal des Reichssicherheitshauptamtes und von Sicherheitspolizei und SD, das
die eigentliche Kerngruppe der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik bildete.76
Abschließend: Wünschenswert wäre es, im
Rahmen lokaler und regionaler Untersuchungen zum Nationalsozialismus neben den Tätern
125
verstärkt auch jene Institutionen in den Blick
zu nehmen, die hier vor Ort an Entrechtung
und Verfolgung von Juden, politischen Gegnern, Sinti und Roma und anderen „unerwünschten“ Personen, an Terror, an Deportations- und Vernichtungsmaßnahmen mitgewirkt
und von der Beraubung der Juden oder der
Ausbeutung von Zwangsarbeitern profitiert haben. Zu diesen Institutionen zählen etwa die Finanz- und Arbeitsämter, Behörden der Stadtverwaltung, Justizeinrichtungen, zahlreiche
Firmen, die Industrie- und Handelskammer,
die Reichsbahn und die lokalen und regionalen
Dienststellen von Polizei und Gestapo. Über
die Tätigkeit dieser Institutionen und ihres Personals hier in Wuppertal wissen wir kaum etwas. Der 70. Geburtstag der Stadt Wuppertal
wäre ein guter Anlaß, auch solche bisher vernachlässigten Themen mit auf die Agenda der
Stadtgeschichte zu setzen.
Anmerkungen
1 Geringfügig veränderte Version eines Vortrags
auf der Jahreshauptversammlung des Bergischen Geschichtsvereins, Abt. Wuppertal am
4.3.1999.
2 Michael Okroy: Paul Blobel – Architekt, Familienvater, Massenmörder. Eine regionale Täterskizze. In: Hier wohnte Frau Antonie Giese. Die
Geschichte der Juden im Bergischen Land. Essays und Dokumente. Hrsg. vom Trägerverein
der Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal
e.V., Wuppertal 1997 (2. Aufl.), S. 92–98.
3 Ebd., S. 40–44: ,Durch die Enge geführt‘. Zur
Entstehung und Konzeption des „Nebenthemas“.
4 So etwa der als zeitweiliger Kommandant eines
Arbeitslagers in Polen tätige Artur Gosberg aus
Beyenburg, der u.a. in den Gaskammern des
Vernichtungslagers Belzec eingesetzte SSScharführer Werner Dubois aus Langerfeld oder
die beiden maßgeblich an der Judenmordaktion
in Bialystok vom 27. Juni 1941 beteiligten Wuppertaler Polizeioffiziere Heinrich Schneider und
Rolf-Joachim Buchs.
5 Vgl. Michael Okroy: Exzeßtäter, Fanatiker, Karrieristen. Prozesse wegen nationalsozialistischer
Gewaltverbrechen vor Wuppertaler Gerichten.
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18
In: Romerike Berge, Jg. 47, H. 3 (1997),
S. 24–32.
Zitiert nach: Norbert Frei: Vergangenheitspolitik
in den fünfziger Jahren. In: Wilfried Loth, Bernd
A. Rusinek (Hg.): Verwandlungspolitik. NS-Eliten in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft. Frankfurt/New York 1998, S. 79–93.
Vgl. Cornelia Rauh-Kühne: Die Entnazifizierung und die deutsche Gesellschaft. In: Archiv
für Zeitgeschichte 35 (1995), S. 35–70; Clemens
Vollnhals: Evangelische Kirche und Entnazifizierung 1945–1949. Die Last der nationalsozialistischen Vergangenheit. München 1989 sowie
ders. (Hg.): Entnazifizierung. Politische Säuberung und Rehabilitierung in den vier Besatzungszonen 1945–1949. Münschen 1991.
Ulrich Herbert: NS-Eliten in der Bundesrepublik. In: W. Loth, B.A. Rusinek (Hg.): Verwandlungspolitik, a.a.O., S. 93–115, hier: S. 102.
Office of Intelligence Research. Report Nr.
4626, 15.4.1948: „Der gegenwärtige Stand der
Entnazifizierung in Westdeutschland und Berlin“. Abgedr. in: Alfons Söllner (Hg.): Zur Archäologie der Demokratie in Deutschland. Bd.
2. Frankfurt/M. 1986, S. 217–249.
Siehe dazu detailliert Norbert Frei: Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesrepublik
und die NS-Vergangenheit. München 1996.
HStAD (Nebenstelle Kalkum) Bestand Rep.
