Quantendynamik in starken Feldern H. J. Korsch Fachbereich Physik, Universität Kaiserslautern 67653 Kaiserslautern e-mail: [email protected] 28. Oktober 2008 2 Inhaltsverzeichnis 1 Einführung 7 2 Quantendynamik – Grundlagen 2.1 Elementare Quantenmechanik . . . . . . . . . 2.1.1 Autokorrelationsfunktion . . . . . . . . 2.1.2 Erwartungswerte . . . . . . . . . . . . 2.2 Kohärente Zustände . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Quantenmechanik im Phasenraum . . . . . . . 2.3.1 Die Husimi-Dichte . . . . . . . . . . . 2.3.2 Die Wigner-Dichte . . . . . . . . . . . 2.4 Resonanzzustände und ‘Komplexe Skalierung’ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 11 12 13 14 17 18 21 23 3 Zeitabhängige Hamilton Operatoren 27 3.1 Der angetriebene harmonische Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 3.2 Das angetriebene Zweizustandssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 4 Zeitperiodische Systeme 4.1 Floquet–Theorie und Quasienergie . . . . . . . . . 4.2 Parameterabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Der periodisch getriebene harmonische Oszillator 4.4 Periodisch getriebene Zweizustandssysteme . . . . 5 Numerische Methoden 5.1 Floquet Matrix . . . . . . . . . 5.2 Die Split–Operator–Methode . . 5.3 Die (t,t’)–Methode . . . . . . . 5.4 Spektrale Methoden . . . . . . 5.4.1 Fourier–Transformation 5.4.2 Matrixdiagonalisierung . 5.4.3 Filter Diagonalisierung . . . . . . . . . . . . . . . 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 35 39 41 44 . . . . . . . 51 51 53 53 54 54 56 56 4 6 Der getriebene anharmonische Oszillator 6.1 Chaotische Dynamik . . . . . . . . . . . . 6.1.1 Klassisches Chaos . . . . . . . . . . 6.1.2 Quantenchaos . . . . . . . . . . . . 6.2 Der getriebene quartische Oszillator . . . . 6.2.1 Wellenpaketdynamik . . . . . . . . 6.2.2 Phasenraumentropie . . . . . . . . 6.2.3 Langzeitmittelwerte . . . . . . . . . 6.2.4 Kohärenzzerstörung . . . . . . . . . 6.3 Quasienergiezustände . . . . . . . . . . . . 7 Quantenchaos und Zufallsmodelle 7.1 Statistische Modelle . . . . . . . . . . . . . 7.1.1 Statistik der Quasienergie–Spektren 7.1.2 Statistik der Vektorkomponenten . 7.2 Modellstudie: Der angetriebene Rotor . . . 7.2.1 Chaotische und reguläre Zustände . 7.2.2 Klassische und Quantendynamik . INHALTSVERZEICHNIS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Zerfallsprozesse in starken Feldern: ATI 8.1 Above Threshold Ionization (ATI) . . . . . . . 8.2 Eine Modellstudie für ATI Prozesse . . . . . . 8.2.1 Floquet Resonanzen und ATI Spektren 8.2.2 Wellenpaketpropagation . . . . . . . . 8.2.3 Ein Zweizustandsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 60 60 63 63 66 68 70 72 73 . . . . . . 77 77 77 81 82 84 88 . . . . . 95 95 97 97 101 103 9 Erzeugung hoher Harmonischer (HHG) 9.1 Das Rückstreu–Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Ein Modellsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3 HHG Spektren und Floquet Resonanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 . 110 . 111 . 113 10 Kontrolle von Quantenprozessen 10.1 Zwei–Niveau Systeme: π–Pulse . . . . . . . . . . 10.2 Optimale Pulse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Kontrolliertes Tunneln . . . . . . . . . . . . . . 10.4 Stückelberg–Oszillationen bei Pulsexperimenten 115 . 116 . 117 . 120 . 123 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorwort Der vorliegende Text baut auf der Mitschrift einer Vorlesung über Quantendynamik in starken Feldern auf, die ich am Fachbereich Physik der Universität Kaiserslautern im Wintersemester 1997/98 und 2001/02 gehalten habe. Danken möchte ich an dieser Stelle allen Studenten an der Universität Kaiserslautern, die an dieser Vorlesung teilgenommen haben. Mit konstruktiver Kritik und vielen Verbesserungsvorschlägen haben sie zum Entstehen dieses Vorlesungsskriptes beigetragen. Besonders hervorheben möchte ich hier die Unterstützung von Steffen Conrad, Stefan Dilthey, Frank Keck, Helmut Klamm, Thorsten Leonhardt und Wolfgang Leyes. Das vorliegende Skript ist in vielfacher Hinsicht noch verbesserungsbedürftig, deshalb freue ich mich über jeden Vorschlag und über Hinweise auf sicherlich noch vorhandene Fehler (möglichst an die unten angegebene e-mail Adresse). Kaiserslautern, Oktober 2008 H.J. Korsch FB Physik, Technische Universität Kaiserslautern, 67653 Kaiserslautern e-mail: [email protected] 5 6 INHALTSVERZEICHNIS Kapitel 1 Einführung In den letzten Jahrzehnten fand eine fast explosionsartige Entwicklung in der Quantenphysik statt, die sich in zunehmendem Maß mit zeitabhängigen Quantenphänomenen befasst, eigentlich ein zentraler Gegenstand der Quantenmechanik, der aber in den meisten Textbüchern und Vorlesungen nur peripher behandelt wird. Der Grund für das erneuerte Interesse liegt u.A. in den neuartigen experimentellen Möglichkeiten: Femtosekunden–Laser, Halbleiter–Übergitter und Strukturen, QuantenPunkt- und Quanten-Trog-Systeme, Erzeugung ultrakalter Atome in den unterschiedlichsten Fallen usw. Ein Ziel ist hierbei – neben einem vertieften Verständnis der Quantenwelt durch zeitaufgelöste Beobachtung von Quantenprozessen – auch eine Kontrolle solcher Prozesse. Wir interessieren uns hier für die Quantendynamik in starken Feldern, dabei soll das externe Feld stark sein gegenüber den inneren, was eine störungstheoretische Behandlung in aller Regel unmöglich macht. Die Felder sollen aber noch klassisch beschreibbar sein, d.h. nicht quantisiert. Dabei beschränken wir uns auf nicht-relativistische Systeme mit (meist) wenig Freiheitsgraden oder Teilchen. Die folgende – zugegebenermaßen willkürlich ausgewählte — Liste soll eine erste Übersicht über die Systeme und Prozesse geben, die in dieser Vorlesung (voraussichtlich) behandelt werden, wenn auch sicher nicht in dieser Reihenfolge: • Above Threshold Ionization (ATI): Bei der Multiphotonionisation von Atomen in starken Laserfeldern (Laserfrequenz ω) zeigen Elektronenspektren eine ausgeprägte Peakstruktur, wobei die Peaks einen Abstand ~ω haben, geradeso als ob das emittierte Elektron beim Herauslaufen noch weitere Laserphotonen absorbiert hat. • High Harmonic Generation (HHG): In Experimenten mit Gasen, die mit intensiven Laserfeldern einer Frequenz ω wechselwirken, hat man die Emission von Strahlung mit wesentlich kürzeren Wellenlängen beobachtet, also die Erzeugung Höherer Harmonischer . 7 8 KAPITEL 1. EINFÜHRUNG • Semiklassische Quantisierung: Der Zusammenhang zwischen quantisierten Eigenzuständen und den periodischen Bahnen der klassischen Physik wurde neu überdacht. In einer Vielzahl von Systemen konnte hier eine direkte Korrespondenz gezeigt werden. Ein charakteristisches Beispiel sind die Spektren von Wasserstoff-Atomen in starken magnetischen Feldern. • Zeitaufgelöste molekulare Prozesse: In einem Pump–Probe Experimente wird ein Molekül mit einem Pump–Laser angeregt und die Dynamik des entstehenden Zustands durch einen um einen um eine Zeit τ versetzten Probe–Laser abgefragt. Durch Variation von τ erhält man Aufschluss über die Zeitdynamik, • Aktive Kontrolle von Quantenprozessen: Als Beispiel betrachten wir ein Molekül ABC mit zwei möglichen Zerfallskanälen AB + B und A + BC. Durch ein geeignet geformtes Laserfeld lässt sich der erwünschte Zerfallsprozess maximieren. Dabei kann man durch Rückkopplung zwischen einem Detektor der Produkte und einem Pulsformer mittels numerischer Optimierungsverfahren bewirken, dass das System selbst den geeigneten Laserpuls generiert. • Quantenchaos: Die klassische Dynamik ist typischerweise nichtlinear und daher chaotisch. Die Quantendynamik ist linear, also auf den ersten (und zweiten!) Blick regulär, d.h. nicht-chaotisch. Der Zusammenhang zwischen quantenmechanischer und klassischer Dynamik ist trotz intensiver Forschungsarbeit und vielen Einzelresultaten noch immer in Grundsatz unverstanden. Die Dynamik von Quantensystemen liefert hier eine Fülle von interessanten Modellsystemen zur theoretischen und experimentellen Untersuchung zum Thema Quantenchaos. Von Interesse sind dabei auch neuartige Phänomene, wie zum Beispiel Tunnelprozesse durch dynamische Barrieren, wie sie zwischen Bereichen mit klassisch regulärer Dynamik auftreten, die durch chaotische getrennt sind (Stichwort: ’chaos-assisted tunneling’). • Dynamik von Bose–Einstein–Kondensaten. Von besonderem aktuellen Interesse ist das Verhalten von Bose–Einstein–Kondensaten in äußern Feldern. Solche Quantensysteme sind schon (fast) makroskopisch und trotzdem kohärent. Interessante Phänomene wurden hier gezeigt, wie zum Beispiel das kohärente Tunneln durch Systeme von Barrieren; die Emission gepulster kohärenter Atomstrahlen etc. Literatur: Als grundlegende Textbücher werden empfohlen • J. E. Bayfield: Quantum Evolution — An Introduction to Time-Dependent Quantum Mechanics (John Wiley, 1999) Frank Großmann: ”Theoretical Femtosecond Physics: Atoms and Molecules in Strong Laser Fields”(Springer 2008) Die Vorlesung stützt sich außerdem – ohne dass dies jeweils angeben ist – auf die folgenden Texte: • R. Blümel, W. P. Reinhardt: Chaos in Atomic Physucs (Cambridge Univ. Press, 1997) 9 • T. Dittrich, P. Hänggi, G.-L. Ingold, B. Kramer, G. Schön, W. Zwerger: Quantum Transport and Dissipation (Wiley-VCH, Weinheim, 1998); hauptsächlich Kapitel 5: Driven Quantum Systems • M. Grifoni, P. Hänggi: Driven Quantum Tunneling, Physics Reports 304, 229 (1998) • M. Holthaus: Periodisch angetriebene Quantensysteme: Konzepte und Perspektiven, Habilitationsschrift, Fachbereich Physik, Universität Marburg, 1996 • E. Schöll, Ed., Theory of Transport Properties of Semiconductor Nanostructures (Chapman & Hall, 1998) • B. W. Shore: The Theory of Coherent Atomic Excitation. Vol. I, II (John Wiley, 1990) Aufgabe 1.1 Was haben Sie in der Quantenmechanik (Vorlesung oder Lieblingstextbuch) bisher über das Zeitverhalten von Quantensystemen gelernt? Aufgabe 1.2 Wer oder was sind Esaki und Mosfet ? Aufgabe 1.3 Lesen sie das Vorwort in dem oben angegebenen Buch von Bayfield (Semesterapparat, Standnummer 360/154; Achtung: Preis 105 $ !) 10 KAPITEL 1. EINFÜHRUNG Kapitel 2 Quantendynamik – Grundlagen 2.1 Elementare Quantenmechanik Für den Fall, dass der Hamilton Operator Ĥ des Systems nicht explizit von der Zeit abhängt, kann man die Zeitevolution eines Zustandsvektors gemäß der Schrödingergleichung ∂ (2.1) i~ |ψi = Ĥ|ψi ∂t oder den Zeitentwicklungsoperator |ψ(t)i = Û (t)|ψ(0)i (2.2) Ĥ |ϕn i = En |ϕn i (2.3) durch die Eigenzustände ausdrücken (die Formeln hier sind für den einfachen Fall eines diskreten Spektrums aufgeschrieben). Meist (aber nicht immer!) ist Ĥ hermitesch ( Ĥ † = Ĥ ) und Û unitär ( Û † Û = 1̂ ). Wir notieren, dass die En reell sind (Ĥ hermitesch), sowie die Orthonormalität und die Vollständigkeit der Eigenzustände: X hϕn |ϕm i = δnm , |ϕn ihϕn | = 1̂ . (2.4) n Ein Vektor |ψi lässt sich daher in der Basis der Eigenzustände |ϕn i darstellen: X cn |ϕn i. |ψ(0)i = (2.5) n mit den Koeffizienten cn = hϕn |ψ(0)i . Der Zustand entwickelt sich zeitlich wie X |ψ(t)i = cn e−iEn t/~ |ϕn i , n 11 (2.6) (2.7) 12 KAPITEL 2. QUANTENDYNAMIK – GRUNDLAGEN und der Zeitentwicklungsoperator kann als i Û (t) = e− ~ Ht = e X e−iEn t/~ |ϕn ihϕn | (2.8) n geschrieben werden. Als ‘Trivialität’ sei angemerkt, dass das Skalarprodukt zweier beliebiger Zustände zeitlich konstant ist, hψ2 (t)|ψ1 (t)i = hψ2 (0)| U † (t) Û (t) |ψ1 (0)i = hψ2 (0)|ψ1 (0)i , (2.9) solange ihre Zeitevolution durch denselben Hamilton Operator erfolgt. Mit anderen Worten: man hat eine Vielzahl von ‘Erhaltungsgrößen’. 2.1.1 Autokorrelationsfunktion Die Autokorrelationsfunktion ist definiert als die Projektion eines Zustandsvektors auf seinen Anfangswert zur Zeit t = 0. Entwickelt man in Eigenzustände |ϕn i, so erhält man mit pn = |hn|ψ(0)i|2 X i C(t) = hψ(0)|ψ(t)i = e− ~ En t pn . (2.10) n Das Betragsquadrat liefert die Wahrscheinlichkeit, dass zur Zeit t der Anfangszustand wieder erreicht wird, die Rekurrenzwahrscheinlichkeit X i pR (t) = |C(t)|2 = pn pm e− ~ (En −Em )t n,m = X n p2n +2 X pn pm cos n6=m 1 (En − Em )t . ~ (2.11) Im Langzeitmittel verschwindet der oszillierende cos–Term (es sei der Fall ohne Entartung, En 6= Em für n 6= m, angenommen) und es ergibt sich Z X 1 T lim |C(t)|2 = p2n . (2.12) T →∞ T 0 n Aus der Autokorrelationsfunktion, die man z.B. durch numerische Zeitpropagation eines Zustands erhalten kann, lässt sich durch Fourier-Transformation das Spektrum berechnen. Mit C(−t) = C ∗ (t) erhält man Z ∞ i C(E) = 2 Re C(t) e ~ Et dt Z ∞ Z ∞ n0 o i i Et ∗ − ~i Et ~ dt = C(t) e ~ Et dt (2.13) = C(t) e + C (t) e −∞ 0 X Z ∞ i X = pn e ~ (E−En )t dt = 2π~ pn δ(E − En ) . n −∞ n 2.1. ELEMENTARE QUANTENMECHANIK 13 Wir erhalten also eine Sequenz von Delta–Spikes an den Positionen der Energieeigenwerte En mit Gewichten pn , die durch den Anfangszustand vor der Zeitpropagation bestimmt sind. (Im der Praxis kann man allerdings nur über endliche Zeiten propagieren, was zu einer Aufweichung der Deltafunktionen in endliche Maxima führt. Aber hierzu existieren ‘Tricks’, die zu einer wesentlichen Verkürzung der notwendigen numerischen Propagationszeiten führen.) 2.1.2 Erwartungswerte Im dem Heisenbergbild bewegen sich die Operatoren nach d ∂  i = [Ĥ, Â] + . dt ~ ∂t (2.14) und die Zustände sind zeitlich konstant. Für die Erwartungswerte ergibt sich dann (falls  nicht explizit von der Zeit abhängt) i dhÂi ˙ = hÂi = h[Ĥ, Â]i . dt ~ (2.15) Speziell für den Orts- und Impulserwartungswert findet man mit Ĥ = p̂2 /2m + V (q̂) für [p̂, q̂] = ~/i 1 i dhq̂ i = h[p̂2 , q̂ ]i = hp̂i (2.16) dt 2m~ m E dhp̂ i ∂V i D = . [V̂ (q), p̂] = − dt ~ ∂q (2.17) Dies ist das Theorem von Ehrenfest dhq̂ i 1 = hp̂ i , dt m dhp̂ i =− dt ∂V ∂q (2.18) in direkter Analogie zu den Hamiltonschen Bewegungsgleichungen der klassischen Mechanik dq p = dt m , dp ∂V =− dt ∂q (2.19) wenn man die quantenmechnischen Erwartungswerte mit den (scharfen) klassischen Werten vergleicht. Da aber generell gilt h∂V /∂q i = 6 ∂V /∂hq i ist diese Ähnlichkeit nur formal. Eine wichtige Ausnahme bildet der harmonische Oszillator. Hier ist der Kraft −∂V /∂q linear in q und die quantenmechanische Zeitevolution der Erwartungswerte von Ort und Impuls ist identisch mit der klassischen. 14 KAPITEL 2. QUANTENDYNAMIK – GRUNDLAGEN 2.2 Kohärente Zustände Die Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren ω q̂ + ip̂ â = √ 2~ω , ω q̂ − ip̂ ↠= √ 2~ω (2.20) mit Vertauschungsrelation [â, ↠] = 1 (2.21) erlauben eine bequeme algebraische Behandlung des harmonischen Oszillators Ĥ = 1 2 p̂ + ω 2 q̂ 2 = ~ω ↠â + 1/2 2 (2.22) (die Masse wurde gleich eins gesetzt). Es ist Standardstoff jeder Quantenmechanik Vorlesung über die Leitereigenschaften √ √ ↠|ni = n + 1|n + 1i , â|n + 1i = n + 1|ni (2.23) die Eigenwertrelation Ĥ|ni = ~ω(n + 1/2)|ni (2.24) herzuleiten. Aufgabe 2.1 Als kleine Übung kann man die folgenden nützlichen(!) Matrix-Darstellungen für den Orts- und Impulsoperator in der harmonischen Oszillatorbasis beweisen, also für die Matrizen q und p mit den Matrixelementen hm|q̂ |ni bzw. hm|p̂ |ni: √ √ 1 0 0 ... 0 0 ... 0 0 − 1 √ √ √ √ r r 2 0 . . . 0 − 2 0 . . . 1 0 1 √ √ √ √ ~ , p = i ~ω 0 0 2 0 3 . . . 2 0 − 3 . . . q= √ √ 2ω 2 0 0 3 0 . . . 3 0 . . . 0 0 .. .. .. .. . . .. .. .. .. . .. . . . . . . . . . (2.25) Diese diskreten Darstellungen erlauben einfache numerische Berechnungen1 Die wichtigen kohärenten Zustände (oder Glauberzustände) |αi sind Eigenzustände des Operators â: â|αi = α|αi (2.26) zum komplexen Eigenwert α, dessen Real- und Imaginärteile man bequemerweise als ωq + ip α= √ 2~ω 1 413. (2.27) siehe H. J. Korsch, M. Glück: Computing quantum eigenvalues made easy, Eur. J. Phys. 23 (2002) 2.2. KOHÄRENTE ZUSTÄNDE 15 parametrisiert. Man schreibt auch |αi = |p, q i. Wir normieren gemäß hα|αi = 1 und notieren die Vollständigkeit der Zustände Z Z 2 dp dq dα |p, qihp, q| = |αihα| = 1̂ (2.28) h π mit h = 2π~ und d2 α = d Re(α) d Im(α) . Die Erwartungswerte von Impuls und Ort sind für einen kohärenten Zustand sehr einfach zu berechnen: r r ~ω ~ω ∗ † hp̂ i = hα|p̂|αi = i hα|(â − â)|αi = i (α − α) = p (2.29) 2 2 und r hq̂ i = hα|q̂|αi = ~ ∗ (α + α) = q . 2ω (2.30) Für die Erwartungswerte von p̂2 und q̂ 2 findet man mit Hilfe von (↠− â)2 = â†2 − â↠− ↠â + â2 = â†2 − 2↠â − 1 + â2 hp̂2 i = − ~ω ~ω hα|(↠− â)2 |αi = − (α∗ 2 − 2|α|2 − 1 + α2 ) 2 2 (2.31) und damit ∆p2 = hp̂2 i − hp̂i2 = ~ω 2 (2.32) sowie ganz analog ~ . 2ω Hieraus sieht man, dass die kohärenten Zustände minimale Unschärfe besitzen: ∆q 2 = hq̂ 2 i − hq̂i2 = ∆p∆q = ~ . 2 (2.33) (2.34) Für weitere Überlegungen benötigen wir noch die Ortsdarstellung der kohärenten Zustände: r ω ω i i pq 2 hx|αi = 4 exp − (x − q) + px − . (2.35) π~ 2~ ~ ~ 2 Dies verifiziert man direkt mittels der Definition als Eigenzustände von â über (2.20) in der Ortsdarstellung. Das Wellenpaket (2.35) stellt ein Gauß–Wellenpaket (zentriert bei hxi = q) dar, das sich mit einem mittleren Impuls p nach rechts bewegt. In der Oszillatorbasis |ni haben die kohärenten Zustände eine besonders einfache Darstellung. Mit √ hn|â|αi = αhn|αi = n + 1 hn + 1|αi (2.36) und hn + 1|αi = √ α αn+1 hn|αi = . . . = p h0|αi n+1 (n + 1)! (2.37) 16 KAPITEL 2. QUANTENDYNAMIK – GRUNDLAGEN findet man |αi = X |nihn|αi = n X αn √ |nih0|αi . n! n (2.38) Die Normierung liefert 1 = hα|αi = |h0|αi|2 X (α∗ α)n n! n = |h0|αi|2 e|α| 2 (2.39) und damit das gewünschte Resultat hn|αi = e−|α| 2 /2 αn √ . n! (2.40) Die Besetungswahrscheinlichkeiten der Oszillatorzustände n sind also für einen kohärenten Zustand Poisson-verteilt: 2 |α|2n −|α|2 pn = hn|αi = e . (2.41) n! Wir notieren weiterhin die Identität |n = 0i = |α = 0i = |0i, d.h. der Grundzustand des harmonischen Oszillators ist ein spezieller kohärenter Zustand. Eine kurze Rechnung führt zu einer weiteren nützlichen Darstellung der kohärenten Zustände: X X αn 2 √ |ni |αi = |nihn|αi = e−|α| /2 n! n n X (α↠)n 2 † 2 |0i = e−|α| /2 eαâ |0i = e−|α| /2 (2.42) n! n = e−|α| 2 /2 † ∗ eαâ e−α â |0i = eαâ † −α∗ â |0i = D̂(α)|0i ∗ (es gilt |0i = e−α â |0i). Weiterhin wurde Gebrauch gemacht von der Baker–Hausdorff Formel (2.43) eÂ+B̂ = e eB̂ e−[Â,B̂]/2 = eB̂ e e[Â,B̂]/2 für Operatoren mit [A, [A, B]] = [B, [A, B]] = 0. Gleichung (2.43) sagt aus, dass die kohärenten Zustände |αi erzeugt werden können durch Anwendung des Verschiebungsoperators † ∗ D̂(α) = eαâ −α â (2.44) auf den Grundzustand |0i. Das Zeitverhalten (die Dynamik) der kohärenten Zustände läßt sich z.B. mit Hilfe der Identität † † e−xâ â f (â, ↠) exâ â = f (âe−x , ↠ex ) (2.45) herleiten1 . Das liefert speziell † e−xâ â eαâ 1 † −α∗ â exâ † â = eαe x ↠−α∗ e−x â (2.46) Die Gleichung (2.45) findet man (neben vielen anderen Resultaten zur Oszillator Algebra) als Theorem 5 in Kap. 3.3 des Buches W. H. Louisell: Quantum Statistical Properties of Radiation (John Wiley, 1973). 