247/1–67: Verfahrensakten des Bialystok-Prozesses vor dem LG Wuppertal.
Joachim Perels: Vom Sturm auf die Stasi-Zentrale und der Kartei der Gestapo. In: Frankfurter
Rundschau, 23.4.1992, S. 17.
Ulrich Herbert: Best. Biographische Studien
über Radikalismus, Weltanschauung und Vernunft 1903–1989. Bonn (3. Aufl.) 1996.
Siehe dazu detailliert N. Frei (1996), a.a.O.
Rheinische Post, 2.2.1951.
Siehe dazu Ernst Klee: Persilschein und falsche
Pässe. Wie die Kirchen den Nazis halfen. Frankfurt/M. (3., überarb. Aufl.) 1992.
Thorsten Schmitz: Blutbande. In: Süddeutsche
Zeitung Magazin Nr. 46, 13.11.1998.
„Friede auch den Menschen bösen Willens“. Interview mit Prof. Dr. Hermann Schlingensiepen
anläßlich seines 70. Geburtstages. In: Westdeutsche Rundschau (Stadt Wuppertal) Nr. 186,
13.8.1966. Unter dem Titel: „Adolf Eichmann
und wir“ publizierte Schlingensiepen in der
Zeitschrift „Politisch-Soziale Korrespondenz“
(Bonn) am 1.2.1962 seine Reflexionen über den
Eichmann-Prozeß.
19 „Friede sei den Menschen, die bösen Willens
sind“. Sonntagsblatt, (ca.) 25.5.1965.
20 Abgedruckt in Reinhard Henkys: Die nationalsozialistischen Gewaltverbrechen. Geschichte
und Gericht. Stuttgart/Berlin 1964, S. 339–342.
Um 1960 hatte Professor Schlingensiepen darüber hinaus einen umfangreichen und über mehrere Jahre andauernden Briefwechsel mit der in
NS-Strafsachen engagierten Staatsanwältin Dr.
Barbara Just-Dahlmann geführt. Diesen kommentierte die Staatsanwältin in ihrem 1988 erschienenen Buch „Die Gehilfen. NS-Verbrechen
und die Justiz nach 1945“ wie folgt: Ferner hatten wir einen sehr umfangreichen Briefwechsel
[…] mit Professor D.H. Schlingensiepen in
Wuppertal/Barmen, der in zahlreichen, intensiven und unendlich langen Schreiben glaubte,
uns – schon zu diesem Zeitpunkt – an „Gnade“
und „Vergebung“ erinnern zu müssen. Wir hingegen fanden, daß erst einmal „Recht“ zu sprechen sei. Es war eine anstrengende Korrespondenz… (S. 110).
21 Ulrich Herbert: NS-Eliten in der Bundesrepublik, a.a.O., S. 109.
22 C. F. Rüter u.a. (Hg.): Justiz und NS-Verbrechen.
Sammlung deutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen 1945–
1966. Amsterdam 1968ff. In Bearbeitung inzwischen auch die ab 1966 bis 1999 gefällten westdeutschen Strafurteile. In Vorbereitung befindet
sich ferner die Publikation „DDR-Justiz und
NS-Verbrechen“ mit Strafurteilen von 1945 bis
1990.
Für eine Übersicht und Vorrecherche sehr zu
empfehlen: C. F. Rüter/D. W. de Mildt: Die westdeutschen Strafverfahren wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen 1945–1997. Eine
systematische Verfahrensbeschreibung mit Karten und Registern. Amsterdam/München 1998.
23 Peter Klein (Hg.): Die Einsatzgruppen in der besetzten Sowjetunion 1941/42. Die Tätigkeitsund Lageberichte des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD. Berlin 1997.
24 Näheres dazu bei Stephan Stracke: Mit rabenschwarzer Zuversicht. Kommunistische Jugendliche in Wuppertal 1916–1936. Milieu und Widerstand. Bocholt/Bredevoort 1998, hier: S. 54f.
25 Wichtige biographische Informationen, die für
die eigenen Recherchen noch einmal verifiziert
und ergänzt wurden, enthält der Aufsatz von Peter Fasel: „Von Babij Jar nach Würzburg. Die
blutige Karriere des Kurt Hans.“ In: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst. Band
26
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47 (1995), S. 27–46. Der Beitrag dokumentiert
darüber hinaus zentrale Passagen aus der umfangreichen Anklage- und Urteilsschrift gegen
Hans und andere Männer des Blobel-Kommandos.