2.3. QUANTENMECHANIK IM PHASENRAUM 17 und mit x = −iωt ergibt sich † eiωtâ â D̂(α) e−iωtâ † â = D̂(αe−iωt ) . (2.47) Für den Zeitevolutionsoperator Û (t) = exp(−iĤt/~) erhält man also die Vertauschungsrelation Û (t) D̂(α) = D̂(αe−iωt ) Û (t) (2.48) und damit Û (t)|αi = Û (t)D̂(α)|0i = D̂(αe−iωt ) Û (t)|0i = D̂(αe−iωt ) |0i = |α(t)i (2.49) mit α(t) = αe−iωt . Der kohärente Zustand bleibt also kohärent und bewegt sich längs der klassischen Phasenbahn, wie schon oben im Zusammenhang mit dem Theorem von Ehrenfest erwähnt. Zum Abschluß noch eine Bemerkung zu den sogenannten gequetschten Zuständen (den ‘squeezed states’ ). Diese Zustände kann man erzeugen, indem man z.B. den Verschiebungsoperator D̂ definiert bezüglich einer Frequenz ω auf den Grundzustand eines harmonischen Oszillators mit Frequenz ω 0 anwendet. Ausführlich also D̂(α; ω)|n = 0; ω 0 i = |α; ω 0 i . (2.50) Für solche Zustände bewegen sich die Erwartungswerte hp̂ i und hq̂ i klassisch (klar wegen des Theorems von Ehrenfest) aber die Unschärfen ∆p und ∆q oszillieren. Man charakterisiert solche Zustände durch den Parameter s = ω/ω 0 , (2.51) den ‘squeezing Parameter’ . 2.3 Quantenmechanik im Phasenraum In der klassischen Mechanik beschreibt man die Dynamik eines (Hamiltonschen) Systems zweckmäßigerweise im Phasenraum mit den Hamiltonschen Bewegungsgleichungen für die Bahn eines Teilchens: dp ∂H dq ∂H =− , = . (2.52) dt ∂q dt ∂p Dabei ist H(p, q) die Hamilton-Funktion. Die Zeitentwicklung einer Dichteverteilung %(p, q, t) wird durch die Liouville-Gleichung d% + %, H = 0 (2.53) dt beschrieben. Wir notieren noch die bekannten Eigenschaften einer solchen Dichteverteilung. Sie ist nicht-negativ %(p, q, t) ≥ 0 , (2.54) 18 KAPITEL 2. QUANTENDYNAMIK – GRUNDLAGEN und normiert, d.h. die Gesamtwahrscheinlichkeit ist gleich eins, Z %(p, q, t) dp dq = 1 , (2.55) also insbesondere invariant unter der Zeitentwicklung. Erwartungswerte einer Größe A(p, q) sind gegeben durch Z Ā(t) = A(p, q)%(p, q, t) dp dq . (2.56) In der Quantenmechanik gibt es eine ganz ähnliche Beschreibung im Phasenraum. sie ist sehr nützlich, insbesondere wegen der Ähnlichkeit zur klassischen Beschreibung, aber immer noch weniger geläufig, obwohl inzwischen schon mehrere Textbücher existieren, die ausführlichen Gebrauch davon machen2 . Man konnte allerdings beweisen, dass keine eigentliche qauntenmechanische Dichte im Phasenraum existiert. Stattdessen hat man eine Vielzahl(!) unterschiedlicher (Pseudo)Phasenraumdichten, denen jeweils einige Eigenschaften eigentlicher Phasenraumdichten fehlen. Die populärsten Vertreter sind die Husimi- und die Wigner-Dichte, die wir im Folgenden kennenlernen werden. 2.3.1 Die Husimi-Dichte Die Projektion auf Zustände minimaler Unschärfe lokalisiert an den Phasenraumpunkten (p, q), die kohärenten Zustände |p, q i, kann man zur Konstruktion einer quantenmechanischen Phasenraumdichte benutzen, der sogenannten Husimi-Dichte ρH (p, q) = |hp, q|ψi|2 = |hα|ψi|2 (2.57) d.h. die Wahrscheinlichkeitsdichte eine Projektion auf die kohärenten Zustände. Hier sei angemerkt, dass |ψi ein beliebiger Zustandsvektor sein kann, der a priori nichts mit dem harmonischen Oszillator zu tun hat, der im Zusammenhang mit den kohärenten Zuständen auftauchte. Oder anders formuliert: Bei der Phasenraum-Analyse eines Zustandes mittels (2.57) hat man die Freiheit der Wahl ‘geeigneter’ kohärenter Zustände, d.h. der Wahl eines optimalen Wertes von ω (vgl. die Bemerkungen über gequetschte Zustände am Ende von Abschnitt 2.2). Es sei angemerkt, dass dies eine sogenannte Fenster–Fourier Transformation (auch als Gabor Transformation bezeichnet) darstellt: Z 2 F (p, q) ∼ dx e−a(x−q) −ipx/~ f (x) , (2.58) 2 z.B. das kürzlich erschienene Buch W. P. Schleich: Quantum Optics in Phase space (Wiley-VCH, 2001) 2.3. QUANTENMECHANIK IM PHASENRAUM 19 |− q −| −−−−> p x Abbildung 2.1: Analyse einer Funktion f (x) durch Projektion auf Gauß–gewichtete ebene Wellen e−ipx/~ , zentriert bei x = q bei der der Integrand mit einer Gaußschen Fensterfunktion zentriert bei einem variablen q gewichtet wird (siehe Abb. 2.1). Eine solche Transformierte gibt nicht nur Aufschluß über die Gesamtwahrscheinlichkeit des Auftretens eines Impulses p, sondern auch darüber, wo diese Impulse auftreten. Aufgabe 2.2 Frischen Sie die Kenntnisse von der Zeitentwicklung eines freien Teilchens auf (‘Breitfließen eines Gauß-schen Wellenpakets’). Aufgabe 2.3 Lesen sie die Ausführungen in dem Buch von Bayfield, Abschnitt 1.1 b,c,d und Abschnitt 1.3 a zur klassischen Dynamik im Phasenraum. Einige Eigenschaften der Husimidichte: • Normierung: Z ρH (p, q) dp dq 2π~ Z dq hψ|p, qihp, q|ψi dp 2π~ Z dq = hψ| |p, qihp, q|ψi dp | ψi = hψ 1̂ψi = 1 . 2π~ = • Die Erwartungswerte von Ort und Impuls ergeben sich als Z R dq hq̂i = qρH (p, q) dp , hp̂i = pρH (p, q) 2π~ dp dq 2π~ , (2.59) (2.60) aber allgemeinere Mittelwerte lassen sich in aller Regel nicht durch solche Integrale berechnen. 20 KAPITEL 2. QUANTENDYNAMIK – GRUNDLAGEN • Die Orts- und Impulswahrscheinlichkeiten erhält man nicht aus ρH (p, q) als sogenannte Marginalverteilungen durch Integration über die andere Variable, also Z R dp dq 2 |hq|ψi| 6= ρH (p, q) 2π~ , |hp|ψi|2 6= ρH (p, q) 2π~ . (2.61) • Für die Eigenzustände |ni eines Harmonischen Oszillators lassen sich die Husimidichten in einfacher Weise hinschreiben. Für den Fall, dass dieser Oszillator und die bei der Konstruktion der Husimidichte verwendeten kohärenten Zustände das gleichen ω = ω 0 = 1 besitzen, hat man nach (2.40) einfach 2n 2 2 |α| ρH (p, q) = hn|αi = e−|α| n! (2.62) √ mit α = (q + ip)/ 2~ nach (2.27), also eine Poisson-Verteilung. s=10 s=3 0.2 0.2 0 0 8 -4 8 -4 4 -2 4 0 0 p -4 2 q -2 0 0 4 q -8 p -4 2 4 -8 s=1 s=0.1 0.2 0.2 0 0 4 -4 -2 q -2 2 4 2 -4 0 0 4 -8 2 -4 0 0 p q -2 4 8 p -4 Abbildung 2.2: Husimidichte für einen harmonischen Oszillator Eigenzustand n = 3 für ‘squeezing’ Parameter ( s = 10, 3, 1, and 0.1). Als illustrierendes Beispiel zeigt Abbildung 2.2 die Husimi Dichte des Eigenzustandes n = 3 eines harmonischen Oszillators (~ = 1; ω = 1) analysiert mit gequetschten Zuständen zu ω 0 = ω/s für verschiedene Werte von s. Zunächst erkennt man für s = 1 die Lokalisierung im Phasenraum auf der klassischen Phasenbahn zur Energie E3 = 3 + 1/2. Für großes s ist der analysierende Zustand stärker lokalisiert im Ortsraum und folglich 2.3. QUANTENMECHANIK IM PHASENRAUM 21 werden die Oszillationen der Wellenfunktion im Ortsraum stärker aufgelöst. Für kleines s entsprechend im Impulsraum. 2.3.2 Die Wigner-Dichte Durch die sogenannte Weyl-Darstellung lassen sich quantenmechanische Operatoren  als Phasenraumfunktionen AW (p, q) darstellen, also  ⇐⇒ AW (p, q) mit Z +∞ AW (p, q) = dx hq − x/2|Â|q + x/2ieipx/~ . (2.63) −∞ Als ein erstes Beispiel untersuchen wir die Weyl-Darstellung von Â( α0 ) = 1 |α0 ihα0 | , 2π~ (2.64) also eines Projektors auf eine kohärenten Zustand |α0 i = |p0 , q0 i . Die Rechnung (wird nachgeliefert) ergibt 1 ω 1 (α0 ) 2 2 AW (p, q) = exp − (q − q0 ) − (p − p0 ) =: W (p, q; p0 , q0 ) . (2.65) π~ ~ ~ω also eine zweidimensionale Gaußverteilung im Phasenraum mit einem Maximum bei (p, q) = (p0 , q0 ). Für ω = 1 ist die Verteilung um diesen Punkt zirkular symmetrisch, sonst elliptisch. Im zweiten Beispiel nehmen wir statt statt eines kohärenten Zustandes eine beliebigen Zustand |ψi, also den Projektor Â(ψ) = 1 |ψihψ| . 2π~ (2.66) Seine Weyl-Warstellung wird als die Wigner-dichte ρW (p, q) bezeichnet: 1 |ψihψ| h Z +∞ 1 = dxhq − x/2|ψhiψ|q + x/2ieipx/hbar 2π~ −∞ Z +∞ 1 = dxψ ∗ (q + x/2)ψ(q − x/2) eipx/~ . 2π~ −∞ ρW (p, q) = Einige Eigenschaften der Wignerdichte: (2.67) 22 KAPITEL 2. QUANTENDYNAMIK – GRUNDLAGEN • Erwartungswerte berechnen sich ganz allgemein als Mittelwerte über die Weyldarstellung des Operators, gewichtet mit der Wignerdichte des Zustandes, also als Z dq (2.68) hÂi = hψ|Â|ψi = AW (p, q) ρW (p, q) dp . 2π~ Das schließt trivialerweise die Normierung der Wignerdichte ein. • Die Marginalverteilungen ergeben sich wie gewohnt durch Integration über die andere Variable. Es gilt also Z R 1 dp dq 2 |hq|ψi| = ρW (p, q) 2π~ , |hp|ψi|2 = ~1 ρW (p, q) 2π~ . (2.69) ~ • Als einziger ‘Schönheitsfehler’ dieser Wignerverteilungen muss eine Tatsache angeführt werden, die sie als Wahrscheinlichkeitsverteilungen eignetlich sofort disqualifiziert: Sie können negative Werte annnehmen und, mehr noch, das ist auch fast immer der Fall. Wir sehen das weiter unten an einem Beispiel. Für die Eigenzustände |ni eines Harmonischen Oszillators Ĥ = p̂2 /2 + q̂ 2 /2 lässt sich die Wignerdichte berechnen. Man erhält mir ~ = 1 ρW (p, q) = (−1)n 1 −(p2 +q2 ) e Ln ( 2(p2 + q 2 ) . π (2.70) Dabei ist Ln ein Laguerre-Polynom. Abbildung 2.3: Wignerdichte für einen harmonischen Oszillator Eigenzustand n = 8 . Diese Verteilung ist rotationssymmetrisch und, da das Laguerre-Polynom Ln genau n reelle Nullstellen besitzt, verschwindet die Wignerdichte auf n Kreisen um den Ursprung. Dazwischen wechselt sie das Vorzeichen, ist also abwechselnd positiv und negativ, wobei – wegen der Normierung – die positiven Regionen etwas überwiegen. Abbildung 2.3 zeigt ein Beispiel für n = 8 . 2.4. RESONANZZUSTÄNDE UND ‘KOMPLEXE SKALIERUNG’ 23 Die Husimidichte aus dem vorangehenden Abschnitt und die Wignerdichte stehen in einer interessanten Beziehung. Es gilt (Beweis wird nachgereicht) Z ρW (p, q; p0 .q0 ) ρ(p, q) dp dq = ρH (p0 , q0 ) (2.71) mit der Gaußverteilung W (p, q; p0 .q0 ) aus (2.65). Die Husimidichte ergibt sich also durch Glätten der Wignerdichte mit einer Gaußverteilung, wobei interssanteweise alle negativen Bereiche verschwinden, denn die Husimdichte ist ja nach Definition nicht-negativ. Man darf aber aus dieser Beziehung nicht den Schluss ziehen, dass die Husimidichte minderwertiger ist, als die Wignerdichte, etwa weil beim Glätten Information verlorengeht. Das ist nicht der Fall, denn man kann z.B. allein aus den Nullstellen(!) einer Husimiverteilung und ca. drei ihrer Werte den gesamten Zustandsvektor rekonstruieren, und damit auch die Wignerdichte. 2.4 Resonanzzustände und ‘Komplexe Skalierung’ 3 V(x) 2 1 0 -15 -10 -5 0 5 10 15 x Abbildung 2.4: Potentialtopf (2.72) mit Potentialbarrieren und Resonanzzuständen. Offene Quantensysteme, also zum Beispiel Streusysteme oder Quantensysteme, die eine gebundene Komponente an ein Kontinuum koppeln, können sogenannte Resonanzphänomene zeigen, also beispielsweise mehr oder ausgeprägte Maxima (‘peaks’) in den Streuquerschnitten bei charakteristischen Energien. In einer zeitabhängigen Beschreibung äußtert sich das in einer Zeitverzögerung bei der Streuung mit Ausbildung eines langlebigen Zwischezustands. Es wird ein Resonanzzustände angeregt, d.h. ein Zustand, der mehr oder weniger langlebig ist und mit der Zeit exponentiell mit einer Lebensdauer τ zerfällt wie |ψ|2 ∼ exp −t/τ . Die wohl bekannteste Situation ist wohl die Streuung an einer Potentialbarriere. Zur Illustation wählen wir das oft betrachtete Modellsystem 2 x 2 V (x) = − J e−λx + J . (2.72) 2 24 KAPITEL 2. QUANTENDYNAMIK – GRUNDLAGEN Für die Parameterwerte λ = 0.1, J = 0.8 und ~ = 1 besitzt dieses Potential einen gebundenen Zustand und drei Resonanzen (siehe Abbildung 2.4). Bei den markierten Energien findet man Wellenfunktionen mit dem gesuchten Zerfallsverhalten. Darüberhinaus zeigen diese Zustände eine Lokalisierung in dem Gebiet der Potentialmulde und die Lebensdauer läßt sich verstehen als inverse Tunnelwahrscheinlichkeit durch die Potentialbarriere. Man kann die Lage dieser Resonanzen auf der Energieskala approximativ verstehen als die Energieeigenwerte innerhalb der Potentialmulde. Weiterhin manifestieren sich diese Resonanzen als Peaks in den Streuquerschnitten, d.h. hier in den Reflektions- oder Durchlasswahrscheinlichkeiten, die durch Anregung und Zerfall der Resonanzzustände bei diesen Energien zustande kommen. Alle diese Eigenschaften kann man heranziehen, um eine Resonanz zu ‘definieren’. Für den Fall sehr langlebiger (‘scharfer’) Resonanzzustände ist das in der Regel unproblematisch. Hier soll eine Resonanz definiert sein durch den Separationsansatz ψ(x, t) = e−iEt/~ ϕ(x) mit den sogenannten Siegert Randbedingungen ψ(x) −→∼ e±ikx für x −→ ±∞ , (2.73) also durch rein auslaufende Randbedingungen. Wegen der Stromerhaltung ist das für reelle Energie E nicht erfüllbar, d.h. wir erhalten Zustände mit komplexer Energie E = ER −iΓ/2 in der unteren Halbebene der komplexen Energieebene. Die Lebensdauer ist dann τ = ~/Γ . (2.74) Eine (fast) äquivalente Definition einer Resonanz ist gegeben durch einen Pol der S– Matrix oder der Resolvente (H − E)−1 in der komplexen Energieebene. Für unser Modellpotential (2.72) findet man viele Resonanzpole3 . Die langlebigsten liegen bei E0 = 0.502, E1 = 1.421 − i 0.582 · 10−4 , E2 = 2.127 − i 0.154 · 10−1 und E3 = 2.584 − i 0.173. Wie berechnet man nun solche Resonanzzustände? Zunächst einmal muß man sich klarmachen, dass wegen des negativen Imaginärteils der Energie der Imaginärteil von k ebenfalls negativ ist und dass damit die Wellenfunktion ψ(x) auf der x–Achse asymptotisch divergiert. Diese Zustände sind also nicht mehr normierbar. Eine der wichtigsten Methoden für eine numerische Berechnung (aber auch für rein theoretische Analysen!) ist die sogenannte komplexe Rotation oder auch komplexe Skalierung. In der einfachsten Variante solcher Methoden skaliert man die x–Koordinate wie x → eiθ x, d.h. man rotiert die x–Achse in die komplexe Ebene. Wenn man jetzt den Winkel wählt im Bereich θ > −arg k, dann wird längs der rotierten x–Achse die Wellenfunktion asymptotisch exponentiell abfallen und man kann zur Berechnung der Resonanzzuständen auf Methoden zur Berechnung gebundener Zustände zurückgreifen4 . Für das Potential aus (2.72) muß man dazu die Eigenwerte der Schrödingergleichung 2 d iθ 2iθ 2m +e E − V (e r) ψ = 0 (2.75) dr2 ~2 berechnen. 3 siehe z.B. M. Rittby, N. Elander, E. Brändas, Phys. Rev. A 26 (1982) 1804. Eine ausführliche Darstellung der Methode der komplexen Skalierung und ihre Anwendungen findet man in N. Moiseyev, Phys. Rep. 302 (1998) 211. 4 2.4. RESONANZZUSTÄNDE UND ‘KOMPLEXE SKALIERUNG’ 25 Abbildung 2.5: Komplexe Rotation in der r–Ebene um den Winkel θ > −arg(k). Auf dem rotierten Strahl fällt die Wellenfunktion exponentiell ab. Abbildung 2.6: Resonanz als Funktion des Rotationswinkels θ (θ–Trajektorie) (a) und spiralförmige Konvergenz (b) (aus N. Moiseyev, Lecture Notes in Physics Vol 211, p.235256, Springer 1984) In der komplexen Energieebene führt die komplexe Skalierung zu dem folgenden Bild: Die Position der Eigenwerte der gebundenen Zustände und der Resonanzen bleibt unverändert, aber das Kontinuum wird rotiert um den Winkel 2θ (siehe Abbildung 2.7). Das ist die Aussage des Balslev–Combes Theorems5 . Als Anmerkung sei erwähnt, dass dies jedoch so nicht für numerische Resultate in einer endlichen Basis gilt. Hier sind die berechneten Resonanzen von dem Winkel θ abhängig. Trägt man die Resonanzenergie ER − iΓ/2 in der komplexen Ebene in Abhängigkeit von θ auf (eine sogenannte ‘θ–Trajektorie’), so erhält man eine charakteristische Cusp–Struktur (vgl. Abbildung 2.6 (a)) und man er5 E. Balslev, J. M. Combes, Commun. Math. Phys. 22 (1970) 280. 26 KAPITEL 2. QUANTENDYNAMIK – GRUNDLAGEN mittelt den optimalen Winkel an der Spitze nach θopt bei ∂ER /∂θ = 0 und ∂Γ/∂θ = 0, d.h. als Winkel an der Spitze der θ–Trajektorie. Mit wachsender Größe N der Basis zeigen die Resonanzenergien ER − iΓ/2 eine spiralförmige Konvergenz auf den wahren Wert. ein Beispiel zeigt die Abbildung 2.6 (b). Abbildung 2.7: Komplexe Energieebene: Gebundene Zustände (◦), Resonanzen (•) und rotiertes Kontinuum bei einer komplexen Rotation um den Winkel θ. Kapitel 3 Zeitabhängige Hamilton Operatoren Wir wollen im folgenden Quantensysteme in zeitabhängigen Feldern betrachten, zum Beispiel Atome oder Moleküle in Strahlungsfeldern. Wenn die Wellenlänge des Feldes groß ist gegenüber der Systemdimension, kann man erfolgreich die Felder klassisch behandeln ~ in elektrischer Dipolnäherung und die Wechselwirkung mit einem elektrischen Feld E beschreiben durch ~ V (~r, t) = −~µ(~r ) · E(t) (3.1) mit dem Dipolmoment ~µ(~r ). In vielen Fällen sind die Felder (näherungsweise) monochro~ ~ 0 sin(ωt + φ), oder die Amplitude E ~ 0 und matisch mit konstanter Amplitude, E(t) =E Frequenz ω variieren langsam (‘adiabatisch’) im Vergleich zu sin ωt. Manchmal sind auch nur wenige Zustände involviert, und man kann sich auf ein getriebenes N -Niveausystem beschränken. Ein bekanntes Beispiel ist das Zweiniveausystem mit dem Hamilton Operator Ĥ = Ĥ0 + V̂ = − ∆ σ̂z − µ0 E0 sin(ωt + φ) σ̂x 2 (3.2) für ein linear polarisiertes Feld. Hier ist ∆ = E2 − E1 der Niveauabstand und σ̂z , σ̂x die Pauli’schen Spinmatrizen. Einen äquivalenten Hamilton Operator erhält man für den Fall der Spin–Magnetfeld Resonanz, z.B. der Elektron–Spin Resonanz (ESR) oder der Nuclear Magnetic–Spin Resonanz (NMR). Dabei wird ein konstantes Magnetfeld B0 in ~ez -Richtung und ein oszillierendes Feld in einer dazu senkrechten Richtung ~ex angelegt: B̂ = B0 ~ez + 2B1 cos ωt ~ex . (3.3) Das magnetische Moment ~µ ist mit dem Drehimpuls J~ durch das gyromagnetische Verhält~ und wir erhalten für einen Spin 1 nis γ gekoppelt, ~µ = γ J, 2 ~ = − ~ γB0 σ̂z − ~γB1 cos ωt σ̂x Ĥ = −~µ · B 2 in Übereinstimmung mit (3.2). 27 (3.4) 28 KAPITEL 3. ZEITABHÄNGIGE HAMILTON OPERATOREN Im Folgenden werden wir uns mit Hamilton Operatoren befassen, die explizit von der Zeit abhängen, also Ĥ = Ĥ(t) (3.5) Hier kann man den Zeitentwicklungsoperator nicht schreiben als Z i t 0 Ĥ(t ) dt , Û (t) = exp − ~ 0 (3.6) da der Hamilton Operator zur Zeit t1 , Ĥ(t1 ), nicht mit Ĥ(t2 ) vertauscht. Man kann z.B. schreiben i i i (3.7) Û (t) = lim exp − Ĥ(tn ) ∆t · · · exp − Ĥ(t1 ) ∆t exp − Ĥ(t0 ) ∆t ∆t→0 ~ ~ ~ mit tk = k∆t, oder formal i Û (t) = T exp − ~ Z t Ĥ(t ) dt , 0 (3.8) 0 mit dem Zeitordnungsoperator T . In fast allen Fällen ist eine numerische ‘Lösung’ eines derartigen Problems erforderlich, wie sie in den folgenden Kapiteln diskutiert wird. Es ist jedoch instruktiv, sich zuerst zwei (zumindest teilweise) geschlossen lösbare Fälle genauer anzusehen, den harmonischen Oszillator und das Zweizustandssystem mit zeitabhängiger Kraft. 3.1 Der angetriebene harmonische Oszillator Der harmonische Oszillator unter einer zeitabhängigen Kraft ist geschlossen lösbar und eines der Standardprobleme in der klassischen Dynamik. Das entsprechende quantenmechanische Problem 1 2 Ĥ(t) = p̂ + ω02 q̂ 2 − f (t)q̂ (3.9) 2 ist ebenfalls exakt lösbar, aber weniger bekannt aus den Kursvorlesungen der Quantenmechanik. Die folgende Darstellung zeigt in klarer Weise die Korrespondenz zur klassischen Dynamik. In der Ortsdarstellung erhalten wir zunächst die Schrödinger Gleichung 2 2 ~ ∂ 1 2 2 + ω q − f (t)q ψ . (3.10) i~ ψ̇(q, t) = − 2 ∂q 2 2 0 Die Koordinatentransformation q → x mit x = q − ξ(t) , (3.11) wobei ξ(t) die klassische Bewegungsgleichung ξ¨ + ω02 ξ = f (t) (3.12) 3.1. DER ANGETRIEBENE HARMONISCHE OSZILLATOR ∂ψ ˙ ξ ∂x löst, führt mit ψ̇ = ∂ψ(x, t) = i~ ∂t + ∂ψ ∂t 29 auf ∂ ~2 ∂ 2 1 2 2 ˙ i~ξ − + ω (x + ξ) − f (t)(x + ξ) ψ(x, t) . ∂x 2 ∂x2 2 0 (3.13) Eine (erste) unitäre Transformation ψ(x, t) = exp i ˙ ξx ~ ϕ(x, t) (3.14) beseitigt den linearen Term in x: ∂ϕ(x, t) = i~ ∂t ~2 ∂ 2 1 2 2 − + ω x + L(t) ϕ(x, t) . 2 ∂x2 2 0 (3.15) Dabei ist 1 1 L(t) = ξ˙2 − ω02 ξ 2 + ξf (t) 2 2 die klassische Lagrange Funktion. Eine zweite unitäre Transformation Z i t L(τ ) dτ χ(x, t) ϕ(x, t) = exp − ~ 0 führt auf ∂χ(x, t) i~ = ∂t ~2 ∂ 2 1 2 2 − + ω x χ(x, t) , 2 ∂x2 2 0 (3.16) (3.17) (3.18) also die bekannte Schrödinger Gleichung für den zeitunabhängigen harmonischen Oszillator mit den Eigenwerten 1 (3.19) En = ~ω0 n + 2 und Eigenfunktionen χn (x). Insgesamt haben wir also eine vollständige Klasse von Lösungen von (3.10) Z t i ˙ ξ(t)(q − ξ(t)) − En t − L(τ )dτ ) χn (q − ξ(t)) . (3.20) ψn (q, t) = exp ~ 0 Hier sieht man klar, wie die Wellenfunktion der klassischen Bewegung folgt mit einer zusätzlichen zeitabhängigen Phase. Wählt man speziell Lösungen der klassischen Glei˙ chung (3.12) mit Anfangsbedingungen ξ(0) = ξ(0) = 0, so haben wir eine Wellenfunktion mit der Anfangsbedingung ψ(q, 0) = χn (q), d.h. der Oszillator befindet sich anfangs im Vibrationszustand n. Die Wahrscheinlichkeiten für Übergänge n → m lassen sich mit Methoden der Oszillatoralgebra ebenfalls geschlossen berechnen: min(m,n) r n+m−2k 2 k X (−1) ω0 2 pmn (t) = m!n!e−ξ ωo /2~ ξ k!(n − k)!(m − k)! 2~ k=0 (3.21) 30 KAPITEL 3. ZEITABHÄNGIGE HAMILTON OPERATOREN (vgl. z.B. J. Katriel, J. Phys. B3, (1970) 1315 ). Speziell für einen Oszillator, der sich anfangs im Grundzustand befindet, ergibt (3.21) zu jeder Zeit eine Poisson–Verteilung pm0 (t) = 1 m λ (t) e−λ(t) m! (3.22) mit λ(t) = ξ 2 (t)ω0 /2~ . Mit dem bekannten Mittelwert für die Poisson–Verteilung hmi = λ finden wir schließlich 1 1 2 E(t) = hĤ0 i = ~ω0 hmi + (3.23) = ξ (t) ω02 + E(0) , 2 2 also wiederum das klassische Resultat. 3.2 Das angetriebene Zweizustandssystem Ein weiteres einfaches Modellsystem ist das angetriebene Zweizustandssystem ! ! ! −∆/2 f (t) a1 d a1 = . i~ dt a2 f (t) +∆/2 a2 (3.24) Hierbei ist ∆ = E2 − E1 > 0 die Energiedifferenz der beiden Niveaus und f (t) eine reelle Antriebsfunktion, die ‘Kraft’. Die Besetzungswahrscheinlichkeiten der beiden Zustände sind pn (t) = |an (t)|2 mit p1 + p2 = 1. Mit der Transformation a1 = c1 e+i∆t/2~ , a2 = c2 e−i∆t/2~ werden die Diagonalterme eliminiert: ! ! ! 0 f (t) e−i∆t/~ c1 d c1 = . i~ dt c2 f (t) e+i∆t/~ 0 c2 (3.25) (3.26) Im Gegensatz zum angetriebenen harmonischen Oszillator ist dieses System von zwei gekoppelten Differentialgleichungen nicht mehr geschlossen lösbar, und zwar auch für den Fall eines harmonischen Antriebs f (t) = 2~λ cos ωt = ~λ eiωt + e−iωt , für den sich (3.26) auf ! ! ! 0 λ [e−i(ω+ω0 )t + e+i(ω−ω0 )t ] c1 ċ1 = i ċ2 λ [e+i(ω+ω0 )t + e−i(ω−ω0 )t ] 0 c2 mit ~ω0 = ∆ reduziert. (3.27) (3.28) 3.2. DAS ANGETRIEBENE ZWEIZUSTANDSSYSTEM 31 .................. 6 ~δ E2 6 ~ω0 ~ω E1 Abbildung 3.1: Das mit einer Frequenz ω angetriebene Zweizustandssystem (~ω0 = ∆ = E2 − E1 ); δ = ω − ω0 ist die Verstimmung. Die Rotating-Wave Approximation In der sogenannten Drehwellen-Näherung (engl. ‘Rotating-Wave Approximation’ (RWA) ) nimmt man an, dass die Antriebsfrequenz ω in der Nähe der Resonanzfrequenz ω0 liegt und dass die Amplitude λ des Antriebs relativ schwach ist. Dann kann man die schnell variierenden Terme e±i(ω+ω0 )t vernachlässigen, und man erhält schließlich ! ! ! iδt ċ1 0 λe c1 i = (3.29) −iδt ċ2 λe 0 c2 mit der Verstimmung (‘Detuning’ ) δ = ω − ω0 . Differenzieren von ċ1 = −iλ eiδt c2 nach t und Eliminieren von ċ2 und c2 führt auf die einfache Differentialgleichung c̈1 − iδ ċ1 + λ2 c1 = 0 , (3.30) die schon von der Theorie des gedämpften harminischen Oszillators bekannt ist. Mit dem Ansatz c1 = eiσt und den Lösungen der sich durch Einsetzen in (3.30) ergebenden charakteristischen Gleichung σ 2 − δσ − λ2 = 0, 1 σ± = (δ ± Ω) 2 (hier ist Ω= √ δ 2 + 4λ2 (3.31) (3.32) die sogenannte Rabifrequenz ), findet man die allgemeine Lösungen c1 (t) = eiδt/2 c+ e+iΩt/2 + c− e−iΩt/2 (3.33) 1 c2 (t) = − e−iδt/2 (δ + Ω)c+ e+iΩt/2 + (δ − Ω)c− e−iΩt/2 . 2λ 32 KAPITEL 3. ZEITABHÄNGIGE HAMILTON OPERATOREN Die Anfangsbedingungen c1 (0) = 1 und c2 (0) = 0 liefern insbesondere 2 2 p2 (t) = |a2 (t)| = |c2 (t)| = 2λ Ω 2 sin2 Ωt . 2 (3.34) Wir beobachten: (a) Die Übergangswahrscheinlichkeit ist für kleine Zeiten (Ωt 1) mit p2 ≈ λ2 t2 unabhängig von der Verstimmung δ. (b) Im Resonanzfall, δ = 0, ist Ω = 2λ und p2 = sin2 λt, d.h. die Besetzungswahrscheinlichkeit oszilliert vollständig zwischen den beiden Zuständen hin und her. Nur in diesem Fall wird der Grundzustand vollständig geleert. Abbildung 3.2 zeigt als Beispiel den Zeitverlauf von p2 für verschiedene Werte der Verstimmung δ = 0, 0.5, 1, 2. 1 p 2 0.5 0 0 4 2λ t 8 12 Abbildung 3.2: Anregungswahrscheinlichkeit p2 (t) als Funktion von 2λt für verschiedene Werte der Verstimmung δ = 0, 0.5, 1, 2. Ohne die Rotatating-Wave Approximation (RWA) zeigt das Zweizustandssystem Abweichungen von dem oben geschilderten Verhalten. Ein Beispiel zeigt die Abb. 3.3. Man erkennt hier im Vergleich zur RWA in Abb. 3.4 zusätzliche Oszillationen.1 1 Mehr darüber findet man in B. Shore: The Theory of Coherent Atomic excitation (J. Wiley, 1990). 3.2. DAS ANGETRIEBENE ZWEIZUSTANDSSYSTEM 0.8 0.8 0.6 0.6 p(2) 1 p(2) 1 33 0.4 0.4 0.2 0.2 0 0 2 4 6 2λ t 8 10 0 0 12 2 4 6 2λ t 8 10 12 Abbildung 3.3: Numerische Lösung (ohne RWA): Anregungswahrscheinlichkeit p2 (t) als Funktion von 2λt für λ = 0.05 und ω0 = 1 für resonante Anregung ω = 1 (links) und ω = 1.1 (rechts). 0.8 0.8 0.6 0.6 p(2) 1 p(2) 1 0.4 0.4 0.2 0.2 0 0 2 4 6 2λ t 8 10 12 0 0 2 4 6 2λ t 8 10 12 Abbildung 3.4: Rotating Wave Approximation (RWA): Anregungswahrscheinlichkeit p2 (t) als Funktion von 2λt für λ = 0.05 und ω0 = 1 für resonante Anregung ω = 1 (links) und ω = 1.1 (rechts). Aufgabe 3.1 Überlegen Sie sich mindestens zwei Realisierungen eines Zweizustandssystems. Aufgabe 3.2 gegeben sei ein Zweizustandssystems, also die Energieniveaus E1 und E2 . Durch welchen Puls f (t) befördert man einen Zustand in dem Zeitintervall T aus dem Grundzustand 1 vollständig in den angeregten Zustand 2 ? Gibt es Einschränkungen für den Wert von T ? 34 KAPITEL 3. ZEITABHÄNGIGE HAMILTON OPERATOREN Kapitel 4 Zeitperiodische Systeme Eine wichtige Klasse zeitabhängiger Quantensysteme sind zeitperiodisch Ĥ(t + T ) = Ĥ(t) , (4.1) Ĥ(t) = Ĥ0 + V̂ (t) , mit V̂ (t + T ) = V̂ (t) (4.2) die oft in der Form auftreten. Von Bedeutung ist die Symmetrie des Systems: Wir haben eine diskrete Zeitsymmetrie t −→ t + T und häufig auch eine Zeitumkehrsymmetrie t −→ −t (manchmal auch in der verschobenen Form t0 + t −→ t0 − t). 4.1 Floquet–Theorie und Quasienergie Die klassische Floquet–Theorie (1883) behandelt die Differentialgleichung ÿ + g(t)y = 0 mit g(t + T ) = g(t) , (4.3) die auch als Hill’sche Gleichung bekannt ist. Sind y1 (t) und y2 (t) linear unabhängige Lösungen von (4.3), dann auch y1 (t + T ) und y2 (t + T ), und es läßt sich schreiben X yi (t + T ) = aji yj (t) . (4.4) j Im allgemeinen existieren keine periodischen Lösungen von (4.3), aber man kann Lösungen finden, die sichP nach einer Periode T bis auf einen Faktor σ reproduzieren. Der allgemeine Ansatz y(t) = i ci yi (t) liefert X X y(t + T ) = ci yi (t + T ) = ci aji yj (t) (4.5) i ij ! = σy(t) = σ X j 35 cj yj (t) (4.6) 36 KAPITEL 4. ZEITPERIODISCHE SYSTEME und führt auf die Bedingung X aji ci = σcj , (4.7) i oder in Matrixform A~c = σ~c. Die Eigenwerte σ sind also Lösungen der charakteristischen Gleichung |A − σI| = 0 , (4.8) und man nennt die µ± mit σ± = exp(µ± T ) die charakteristischen Exponenten. Weiterhin unterscheidet man stabile (µi rein imaginär) und instabile Fälle. Ein typischer Fall ist hier die Mathieu Gleichung ÿ + (δ + 2 cos 2t)y = 0 (4.9) mit der bekannten Bandstruktur der Stabilitätsbereiche in der (, δ)–Ebene. In der Quantenmechanik ist es zweckmäßig, zunächst den Floquet Operator als Zeitentwicklungssoperator über eine Periode T zu definieren: F̂ (t) = Û (t + T, t) . (4.10) Dieser Operator ist unitär und seine Eigenwerte sind vom Betrag eins: F̂ (t)ψα (t) = e−iα T /~ ψα (t) (4.11) mit reellen α , sogenannten Quasienergien, und den Quasienergie– oder Floquet–Zuständen ψα (t). Eine kurze Rechnung liefert eine wichtige Faktorisierung der |ψα (t)i. Mit F̂ (t)ψα (t) = Û (t + T, t)ψα (t) = ψα (t + T ) = e−iα T /~ ψα (t) , (4.12) und dem Ansatz ψα (t) = e−iα t/~ ϕα (t) (4.13) ψα (t + T ) = e−iα t/~ e−iα T /~ ϕα (t + T ) (4.14) erhält man und durch Vergleich mit (4.12) ϕα (t + T ) = ϕα (t) , (4.15) d.h. die Quasienergiezustände ψα (t) faktorisieren in einen Phasenfaktor und einen zeitperiodischen Anteil. Es gilt natürlich Ĥ(t) ψα (t) = i~ ∂t ψα (t) (4.16) und damit Ĥ(t) e oder −iα t/~ i −iα t/~ −iα t/~ ∂ ϕα (t) + e ϕα (t) ϕα (t) = i~ − α e ~ ∂t Ĥ(t) − i~∂t ϕα (t) = α ϕα (t) . (4.17) (4.18) Die ϕα (t) sind also Eigenzustände von K̂(t) = Ĥ(t) − i~∂t (4.19) mit zeitperiodischen Randbedingungen. Der Quasienergie–Operator K̂(t) ist hermitisch. 4.1. FLOQUET–THEORIE UND QUASIENERGIE 37 Der erweiterte Phasenraum In der klassischen Mechanik kann man Systeme mit explizit zeitabhängiger Hamiltonfunktion H(t) durch einen Kunstgriff zeitunabhängig machen. Man führt dazu die Zeit t als neue Koordinate t0 ein mit einem kanonischen Impuls pt0 sowie eine neue Zeitvariable t. Die neue Hamiltonfunktion K(p, q, pt0 , t0 ) = H(p, q, t0 ) + pt0 (4.20) liefert die kanonischen Bewegungsgleichungen dq ∂K ∂H = = dt ∂p ∂p und dp ∂K ∂H =− =− , dt ∂q ∂q (4.21) d.h. genau die ‘normale’ Hamiltonschen Gleichungen. Zusätzlich haben wir dt0 ∂K = = 1 und dt ∂pt0 ∂H dpt0 ∂K =− 0 =− 0 . dt ∂t ∂t (4.22) Die erste dieser Gleichungen liefert den (trivialen) Zusammenhang zwischen der fiktiven Zeit t und der richtigen Zeit t0 . Die zweite Gleichung zeigt (mit ∂t0 H = dH/dt0 ), dass — bis auf eine irrelevante Konstante, die man durch die Wahl des Energienullpunktes zu Null machen kann — der kanonische Impuls pt0 mit der negativen momentanen Energie zusammenfällt, d.h. pt0 = −H = −E. Wir haben damit gezeigt, dass man explizit zeitabhängige Systeme mit einem Freiheitsgrad umformulieren kann als zeitunabhängige mit zwei Freiheitsgraden. d.h. der erweiterte Phasenraum1 (p, q, pt0 , t0 ) ist vierdimensional. Ein Vorteil dieser Einbettung ist es, dass die Theoreme aus der Dynamik konservativer Systeme übernommen werden können. Darüberhinaus ist die Dynamik aber entschieden einfacher als die allgemeiner zweidimensionaler konservativer Systeme, denn die Entwicklung in der t0 –Richtung ist simpel und der Wert der Konstanten K spielt keine Rolle für die Dynamik. In vielen Zügen entspricht unser System also einem System mit einem dreidimensionalen Phasenraum, man sagt auch, ein solches System habe ‘eineinhalb Freiheitsgrade’. Wenn wir eine Quantisierung der erweiterten Hamiltonfunktion (4.20) durchführen, wenn wir also den klassischen Impuls p durch den Impulsoperator −i~∂q und entsprechend pt durch den Operator −i~∂t ersetzen, geht K = H + pt0 in (4.20) über in den Quasienergieoperator K̂(t0 ) = Ĥ(t0 ) − i~∂t0 (vgl. (4.19) ). Das Quasienergiespektrum (a) Die Quasienergien sind nur definiert bis auf ein ganzzahliges Vielfaches von ~ω mit ω = 2π/T . Eine einzelne Quasienergie α ist daher Repräsentant einer ganzen Klasse 1 Mehr dazu in V. I. Arnold: Mathematische Methoden der klassischen Mechanik (Springer, 1988). 38 KAPITEL 4. ZEITPERIODISCHE SYSTEME α + k~ω mit k = 0, ±1, ±2, . . .. Stellvertretend für diese Klasse schreiben wir auch α0 . Wir können einen Repräsentanten aus dieser Klasse in dem Intervall − ~ω ~ω < α ≤ , 2 2 (4.23) der ersten Brillouinzone, auswählen. Die einem α + k~ω entsprechenden |ϕα i Zustände sind |ϕα,k (t)i = e−ikωt |ϕα (t)i , (4.24) die ‘physikalischen’ Zustände |ψα (t)i sind unabhängig von dem Index k. (b) Im Falle zeitunabhängiger Systeme erscheinen die Engergieeigenwerte En in einer natürlichen Ordnung, nämlich En ≤ En+1 , und man kann diese Ordnung dazu verwenden, die Eigenwerte zu numerieren. Für die Quasienergie ist dies nicht so einfach. Man erhält typischerweise eine Menge von α in der ersten Brillouinzone und muß explizit eine Methode angeben, um die einzelnen Quasizustände mittels Indizes zu kennzeichnen. Man mache sich klar, dass die Quasienergien zum Beispiel schon im einfachen Fall mit einem äquidistantem Quasienergiespektrum mit Abständen ~ω0 und inkommensurablen Werten von ω0 und ω in der ersten Brillouinzone dicht liegen! (c) Von großer Bedeutung für die Dynamik ist auch die Struktur des Quasienergiespektrums. Man unterscheidet ein Punktspektrum, mit einer abzählbaren Menge von Quasienergien, ein absolut stetiges (oder kontinuierliches) Spektrum und ein singulär stetiges Spektrum, das z.B. lokalisiert auf einer Cantor–Menge (definiert als kompakt, nirgends dicht1 und überabzählbar). Zudem können alle diese Spektralanteile simultan existieren. Eine Untersuchung der spektralen Eigenschaften eines Systems ist generell schwierig. Mehr dazu findet sich z.B. in dem Übersichtsartikel von Casati und Molinari2 . Orthogonalität und Vollständigkeit Ist H der von den Eigenvektoren des ungestörten Systems Ĥ0 aufgespannte Hilbertraum, so läßt sich in dem um die Klasse T der T –periodischen Funktionen erweiterten Hilbertraum H ⊗ T ein Skalarprodukt definieren: Z 1 T hhϕ1 |ϕ2 ii = dthϕ1 (t)|ϕ2 (t)i (4.25) T 0 ( h· · | · ·i ist das Skalarprodukt in H ). Das liefert die Orthonormalität der Quasienergiezustände hhϕα0 |ϕβ 0 ii = δαβ δkk0 1 (4.26) Eine Menge heißt nirgends dicht, wenn in der Umgebung eines jeden Punktes dieser Menge eine offene Menge liegt, die nicht zu ihr gehört. 2 G. Casati und L. Molinari, Prog. Theoret. Phys. Suppl. 88 (1989) 287. 4.2. PARAMETERABHÄNGIGKEIT und die Vollständigkeit X 39 ϕ∗αk (q, t)ϕαk (q 0 , t0 ) = T δ(q − q 0 )δ(t − t0 ) (4.27) αk (dabei sind die Zeiten jeweils modulo T zu nehmen). Speziell für t = t0 gilt auch X ϕ∗α (q, t)ϕα (q 0 , t) = T δ(q − q 0 ) . (4.28) α Wir können also einen beliebigen Zustandsvektor nach den Quasienergiezuständen entwickeln und daraus z.B. die Zeitevolution erhalten, ganz ähnlich dem Vorgehen im zeitunabhängigen System: X |ψ(t)i = cα e−iα t/~ |ψα (t)i (4.29) α mit zeitunabhängigen Koeffizienten cα , die durch die Anfangsbedingung festgelegt werden. Es sei noch einmal hervorgehoben, dass in (4.29) jeweils nur ein Repräsentant einer Klasse α + k~ω berücksichtigt werden muß. Insgesamt ergibt sich also eine direkte Analogie zu dem bekannten Vorgehen für zeitunabhängige Systeme. 4.2 Parameterabhängigkeit Wie in der klassischen Mechanik hat auch in der Quantenmechanik die Beschreibung zeitperiodicher Systeme im erweiterten Hilbertraum H ⊗ T den Vorteil, dass man Theoreme aus der Theorie zeitunabhängiger Systeme übernehmen kann. Beispiele dafür sind: Das Entartungstheorem (J. von Neumann und E. Wigner): Die Eigenwerte eines hermitischen Operators  sind bei Variation nur eines Systemparameters typischerweise nicht entartet, falls die Zustände der gleichen Symmetrieklasse angehören. Zum Beweis reduziert man zunächst das System in der Umgebung einer Fastentartung zweier Zustände |1i und |2i durch ein Zweizustandssystem. Die Eigenzustände sind dann die Eigenwerte der 2 × 2 Matrix (aik ) mit aik = hi|Â|ki und reellen aii : a± = p 1 a11 + a22 ± (a11 − a22 )2 + 4|a12 |2 . 2 (4.30) Eine Entartung E+ = E− erfordert dann das gleichzeitige Verschwinden von (a11 − a22 ) und a12 , was typischerweise bei der Variation nur eines Parameters nicht erreicht wird. Ausgenommen sind Fälle, bei denen z.B. das Matrixelement a12 ohnehin verschwindet, etwa für zwei Zustände verschiedener Symmetrie oder für einen wechselwirkungsfreien Fall wie weiter unten diskutiert. 40 KAPITEL 4. ZEITPERIODISCHE SYSTEME Das Hellmann–Feynman Theorem2 Für die Parameterdifferentiation der Eigenwerte a eines hermitischen Operators  gilt ∂a ∂  = ha| |ai . ∂λ ∂λ (4.31) Zum Beweis: 0 = ∂λ ha|  − a |ai = ha| (∂λ  − ∂λ a)|ai + 2Re h(∂λ a)|  − a |ai, wobei der letzte Term verschwindet, da |ai Eigenvektor von  zum Eigenwert a ist. Wir wollen im folgenden die Anwendung dieser Theoreme auf zeitperiodische Systeme illustrieren und dabei gleichzeitig etwas über die Abhängigkeit der Quasienergien von den Parametern lernen. Wir betrachten dazu ein System Ĥ = Ĥ0 + V̂ (t) unter dem Einfluß einer harmonischen Kraft: V (q) = −f q sin(ωt + φ) , (4.32) d.h. wir haben drei Parameter f , ω und φ. Zunächst überlegen wir uns, dass die Quasienergien α nicht von dem Winkel φ abhängen, denn φ entspricht nur einer Verschiebung des Zeitnullpunktes. Wir wollen zunächst einmal untersuchen, wie der Erwartungwert der Energie Ĥ in einem Quasienergiezustand |ψα i mit der Quasienergie (gemittelt über eine Periode) zusammenhängt. Dazu berechnen wir zunächst hĤiα Z Z 1 T 1 T = dt hψα (t)|Ĥ|ψα (t)i = dt hϕα (t)|Ĥ|ϕα (t)i T 0 T 0 Z 1 T = dt hϕα (t) |K̂ + i~∂t | ϕα (t)i = α + hhϕα (t)| i~∂t |ϕα (t)ii . T 0 (4.33) Eine Fourier–Entwicklung ϕα (q, t) = +∞ X ck (q) e−ikωt (4.34) k=−∞ ergibt mit P k hck |ck i = hϕα |ϕα i = 1 hĤiα = εα + X k k~ωhck |ck i = X (εα + k~ω)hck |ck i , (4.35) k d.h. die Energie akkumuliert in jeder harmonischem Mode gemittelt über deren Gewichte. Eine Anwendung des Hellmann–Feynman Theorems auf die Quasienergien und den Parameter ω, also ∂ω α = hhϕα |∂ω K̂|ϕα ii , (4.36) 2 Dieses Theorem geht eigentlich auf Ehrenfest zurück; wieder einmal eine Bestätigung von ‘Arnolds Law’; mehr dazu findet man unter http://www.phy.bris.ac.uk/people/Berry mv/quotations.html . 4.3. DER PERIODISCH GETRIEBENE HARMONISCHE OSZILLATOR 41 läßt sich noch weiter auswerten. Substitution t −→ τ = ωt und Differentiation von K̂(τ ) = Ĥ(τ ) − i~ω∂τ nach ω i~ (4.37) ∂ω K̂ = −i~∂τ = − ∂t . ω τ liefert ∂α i~ ∂ = − hhϕα | |ϕα ii (4.38) ∂ω ω ∂t und daher ∂α hĤiα = εα − ω . (4.39) ∂ω Wir können also aus der ω–Abhängigkeit der Quasienergie die Mittelwerte der Energie berechnen. Weiterhin erhalten wir im Grenzfall f → 0 das zeitunabhängige System Ĥ0 mit den (0) Eigenwerten En und α0 = αk = α0 + k~ω = En(0) + k 0 ~ω = (0) (ω) mit k 0 ∈ {0, ±1, ±2, . . .