Siehe Adressbuch der Stadt Wuppertal von
1940/41 s.v. „Preußische Staatsbehörden und
Organisationen behördlichen Charakters“.
Ein aufschlußreiches Indiz für das enge personelle Geflecht von staatlicher Polizei und Gestapo und SD vor Ort liefern zwei im NRWHauptstaatsarchiv Düsseldorf (HStAD) lagernde Dokumente. Das eine enthält eine Aufforderung des Wuppertaler Polizeipräsidenten
vom 6. Juli 1938, ein Verzeichnis der seiner Aufsicht unterstellten jüdischen Vereine und Organisationen anzufertigen. Das zweite Dokument
führt – möglicherweise als Beitrag zu der vom
SD-Hauptamt reichsweit geplanten sog. „Judenkartei“ – eine Liste mit jüdischen Vereinen und
Organisationen aus Wuppertal, Remscheid und
Solingen auf und wurde am 8. Juli 1938 von der
Gestapo-Außenstelle Wuppertal an die Staatspolizeistelle Düsseldorf gesandt. HStAD RW
18–36 Bl. 2–4. Detailliert bei Michael Wildt
(Hg.): Die Judenpolitik des SD. Eine Dokumentation. (Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für
Zeitgeschichte Bd. 71.) München 1995.
Vgl. dazu meinen Beitrag über Paul Blobel in
Romerike Berge Jg. 46, H. 3 (1996), S. 20–27.
Einzelheiten dazu sowie Auszüge aus Vernehmungsprotokollen und Zeugenaussagen im allierten Strafverfahren gegen Hans siehe Peter
Fasel: Von Babij Jar nach Würzburg, a.a.O.
Über den Prozeßbeginn berichtete u.a. auch die
NRZ am 3.10.1967 in ihren „Wuppertaler Stadtnachrichten“: „Massenmordprozeß in Darmstadt: Auch ein Wuppertaler steht vor Gericht.“
Eine vom Bundesjustizministerium Ende 1993
veröffentlichte Statistik belegt dies anhand einiger aufschlußreicher Zahlen. Zwischen 1948 bis
Ende 1993 wurden gegen insgesamt 105.688
Personen Ermittlungsverfahren wegen NS-Verbrechen eingeleitet. Rechtskräftig verurteilt
wurden 6494 Angeklagte. Nur in 178 Fällen erhielten NS-Verbrecher die Höchststrafe – bis
1949 zwölfmal die Todesstrafe und 166mal lebenslänglich. Der überwiegende Teil der übrigen Verurteilten kam mit Haftstrafen von unter
10 Jahren davon.
Dazu detailliert Birgit Nehmer: Die Täter als
Gehilfen? Zur Ahndung von Einsatzgruppenverbrechen. In: Redaktion Kritische Justiz (Hg.):
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Die juristische Aufarbeitung des UnrechtsStaats. Baden-Baden 1998, S. 635–669.
Die Angaben zu Laufbahn und Karriere Schumachers bei Polizei-, SS und Reichssicherheitshauptamt (RSHA) sind seiner im Bundesarchiv
Berlin aufbewahrten SS-Offiziersakte (SSOSchumacher) entnommen. Wichtige Hinweise
auf Schumachers Nachkriegskarriere bei Heiner
Lichtenstein: „Freiwillig verzichtet. Ein Polizist
zeigt Reue.“ In: Ders.: Himmlers grüne Helfer.
Die Schutz- und Ordnungspolizei im „Dritten
Reich“. Köln 1990, S. 132–143.
Das Strafurteil ist abgedruckt in C.F.Rüter u.a.
(Hg.): Justiz und NS-Verbrechen, Bd. 18, a.a.O.
S. 65–132.
Dazu die umfangreiche Studie von Jens Banach:
Heydrichs Elite. Das Führerkorps der Sicherheitspolizei und des SD 1936–1945. Paderborn
1998.
C. F. Rüter u.a. (Hg.): Justiz und NS-Verbrechen, a.a.O., S. 112f.
Siehe dazu H. Lichtenstein: Himmlers grüne
Helfer, a.a.O. S. 133, ferner Gerhard Paul:
„Zwischen Selbstmord, Illegalität und neuer
Karriere. Ehemalige Gestapo-Bedienstete im
Nachkriegsdeutschland.“ In: G. Paul/Michael
Mallmann (Hg.): Die Gestapo. Mythos und Realität. Darmstadt 1995, S. 529–551.