} . (4.40) Diese ansteigenden (k 0 > 0) und abfallenden (k 0 < 0) geraden Linien (0) (ω) kreuzen, was z.B. für zwei dieser Linien schematisch in Abbildung 4.1 dargestellt ist. Je nach der Symmetrie der beiden Zustände wird diese Kreuzung bei der Frequenz ωc für f > 0 aufgehoben oder nicht. In der Abbildung ist der Fall zweier Zustände der gleichen (0) (0) Symmetrieklasse dargestellt. Die Kreuzung der Zustände 1 , 2 des feldfreien Systems wird aufgehoben und wir erhalten zwei Zustände, + und − , die für Frequenzen ω in (0) einigem Abstand von ωc näherungsweise in 1/2 übergehen. Wenn man einen Parameter langsam genug (‘adiabatisch’) variiert, folgt ein Quasienergiezustand diesen Kurven, d.h. er bleibt ein Quasienergiezustand. Dies kann man (0) ausnutzen, um Übergänge zu induzieren: Starten wir z.B. in dem Zustand 1 für f = 0 und erhöhen langsam die Feldamplitude f , so entwickelt sich der Zustand in den Quasienergiezustand − . Steigert man jetzt langsam die Frequenz ω über ωc hinaus und senkt (0) dann die Amplitude f wieder ab, so befindet man sich im Zustand 2 . 4.3 Der periodisch getriebene harmonische Oszillator Der linear angetriebene harmonische Oszillator wurde in Abschnitt 3.1 ausführlich diskutiert. Insbesondere ergab sich eine direkte Korrespondenz zu dem analogen klassischen Problem. Für einen zeitperiodischen monochomatischen Antrieb Ĥ(t) = 1 2 p̂ + ω02 q̂ 2 − λ cos ωtq̂ 2 (4.41) kann man die Lösungen ψn (q, t) = eiφ(t) χn (q − ξ(t)) . (4.42) 42 KAPITEL 4. ZEITPERIODISCHE SYSTEME ε f>0 ε + ε(0) 2 f=0 (0) ε1 ε − ωc ω Abbildung 4.1: Schematische Darstellung der vermiedenen Kreuzung zweier Quasienergien aus der gleichen Symmetrieklasse bei Variation der Antriebsfrequenz ω. Die exakte Kreuzung bei ωc für f = 0 wird für f > 0 aufgehoben. mit ˙ ~φ(t) = ξ(t)(q − ξ(t)) − En t − Z t L(τ )dτ (4.43) 0 direkt aus (3.20) übernehmen. Hier sind die χn die üblichen Wellenfunktionen des harmonischen Oszillators zu den Eigenwerten En = ~ω(n + 1/2) und ξ(t) ist eine Lösung der wohlbekannten klassische Bewegungsgleichung ξ¨ + ω02 ξ = λ cos ωt . (4.44) Zur Konstruktion der Quasienergiezustände verwenden wir die periodische Lösung ξ(t) = für ω 6= ω0 . Mit 1 T Z ω02 λ cos ωt − ω2 T L(τ )dτ = 0 λ2 4(ω02 − ω 2 ) läßt sich die Phase (4.43) schreiben als Z T Z t t ˙ L(τ )dτ − ~φ(t) = ξ(t)(q − ξ(t)) + L(τ )dτ T 0 0 λ2 − En − t = ~φ̃(t) − α t . 4(ω02 − ω 2 ) (4.45) (4.46) (4.47) 4.3. DER PERIODISCH GETRIEBENE HARMONISCHE OSZILLATOR 43 Hier ist der erste Term manifest T -periodisch und wir erhalten die gesuchten Quasienergiezustände als i ψα (q, t) = e− ~ α t eiφ̃(t) χα (q − ξ(t)) . (4.48) mit α = 0, 1, 2 . . . und den Quasienergien 1 λ2 α = ~ω0 (α + ) − . 2 4(ω02 − ω 2 ) (4.49) Das Quasienergiespektrum ist also ein äquidistantes Punktspektrum mit Abständen ~ω0 , d.h. das Spektrum des zeitunabhängigen Operators Ĥ0 , verschoben um den konstanten Term λ2 /4(ω02 − ω 2 ). Es sollte noch einmal darauf hingewiesen werden, dass jede dieser Quasienergien einen Repräsentanten der Klasse α + k~ω, k = 0, ±1, . . . darstellt, und dass das Punktspektrum (4.49) für nicht-kommensurable Frequenzen, d.h. irrationales Verhältnis ω/ω0 , in der ersten Brillouinzone [−~ω/2, ~ω/2] dicht liegt. Für den resonanten Fall ω = ω0 existiert keine periodische Lösung von (4.44). Mit Hilfe der Lösung λ ξ(t) = t sin ωt (4.50) 2ω ˙ (mit ξ(0) = ξ(0) = 0) läßt sich analog zu dem obigen Vorgehen der Floquet Operator konstruieren und man kann sich davon überzeugen, dass das Quasienergiespektrum in diesem Fall kontinuierlich (absolut stetig) ist3 . Man zeigt weiterhin, dass das System beliebig viel Energie aus dem Feld aufnimmt und die Amplituden beliebig groß werden, genau wie im klassischen Resonanzfall (vgl. (3.23)). Freies Teilchen unter zeitperiodischer Kraft Zuletzt wollen wir als einfachen Grenzfall des harmonischen Oszillators für ω0 −→ 0 ein freies Teilchen im periodischen Feld f (t) = λ cos ωt betrachten. Hier haben wir die periodische Lösung λ ξ(t) = − 2 cos ωt (4.51) ω und entsprechend zu (4.48) die Quasienergiefunktionen i ψα (q, t) = e ~ α t eiφ̃(t) χα (q − ξ(t)) (4.52) mit α = E + λ2 /4ω 2 . Die χα (x) lösen die Schrödingergleichung des freien Teilchens − ~2 00 χ (x) = Eχ(x) mit 0 < E < ∞ . 2 (4.53) Das Quasienergiespektrum ist also in diesem Fall wie erwartet kontinuierlich. Die Quasienergiefunktionen folgen der Ausbreitung des Wellenpaketes (4.53), das zusätzlich eine Zitterbewegung mit der Antriebsfrequenz ω und Amplitude λ/ω 2 ausführt. 3 G. A. Hagedorn, M. Loss, J. Slawny, J. Phys. A 19 (1986) 521. 44 4.4 KAPITEL 4. ZEITPERIODISCHE SYSTEME Periodisch getriebene Zweizustandssysteme Es ist sehr lehrreich, die Quasienergiezustände des periodisch angetriebenen Zweizustandssystems (hier geschrieben mit den Spinmatrizen) ~ ω0 σ̂z + 2~λ cos(ωt) σ̂x − i~∂t (4.54) 2 genauer zu untersuchen. Einerseits lassen sich hier typische Phänomene klar herausarbeiten, und andererseits finden sich auch eine Fülle von Anwendungen auf reale Atome in Strahlungsfeldern, die oft näherungsweise als Zweizustandssysteme behandelt werden können. Die gekoppelten Gleichungen für die Besetzungsamplituden der beiden Zustände ! ! ! −∆/2 f (t) a1 d a1 i~ = . (4.55) dt a2 f (t) +∆/2 a2 K̂ = (∆ = E2 − E1 = ~ω0 ) und f (t) = 2~λ cos ωt wurde in Abschnitt (3.2) im Rahmen der Rotating-Wave Approximation (RWA) ‘gelöst’. Wie schon oben diskutiert, führt eine Transformation von (4.54) in das rotierende System eiωt σ̂z /2 K̂(t) e−iωt σ̂z /2 = Ĥ RWA + Ĥ cr − i~∂t mit dem Rotating-Wave Hamiltonoperator i ~h Ĥ RWA = (ω0 − ω)σ̂z + 2λσ̂x 2 und dem gegenrotierenden (‘counter rotating’) Term Ĥ cr = λ [cos(2ωt)σ̂x − sin(2ωt)σ̂y ] , (4.56) (4.57) (4.58) der in der RWA vernachlässigt wird. √ Aus Gl. (3.25) und Gl. (3.33) ergibt sich mit δ = ω − ω0 und Ω = δ 2 + 4λ2 a1RWA (t) = eiωt/2 c+ e+iΩt/2 + c− e−iΩt/2 (4.59) 1 −iωt/2 e (δ + Ω)c+ e+iΩt/2 + (δ − Ω)c− e−iΩt/2 . 2λ Setzt man c+ = 0 oder c− = 0, so findet man die Floquet–Lösungen mit der Quasienergie a2RWA (t) = − ~ (ω ± Ω) + k~ω 2 und den Quasienergiezuständen RWA ±,k = RWA ϕ±,k 1 =√ 2Ω ; k = 0, ±1, ±2, . . . ! √ ± Ω∓δ √ eikωt . Ω ± δ eiωt (4.60) (4.61) Wir wollen zunächst das Verhalten für kleine Feldstärke untersuchen, d.h. den Grenzfall λ −→ 0. Für die Rabifrequenz gilt dann Ω −→ |δ| = |ω − ω0 | mit Ω ≥ |δ|. Wir unterscheiden zwei Fälle: 4.4. PERIODISCH GETRIEBENE ZWEIZUSTANDSSYSTEME 45 .................. 6 6 .................. 6 6 ~ω0 ~ω ~ω0 ~ω Abbildung 4.2: Rotverstimmung (links) und Blauverstimmung (rechts). Für eine rotverstimmte Anregungsfrequenz ω < ω0 ist δ < 0 und ~ ~ (ω + ω0 − ω) = ω0 2 2 ~ ~ (ω − ω0 + ω) − ~ω = − ω0 −→ 2 2 RWA +,0 −→ RWA −,−1 (4.62) Für eine blauverstimmte Anregungsfrequenz ω > ω0 ist δ > 0 und ~ ~ (ω − ω + ω0 ) = ω0 2 2 ~ ~ (ω + ω − ω0 ) − ~ω = − ω0 . −→ 2 2 RWA −,0 −→ RWA +,−1 (4.63) RWA Mit anwachsendem λ erhöht sich die Rabifrequenz Ω und die Quasienergien +,k wachsen RWA an, die −,k fallen. Folglich wachsen die Quasienergieabstände bei Rotverstimmung an (Niveauabstoßung) und fallen bei Blauverstimmung (Niveauanziehung). Dies bezeichnet man auch als dynamischen Starkeffekt (‘ac Stark shift’), der z.B. dazu führt, dass in räumlich inhomogenen Feldern Kräfte auf Atome ausgeübt werden (optische Dipolkraft). Das kann man z.B. dazu benutzen, um Atome in Fallen zu halten. RWA Bei weiterer Erhöhung der Feldamplitude λ kreuzen sich die anwachsenden +,k und 1 RWA die fallenden −,k2 bei = ~ ~ (ω + Ω) + k1 ~ω = (ω − Ω) + k2 ~ω , 2 2 (4.64) also für Ω = (k2 − k1 )ω = nω (4.65) p d.h. für n = (1 − ω0 /ω)2 + (2λ/ω)2 . Unter diesen Bedingungen sind also die antreibende Frequenz und die interne Rabifrequenz in Resonanz (n ‘Photonen’ können resonant absorbiert werden). Wenn wir die Brillouinzonenstruktur −~ω/2 < ≤ +~ω/2 des Quasienergiespektrums beachten, finden wir die Kreuzungen bei n gerade : RWA = ~ω/2 mod ~ω n ungerade : RWA = 0 mod ~ω 46 KAPITEL 4. ZEITPERIODISCHE SYSTEME Abbildung 4.3: Quasienergiespektrum des periodisch getriebenen Zweizustandssystems für ω0 /ω = 5.6 (aus Holthaus4 ). also am Rand (n gerade) oder in der Mitte (n ungerade) der Brillouinzone. Diese Ergebnissen beruhen auf der Rotating-Wave Approximation. Wenn man darüber hinausgehen will, muß der gegenrotierende Term Ĥ cr im Hamiltonoperator (4.58) berücksichtigt werden. Dieser Term enthält die Frequenz 2ω und wir erwarten einen wesentlichen Einfluß für Ω = 2ω, d.h. an den Rändern der Brillouinzone. Abbildung 4.3 zeigt numerisch exakte Quasienergien4 in Abhängigkeit von 2λ/ω für ω0 /ω = 5.6 (zur besseren Veranschaulichung sind zwei Brillouinzonen dargestellt) Wie man sieht folgen die numerischen Quasienergien für schwache Anregungsamplitude λ der RWA und zeigen mit wachsendem λ die erwarteten vermiedenen Kreuzungen an den Rändern der Brillouinzone. Man kann – ausgehend von der RWA – die Korrekturen der Quasienergie für Ω = 2nω in Störungstheorie n-ter Ordnung mit dem Störterm Ĥ cr berechnen4 und findet für Ω ≈ 2ω in erster Ordnung ~ ~ p ± ≈ ω ± ω (Ω − 2ω)2 + 4a2 mod ~ω (4.66) 2 2 mit ~λ Ω + δ ~a = hhϕ+,0 |Ĥ cr |ϕ−,1 ii = − . (4.67) 2 Ω Damit ergibt sich eine Niveauabstoßung von |+ − − | ≈ ~λ(1 + δ/Ω). Entsprechend erhält man für Ω = 4ω in Störungstheorie zweiter Ordnung ± ≈ mit b= 4 ~ ~ p ω ± ω (Ω − 4ω + b)2 + 4c2 2 2 λ2 Ω2 + δ 2 + 4δΩ Ω Ω2 − 4ω 2 , c= mod ~ω λ3 Ω + δ 4ωΩ Ω − 2ω (4.68) (4.69) M. Holthaus, Periodisch angetriebene Quantensysteme: Konzepte und Perspektiven, Habilitationsschrift, Univ. Marburg, 1996. 4.4. PERIODISCH GETRIEBENE ZWEIZUSTANDSSYSTEME 47 Für Ω = 6ω erhält man analog in Störungstheorie dritter Ordnung ± ≈ ~ p ~ ω ± ω (Ω − 6ω + b)2 + 4d2 2 2 mod ~ω (4.70) mit d= Ω+δ λ5 . 16ω 2 Ω (Ω − 2ω)(Ω − 4ω) Als Beispiel zeigt Abbildung 4.3 exakte, numerisch berechnete Quasienergien des Zweiniveausystems für ω0 /ω = 5.6. Dargestellt sind zwei Brillouinzonen; die erste vermiedene Kreuzung bei 2λ/ω ≈ 3 ist ein Beispiel für eine Resonanz Ω ≈ 6ω. Man beachte die Verschiebung (Bloch–Siegert–Shift) der Position der Kreuzung um den Term b sowie das Anwachsen der Aufspaltung mit λ. Abbildung 4.4 zeigt einen Ausschnitt aus Abbildung 4.3 in einer Umgebung der Ω = 6ω Resonanz. Verglichen werden die numerisch exakten Resultate mit der RWA und dem Resultat der Störungstheorie (4.70). Man beachte die Qualität dieser Näherung. Der Bloch–Siegert Shift (die RWA Quasienergien kreuzen bei 2λ/ω ≈ 3.85, die exakten bei 2λ/ω ≈ 3) und die Niveauabstoßung werden sehr gut wiedergegeben. Die Aufhebung der Kreuzungen der RWA Quasienergien für Ω = nω mit geradem n und die Nicht-Aufhebung der Kreuzungen für ungerades n läßt sich auch aus Symmetrieüberlegungen verstehen (vgl. Abschnitt 4.2). Der Quasienergieoperator (4.54) ist invariant bezüglich der kombinierten Konjugation mit σ̂z (also K̂ → eiπσ̂z /2 K̂e−iπσ̂z /2 ; dies überführt wegen eiuσ̂z /2 σ̂x e−iuσ̂z /2 = cos u σ̂x − sin u σ̂y den Operator σ̂x in −σ̂x ) und der Zeitverschiebung t −→ t + T /2 (T = 2π/ω) (dies überführt cos ωt in − cos ωt). Abbildung 4.4: Ausschnitt aus Abbildung 4.3 im Vergleich mit RWA (- - -) und Störungstheorie (4.70) (– – –) (aus Holthaus4 ). 48 KAPITEL 4. ZEITPERIODISCHE SYSTEME Die Quasienergiezustände (4.61) sind symmetrisch oder antisymmetrisch bezüglich dieser Operation: RWA RWA ϕ±,k −→ (−1)k ϕ±,k . (4.71) Die Kreuzungen von Zuständen ϕ±,k1 und ϕ±,k2 gleicher Parität, d.h. geradem k1 −k2 , führt zu einer Aufhebung der Niveaukreuzung in voller Übereinstimmung mit den Überlegungen weiter oben. Die Abstoßung der Quasienergien läßt sich in einer einfachen Weise störungstheoretisch aus der Lösung für den Grenzfall ω0 = 0 herleiten. Hier verifiziert man leicht, dass die Zustände ! 1 1 2λ ϕ± = √ exp ∓ i , ω ω0 (4.72) sin ωt ω −1 2 Floquet Lösungen zu den (entarteten) Quasienergien ± = 0 mod ~ω sind. In Störungstheorie erster Ordnung (gültig für starke Blauverstimmung ω ω0 oder starke Anregung √ 2λω ω0 ) findet man Z 1 T hhϕ+ |σ̂z |ϕ− ii = dthϕ+ |σ̂z |ϕ− i T 0 Z 4λ 1 T dt exp i sin ωt = J0 (4λ/ω) = T 0 ω (4.73) und hhϕ+ |σ̂z |ϕ+ ii = hhϕ− |σ̂z |ϕ− ii = 0 . Die Aufspaltung ∆ = |+ − − | ist also in dieser Näherung gegeben durch eine Besselfunktion: ∆ ≈ ~ω0 |J0 (4λ/ω)| . (4.74) Diese Näherungsformel zeigt das Anwachsen der Aufspaltung mit λ. Der in Abbildung 4.3 dargestellte Fall liegt allerdings außerhalb des Gültigkeitsbereiches dieser Näherung. Aus der Theorie atomarer Stoßprozesse sollte bekannt sein, dass Übergänge zwischen elektronischen Zuständen bei Annäherung der Atome bevorzugt an den Kreuzungen der Potentialkurven der betreffenden Zustände (als Funktion des interatomaren Abstands) stattfinden (vgl. etwa die Landau–Zener Theorie der sogenannten Kurvenkreuzungsprozesse). Eine ganz analoge Situation findet man hier: Variiert man langsam (adiabatisch) die Feldamplitude, so sollten die Besetzungen der instantanen Quasienergiezustände konstant bleiben, wobei ‘langsam’ definiert ist in Relation zu dem Niveauabstand. Übergänge finden in der Hauptsache statt an den (Fast-)Kreuzungen der Quasieenergien. Dies soll weiter unten noch genauer untersucht werden. Hier sei nur vorausgeschickt, dass man für die mittlere Wahrscheinlichkeit P für das Auftreten von Übergängen zwischen den Zuständen 1 und 2 mit Hilfe des Hellmann–Feynman Theorems (vgl. Abschnitt 4.2) die sehr einfache Beziehung 2 ! 1 4 ∂ P = 1− 2 (4.75) 2 ~ ∂ω0 4.4. PERIODISCH GETRIEBENE ZWEIZUSTANDSSYSTEME 49 Abbildung 4.5: Mittlere Übergangswahrscheinlichkeit für das Zweiniveausystem aus Abb. 4.3. Zum Vergleich sind auch die Resultate der RWA (- - -) dargestellt. (aus Holthaus4 ). herleiten kann5 . Da an einer vermiedenen Kreuzung ∂/∂ω0 = 0 gilt (man betrachte z.B. die störungstheoretischen Formeln weiter oben), folgt aus Gleichung (4.75), dass dort die mittlere Übergangswahrscheinlichkeit maximal ist: P = 0.5. Dieser Zusammenhang zwischen vermiedenen Kreuzungen und maximalen Übergangswahrscheinlichkeiten bleibt bestehen, wenn die Quasienergien als Funktionen anderer Parameter, z.B. der Kopplungsstärke, betrachtet werden (vgl. Holthaus, Fußnote auf Seite 46). In Abbildung 4.5 wird für das Zweizustandssystem aus Abbildung 4.3 die mittlere Übergangswahrscheinlichkeit P dargestellt im Vergleich mit einer entsprechenden Kurve für die RWA, die sich aus (4.75) und (4.60) als 1 δ2 RWA P = 1− 2 (4.76) 2 Ω berechnen läßt und keine resonante Überhöhung der Übergangswahrscheinlichkeiten zeigt (man mache sich hier noch einmal klar, dass die RWA beispielsweise für ein Zweiniveausystem mit zirkular polarisierter Anregung exakt ist). Zum Abschluß sein noch darauf hingewiesen, dass die in diesem Abschnitt diskutierten Eigenschaften des Zweiniveausystems in sehr ähnlicher Form auch bei Mehrniveausystemen auftreten. In der Regel sind solche Phänomene real, man sollte aber auch beachten, dass bei numerische Rechnungen Effekte auftreten können, die ein Niveaukreuzungsszenario vorgaukeln. Es schönes Beispiel für solche Artefakte findet man bei Holthaus4 : Wird der angetriebene harmonische Oszillator aus Abschnitt 4.3 in einer endlichen Basis von beispielsweise N = 20 Eigenfunktionen des ungestörten Oszillators diagonalisiert, so findet man für diesen ‘trunkierten’ harmonischen Oszillator 20 Floquet Zustände. deren 5 J. H. Shirley, Phys. Rev. 138B (1965) 979. 50 KAPITEL 4. ZEITPERIODISCHE SYSTEME Quasienergiespektrum als Funktion des Stärkeparameters λ die in Abbildung 4.6 dargestellte interessante Struktur mit einer Vielzahl von vermiedenen Kreuzungen zeigt. Diese gesamte Struktur ist in den exakten Quasienergien nicht vorhanden und beruht einzig und allein auf der benutzten endlichen Basis. Abbildung 4.6: Quasienergiespektrum des trunkierten harmonischen Oszillators mit ω0 /ω = 0.96 und N = 20 (aus Holthaus4 ). Aufgabe 4.1 Herleitung von Gleichung (4.66). Aufgabe 4.2 Verifizieren Sie, dass die Zustände (4.72) wirklich Floquet Zustände sind und berechnen Sie in Störungstheorie erster Ordnung das Resultat von Gleichung (4.73). Kapitel 5 Numerische Methoden Die bisher untersuchten Beispiele (der angetriebene harmonische Oszillator und das Zweizustandssystem) konnten gewisse Aspekte der Quantendynamik zeitgetriebener Systeme illustrieren. Sie sind aber — eben wegen ihrer Einfachheit — auch untypisch. Im allgemeinen müssen die Systeme numerisch behandelt werden. Im folgenden sollen beispielhaft einige numerische Methoden zur Behandlung solcher Probleme erläutert werden, die zur Berechnung von Quasienergiespektren eingesetzt werden1 . Wir unterstellen hier also einen zeitperiodischen Hamilton–Operator mit Periode T = 2π/ω, obwohl einige dieser Methoden auch für andere Fälle eingesetzt werden können. Weiterhin lassen sich alle diese Methoden auf Systeme mit mehreren (wenigen) Freiheitsgraden anwenden. Hier beschränken wir uns jedoch auf einen einzigen Freiheitsgrad. 5.1 Floquet Matrix Da die Quasienergiezustände φα (q, t) in der Zeit t periodisch sind (vgl. (4.13) und (4.15) ) kann man sie in eine Fourier–Reihe entwickeln: φα (q, t) = n=+∞ X inωt c(n) . α (q)e (5.1) n=−∞ (n) Entwickelt man jetzt die cα (q) in ein vollständiges System orthonormierter Basisfunktionen ym (q) = hq|ym i ∞ X c(n) (q) = c(n) (5.2) α αm ym (q) , m=1 so erhält man durch Einsetzen in die Floquet Gleichung K̂|φα (t)i = Ĥ − i~∂t |φα (t)i = α |φα (t)i 1 Mehr dazu findet man z.B. in J. A. Bayfield, Quantum Evolution, Appendix B 51 (5.3) 52 KAPITEL 5. NUMERISCHE METHODEN und mit |ym ni = |ym i|ni, |ni = exp(inωt) die Beziehung X K̂c(n) αm |ym ni = α m,n X (n) cαm |ym ni . (5.4) m,n Bildet man Matrixelemente und benutzt die Orthogonalitätsrelation hhym0 n0 |ym nii = δmm0 δnn0 , so erhält man die Matrixgleichung X (n0 ) hhym0 n0 |K̂|ym niic(n) αm = α cαm0 (5.5) m,n für die Eigenwerte α , die Quasienergien. Mit K̂ = Ĥ − i~∂t findet man 0 hhym0 n0 |K̂|ym nii = hym0 |Ĥ (n −n) |ym i + n~ωδn0 n δm0 m , (5.6) 0 wobei Ĥ (n −n) die Fourier–Transformierte von Ĥ(t) ist: Ĥ (n0 −n) 1 = T Z T 0 dtĤ(t)ei(n −n)ωt . (5.7) 0 Die Matrixgleichung (5.5) hat in vielen Fällen eine einfache Block–Tridiagonalstruktur, z.B. für harmonische Anregung Ĥ(t) = Ĥ0 − 2~λV̂ (q) sin(ωt + ϕ) (5.8) (oft ist V̂ (q) = q̂) gilt 0 Ĥ n −n = Ĥ0 − iV̂ δn0 ,n+1 eiϕ − δn0 ,n−1 e−iϕ und die K̂–Matrix hat die Struktur · · · · · · · † · 0 Ŵ Ĥ0 − ~ω Ŵ 0 · † K̂ = · · 0 Ŵ Ĥ0 Ŵ 0 0 Ŵ Ĥ0 + ~ω Ŵ † · · · · · · · · · · · · · 0 · (5.9) · · · . · · (5.10) Spezielle numerische Methoden zur Berechnung der Eigenwerte solcher Matrizen nehmen Rücksicht auf diese Blockstruktur, z.B. die Matrix–Continued–Fraction (MCF) Methode2 2 P. Hänggi, in Quantum Transport and Dissipation, ed. T. Dittrich et. al. (VCH-Verlag, 1998); F. Grossmann, P. Jung, T. Dittrich, P. Hänggi, Z. Phys. B84 (1991) 315. 