Bundesarchiv Berlin (BAB), Aktenbestände des
Rasse- und Siedlungshauptamtes: SS-Ahnentafel
Bosshammer. Bei SS-Angehörigen mußte die
„arische“ Abstammung bis 1800, bei SS-Führern
„möglichst“ bis 1750 nachgewiesen werden.
In Bosshammers Lebenslauf vom 4.6.1948, den
er im Rahmen seines Entnazifizierungsberufungsverfahren anfertigen mußte, ist von dieser
Parteiaktivität selbstverständlich nicht die Rede
(siehe: HStAD NW–1037-B I–8877) Eine den
wirklichen Tatsachen näher kommende Version
enthält ein handschriftlicher Lebenslauf vom
März 1940, der sich in seiner SS-Personalakte
befindet (siehe: BAB/SSO-Bosshammer).
Zum Sozial- und Tätigkeitsprofil der den mittleren und leitenden Dienst des SD bildenden Referenten siehe Jens Banach: Heydrichs Elite,
a.a.O., S. 300f.
Ebd. S. 301.
Als erster der vom Deutschen Reich abhängigen
Satellitenstaaten hatte sich die von dem katholischen Priester Josef Tiso regierte Slowakei im
September 1941 eine den „Nürnberger Gesetzen“ entsprechende antijüdische Gesetzgebung
zu eigen gemacht und sich bereitwillig mit der
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Deportation ihrer Juden, die im März 1942 begann, einverstanden erklärt.
ZStL AR 1310/63 E 5, Bd. V, S. 779ff. (Verfahren des Kammergerichts Berlin – 1 Js 1/65 und 1
Ks 1/71 – gegen Friedrich Bosshammer u.a.)
Claudia Steur: Theodor Dannecker. Ein Funktionär der „Endlösung“. Essen 1997, S. 98.
Zitiert nach dem von Bosshammer verfaßten
und unterzeichneten Protokoll des Gesprächs
mit Legationsrat von Thadden am 14.5.1943.
ZStL 415 AR 1310/63 E 5, Bd. V, S. 774–776.
Einen ersten informativen Überblick über den
Komplex „Judendeportationen aus Italien“ bietet
der ,italienische‘ Beitrag von Liliana Picciotto
Fargion in dem von Wolfgang Benz herausgegebenen Sammelband: Dimension des Völkermords. Die Zahl der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus. München 1996, S. 199–229.
Dem Vorschlag zur Beförderung zum Sturmbannführer (24.6.1943) ist eine von Bosshammers unmittelbarem Vorgesetzten Adolf Eichmann verfaßte und unterzeichnete Beurteilung
beigefügt. (BAB/SSO-Bosshammer)
ZStL AR 1310/63 E 5, Bd. V, S. 795f.
Ebd. S. 804ff.
Wolfgang Benz: Dimension, a.a.O. S. 206.
ZStL AR 1310/63 E 5, Bd. V., S. 1095.
Bosshammers Rückkehr ins Bergische läßt sich
fast lückenlos anhand seiner Spruchkammerverfahrensakte rekonstruieren. Bundesarchiv Koblenz (BAK), Bestände Spruchgerichte in der
Britischen Zone, Z 42 VI/1098: Verfahrensakten
des Spruchgerichts Recklinghausen zu Fritz
Bosshammer.
BAK, Z 42 VI/1098, Bl. 57.
Ebd. Bl. 35. Dazu auch detailliert: Anselm
Faust: Entnazifizierung in Wuppertal: Eine Fallstudie. In: Stephan Lennartz (Red.): Deutsche
Nachkriegswelten. (Bensberger Protokolle 76).
Bergisch-Gladbach 1992, S. 41–58.
Vernehmungsprotokoll des „Zivilinternierten“
Friedrich Bosshammer vom 18.6.1947. BAK, Z
42 VI/1098, Bl. 2f.
Ebd. Bl. 3.
Ebd. Bl. 16.
Ebd. Bl. 19f.
Ebd. Bl. 18.
Ebd. Bl. 17.
Ebd. Bl. 66ff., hier: Bl. 67f.: Schriftlicher Urteilstext der 8. Spruchkammer des Spruchgerichts Recklinghausen. Das mündliche Urteil
war bereits am 18.3.1948 ergangen.
HStAD NW–1037 B I 8877 (Akten des Sonder-
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beauftragten für die Entnazifizierung im Lande
Nordrhein-Westfalen).