5.2. DIE SPLIT–OPERATOR–METHODE 5.2 53 Die Split–Operator–Methode Andere Methoden setzen an an der Zeitpropagation von Wellenfunktionen, also der numerischen Lösung der zeitabhängigen Schrödinger–Gleichung ~2 2 i~∂t ψ(q, t) = Ĥψ(q, t) = (T̂ + V̂ )ψ(q, t) = − ∇ + V (q, t) ψ(q, t) . (5.11) 2m Weit verbreitet und effizient ist die Split–Operator–Methode, bei der der Zeitevolutionsoperator für einen kleinen Zeitschritt δ approximiert wird durch Û (δ) ≈ e−iĤδ/~ ≈ e−iT̂ δ/2~ e−iV̂ δ/~ e−iT̂ δ/2~ . (5.12) Die kinetische Energie T̂ und exp(−iT̂ δ/2~) sind diagonal in der Impulsdarstellung. Entsprechend sind V̂ und exp(−iV̂ δ/~) diagonal in der Ortsdarstellung. Diese Beobachtung führt zu einem numerischen Algorithmus, der sukzessive zwischen Orts- und Impulsdarstellung hin und her schaltet und dann jeweils die Operatoren exp(−iV̂ δ/~) oder exp(−iT̂ δ/2~) anwendet. Die Transformation zwischen den Darstellungen läßt sich sehr schnell mit Hilfe der Fast–Fourier–Transformation (FFT) durchführen. 5.3 Die (t,t’)–Methode Diese Zeitpropagationsmethode beruht auf dem Formalismus des erweiterten Phasenraums (vgl. Abschnitt 4.1). Man führt die Zeit t als neue Koordinate t0 ein (damit wird das System zeitunabhängig mit zwei Freiheitsgraden) und die Dynamik wird mit Hilfe einer neuen Zeitvariablen beschrieben, die wir hier wieder t nennen wollen. Der Hamilton– Operator ist jetzt K̂(q, t0 ) = Ĥ(q, t0 ) − i~∂t0 (5.13) und die Schrödinger–Gleichung lautet i~ ∂ ψ(q, t0 , t) = K̂(q, t0 )ψ(q, t0 , t) ∂t (5.14) mit der (formalen) Lösung i 0 ψ(q, t , t) = exp − K̂(q, t )(t − t0 ) ψ(q, t0 , t0 ) . ~ 0 (5.15) Man kann nun zeigen, dass ψ(q, t) = ψ(q, t0 , t)|t0 =t (5.16) die ‘normale’ Schrödinger–Gleichung i~ ∂ ψ(q, t) = Ĥ(q, t)ψ(q, t) ∂t (5.17) 54 KAPITEL 5. NUMERISCHE METHODEN löst. Das sieht man wie folgt: Mit (5.13) ergibt sich aus der Schrödinger–Gleichung (5.14) i~ ∂ ∂ ψ(q, t0 , t) = Ĥ(q, t0 )ψ(q, t0 , t) − i~ 0 ψ(q, t0 , t) ∂t ∂t (5.18) und folglich i~ ∂ ∂ + 0 ∂t ∂t ψ(q, t0 , t) = Ĥ(q, t0 )ψ(q, t0 , t) . Andererseits liefert Differentiation von (5.16) ∂ψ(q, t) ∂ψ(q, t0 , t) ∂ψ(q, t0 , t) = 0 + 0 ∂t ∂t ∂t0 t =t t =t (5.19) (5.20) was zusammen mit der vorangehenden Gleichung die Behauptung beweist. Weitere Hinweise zur einer effizienten numerischen Implementierung der (t,t’)–Methode und ihrer Anwendung auf Probleme der Atom– und Molekülphysik findet man in der Literatur3 . 5.4 Spektrale Methoden Aus einer berechneten Zeitevolution eines (oder mehrerer) Wellenpakete lassen sich auf unterschiedliche Weise die Quasienergien und Quasizustände extrahieren. 5.4.1 Fourier–Transformation Wir nehmen hier an, dass wir für ein zeitperiodisches System mit Periode T die Wellenfunktion zu den Zeiten t = nT kennen, d.h. ψn (q) = ψ(q, t = nT ) sei bekannt. In Analogie zu Abschnitt 2.1.1 berechnen wir die Autokorrelationsfunktion Z Cn = ψ0∗ (q)ψn (q)dq (5.21) und deren Fourier–Transformierte C(θ) = X Cn einθ . (5.22) n Stellt man andererseits die Anfangswellenfunktion als Superposition der Quasienergiezustände (4.13) dar: X ψ0 (q) = cα φα (q) (5.23) α so gilt ψn (q) = X einθα cα φα (q) , (5.24) α 3 U. Peskin, N. Moiseyev, J. Chem. Phys. 99 (1993) 4590; N. Moiseyev, Comm. At. Mol. Phys. 31 (1995) 87. 5.4. SPEKTRALE METHODEN 55 wobei statt den Quasienergien α die Quasiwinkel θα = α T /~ eingesetzt wurden. Die Fourier–Transformierte (5.22) läßt sich schreiben als C(θ) = X α pα X ein(θ−θα ) = 2π n X pα δ(θ − θα ) (5.25) α mit pα = |cα |2 . Plottet man also C(θ), so erwartet man δ–Spikes an den Quasiwinkeln θα , deren Gewicht pα durch die Positionierung des Anfangswellenpaketes bestimmt sind. Das ist aber so nur korrekt im extremen Langzeitlimit. Für alle endlichen Propagationszeiten überlagert sich jedem einzelnen Peak die Fourier–Transformierte des Zeitfensters, d.h. einer Kastenfunktion. Das erzeugt jeweils eine Serie von Nebenmaxima, die nur schwer von weiteren echten Peaks zu unterscheiden sind. Man kann diesen Effekt beseitigen, indem man bei der Fourier–Transformation (5.22) eine Fensterfunktion wie gn = (1 − cos(2πn/N ))/2N anbringt: N X C(θ) = gn Cn einθ . (5.26) n Gleichung (5.25) wird dann zu C(θ) = 2π X pα G(θ − θα ) . (5.27) α wobei G(..) die Fourietransformierte der Fensterfunktion ist. Abbildung 5.1 zeigt ein Bei- Abbildung 5.1: Fenster–Fourier–Transformierte einer Autokorrelationsfunktion für einen angetriebenen anharmonischen Oszillator. spiel4 einer auf diese Weise numerisch berechneten Fouriertransformierten einer Autokorrelationsfunktion für einen angetriebenen anharmonischen Oszillator (siehe Kapitel 6). 4 aus: H. J. Korsch, H. Wiescher: Quantum Chaos in Computational Physics..., ed. K. H. Hoffmann, M. Schreiber (Springer, 1996). 56 KAPITEL 5. NUMERISCHE METHODEN Typischerweise benötigt man zu einer solchen Rechnung eine Propagation über etwa 103 Perioden. Abschließend sei noch bemerkt, dass man (nachdem man einen Peak bei einer Quasienergie θα lokalisiert hat) die Quasienergiezustände aus X ψ(q, θ) = gn ψn (q)einθ (5.28) n mit θ = θα erhalten kann, denn es gilt in sehr guter Näherung ψ(q, θα ) ∼ φα (q, 0) . 5.4.2 (5.29) Matrixdiagonalisierung Für die Fourier–Methode benötigt man Daten einer Langzeitpropagation eines Wellenpaketes. Alternativ kann man natürlich auch ein System von orthogonalen Basisfunktionen ϕk (q) als Anfangswellenfunktionen ψk (q, t = 0) jeweils über eine Periode T propagieren und dann aus den so erhaltenen ψk (q, T ) die Überlappintegrale mit den φk0 (q, 0) berechnen. Man erhält auf diese Weise die Floquet–Matrix Uk‘k (T ), die man diagonalisieren kann. Ein Nachteil dieser Methode liegt in der im allgemeinen sehr großen Anzahl von Wellenfunktionen und Überlappintegralen, die zu berechnen sind. 5.4.3 Filter Diagonalisierung Eine alternative Methode, die in jüngster Zeit entwickelt wurde, erlaubt eine Extraktion der Quasienergien (oder auch der Energieeigenwerte für zeitunabhängige Systeme oder ganz generell die Frequenzen einer Zeitreihe von Daten) mittels sogenannter Filterfunktionen. Hier soll die Methode anhand der Quasienergien (oder Quasiwinkel) dargestellt werden. Im allgemeinen wählt man hier eine Basis, die durch Zeitpropagation einer geeignet gewählten Anfangswellenfunktion |ψ(t = 0)i erzeugt wird, nämlich N 1 X inθ |ψθ i = e |ψ(t = nT )i , N + 1 n=0 (5.30) wobei die θ Werte aus einem diskreten Satz {θf |f = 1, . . . , fmax } annehmen können. Diese Werte kann man z.B. so wählen, dass sie einen bestimmten Winkelsektor für die Quasienergien belegen, oder man kann sie als Zufallswerte über den gesamten Winkelbereich von 2π verteilen. Man berechnet dann die Matrixelemente des Zeitentwicklungsoperators U (N T ) in der Basis der Filterfunktionen (5.30) und löst das verallgemeinerte Eigenwertproblem ~ = λSΨ ~ UΨ (5.31) mit λ = e−iN θ , wobei S die Überlappmatrix der Filterfunktionen darstellt. 5.4. SPEKTRALE METHODEN 57 Wie bei der Fourier–Transformation in Abschnitt 5.4.1 hat man hier die Freiheit, den Anfangszustand |ψ(t = 0)i geeignet zu wählen, z.B. als ein Wellenpaket minimaler Unschärfe (2.35), d.h. einen kohärenten Zustand |ψ(t = 0)i = |p0 , q0 i, der lokalisiert in einem interessierenden Punkt (p0 , q0 ) im klassischen Phasenraum. Die |ψ(t = nT )i und damit auch die Filterfunktionen (5.30) belegen dann die Folge der zeitpropagierten Zustände. Die Filter–Diagonalisierung verwendet die Autokorrelationen dieses Zustandes. Es ist plausibel, dass — wie bei der Fourier–Transformation in Abschnitt 5.4.1 — hauptsächlich diejenigen Quasienergiezustände gefunden werden können, die von dem (hier jedoch zeitpropagierten) Anfangszustand wesentlich populiert werden. Falls man in der Propagationszeit N T beschränkt ist, kann man mit gutem Erfolg mehrere Anfangswellenpakete propagieren und deren Kreuzkorrelationen. In typischen Anwendungen zeigte sich, dass die einfach Autokorrelations–Filtermethode schon mit N ≈ 100 Zeitperioden sehr gute Resultate liefert; unter Verwendung von Kreuzkorrelationen aus der Zeitpropagation von 5 Wellenpaketen ließ sich das Quasienergiespektrum auch aus Daten von N = 20 Zeitperioden berechnen5 . 5 M. Glück, H. J. Korsch, N. Moiseyev, Phys. Rev. E 58 (1998) 376. 58 KAPITEL 5. NUMERISCHE METHODEN Kapitel 6 Fallstudie: Getriebener anharmonischer Oszillator Der angetriebene harmonische Oszillator ist sowohl klassisch wie auch quantenmechanisch detailliert untersucht und gut verstanden. Die klassische und die quantenmechanische Dynamik stehen in direkter Korrespondenz zueinander (vgl. Abschnitt 3.1). Im Gegensatz dazu ist der angetriebene anharmonische Oszillator noch in vielen Zügen unverstanden. Es existieren z.B. bis heute nur recht wenige quantenmechanische Studien. Besser verstanden ist die klassische Dynamik. Ein typisches Beispiel ist die Hamilton– Funktion 1 2 p + V (q) − f (t)q 2 1 1 2 p + ω02 q 2 + βq 4 − f (t)q = 2 4 H = (6.1) mit harmonischem Antrieb f (t) = f0 cos ωt . (6.2) Die klassische Bewegungsgleichung lautet q̈ + ω02 q + βq 3 = f0 cos ωt . (6.3) Diese Gleichung ist bekannt als die reibungsfreie Duffing–Gleichung (die von dem deutschen Ingenieur Georg Duffing1 untersuchte Gleichung enthält zusätzlich einen Reibungsterm 2γ q̇). Der in dieser Gleichung auftretende quartische Term im Potential 1 1 V (q) = ω02 q 2 + βq 4 2 4 (6.4) kann verstanden werden als Beginn einer Taylor–Reihe eines allgemeinen symmetrischen Potentials. Das Potential (6.4) kann ein anharmonisches Potential mit einem Minimum 1 G. Duffing: Erzwungene Schwingung bei veränderlicher Eigenfrequenz und ihre technische Bedeutung (Vieweg, 1918) 59 60 KAPITEL 6. DER GETRIEBENE ANHARMONISCHE OSZILLATOR darstellen (für ω02 ≥ 0) oder ein Doppelminimum–Potential (für ω02 < 0). Durch den zusätzlichen linearen Term f (t)q wird das Minimum (oder die Minima) zu negativen (f (t) > 0) oder positiven (f (t) < 0) q-Werten verschoben und oszilliert für den periodischen Fall (6.2) zwischen diesen Fällen hin und her. 6.1 Chaotische Dynamik Während der Duffing–Oszillator anfangs Anharmonizitätseffekte modellierte (meist nur untersucht für relativ schwache Anharmonizität), ist er heute eines der paradigmatischen Systeme zum Studium klassisch chaotischer Dynamik und in noch jüngerer Zeit zur Untersuchung von Quantenchaos. Da hier grundsätzlich andere Phänomene auftreten als in den bisher diskutierten Systemen werden in den folgenden Abschnitten kurz die für das folgende wesentlichen Aspekte chaotischer Dynamik angesprochen. 6.1.1 Klassisches Chaos Chaotische Dynamik in klassischen Systemen (wir beschränken uns hier auf sogenannte Hamiltonsche Systeme ohne Dissipation) ist inzwischen ein wohlverstandenes Gebiet, zu dem eine Vielzahl von Textbüchern existieren2 . Abbildung 6.1: Invarianter 2–Torus. Zunächst nennt man ein System mit d Freiheitsgraden ~q integrabel , wenn d unabhängige Erhaltungsgrößen existieren, die paarweise verschwindende Poisson–Klammern haben. Unter diesen Bedingungen ist die klassische Trajektorie im 2d–dimensionalen Phasenraum (~p, ~q) auf eine d–dimensionale Untermenge beschränkt, von der man zeigen kann, dass sie die Topologie eines d–dimensionalen Torus besitzt. Man nennt einen solchen Torus invariant (invariant unter der Zeitevolution). Auf einem solchen d–Torus existieren d fundamentale Zyklen γk mit d Frequenzen ωk , wie illustriert in Abbildung 6.1 für d = 2. Wenn alle Frequenzverhältnisse ωk /ωj rational sind, ist jede Bahn auf diesem Torus periodisch. Der gesamte 2d–dimensionale Phasenraum ist mit ineinandergeschachtelten Tori 2 Einen kurzen Abriß findet man in H. J. Korsch, H.-J. Jodl, T. Hartmann Chaos on the PC , Kap. 2.2 (Springer, 2008) 6.1. CHAOTISCHE DYNAMIK 61 ausgefüllt, deren fundamentale Frequenzen variieren. Eine abzählbare Teilmenge dieser Tori trägt periodische Bahnen. Sehr wichtig ist jetzt die Tatsache, dass integrable Systeme sehr(!) selten sind. Bekannte Ausnahmen sind alle zeitunabhängigen Systeme mit einem Freiheitsgrad (die Energie ist erhalten), zweidimensionale rotationssymmetrische Systeme (Erhaltung von Energie und Drehimpuls) und d–dimensionale harmonische Oszillatoren. Auch der allgemeine harmonische Oszillator mit zeitperiodischen Parametern ist integrabel. Typische Systeme sind nicht integrabel. Eine kleine Störung H = H0 +εH1 eines integrablen Systems H0 zerstört typischerweise die Integrabilität, d.h. die Existenz eines vollständigen Satzes von d Erhaltungsgrößen. Damit ist zunächst der Existenz der invarianten Tori die Grundlage entzogen. Um so überraschender ist es, dass gezeigt werden kann, dass dennoch bei genügend kleiner Störung fast alle invarianten Tori erhalten bleiben, wenn auch deformiert. Dies ist die Aussage des berühmten KAM–Theorems (Kolmogoroff, Arnold und Moser), hier formuliert für d = 2 (ω1 sei die kleinere der beiden Frequenzen): Alle Tori mit hinreichend irrationalem Frequenzverhältnis ω1 /ω2 , d.h. solche mit ω1 m K(ε) − > für alle natürlichen Zahlen n, m (6.5) ω2 n n2.5 bleiben invariant. Dabei gilt K(ε) −→ 0 mit ε −→ 0. Tori, die diese Bedingung nicht erfüllen, werden in der Regel zerstört, also insbesondere die rationalen m/n und mit ihnen eine Umgebung, deren Größe mit wachsendem Nenner n abnimmt (vgl. Gl. (6.5)). Von den periodischen Bahnen eines zerstörten m/n–Torus bleiben in der Regel isolierte stabile und instabile periodische Bahnen übrig. Die Struktur der Dynamik eines solchen Systems kann man sehr anschaulich durch sogenannte Poincaré Schnitte darstellen, bei denen man die Bahn nur an den (gerichteten) Durchstoßpunkten durch eine festgelegte Schnittebene im Phasenraum registriert. Die Bahn reduziert sich dann auf eine Folge solcher Durchstoßpunkte und die Dynamik auf eine (meist flächentreue) Abbildung der Schnittebene auf sich selbst – die Poincaré Abbildung, die jedem Durchstoßpunkt den darauf folgenden zuordnet. Ein invarianter Torus erscheint in einem solchen Schnitt als eine oder zwei geschlossene Kurven (invariante Kurven und ein zerstörter rationaler m/n–periodischer Torus zerfällt in eine Kette von n Stabilitätsinseln, die die stabilen periodischen Bahnen umgeben. Zwischen diesen Inseln finden sich die instabilen Bahnen. Im Bild der Poincaré Abbildung erscheinen die periodischen Bahnen als stabile (elliptische) oder instabile (hyperbolische) Fixpunkte. In der Umgebung der hyperbolischen Fixpunkte ist das Verhalten sehr kompliziert, und es entwickelt sich hier zuerst die chaotische Dynamik. Die Abbildung 6.2 illustriert dieses Szenario schematisch für Zonen mit Ketten von drei und fünf elliptischen Fixpunkten. Mit wachsender Störung zerfallen immer mehr der invarianten Tori und man beobachtet eine wachsende Menge von Bahnen, die nicht mehr auf Tori beschränkt bleiben, sondern höherdimensionale Bereiche des Phasenraums füllen. Solche Bahnen sind chaotisch im Gegensatz zu den regulären Bahnen auf einem invarianten Torus. 62 KAPITEL 6. DER GETRIEBENE ANHARMONISCHE OSZILLATOR Abbildung 6.2: Zerstörte invariante Zonen mit Ketten von drei und fünf elliptischen Fixpunkten. Für den niedrigdimensionalen Fall hier trennen die invarianten Tori im Phasenraum einen Innenraum von einem Außenraum3 . Da sich Phasenbahnen nicht schneiden können, bleiben chaotische Komponenten zwischen invarianten Tori eingeschlossen, falls diese existieren. Der Zerfall der Tori setzt sich mit wachsenden Werten des Störparameters ε fort, bis schließlich nur noch wenige (oder keine) Stabilitätsbereiche übrigbleiben, die in den Poincaré Schnitten wie Inseln in einem chaotischen See erscheinen. Am stabilsten gegen die Störung sind Tori mit sehr irrationalem Frequenzverhältnis, das sich also sehr schlecht durch rationale Zahlen approximieren läßt. Da die beste rationale Approximation durch einen Kettenbruch x = a0 + 1/(a1 + 1/(a2 + 1/(a3 . . .))) mit natürlichen Zahlen ak geliefert wird, sind folglich die ‘irrationalsten’ Zahlen solche, bei denen die Kettenbruchentwicklung am schlechtesten konvergiert, √ also auf einer Folge von ak = 1, k > k0 endet. Die bekannteste dieser Zahlen ist x∗ = ( 5 − 1)/2 ≈ 0.61803. Abschließend soll noch kurz ein quantitatives Maß für die Chaotizität einer klassischen Bahn beschrieben werden. Ein solches Maß erhält man durch den Lyapunov Exponenten. Eine chaotische Bahn hängt empfindlich von den Anfangsbedingungen ab: Anfangs eng benachbarte Bahnen entfernen sich für lange Zeiten exponentiell voneinander, und der Abstand ∆ wächst wie ∆(t) ∼ eλt . (6.6) Reguläre Bahnen entfernen sich weitaus schwächer als exponential voneinander (z.B. linear) und haben folglich λ = 0. 3 In einem 2d–dimensionalen Raum trennt eine geschlossene d–dimensionale Mannigfaltigkeit den Raum in ein Inneres und Äußeres nur für d ≤ 2. 6.2. DER GETRIEBENE QUARTISCHE OSZILLATOR 6.1.2 63 Quantenchaos Die eventuelle Existenz einer chaotischen Dynamik in Quantensystemen ist noch umstritten. Hier gibt es einerseits die einfache Argumentation, dass die Quantendynamik zu linearen Zeitevolutionsgleichungen führt, die folglich nicht chaotisch sind. Das sieht man sofort, indem man einen Zustandsvektor in einer zeitunabhängigen, orthonormierten Basis entwickelt X |ψ(t)i = = cn0 (t)|n0 i . (6.7) n0 Einsetzen in die Schrödinger–Gleichung und Projektion auf die |ni liefert X i~ċn = hn|H|n0 icn0 n = 1, 2, . . . (6.8) n0 ≥1 also ein lineares System von Differentialgleichungen. Dies System ist (falls man es bei nmax abschneidet) äquivalent zu einem klassischen harmonischen Oszillator mit nmax Freiheitsgraden und folglich nicht chaotisch. Probleme gibt es hier im semiklassischen Limes ~ −→ 0. In diesem Limes geht das erforderliche nmax gegen unendlich. Weiterhin kommutiert der Langzeitlimes (in dem das klassische Chaos definiert ist) nicht mit dem semiklassischen Grenzfall, d.h. es ist lim lim 6= lim lim . t−→∞ ~−→0 ~−→0 t−→∞ (6.9) Zur Zeit versteht man unter Quantenchaos das Studium der klassisch – quantenmechanischen Korrespondenz für Systeme, die klassisch chaotisch sind4 . Hier dienen Quantensysteme in starken Laserfeldern als wertvolle und interessante Modellsysteme sowohl für die numerische Simulation als auch experimentelle Untersuchungen und deren theoretische Analyse. 6.2 Der getriebene quartische Oszillator Im folgenden sei ein einfacher Fall betrachtet, der jedoch wesentliche allgemeine Eigenschaften der Dynamik enthält: ein harmonisch angetriebener quartischer Oszillator 1 1 H = H0 − f0 cos(ωt) q = p2 + βq 4 − f0 cos(ωt) q 2 4 (6.10) (also ω02 = 0 in Gl. (6.1) ). Weiterhin kann man Zeit- und Ortseinheiten wählen, in denen ω = 1 und β = 1 gilt. Die Periode ist dann also T = 2π. Die klassische Dynamik hängt nur noch von dem einem Parameter f0 ab, und in der Quantendynamik tritt als weiterer Parameter ein effektives ~ auf, das wegen der gewählten Einheiten dann natürlich von 4 siehe auch die Textbücher M. C. Gutzwiller: Chaos in Classical and Quantum Mechanics (Springer, 1990);F. Haake Quantum Signatures of Chaos (Springer, 2001); L. E. Reichl The Transition to Chaos (Springer, New York 1992) 64 KAPITEL 6. DER GETRIEBENE ANHARMONISCHE OSZILLATOR den realen Werten der Systemparameter (z.B. von der Frequenz ω) abhängt und deshalb variierbar ist. Die klassischen Hamiltonschen Gleichungen lauten dann q̇ = p ; ṗ = −q 3 + f0 cos t (6.11) und liefern durch numerische Lösung die Bahn (p(t), q(t)) im zweidimensionalen Phasenraum bei gegebenen Anfangsbedingungen (p0 , q0 ) = (p(0), q(0)). Reduziert man die Information auf die Zeiten t = nT (eine stroboskopische Poincaré Abbildung), so erhält man die Folge (pn , qn ), n = 0, 1, . . . . Diese Abbildung ist flächentreu. 1 V 0 −1 q 1 Abbildung 6.3: Zeitabhängiges Potential V (q, t) = V (q, t + T ) des periodisch getriebenen quartischen Oszillators für t = 0 (− −), t = T /4 (—) und t = T /2 (− · −). Es ist instruktiv, sich zunächst einmal das Zeitverhalten des Potentials anzusehen. Bild 6.3 zeigt V (q, t) für t = 0, t = T /4 und t = T /2. Zu den Zeiten (n + 1/2)T /2 ist √ 3 das Potential rein quartisch, für t = nT /2 haben wir ein Minimum bei qmin = ± f0 mit 4/3 Vmin = −3f0 /4. Das Minimum ‘schaukelt’ zwischen diesen Werten hin und her. Dabei ist die Geschwindigkeit dieser Schaukelbewegung in den Extremalpositionen Null und beim Durchgang durch den symmetrischen q 4 /4–Fall maximal, d.h. im Zeitmittel finden wir häufiger den Extremalfall. Für f0 = 0, d.h. im zeitunabhängigen Fall, nimmt die Frequenz der klassischen Bahn mit wachsender √ Energie E zu (für den Fall eines Kastenpotentials ist die Frequenz proportional zu E), und geht mit E gegen Null. Durch die zeitabhängige Störung mit ω = 1 wird hauptsächlich die 1:1 resonante Bahn mit Frequenz eins zerstört. Es bleibt wie oben beschrieben eine stabile periodische Bahn übrig, sowie eine instabile Bahn, die im Poincaré Schnitt als elliptische oder hyperbolische Fixpunkte erscheinen. Mit wachsender Feldamplitude wird die Dynamik in der Umgebung des hyperbolischen Fixpunktes zunehmend chaotisch. Im folgenden untersuchen wir detailliert den Fall f0 = 0.5. 6.2. DER GETRIEBENE QUARTISCHE OSZILLATOR 65 Abbildung 6.4: Stroboskopischer Poincaré Schnitt für einen klassischen getriebenen anharmonischen Oszillator. Abbildung 6.4 zeigt gleichzeitig einige Bahnen im Phasenraum für f0 = 0.5 und verschiedene Anfangsbedingungen. Man beobachtet im wesentlichen drei unterschiedliche Bereiche: (1) Eine Stabilitätsinsel, in deren Zentrum sich eine periodische Bahn mit Periode T befindet. Diese periodische Bahn erscheint als Fixpunkt der Poincaré Abbildung. Sie ist stabil, d.h. benachbarte Bahnen bleiben in der Nachbarschaft. Der Stabilitätsbereich, die ‘Stabilitätsinsel’ hat eine Phasenraumfläche von AI = 2.25. (2) Ein ausgedehnter chaotischer Bereich mit einer Fläche von AC = 7.85. In diesem Bereich entfernen sich benachbarte Bahnen exponentiell wie exp(λt) = exp(nλT ) mit einem Lyapunov Exponenten, den man numerisch als λ ≈ 0.041 bestimmt. Pro Periode T nimmt der Abstand also um einen Faktor exp λ ≈ 1.3 zu. (3) Im Außenbereich ist die Bewegung wieder (fast) regulär. Dies läßt sich qualitativ verstehen, weil hier die interne Frequenz im zeitunabhängigen Potential groß wird gegenüber der Antriebsfrequenz. In den folgenden Abschnitten soll die Quantendynamik dieses Systems näher analysiert werden. Dabei soll hier besonders herausgearbeitet werden, ob und wie sich die klassische chaotische Dynamik im Quantenfall manifestiert. Die numerischen Rechnungen wurden für zwei Werte des Wirkungsquantums durchgeführt, ~ = 0.05 und ~ = 0.015. 66 KAPITEL 6. DER GETRIEBENE ANHARMONISCHE OSZILLATOR 6.2.1 Wellenpaketdynamik Abbildung 6.5: Zeitliches Verhalten eines klassischen Ensembles von Teilchen für die ersten 20 Perioden. Dargestellt ist der Bereich [−3 : 3] mit q auf der Abszisse und p auf der Ordinate. Um das Zeitverhalten eines Wellenpakets zu studieren, können wir ein Wellenpaket minimaler Unschärfe, d.h. einen kohärenten Zustand (2.35), lokalisiert bei (p0 , q0 ) zeitpropagieren5 . Der squeezing Parameter s = 5 (vgl. Gl. 2.51) ist an den Grundzustand der Stabilitätsinsel angepasst. Zunächst wieder zur klassischen Dynamik. Hier entspricht ein solches Wellenpaket einer klassischen Dichteverteilung im Phasenraum, die anfangs der Gaußverteilung der Husimidichte des Anfangszustandes entspricht (vgl. Abschnitt 2.3.1). Diese Dichteverteilung kann man durch ein Ensemble klassischer Teilchen darstellen, das man in der Zeit propagiert. Eine weitere Möglichkeit ist die Propagation einer einzelnen Höhenlinie der Anfangsdichtefunktion (nach dem Theorem von Liouville ist die Dichte zeitlich invariant und Höhenlinien bilden sich auf Höhenlinien ab). Solch eine Propagation ist in Abbildung 6.5 dargestellt. Die Anfangsverteilung ist eine Ellipse als Höhenlinie der Husimidichte lokalisiert bei (p0 , q0 ) = (0, 0.6) im chaotischen Bereich. Als Anfangsensemble wurden 2000 Teilchen auf einer Ellipse verteilt. Dargestellt sind die ersten 20 Perioden. Man erkennt, dass die Verteilung schnell Struktur gewinnt. Die Länge L der Konturlinie wächst näherungsweise wie der Lyapunov Exponent: Ln = L0 enλT (6.12) d.h. in unserem Fall wächst die Länge im Mittel um den Faktor 1.3 pro Periode. Dabei bleibt wegen der Flächentreue die eingeschlossene Fläche konstant, was nur möglich ist, wenn die Kurve immer mehr gefaltet wird. Im Langzeitlimes liegt die Kurve dicht in dem chaotischen Gebiet. 5 Die Abbildungen 6.5 bis 6.10 wurden der Diplomarbeit von H. Wiescher, Univ. Kaiserslautern 1995 entnommen, 6.2. DER GETRIEBENE QUARTISCHE OSZILLATOR 67 Abbildung 6.6: Konturplots der ersten 20 Husimiverteilungen zu Zeiten tn = nT (~ = 0.05). Dargestellt ist der Bereich [−3 : 3] mit q auf der Abszisse und p auf der Ordinate. Bild 0 zeigt den kohärenten Anfangszustand bei (p0 , q0 ) = (0, 0.6) mit squeezing–Parameter s = 5. Abbildung 6.7: Husimiverteilungen der Perioden 20-30 (~ = 0.05). Das letzte Bild zeigt die über die Perioden 20-120 gemittelten Verteilungen. Dunkle Bereiche stehen für hohe Werte der Verteilung. Die quantenmechanische Zeitevolution der Husimidichte zur Zeit tn = nT ρn (p, q, p0 , q0 ) = ρn (p, q, p0 , q0 ; tn ) = |hp, q|ψ(tn )i|2 (6.13) zeigen die Abbildungen 6.6 und 6.7 bis zur Periode 30 (~ = 0.05). Ein Vergleich mit Abbildung 6.5 zeigt zunächst einmal die Ähnlichkeit mit der klassischen Dynamik. Das Wellenpaket bewegt sich um die klassische Stabilitätsinsel herum und respektiert offensichtlich die klassischen invarianten Kurven, d.h. wie das klassische Ensemble bleibt es innerhalb des chaotischen Bereichs. Dabei oszilliert es um die klassische Stabilitätsinsel mit einer Periode von etwa 3T . Nach jeweils drei Perioden erscheint es wieder in der Nähe des Startpunktes. Das sieht man quantitativ in der Rekurrenzwahrscheinlichkeit (Betragsquadrat der Autokorrelation) Z 2 2 ∗ PR (t) = |C(t, 0)| = ψ (x, t0 )ψ(x, t)dx (6.14) und ihrer Fouriertransformierten in Abbildung 6.8. Die gleiche Periode findet man auch in der klassischen Dynamik. 68 KAPITEL 6. DER GETRIEBENE ANHARMONISCHE OSZILLATOR Abbildung 6.8: Rekurrenzwahrscheinlichkeit PR und Fourierspektrum der Rekurrenzwahrscheinlichkeit des quantenmechanischen Wellenpaketes (~ = 0.05). 6.2.2 Phasenraumentropie Klassisch und quantenmechanisch haben wir gesehen, dass sich eine anfangs lokalisierte Dichteverteilung über ein Gebiet des Phasenraums ausbreitet. Ein quantitatives Maß zur Beschreibung einer Lokalisierung oder Delokalisierung einer Wahrscheinlichkeitsdichte ist die sogenannte (informationstheoretische) Entropie. Exkurs: Shannon und Reny Entropie Es sei {pν | ν = 1, . . . , N } P eine Wahrscheinlichkeitsverteilung, d.h. pν ≥ 0 und ν pν = 1. Dann ist S=− N X pν ln pν (6.15) (6.16) ν=1 die Shannon Entropie (oder einfach die Entropie) dieser Verteilung. Es gilt 0 = Smin ≤ S ≤ Smax = ln N , (6.17) wobei die Extremfälle minimaler und maximaler Entropie durch die Verteilungen pν = δνk bzw. pν = 1/N realisiert werden. Im ersten Fall ist die Verteilung extrem lokalisiert in einem einzelnen Zustand, im zweiten Fall gleichverteilt, also extrem delokalisiert. Man nennt die Verteilung pν stärker lokalisiert als p0ν falls Spν < Sp0ν . Neben der Shannon Entropie gibt es noch weitere Entropien mit ähnlichen Eigenschaften, z.B. die Reny Entropien N S (γ) X 1 = ln pγ 1 − γ ν=1 ν mit 1 < γ < ∞ . (6.18) 6.2. DER GETRIEBENE QUARTISCHE OSZILLATOR 69 Dabei gilt 0 S (γ) ≤ S (γ ) für γ ≥ γ 0 (6.19) und lim S (γ) = S , γ−→1 (6.20) die Shannon Entropie ist also wegen (6.19) größer als die Reny Entropien: S (γ) < S . (6.21) Wir beachten weiterhin, dass das sogenannte ‘mittlere inverse Besetzungsverhältnis’ (‘mean inverse participation ratio’) !−1 X ξ= p2ν , (6.22) ν das von manchen Autoren zur Beschreibung der Lokalisierung benutzt wird, direkt mit der Reny Entropie S (2) zusammenhängt: S (2) = ln ξ . (6.23) Weitere Eigenschaften der Entropie findet man in der Literatur6 . R Für die hier interessierenden Husimi–Dichten ρ(p, q) mit ρ(p, q) ≥ 0 und Normierung ρ(p, q) dp dq/2π~ = 1 definiert man analog zu dem diskreten Fall in Gl. (6.16) die Phasenraumentropie oder auch Wehrl Entropie Z 1 S=− ρ(p, q) ln ρ(p, q) dp dq . (6.24) 2π~ als Maß für die Lokalisierung auf dem Phasenraum. Dabei gilt die Ungleichung 1≤S. (6.25) Dabei wird die minimale Entropie Smin genau erreicht für ein Wellenpaket minimaler Unschärfe. In unserem zeitabhängigen Fall, bei dem wir die Zeitevolution eines zur Zeit t0 = 0 bei (p0 , q0 ) gestarteten Wellenpakets minimaler Unschärfe zu Zeiten tn = nT verfolgen, berechnen wir also die Entropie Z 1 ρ(p, q; p0 , q0 ) ln ρ(p, q; p0 , q0 ) dp dq (6.26) Sp0 ,q0 (tn ) = − 2π~ oder auch einfach S(tn ). Abbildung (6.9) zeigt den Zeitverlauf der Phasenraumentropie für das Wellenpaket aus den Abbildungen (6.6) und (6.7) bis zur Zeit 120T . Wir beobachten das folgende (typische) Verhalten der Entropie: 6 Siehe z.B. C. Beck, F. Schlögl Thermodynamics of chaotic systems (Cambridge University Press 1993) und die dort angegebene Literatur. 70 KAPITEL 6. DER GETRIEBENE ANHARMONISCHE OSZILLATOR Abbildung 6.9: Zeitverlauf der Phasenraumentropie. (1) Nach einer ‘Einschwingzeit’ von etwa 20 Perioden fluktuiert die Entropie um einen Mittelwert S ≈ 3.11; sie strebt keinem Grenzwert zu. (2) Der quantenmechanische Mittelwert ist kleiner als die Entropie einer Gleichverteilung auf dem klassisch chaotischen Gebiet des Phasenraums: S < Sklass = ln AC = 3.22 h (6.27) (mit h = 2π~ = 0.314). Die Differenz Sklass − S = 0.11 steckt in den quantenmechanischen Fluktuationen. (3) Für kleine Zeiten steigt die Entropie von dem Anfangswert S = 1 an. Das Wellenpaket wird zunehmend delokalisiert. Man kann abschätzen, dass dies innerhalb der Zeit 1 AC Sklass n∗ T = ln = (6.28) λ h λ geschieht (λ= klassischer Lyapunov Exponent). Man nennt diese Zeit die Log–Zeit oder Zaslavky–Zeit. In unserem Fall liefert (6.28) den Wert n∗ T = 12.5, in Übereinstimmung mit den numerischen Ergebnissen in Abbildung 6.9. 6.2.3 Langzeitmittelwerte Mittelt man die Husimiverteilungen über die Zeit, so erhält man im Langzeitgrenzfall N 1 X ρ(p, q, p0 , q0 ) = lim ρn (p, q, p0 , q0 ) . N −→∞ 1 + N n=0 (6.29) 6.2. DER GETRIEBENE QUARTISCHE OSZILLATOR 71 Abbildung 6.10 zeigt solche gemittelte Husimiverteilungen für eine Anfangslokalisierung Abbildung 6.10: Gemittelte Husimiverteilungen propagierter Wellenpakete, die anfangs bei (p0 , q0 ) im Phasenraum lokalisiert wurden: (a) im Zentrum der Stabilitätsinsel; (b) im chaotischen Bereich; (c) im äußeren regulären Bereich (~ = 0.05). (p0 , q0 ) in den verschiedenen Bereichen des Phasenraums: (a) im Zentrum der Stabilitätsinsel; (b) im chaotischen Bereich; (c) im äußeren regulären Bereich. Man sieht, dass die quantenmechanischen Verteilungen auf den entsprechenden klassischen Bereichen lokalisiert bleiben. Die drei Maxima der Verteilung im klassisch chaotischen Bereich sind auf Interferenzeffekte zurückzuführen und werden weiter unten näher erklärt. Im äußeren regulären Bereich lokalisiert die Verteilung auf der invarianten Kurve. Das ausgeprägte Maximum ist hier ein klassischer Effekt, der auf eine Vergrößerung der Aufenthaltswahrscheinlichkeit in diesem Bereich zurückzuführen ist, was mit der ausgeprägten ‘Nase’ der klassischen invarianten Kurve in diesem Bereich zusammenhängt (vgl. Abb. 6.4). 72 KAPITEL 6. DER GETRIEBENE ANHARMONISCHE OSZILLATOR Abbildung 6.11: (a) Klassische (x) und quantenmechanische (◦) Rekurrenzwahrscheinlichkeiten hSik (n) als Funktion der Zeit t = nT für ein Wellenpaket im chaotischen Bereich (~ = 0.015). Die Werte wurden geglättet durch Mittelung über ein Zeitfenster ±k = ±15 Perioden. (b) Wie (a), jedoch mit 10% zufälligem ‘Rauschen’ in der Feldamplitude f0 . 6.2.4 Kohärenzzerstörung Wenn man die quantenmechanische Rekurrenzwahrscheinlichkeit (6.14) mit der entsprechenden klassischen Größe Z 1 klass ρ0 (p, q)ρn (p, q)dp dq (6.30) PR = h vergleicht, so findet man bemerkenswerte Unterschiede: Die quantenmechanischen Werte sind wesentlich größer! Abbildung 6.11 zeigt in Teilbild (a) einen Vergleich. Um die Fluktuationen zu glätten, sind fenstergemittelte Größen hSik (n) = n+k X 1 PR (n0 ) 2k + 1 n0 =n−k (6.31) dargestellt mit k = 15 (hier wurde ~ = 0.015 gewählt). Der Unterschied zwischen Klassik und Quantenmechanik (Faktor 2.8 !) beruht auf der Kohärenz der quantenmechanischen Zeitevolution in einem periodischen Feld t −→ t+T mit zusätzlichen Symmetrien wie Zeitumkehrinvarianz t −→ −t und t −→ t+T /2 kombiniert mit q −→ −q . Wenn man in einem numerischen Experiment diese Symmetrie zerstört, so sollte der Effekt verschwinden. Das ist in der Tat der Fall, wie in Abbildung 6.11 (b) demonstriert. Dabei wurde jeweils nach 6.3. QUASIENERGIEZUSTÄNDE 73 einer Periode der Wert der Feldamplitude f0 zufällig in einem Intervall f0 ± 10% geändert. Man beobachtet jetzt eine Koinzidenz von Klassik und Quantendynamik7 . 6.3 Quasienergiezustände In diesem Abschnitt sollen die Eigenschaften der einzelnen Quasienergiezustände des zeitperiodischen Systems (6.10) untersucht werden8 (vgl. Abschnitt 4.1). Von Interesse ist beispielsweise ob und wie sie die klassische Dynamik wiederspiegeln. Man berechnet die Quasienergiezustände |αi numerisch nach einer der in Kapitel 5 dargestellten Methoden. Es soll noch einmal darauf hingewiesen werden, dass diese Quasienergiezustände nicht intrinsisch angeordnet sind, wie z.B. die Eigenzustände eines zeitunabhängigen Systems, die sich nach ihren Energieeigenwerten ordnen lassen. Wegen der Brillouin–Zonen–Struktur des Quasienergiespektrums α modulo ~ω sagen die Werte der einzelnen α nichts über den Quasienergiezustand aus. Zweckmäßig ist eine Numerierung bezüglich eines ausgewählten Erwartungswertes, zum Beispiel dem Erwartungswert des feldfreien Hamilton–Operators b0 H X b 0 |αi = hα|H pnα En0 (6.32) n b 0 rechfalls man beispielsweise in einer Basisentwicklung nach den Eigenzuständen von H 0 0 0 b 0 |ϕn i = En |ϕn i ) net ( H X |αi = cnα |ϕ0n i . (6.33) n Die pnα = |cnα |2 (6.34) sind die Besetzungswahrscheinlichkeiten der feldfreien Zustände. b 0 |αi monoton wachsen. Wir numerieren also die |αi, α = 0, 1, 2, . . . so, dass die hα|H Abbildung 6.12 zeigt den Verlauf dieses Erwartungswertes. Man beobachtet zunächst ein Plateau bis zum Zustand α = 113 mit (fast) konstantem Erwartungswert. Die Anzahl dieser Zustände kann man mit Hilfe der Weylschen Regel abschätzen: Ein Zustand belegt im Mittel eine Phasenraumfläche von h = 2π~, und damit finden wir die Anzahl der Zustände, die der Phasenraumfläche des klassisch chaotischen Gebietes (einschließlich der Stabilitätsinsel) zuzurechnen sind als (AC + AI )/h = (7.85 + 2.25)/0.094 = 107 in recht guter Übereinstimmung mit der Plateaugrenze in Abbildung 6.12. Das legt die Vermutung nahe, dass diese Zustände diesem Bereich des Phasenraums zuzuordnen sind. Dies läßt sich weiter erhärten durch das Verhalten der Besetzungswahrscheinlichkeiten (6.34) und der Husimidichten ρα (p, q), dargestellt in den Abbildungen 6.13 bis 6.15. Man findet unter den Zuständen 24, die stark lokalisiert sind und die man der Stabilitätsinsel 7 Weitere Ausführungen dazu in N. Ben-Tal, N. Moiseyev, S. Fishman, H. J. Korsch, Phys. Rev. E47 (1993) 1646. 8 Siehe N. Ben–Tal, N. Moiseyev, H. J. Korsch. Phys. Rev. A46 (1992) 1669. 74 KAPITEL 6. DER GETRIEBENE ANHARMONISCHE OSZILLATOR b 0 |αi der Quasienergiezustände |αi zur Zeit t = nT als Abbildung 6.12: Erwartungswert hα|H Funktion von α (~ = 0.015). Abbildung 6.13: Verteilung der cnα –Koeffizienten für die Inselzustände (~ = 0.015). 6.3. QUASIENERGIEZUSTÄNDE 75 Abbildung 6.14: Husimidichten der Inselzustände (nur die untere Hälfte des Phasenraums ist dargestellt (~ = 0.015). In den schraffierten Bereichen ist die Dichte kleiner als 10−9 . zuordnen kann (AI /h = 2.25/0.094 = 24). Die Besetzungszahlen dieser Zustände in Abbildung 6.13 zeigen eine charakteristische Lokalisierung auf einen klar definierten Bereich und Oszillationstrukturen, die mit der Energie zunehmen. Eine Phasenraumdarstellung als Husimidichten zeigt Abbildung 6.14 für die tiefsten dieser Zustände. Hier findet man die Lokalisierung auf der Insel klar belegt. Etwa 80 Zustände im Plateau sind delokalisiert und dem klassisch chaotischen Gebiet zuzuordnen (AC /h = 7.85/0.094 = 83). Die Delokalisierung zeigt sich sowohl in den Besetzungwahrscheinlichkeiten Pnα als auch in den Husimidichten. Hier reicht es, ein einziges Beispiel in Abbildung 6.15 zu betrachten, denn alle anderen Zustände sehen fast genauso aus: Die Besetzungswahrscheinlichkeiten erstrecken sich über den gesamten Bereich und fluktuieren um einen Mittelwert. (Man mache sich klar, dass diese Fluktuationen notwendig sind! Wenn alle diese Zustände praktisch gleich sind mit nicht fluktuierenden Pnα , dann können sie nicht orthogonal sein.) Entsprechend lokalisieren die Phasenraumdichten auf dem chaotischen See. Als letztes Beispiel sei die Projektion der quantenmechanischen als chaotisch klassifizierten Zustände auf den Ortsraum X Z ρα (p, q)dp (6.35) P (p) = αchaotisch mit der entsprechenden klassischen Ortswahrscheinlichkeit, d.h. der Projektion des chaotischen Sees auf die q–Achse, verglichen. Abbildung 6.16 demonstriert die Übereinstimmung. 