Zu den Auswirkungen in NRW siehe: Wolfgang
Krüger: Entnazifiziert! Zur Praxis der politischen Säuberung in Nordrhein-Westfalen. Wuppertal 1982 und Irmgard Lange: Entnazifizierung in Nordrhein-Westfalen. Richtlinien, Anweisungen, Organisation. Siegburg 1976.
BAK Z 42 VI/1098, Bl. 76.
Zitiert nach einem schriftlich fixierten Gesprächsprotokoll mit einer früheren Kanzleiangestellten Bosshammers vom Frühjahr 1999.
Welche Rolle in diesem Zusammenhang der von
mehreren Zeitzeugen immer wieder genannte
„Freundeskreis Boltenberg“, ein Zusammenschluß vermögender und einflußreicher Bürger,
spielte, bedarf noch weiterer Recherchen. Genauere Auskünfte darüber gibt vermutlich der
bei der Friedrich-Ebert-Stiftung deponierte
Nachlaß des verstorbenen früheren Wuppertaler
SPD-Bundestagsabgeordneten Adolf Scheu aus
Vohwinkel. Angeblich existiert auch ein – bislang noch nicht aufgefundener – Nachruf dieses
„Freundeskreises“ auf den im Dezember 1972
verstorbenen Bosshammer.
Zu den bislang noch offenen Fragen gehört, wer
in seinem persönlichen und beruflichen Umkreis zu welchem Zeitpunkt genauer über Bosshammers Vergangenheit informiert gewesen ist,
darüber wissentlich geschwiegen hat und damit
unbewußt oder mit Vorsatz an seiner erfolgreichen Tarnung beteiligt war. Zwangsläufig stellt
sich damit auch die Frage, ob und wenn ja, in
welchem Maß Bosshammers damaliges Umfeld
selbst durch frühere Ämter und Funktionen im
NS-Staat belastet war.
Antrag der Arbeitsgemeinschaft der Bürgervereine Wuppertal-Vohwinkel vom 30. Dezember
1960 an den Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen. Volker Hingkeldey danke ich für
den Hinweis auf die Existenz dieses Dokuments.
69 Über die Verhaftung Bosshammers und eines
weiteren hochrangigen Mitarbeiters Eichmanns,
Rechtsanwalt Otto Hunsche aus Datteln, berichteten das ZDF-Nachrichtenmagazin „Heute“ ín
seinen Abendnachrichten vom 11.1.1968 sowie
die lokalen und überregionalen Tageszeitungen.
70 General-Anzeiger Wuppertal, 12.4.1972.
71 ZStL 415 AR 1310/63, a.a.O. (Band- und Seitenangaben unleserlich).
72 Laut Auskunft von zwei seinerzeit anwesenden
Trauergästen. Eine Zeitzeugin erinnerte sich
daran, „in einem Kreis vornehmer und erlauchter Gäste“ gewesen zu sein.
73 Laut Auskunft einer der Angehörigen des Verstorbenen hatten die Vohwinkler Pfarrer die
Trauerzeremonie wohl deshalb abgelehnt, weil
Bosshammer nach 1945 – im Unterschied zu
den meisten NS-Tätern – nicht wieder in die
Kirche eingetreten war.
74 Dieses aufschlußreiche, gleichwohl deprimierende Dokument wurde mir freundlicherweise
von einer Vohwinkler Bürgerin, die an der Trauerfeier teilgenommen hatte, zur Verfügung gestellt.
75 Durch ein vermutliches Versehen – oder durch
einen unbemerkt gebliebenen Verfahrenstrick –
bei der Neuregelung der sog. „Beihilfe“-Verjährung von 1968 kam es nicht zu den kurz vor
der Anklageerhebung stehenden Verfahren gegen die Hauptverantwortlichen für die nationalsozialistischen Massenverbrechen in Sicherheitspolizei und RSHA.
76 Ulrich Herbert: Best, a.a.O.(bes. 1. Teil); Michael Wildt (Hg.): Die Judenpolitik des SD 1935
bis 1938, a.a.O. In Vorbereitung ist derzeit eine
von M. Wildt berarbeitete umfangreiche Studie
über das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes; ferner: Jens Banach: Heydrichs
Elite, a.a.O., sowie Gerhard Paul: „Ganz normale Akademiker. Eine Fallstudie zur staatspolizeilichen Funktionselite.“ In: G. Paul/M. Mall-
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