76 KAPITEL 6. DER GETRIEBENE ANHARMONISCHE OSZILLATOR Abbildung 6.15: Typisches Beispiel der cnα –Verteilung und der Husimidichte für einen delokalisierten Quasienergiezustand (~ = 0.015). Abbildung 6.16: Quantenmechanische (—) und klassische (··) Ortsaufenthaltswahrscheinlichkeit (~ = 0.015). Kapitel 7 Quantenchaos und Zufallsmodelle Es ist naheliegend, dass Chaos und Zufall etwas miteinander zu tun haben und in der Chaostheorie der klassischen Dynamik kommt das auch klar zum Ausdruck. Wie oben dargelegt, ist die Rolle des Chaos in der Quantenmechanik noch nicht geklärt. Legitim ist in jedem Fall die Frage, ob quantenmechanische Zustände oder Prozesse mit Zufallsmodellen in Einklang stehen. Solche Modelle (wie z.B. die Theorie der Zufallsmatrizen im folgenden Abschnitt) sind früher schon zur Beschreibung der quantenmechanischen Eigenwertspektren von Systemen mit sehr vielen Freiheitsgraden entwickelt worden. Erst in jüngerer Zeit fanden sie Anwendungen für Systeme mit vergleichsweise wenigen Freiheitsgraden und klassisch chaotischer Dynamik. 7.1 Statistische Modelle Die Grundidee einer statistischen Beschreibung ist die Annahme, dass bestimmte Eigenschaften eines Systems zufällig sind, d.h. dass sie mit den Erwartungswerten eines Ensembles gleichartiger Systeme mit bestimmten Eigenschaften übereinstimmen. Hier werden kurz zwei wichtige Ansätze beschrieben, die Theorie der Zufallsmatrizen zur Beschreibung der statistischen Eigenschaften von Eigenwertspektren in 7.1.1 und die Theorie der Zufallsvektoren zur Beschreibung der statistischen Eigenschaften von Zuständen als Zufallsvektoren im Hilbertraum in 7.1.2. Im folgenden Abschnitt 7.2 sollen typische Anwendungen anhand der Modellstudie eines Dipols in einem starken Laserfeld dargestellt werden. 7.1.1 Statistik der Quasienergie–Spektren In der Theorie der Zufallsmatrizen konstruiert man zunächst ein Ensemble von zufälligen Matrizen mit bestimmten Eigenschaften und beschreibt dann die statistischen Eigenschaften z.B. der Eigenwertspektren dieser Matrizen. 77 78 KAPITEL 7. QUANTENCHAOS UND ZUFALLSMODELLE Das Gauß’sche Ensemble Hermitescher Matrizen Hier folgen wir dem Buch von Haake1 und stellen zunächst in recht einfacher Weise die Konstruktion eines solchen Ensembles für den Fall von hermiteschen 2 × 2–Matrizen dar, deren Matrixelemente Gauß–verteilt sind mit Mittelwert Null. Da jedes Mitglied eines solchen Ensembles durch eine orthogonale Transformation, eine Drehung, wieder in ein Mitglied des Emsembles übergeht, ist das Ensemble invariant gegenüber orthogonalen Transformationen (GOE, das Gauß’sche Orthogonale Ensemble). Wir betrachten also 2 × 2–Matrizen mit Gauß-verteilten reellen Matrixelementen H11 , H22 und H12 = H21 . Die gesuchte Wahrscheinlichkeitsdichte ist dann Z +∞ P (Ĥ) = P (H11 , H22 , H12 ) mit dH11 dH22 dH12 P (Ĥ) = 1 . (7.1) −∞ Es muß gelten P (Ĥ 0 ) = P (Ĥ) mit Ĥ 0 = Ô−1 Ĥ Ô (7.2) (Invarianz bei orthogonalen Transformationen) und P (Ĥ) = P11 (H11 ) P22 (H22 ) P12 (H12 ) (7.3) (unkorrelierte Matrixelemente). Für eine infinitesimale orthogonale Transformation ! 1 θ Ô = (7.4) −θ 1 haben wir 0 H11 = H11 − 2θH12 0 H22 = H22 + 2θH12 0 H12 = H12 + θ(H11 − H22 ) . Mit der Entwicklung f (x + θ) ≈ f (x) + f 0 (x)θ = f (x) 1 + P (Ĥ 0 ) = P (Ĥ)[1 + θ{−2H12 + (H11 − H22 ) (7.5) d ln f (x) θ dx findet man d ln P22 d ln P11 + 2H12 dH11 dH22 d ln P12 }] . dH12 (7.6) Wegen (7.2) für beliebiges θ muß der Term in der geschweiften Klammer verschwinden, d.h. es muß gelten 2 d ln P11 d ln P22 1 d ln P12 − + + =0 (7.7) H11 − H22 dH11 dH22 H12 dH12 1 F. Haake, Quantum Signatures of Chaos, (Springer, 2001), Kap. 4. 7.1. STATISTISCHE MODELLE 79 und, da die Pij jeweils nur von Hij abhängen, 1 d ln P12 = const. = −4A , H12 dH12 (7.8) also 2 P12 = e−2AH12 . (7.9) d ln P11 d ln P22 + 2AH11 = + 2AH22 = const. = −B dH11 dH22 (7.10) P (Ĥ) = Ce−A(H11 +H22 +2H12 )−B(H11 +H22 ) . (7.11) Danach findet man leicht und damit 2 2 2 Dabei läßt sich durch Wahl des Nullpunktes der Energie H11 = −H22 erzielen, wodurch der B–Term in (7.11) verschwindet. Die Konstante A fixiert die Einheit der Energie, und C ist schließlich bestimmt durch die Normierung. Die Verteilung ist also eindeutig und läßt sich schreiben als 2 P (Ĥ) = Ce−ATr{Ĥ } . (7.12) Diese Verteilung ergibt sich auch für n × n–Matrizen. Eigenwertverteilung Für unsere Überlegungen zur Bestimmung der GOE Eigenwertverteilung betrachten wir zunächst wieder reelle symmetrische 2 × 2–Matrizen mit den Eigenwerten q 1 2 2 E± = (7.13) H11 + H22 ± (H11 − H22 ) + 4H12 . 2 Wir benutzen jetzt die Invarianz des Spektrums bei orthogonalen Transformationen ! cos θ sin θ Ô = . (7.14) − sin θ cos θ Mit H11 = E+ cos2 θ + E− sin2 θ H22 = E+ sin2 θ + E− cos2 θ H12 = (E+ − E− ) cos θ sin θ (7.15) erhält man die Jacobi–Determinante für die Transformation (E+ , E− , θ) ←→ (H11 , H22 , H12 ) als ∂(H11 , H22 , H12 ) = E+ − E− . J = ∂(E+ , E− , θ) (7.16) 80 KAPITEL 7. QUANTENCHAOS UND ZUFALLSMODELLE Damit ergibt sich aus (7.12) die Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Eigenwerte als P (E+ , E− ) = C (E+ − E− ) e−A(E+ +E− ) . 2 2 (7.17) Man kann jetzt hieraus weitere Verteilungen ableiten. Uns interessiert hier eine Größe, die sich zur Untersuchung und Charakterisierung der Spektren besonders nützlich erwiesen hat: Die Nächste–Nachbar Statistik Wir suchen die Wahrscheinlichkeit P (s) ds dafür, zwei Eigenwerte mit einem Abstand s = |E+ − E− | im Intervall ds zu finden. Mit Z +∞ Z +∞ 2 2 P (s) ∼ d E+ d E− δ(s − (E+ − E− )) (E+ − E− ) e−A(E+ +E− ) (7.18) −∞ −∞ erhält man mit Hilfe einer Variablentransformation u± = E+ ± E− mit du+ du− = 2 dE+ dE− Z +∞ Z +∞ 2 2 2 P (s) ∼ d u+ d u− δ(s − |u− |) |u− | e−A(u+ +u− )/2 ∼ se−As /2 . (7.19) −∞ −∞ Ähnlich verläuft auch die Herleitung der GOE Abstandsverteilungen benachbarter Eigenwerte im n–dimensionalen Fall und ganz analog für die beiden anderen Ensembles von Interesse, das Gauß’sche unitäre Ensemble (GUE) und das Gauß’sche symplektische Ensemble (GSE) und wir notieren das Endergebnis 2 π (GOE) s e−s π/4 2 32 2 −s2 4/π P (s) = (7.20) s e (GUE) . π2 218 s4 e−s2 64/9π (GSE) 36 π 3 Diese Verteilungen sind normiert gemäß Z ∞ Z P (s) ds = 1 und hsi = 0 ∞ sP (s) ds = 1 . (7.21) 0 Im Folgenden wird vor allem die sogenannte Wigner–Verteilung im GOE–Fall von Bedeutung sein. Von Interesse ist weiterhin die Abstandsverteilung, die man erhält wenn man als Energieeigenwerte einfach Zufallszahlen wählt. In diesem Fall ergibt sich für die Abstände eine Exponentialverteilung P (s) = e−s , (7.22) die die Normierungen (7.21) erfüllt. Dieses Resultat erhält man leicht durch die folgende Betrachtung: Es sei ein Eigenwert bei E gegeben. Die Wahrscheinlichkeit, einen Eigenwert 7.1. STATISTISCHE MODELLE 81 in [E + s, E + s + ds] zu finden, sei g(s)ds. Dann muss die Wahrscheinlichkeit P (s) für den nächsten Nachbarwert bei E + s die Beziehung Z s Z ∞ 0 0 P (s) = g(s) (1 − P (s )ds ) = g(s) P (s0 ) ds0 (7.23) 0 s erfüllen, d.h. sie ist das Produkt der Wahrscheinlichkeit für einen Wert im Abstand s, multipliziert mit der Wahrscheinlichkeit keinen Wert zwischen E und E + s zu finden. Differentiation liefert Z ∞ g0 0 0 P (s) = g (s) P (s0 ) ds0 − gP = −g P . (7.24) g s Integration ergibt P (s) ∼ g(s) e− Rs 0 g(s0 ) ds0 , (7.25) woraus sich für den homogenen Fall (g unabhängig von s) die Exponentialverteilung (7.22) ergibt. Ein wesentlicher Unterschied (7.20) und (7.22) besteht in dem Verhalten dieser Verteilungen für kleine Abstände. In der Exponentialverteilung (7.22) sind kleine Abstände sehr häufig, während sie in der Wignerverteilung wie P (s) ∼ s mit s gegen Null gehen. Dieses Verhalten ist eine Konsequenz der Tatsache, dass die Energieniveaus typischerweise nicht kreuzen (vgl. die Diskussion in Abschnitt 4.2). 7.1.2 Statistik der Vektorkomponenten Die Theorie der Zufallsvektoren betrachtet Zustandsvektoren |ψi mit Norm |hψ|ψi| = 1 in einem N –dimensionalen Hilbertraum als zufällig verteilt. Auf dieser Einheitskugel im N –dimensionalen Raum über den komplexen Zahlen existiert ein eindeutig bestimmtes Maß, das invariant ist gegenüber allen unitären Transformationen. Man definiert jetzt die Eigenschaften von Zufallsvektoren als gleichförmig verteilt bezüglich dieses Maßes und leitet daraus ihre Eigenschaften ab. Eine sehr gute und lesbare Darstellung findet man bei Wooters2 . Als wichtiges Beispiel betrachten wir die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Projektion |P̂ν |ψi|2 eines typischen Zufallsvektors auf einen ν–dimensionalen Unterraum den Wert p hat (0 ≤ p ≤ 1). Genauer: P (p)d p ist die Wahrscheinlichkeit für eine Projektion p im Intervall d p. Für einen zweidimensionalen reellen Raum ist das z.B. die Projektion einer Gleichverteilung von Vektoren ~r(φ) auf dem Einheitskreis, also p = cos2 φ und 2 dφ d p d φ 1 dp = = 2π 2π d p 2π 2 cos φ sin φ 1 dp p = . 4π p(1 − p) 2 W. K. Wooters, Found. of Physics 20 (1990) 1365. (7.26) 82 KAPITEL 7. QUANTENCHAOS UND ZUFALLSMODELLE Das läßt sich auf den d-dimensionalen Fall verallgemeinern (wir betrachten einen reellen Hilbertraum) und erhalten für die Projektionen auf einen ν–dimensionalen Unterraum die Wahrscheinlichkeitsverteilung Pν (p) = Γ( d2 ) d−ν ν p 2 −1 (1 − p) 2 −1 d−ν ν Γ( 2 )Γ( 2 ) mit den Mittelwerten ν p= d s und ∆p = 2ν(d − ν) . d2 (d + 2) Im Limit d ν ergibt sich eine χ2 –Verteilung: ν2 ν −1 1 2 1 ν p2 − νp 2p . Pν (p) ≈ χν ( ) = ν e p p 2p Γ( 2 ) Mit den Spezialfällen für eindimensionale und zweidimensionale Unteräume: r 1 p −p/2p P1 (p) = e , P2 (p) = e−p/p . 2πp p (7.27) (7.28) (7.29) (7.30) In ähnlicher Weise lassen sich Ausdrücke für Erwartungswerte und deren Fluktuationen herleiten. 7.2 Modellstudie: Der angetriebene Rotor Als Beispiel für die Anwendung der statistischen Überlegungen auf ein Quantensystem mit sehr wenigen Freiheitsgraden betrachten wir einen Rotor, zum Beispiel ein zweiatomiges Molekül mit einem starken Dipolmoment, in einem zeitperiodischen elektrischen Feld. Wir vernachlässigen alle inneren Freiheitsgrade und behandeln es als starren Rotor. In diesem Fall ist der Hamilton–Operator extrem einfach, nämlich H= J2 − f cos ϑ cos ωt 2I (7.31) (I ist das Trägheitsmoment, J der Drehimpuls und ϑ ist der Winkel zwischen Rotor und Feldrichtung). Dieses Modell hat – wenn wir es noch weiter vereinfachen und planar behandeln – nur einen einzigen Freiheitsgrad. Dieser getriebene Rotor ist wegen seiner extremen Einfachheit und seiner interessanten Dynamik häufig als Modellsystem zu verschiedenen Studien herangezogen worden3 , auch unter dem Namen Doppel–Resonanz Modell . Die Berechtigung dieser Bezeichnung sieht man, wenn man den Wechselwirkungsterm umschreibt als f f cos ϑ cos ωt = (cos(ϑ − ωt) + cos(ϑ + ωt)) , (7.32) 2 3 Siehe z.B. Bayfield, Abschnitt 8.2a. Hier folgen wir den Arbeiten N. Moiseyev, H. J. Korsch, B. Mirbach, Z. Phys, D29 (1994) 125 und T. Gorin, H. J. Korsch, B. Mirbach, Chem. Phys. 217 (1997) 145. 7.2. MODELLSTUDIE: DER ANGETRIEBENE ROTOR 83 also als eine Summe eines rechts- und eines linksrotierenden Terms. Wäre nur einer dieser Terme vorhanden, dann könnte man durch Transformation auf ein mitrotierendes System die Zeitabhängikeit beseitigen und das System wäre integrabel. Sind beide Terme vorhanden, ist eine solche Behandlung nur näherungsweise möglich. Im folgenden verwenden wir Einheiten mit I = ω = 1. Das System ist dann zeitperiodisch mit Periode T = 2π. Von Bedeutung sind die Symmetrien des Systems: (1) : t → −t , J → −J (2) : t → t + π , ϑ → ϑ + π (3) : ϑ → −ϑ , J → −J (7.33) (7.34) (7.35) Abbildung 7.1: Stroboskopischer Poincaré–Schnitt für den getriebenen Rotor (f = 0.05). Die klassische Dynamik des Systems (7.31) erschließt sich, wenn man zunächst den Fall eines schwachen Feldes betrachtet, d.h. einen kleine Wert der Feldamplitude f . Abbildung 7.1 Zeigt einen klassischen stroboskopischen Poincaré Schnitt für f = 0.05. Man erkennt zwei periodische Bahnen (die beiden ‘Resonanzen’) bei (J, ϑ) ≈ (±1, 0), bei denen das System synchron mit dem Feld mit der Frequenz ω = 1 rotiert, entweder rechts oder links herum. Diese Bahnen sind stabil und daher umgeben von einer ausgedehnten Stabilitätsinsel, deren Separatrizen die hyperbolischen Fixpunkte (J, ϑ) ≈ (±1, ±π) kreuzen √ und eine Breite ∆J ≈ 2 2f besitzen. In der Umgebung dieser Separatrix findet man die ersten Anzeichen chaotischer Dynamik. Mit wachsendem f vergrößert sich diese chaotische Schicht und – nach dem Kriterium von Chirikov – haben wir globales Chaos, sobald die Resonanzzonen überlappen, also für 2f > ω 2 = 1. 84 KAPITEL 7. QUANTENCHAOS UND ZUFALLSMODELLE Für die folgenden Untersuchungen wurde ein Wert f = 1 gewählt. Der Poincaré Schnitt in Abbildung 7.2 zeigt eine kleine Stabilitätsinsel eingebettet in einen chaotischen See, der umgeben ist von einem Bereich mit (näherungsweise) regulärer Dynamik. (Man beachte, dass wegen der Symmetrie nur der oberer Teil des Phasenraums dargestellt ist.) Die quantenmechanischen Rechnungen im folgenden verwenden ~ = 0.02 und in Einheiten von h = 2π~ = 0.126 sind die klassischen Phasenraumflächen des chaotischen Bereichs AC = 92h und der Stabilitätsinseln AS = 4.4h. Daneben gibt es noch kleinere Stabilitätsinseln, die in der Abbildung nicht sichtbar sind. Am ausgeprägtesten ist ein Kette von drei Inseln (mit symmetrischen Kopien in der unteren Hälfte des Phasenraums) mit einer Fläche von insgesamt 0.02h. Der maximale klassische Drehimpuls im chaotischen Bereich hat einen Wert Jmax ≈ 2.6 = 130~. Abbildung 7.2: Stroboskopischer Poincaré–Schnitt für den getriebenen Rotor (f = 1). 7.2.1 Chaotische und reguläre Zustände Berechnet man numerisch die Quasienergiezustände |αi für den getriebenen Rotor (f = 1, ~ = 0.02) und ordnet sie wie oben beschrieben nach wachsendem hα|J 2 /2|αi (siehe Abb. 7.3), so findet man 96 Plateau–Zustände, von denen 92 delokalisiert sind auf dem chaotischen Bereich. Die Besetzungswahrscheinlichkeiten pαj = |hj|αi|2 der freien Rotorzustände sind in Abbildung 7.4 exemplarisch für den Zustand α = 90 dargestellt. Energie–Entropie Diagramme Man kann jetzt die Quasienergiezustände durchmustern und nach ihren Lokalisierungseigenschaften in der Rotor–Basis oder in den Husimidichten auf dem Phasenraum klassifizieren. Dieses Verfahren ist jedoch zeitraubend und ineffektiv. Als Alternative läßt sich 7.2. MODELLSTUDIE: DER ANGETRIEBENE ROTOR 85 Abbildung 7.3: Erwartungswerte des feldfreien Hamilton–Operators für den getriebenen Rotor (f = 1, ~ = 0.02). Abbildung 7.4: Besetzungswahrscheinlichkeiten der freien Rotor Zustände für den delokalisierten Quasienergiezustand α = 90 des getriebenen Rotors (f = 1, ~ = 0.02). die Lokalisierung quantitativ bestimmen mit Hilfe der Entropie Sα = − X pαj ln pαj (7.36) j (q Abschnitt 6.2.2). Abbildung 7.5 zeigt ein so genanntes Energie–Entropie Diagramm, in dem eine Größe, die die Ordnung der Zustände charakterisiert (hier der Erwartungswert der Energie) gegen eine Größe, die die Delokalisierung mißt (hier die Entropie (7.36), aufgetragen wird. 86 KAPITEL 7. QUANTENCHAOS UND ZUFALLSMODELLE Man erkennt klar die drei Klassen von Zuständen: Vier Zustände (α = 89, 87, 82, 93) haben fast die gleiche Energie und relativ kleine, anwachsende Entropie. Dies sind die Inselzustände. Dann gibt es einen regelmäßigen Streifen von Zuständen mit hoher Energie und systematisch fallender Entropie, d.h. zunehmender Lokalisierung in der Rotor–Basis. Diese Zustände sind dem äußeren regulären Bereich zuzurechnen. Die restlichen Zustände erscheinen in einem ungeordneten Haufen mit fast gleicher Energie und hoher Entropie. Dies sind die ‘chaotischen’ Zustände, also die auf dem chaotischen See lokalisierten. Quasienergie–Statistik Nachdem wir die Quasienergiezustände als ‘chaotische’ oder ‘regulär’ klassifiziert haben, können wir jetzt versuchen die Annahme zu erhärten, dass die ‘chaotischen’ Zustände sich ‘zufällig’ verhalten. Das heißt zum Beispiel, dass die Abstände der Quasienenergien (in der Brillouin–Zone −~ω/2 < α < ~ω/2) wie die einer Zufallsmatrix verteilt sind. Abbildung 7.6 zeigt solche Verteilungen getrennt für die chaotischen und die regulären Quasienergiezustände des getriebenen Rotors für ~ = 0.01. Die Quasienergien wurden so reskaliert, dass ihr mittlerer Abstand den Wert eins hat. Es ist zu beachten, dass diese Statistik getrennt für jede der verschiedenen Symmetrieklassen durchgeführt wird. Die dabei entstehenden Histogramme können superponiert werden. Man erkennt eine sehr gute Übereinstimmung der beiden Verteilungen mit einer Wigner– Verteilung im chaotischen und mit einer exponentiellen Verteilung im regulären Fall. Dabei unterstützt die Übereinstimmung der Statistik chaotischer Zustände mit der von Zufallsmatrizen unsere Erwartung. Überraschend erscheint aber im ersten Moment die Exponentialverteilung im regulären Fall, wenn wir uns daran erinnern, dass man eine solche Verteilung für rein zufällig gewählte Zahlen erhält. Eine genauere Überlegung liefert jedoch Abbildung 7.5: Energie–Entropie Diagramm der Quasienergiezustände des getriebenen Rotors (f = 1, ~ = 0.02). 7.2. MODELLSTUDIE: DER ANGETRIEBENE ROTOR 87 Abbildung 7.6: Nächste–Nachbar Statistik der Quasienergiezustände des getriebenen Rotors (f = 1, ~ = 0.01). Das linke Bildz zeigt di chaotischen Zustände im Vergleich mit einer Wigner– Verteilung, das rechte die regulären im Vergleich mit einer Poissonverteilung auch für die regulären Zustände eine exponentielle Verteilung4 . Weitere Untersuchungen findet man in der Literatur, wie zum Beispiel der Statistik einer Menge von gemischten regulären und chaotischen Zuständen5 . 4 5 Siehe z.B. das oben zitierte Buch von Haake, Kap. 5. Siehe z.B. T. Gorin, H. J. Korsch, B. Mirbach, Chem. Phys. 217 (1997) 145. 88 KAPITEL 7. QUANTENCHAOS UND ZUFALLSMODELLE Abbildung 7.7: Statistik der Projektionen pαj der Quasienergiezustände auf die Basis des freien Rotors (Histogramm) im Vergleich mit der Thomas–Porter Verteilung. Statistik der Besetzungszahlen Eine weitere Vermutung betrifft die Komponenten eines als chaotisch klassifizierten Quasienergiezustandes in einer typischen Basis, z.B. der Basis des freien Rotors |ji. Innerhalb eines ausgedehnten Bereiches fluktuieren die Besetzungswahrscheinlichkeiten pαj = |hj|αi|2 scheinbar erratisch um einen Mittelwert (vgl. Abbildung 7.4). Diese Fluktuation scheint für alle ‘chaotischen’ Zustände gleich zu sein. Wenn wir jetzt die Häufigkeiten aller dieser Projektionen bestimmen, das heißt die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von pαj der Größe p, so erhalten wir ein Histogramm wie in Abbildung 7.7 dargestellt (hier ist ln p als Variable gewählt). Wir haben N = 92 als chaotisch klassifizierte Zustände aus einem orthogonalen Ensemble. Aus der Theorie der Zufallsvektoren in Abschnitt 7.1.2 erwartet man dann eine χ2ν –Verteilung mit d = N und ν = 1, also 1 e−pN/2 , (7.37) χ21 (p) = √ 2πpN eine √ so genannte Thomas–Porter Verteilung mit Mittelwert p = 1/N und Varianz ∆p = 2/N . Der Vergleich in Abbildung 7.7 zeigt, dass diese Verteilung die numerischen Resultate sehr gut wiedergibt. Anzumerken ist, dass man aus einer solchen Statistik den eventuell unbekannten Wert von N , also die Anzahl der chaotischen Zustände, bestimmen kann. Weitere Details dazu findet man in der Literatur (siehe Fußnote aus Seite 82). 7.2.2 Klassische und Quantendynamik In diesem Abschnitt soll die Dynamik des getrieben Rotors untersucht werden. Ein Ziel ist dabei, die Korrespondenz zwischen der klassischen und quantenmechanischen Zeitevo- 7.2. MODELLSTUDIE: DER ANGETRIEBENE ROTOR 89 lution aufzuzeigen. Weiterhin soll dieses System beispielhaft belegen, dass die chaotische klassische Dynamik mit einer Quantendynamik einhergeht, die sehr gut durch eine Zufallsbewegung des Zustandsvektors im Hilbertraum beschrieben werden kann. Wir betrachten im folgenden einen Rotor, der sich zur Zeit t = 0 im Rotationsgrundzustand befindet, quantenmechanisch also |ψ(0)i = |j = 0i. Wir berechnen dann numerisch, z.B. in diesem Fall mit der besonders effizienten (t, t0 )–Methode, den Zustandsvektor zu Zeiten t = nT und damit die Wahrscheinlichkeiten pj (n) für Rotationsübergänge 0 → j pj (n) = |hj|ψ(t = nT )i|2 . (7.38) Klassisch propagieren wir entsprechend ein Ensemble von Trajektorien mit Anfangsbedingung J = 0 und gleichverteiltem Winkel ϑ. (Rotations-) Regenbögen Wir modellieren die klassische Anfangsverteilung durch 8000 ‘Teilchen’, die äquidistant auf der Kurve J(ϑ) = 0 im klassischen Phasenraum verteilt sind. Nach einer Zeitperiode T wird diese Kurve auf die Kurve (J(T ), ϑ(T )) abgebildet. Diese Kurve ist in Abbildung 7.8 unter n = 1 dargestellt (der Teil der Kurve in der unteren Halbebene kann leicht symmetrisch ergänzt werden). Wir beobachten eine Ausbildung von Faltungen und Tentakeln. Dieser Prozeß setzt sich mit anwachsende Zeit t = nT fort, und die Kurve entwickelt schnell zunehmend komplexere Strukturen. Man sollte sich dazu folgendes klarmachen: (i) Die Kurve ist anfänglich geschlossen (der Phasenraum ist topologisch ein Zylinder) und bleibt geschlossen. (ii) Im Langzeitmittel müssen fast alle Punkte der Anfangsverteilung allen Punkten des chaotischen Bereichs des Phasenraums beliebig nahe kommen. (iii) Daraus ergibt sich, dass die Kurve im Langzeitlimit dicht in dem chaotischen See liegen muß. (iv) Die Länge der Kurve L(n) wächst exponentiell mit der Zeit, genauer wie Ln = L0 eλn (7.39) mit dem Lyapunov Exponenten λ, der sich numerisch als λ = 1.065 ergibt. Wenn wir jetzt die klassischen Rotationsanregungswahrscheinlichkeiten für die Quantenübergänge j = 0 −→ j berechnen, also für unser Ensemble von Teilchen der Anteil von Teilchen zur Zeit nT mit Drehimpulsen im Intervall der Breite ~ bei J = j~, so entsprechen diese Verteilungen (dargestellt im linken Teil von Abbildung 7.8) den Projektionen der iterierten Kurve auf die Drehimpulsachse. Die ausgeprägten Maxima der klassischen Übergangswahrscheinlichkeiten korrespondieren mit den horizontalen Tangenten der iterierten Kurven im rechten Teil. In Analogie zu den optischen Regenbögen bezeichnet man diese Strukturen als Rotationsregenbögen 6 Man kann nun abschätzen, dass die Anzahl dieser Regenbögen mit der Anzahl der Faltungen anwächst, also etwa wie Nn = enλ . Da die Anzahl der ∆J–Boxen endlich ist, findet man nach n∗ ≈ ln(2Jmax /~) ≈ 5 Perioden im Mittel ein Regenbogen–Maximum in einer δJ–Box, d.h. die Strukturen können nicht mehr aufgelöst werden. 6 Mehr über solche Regenbogenstrukturen findet man z.B. in dem Übersichtsartikel H. J. Korsch, A. Ernesti, J. Phys. B25 (1992) 3565. 90 KAPITEL 7. QUANTENCHAOS UND ZUFALLSMODELLE Abbildung 7.8: Klassische Zeitpropagation eines Ensembles von 8000 Teilchen mit Anfangsverteilung längs J = 0 und gleichverteiltem Winkel ϑ nach n = 1, 2 und 3 Zeitperioden T . Auf der linken Seite sind die Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Drehimpulse J in einem Histogramm mit Boxbreite ∆J = ~ = 0.02 aufgetragen. Die quantenmechanischen Anregungswahrscheinlichkeiten pj (n) für Übergänge aus dem Rotationsgrundzustand j = 0 zur Zeit t = nT sind für n = 1 und n = 6 in Abbildung 7.9 dargestellt. Man beobachtet zunächst eine direkte Korrespondenz zwischen Quantenmechanik und Klassik (die zusätzlichen quantenmechanischen Oszillationen lassen sich auf Interferenzeffekte zurückführen). Nach n = 6 > n∗ Perioden sind die Strukturen verschwunden, abgesehen von einem außergewöhnlichen Maximum bei j ≈ 25, das eine tieferliegende Ursache hat (siehe die in der Fußnote Seite 82 angegebene Literatur). Die quantenmechanischen Oszillationen erscheinen jetzt erratisch, also als quasi zufällige Fluktuationen. 7.2. MODELLSTUDIE: DER ANGETRIEBENE ROTOR 91 Abbildung 7.9: Quantenmechanische Anregungswahrscheinlichkeit pj (n) (•) für Übergänge aus dem Rotationsgrundzustand j = 0 zur Zeit t = T (linkes Bild) und t = 6T (rechtes Bild). Abbildung 7.10: Klassischer stroboskopischer Poincaré Schnitt einer chaotischen Bahn für lange Zeiten. Links ist die Wahrscheinlichkeitsverteilung des Drehimpulses J in einem Histogramm mit Boxbreite ∆J = ~ = 0.02 aufgetragen. Anregungswahrscheinlichkeiten: Ein Beispiel für Quantenchaos? Im Limit langer Zeiten nähert sich die klassische Verteilung immer mehr einer Gleichverteilung (vgl. Abbildung 7.10), während die Fluktuationen der quantenmechanischen pj (n) sich immer weiter fortsetzen. Bestimmt man zum Beispiel die zeitabhängige quantenmechanische Entropie X S(n) = − pj (n) ln pj (n) , (7.40) j die den Grad der Lokalisierung auf der Basis der freien Rotor Zustände mißt, so findet man ein Verhalten, dass für lange Zeiten um einen Mittelwert S = 4.386 schwankt. Dieser Wert ist merklich kleiner als der klassische Wert von S klass = 4.776 (vergl. Abbildung 7.11). Die Differenz S klass − S = 0.39 kann man theoretisch verstehen im Rahmen des Zufallsvektor Modells: es ist die Entropie, die in den quantenmechanischen Fluktuationen 92 KAPITEL 7. QUANTENCHAOS UND ZUFALLSMODELLE steckt. Interessanterweise läßt sich ein einfacher Ausdruck dafür herleiten, nämlich S klass − S ≈ 1 − c = 0.4112 . . . (c ist die Euler Konstante). Eine Herleitung findet man in der Literatur (siehe Fußnote Seite 82). Abbildung 7.11: Zeitabhängigkeit der Entropie S(n) (− ◦ −) zu Zeiten tn = nT im Vergleich mit der klassischen Entropie (− • −). Einen interessanten Eindruck von der quantenmechanischen Zeitevolution vermittelt uns Abbildung 7.12. Hier sind die quantenmechanischen Anregungswahrscheinlichkeiten pj (n) von Rotationzuständen j zur Zeit t = nT dargestellt (der Anfangswert pj (0) = δj0 ist unterdrückt). Der Bereich bis zum maximalen j wird bevölkert und die Größe p der einzelnen pj (n) variiert sehr stark. Eine Statistik dieser Werte im Vergleich mit der Exponentialverteilung (die Zeitevolution ist unitär, d.h. wir haben hier ein unitäres Ensemble zu betrachten anstelle eines orthogonalen) P (p) = 1 −p/p e p (7.41) in Abbildung 7.13 zeigt sehr gute Übereinstimmung. Dabei ergibt sich 1/p = 92, d.h. die Dimension des ‘chaotischen’ Teilraums des Hilbertraums. Weitere Details finden sich in der angegebenen Arbeit (Fußnote Seite 82). Zum Abschluß sei noch ein realistischeres Beispiel für eine derartige Zeitevolution gegeben: die Photodissoziation von Wasser. Dabei wird das H2 O Molekül z.B. durch einen Laser angeregt in einen elektronisch angeregten Zustand, aus dem es dissoziieren kann. Wenn man diesen Prozess in einer zeitabhängigen quantenmechanischen Rechnung behandelt, d.h. wenn man eine Wellenfunktion auf einer realistischen mehrdimensionalen Potential√ fläche numerisch propagiert7 , so ergibt sich für die Rekurrenzamplitude p = |hψ(0)|ψ(t)i| das in Abbildung 7.14 dargestellte Bild. Man findet wie erwartet einen etwa exponentiellen Zerfall überlagert von starken Fluktuationen. Korrigiert man die exponentielle Zeitabhängigkeit heraus, so findet man, dass die Fluktuationen einer Statistik folgen, die 7 Siehe M. von Dirke, B. Heumann, K. Kuhl, T. Schröder, R. Schinke, J. Chem. Phys. 101 (1994) 2051. 7.2. MODELLSTUDIE: DER ANGETRIEBENE ROTOR 93 Abbildung 7.12: Darstellung der quantenmechanischen Anregungswahrscheinlichkeiten pj (n) von Rotationzuständen j zur Zeit t = nT . Abbildung 7.13: Statistik der quantenmechanischen Anregungswahrscheinlichkeiten pj (n) (Histogramm) im Vergleich mit der Exponentialverteilung aus dem Zufallsvektor Modell. der in Abbildung 7.13 entspricht. Nur bestimmt man hier aus der Steigung eine weitaus größere Dimension des zugrundeliegenden Hilbertraums, nämlich 1/p = 1200. 94 KAPITEL 7. QUANTENCHAOS UND ZUFALLSMODELLE Abbildung 7.14: Rekurrenzamplitude √ p = |hψ(0)|ψ(t)i| der zeitpropagierten Wellenfunktion im B–Zustand des H2 O Moleküls als Funktion der Zeit (linkes Bild). Das rechte Bild zeigt die Statistik der Fluktuationen von p (nach Korrektur des Verlustes durch Dissoziation) im Vergleich mit der Exponentialverteilung aus dem Zufallsvektor Modell. Kapitel 8 Zerfallsprozesse in starken Feldern: ATI 8.1 Above Threshold Ionization (ATI) In diesem Kapitel betrachten wir die Multiphotonionisation von Atomen in starken Laserfeldern (es sei aber angemerkt, dass es ähnliche Prozesse auch in anderen Situationen gibt, wie zum Beispiel bei der Dissoziation von Molekülen). Typisch sind hier Photonen mit ~ω im eV Bereich und Laserintensitäten von etwa 1012 W/cm2 . Wir haben es also mit feldinduzierten Übergängen aus einem gebundenen Zustand in das Kontinuum zu tun, bei denen n Photonen absorbiert werden. Bei niedrigeren Feldintensitäten findet man eine monoton abfallende Energieverteilung der ausgelösten Elektronen. Ein solches Beispiel ist in Abbildung 8.2 gezeigt. Experimente zur Multiphoton Ionisation von Xenon Atomen bei höheren Energien1 zeigten zur damaligen Überraschung einen zweiten Peak, der um 1 P. Agostini et al., Phys. Rev. Lett. 42 (1979) 1127 Abbildung 8.1: Experimentelle Energiespektren (P. Agostini et al, siehe Fußnote) der Elektronen bei Multiphoton Ionisation von Xenon Atomen für zwei Photonenenergien: ~ω = 1.17eV, I = 4 · 1012 W/cm2 (Dreiecke) und ~ω = 2.34eV, I = 8 · 1012 W/cm2 (Kreise). 95 96 KAPITEL 8. ZERFALLSPROZESSE IN STARKEN FELDERN: ATI die Energie eines Photons, ~ω, höher lag. Das auslaufende Elektron absorbierte also im Kontinuum während des Auslaufens noch ein weiteres Photon. Aus diesem Grund wurde dafür der Begriff ‘Above Threshold Ionisation’ geprägt. Nachfolgende Experimente mehrerer Arbeitsgruppen zeigten bald schon wesentlich mehr Strukturen2 . Ein Übersichtsartikel3 gibt einen guten Einblick in die weitere Entwicklung. Abbildung 8.2: Experimentelle Energiespektren der Elektronen bei Multiphoton Ionisation von Xenon Atomen bei 1064 nm für verschiedenen Pulsenergien (K. Burnett et al, siehe Fussnote). Im wesentlichen kann man die experimentellen Befunde wie folgt zusammenfassen: • Die Elektronenspektren zeigen eine ausgeprägte Peakstruktur. • Die Peakform ist gleich oder sehr ähnlich. • Die Höhe der Peaks nimmt mit wachsender Energie ab. • Bei höheren Feldintensitäten findet man eine Peakinversion, d.h. die ersten Peaks sind kleiner. • Die Position der Peaks ist gegenüber der Energie n~ω − Eionisation verschoben (in der Regel eine Rotverschiebung). Dabei ist Eionisation die zur Ionisierung notwendige Energie und n~ω die absorbierte Photonenenergie. 2 3 Siehe z.B. P. Kruit et al, Phys. Rev. A 28 (1983) 248. K. Burnett, V. C. Reed, P. L. Knight, J. Phys. B 26 (1993) 561 8.2. EINE MODELLSTUDIE FÜR ATI PROZESSE 8.2 97 Eine Modellstudie für ATI Prozesse Um die Phänomene der Multiphoton Ionisation zu untersuchen, wählen wir ein eindimensionales Modell Ĥψ(x, t) = Ĥ0 + V (x, t) ψ(x, t) (8.1) mit einer Wechselwirkung V (x, t) = V0 (x) + λg(x) cos ωt (8.2) wobei wir zur Vereinfachung die x–abhängige Kopplung g(x) = V0 (x) wählen sowie ein geeignetes Potential V0 (x), das eine weitgehend analytische Behandlung erlaubt: das Rosen– Morse Potential V0 V0 (x) = − (8.3) cosh2 αx mit den Energieeigenwerten ! r (s − ν)2 1 8mV0 −1 + 1 + 2 2 (8.4) Eν = − V0 , ν = 0, 1, . . . , mit s = s(s + 1) 2 α ~ (siehe z.B. Landau–Lifshitz, Quantenmechanik ). Hier wählen wir Masse m = 1 und ~ = 1, α2 = 1/3, V0 = 2 mit s = 3 und den drei Eigenzuständen 3 E0 = − , 2 2 E1 = − , 3 1 E2 = − . 6 (8.5) (0) Die Eigenzustände ψν haben positive (ν = 0, 2) oder negative (ν = 1) Parität. Auch die Wellenfunktionen gebundener Zustände sind analytisch bekannt, sowie die Kontinuumswellenfunktionen. Unser Modell ist also ein oszillierendes Rosen–Morse Potential, dargestellt in Abbildung 8.3. 8.2.1 Floquet Resonanzen und ATI Spektren Wir kombinieren jetzt die komplexe Skalierungs-Methode aus Abschnitt 2.4 mit der Floquet-Methode und berechnen (nach Transformation x → eiθ x) die Quasienergien und Quasienergiezustände nach einer der in Kapitel 5 dargestellten Techniken. Hier wählen wir (0) eine Diagonalisierung der Floquet Matrix in einer Basis von L2 –Funktionen φm einωt mit m ≤ mmax , −nmax ≤ n ≤ nmax . Wir erhalten damit als Eigenwerte mmax ×(2nmax +1) Quasienergien, die in einer charakteristischen Weise in (2nmax + 1) Bändern angeordnet sind. Diese Bänder entsprechen natürlich den Brillouin Zonen der Breite ~ω (die Quasienergien sind nur modulo ~ω definiert). Wegen der endlichen Basis in n sind aber die numerischen Ergebnisse von Band zu Band etwas unterschiedlich; diese Unterschiede verschwinden für großes nmax . 98 KAPITEL 8. ZERFALLSPROZESSE IN STARKEN FELDERN: ATI Abbildung 8.3: Modellsystem: oszillierender Potentialtopf mit maximaler Tiefe V0 (x)(1 + λ), minimaler Tiefe V0 (x)(1 − λ) und Mittelwert Tiefe V0 (x). Zur Demonstration der Wirkung der komplexen Skalierung zeigt Abbildung 8.4 das Quasienergiespektrum des Modellsystems (8.2) für λ = 0.2 ohne und mit komplexer Skalierung. Zum Verständnis dieser Resultate muß man sich klarmachen, dass das Modellsystem ohne Feld drei gebundene Zustände Em < 0 besitzt sowie ein Kontinuum für E > 0. Mit Feld erhalten wir numerisch diskrete Eigenwerte die den Resonanzen und dem diskretisierten Kontinuum entsprechen. Ohne komplexe Skalierung ist es unmöglich, die Resonanzen von dem Kontinuum zu unterscheiden (Bild (a)). Mit Skalierung (θ = 0.45) Abbildung 8.4: Quasienergiespektrum des Modellsystems (8.2) für λ = 0.2 ohne (a) und mit (b) komplexer Skalierung. 8.2. EINE MODELLSTUDIE FÜR ATI PROZESSE θopt (0) Em ER 99 Γ τ /T 0.44 -1.500 -1.50278 1.214 · 10−5 0.46 -0.667 -0.665703 1.08894 · 10−2 0.35 -0.167 -0.163364 0.5986 · 10−2 ∼ 13110 ∼ 15 ∼ 27 Tabelle 8.1: Resonanzenergien ER − iΓ/2 des Rosen–Morse Systems (λ = 0.2, ω = 1). θopt ist der optimale Rotationswinkel, E (0) sind die Bindungsenergien der drei gebundenen Zustände des feldfreien Systems und τ /T ist die Lebensdauer in Einheiten der Feldperiode T = 2π. werden jedoch die Kontinua (das Kontinuum des feldfreien Systems modulo ~ω) weit nach unten in die komplexe Ebene gedreht (Bild (b)) und die Resonanzen werden freigelegt. In den numerischen Rechnungen wurden 50 Basisfunktionen (in diesen Fall einfache Wellenfunktionen eines Kastenpotentials) und sechs Zerfallskanäle −3 ≤ n ≤ 3 benutzt. Die drei Resonanzen aus dem mittleren Kanal (sie sind wegen der numerischen Abschneideeffekte die genauesten) sind in der Tabelle 8.1 aufgelistet (die stabilste Resonanz ist dabei um ~ω nach unten verschoben, um die Zusammenhang zu den Bindungsenergien (0) Em des feldfreien Systems zu verdeutlichen. Man erhält also das folgende Bild: Die Zustände des feldfreien Potentials sind eingebettet in die Kontinua der um n~ω verschobenen Potentiale, die n Photonen aus dem Feld aufgenommen haben. Mit angelegtem Feld (λ > 0) werden diese Zustände zu Resonanzen, die in diese Kontinua zerfallen können (siehe Abbildung 8.5). Abbildung 8.5: Die feldfreien Po(0) tentiale Vn (x) = V (0) (x) + n~ω für n = −2, . . . , +2. Die Zerfallswahrscheinlichkeiten in diese Kanäle kann man aus den Quasienergiezuständen berechnen. Dazu die folgende Überlegung. Sei ψres ein solcher Resonanzzustand, 100 KAPITEL 8. ZERFALLSPROZESSE IN STARKEN FELDERN: ATI den wir durch Diagonalisierung der Floquet Matrix in der Basis einωt erhalten haben, d.h. X inωt ψres (x, t) = φres . (8.6) n (x) e n Wenn nun der Kanal n ein offener Kanal für den Zerfall ist, dann erwartet man für großes x ein Verhalten wie 1/2 m res φn (x) −→ an eikn x exp(iθ) , (8.7) ~kn mit kn = [2m(Eres + n~ω)]1/2 /~. Der Faktor (m/~kn )1/2 normiert auf eine Stromdichte von eins. Die Amplitude an gibt ein Maß für die Wahrscheinlichkeit des Zerfalls. Es ist zweckmäßig, die energieartige Größe Γn = |an |2 ~ (8.8) einzuführen, die partielle Breite. Diese partiellen Breiten genügen der Summenregel X Γn = Γres , (8.9) n d.h. die Summe der Wahrscheinlichkeit der einzelnen Zerfälle ist gleich der Gesamtzerfallswahrscheinlichkeit des Resonanzzustandes, eben der Breite Γres . Numerisch erhält man für unser Modellsystem durch Auswertung von 2 Γn = lim |φres n gn (x)| ~ x→∞ (8.10) 1/2 −ik x exp(iθ) mit gn (x) = ~kmn e n für λ = 0.2 die Resultate Γ1 = 0.0107 und Γ2 = 0.00019 für die Zerfälle des ersten angeregten Resonanzzustandes bei ER = −0.665703 durch Aufnahme eines oder zweier Photonen mit Energie ~ω = 1 aus dem Feld. Die partiellen Breiten summieren zu 0.0109, was mit der Gesamtbreite von 0.0108894 aus Tabelle 8.1 übereinstimmt. Weiterhin ist es möglich aus diesem Ansatz des Zerfalls eines Resonanzzustandes die Energieverteilung der auslaufenden Teilchen zu berechnen. Die Herleitung findet man in der Literatur4 . Man erhält das einfache Resultat Pα (E) = (α) 1 X Γn h i . 2π n≥n |E − Eα(0) + ∆ + n~ω − iΓ /2 |2 α α 0 (8.11) Dabei ist Eα die komplexe Resonanzenergie mit Breite Γα , deren Position (der Realteil) (0) um ∆α von der Lage eines gebundenen Zustandes Eα des feldfreien Systems verschoben ist (meist numeriert man die Resonanzzustände wie im feldfreien Fall). n0 ist die minimale Anzahl der Photonen, die für den Übergang erforderlich sind. Die partiellen Breiten summieren zu der Gesamtbreite X (8.12) Γα = Γ(α) n . n≥n0 4 F. Bensch, H. J. Korsch, N. Moiseyev, Phys. Rev. A 43 (1991) 5145. 8.2. EINE MODELLSTUDIE FÜR ATI PROZESSE 101 Wir erwarten also eine Folge von Lorentz Peaks gleicher Breite Γα mit Abstand ~ω, deren Position um ∆α gegenüber der Lage des Grundzustandes verschoben ist (man kann argumentieren, dass dies für den Grundzustand in der Regel eine Absenkung ist, also ein Rotverschiebung bei den Spektren). Das Gewicht der einzelnen Peaks ist gegeben durch die partielle Breite. Abbildung 8.6 zeigt ein auf diese Weise gewonnenes ATI Spektrum, das die wesentlichen Eigenschaften der experimentellen Spektren wiedergibt (vgl. Abbildung 8.2). Abbildung 8.6: ATI Spektren berechnet aus der Wellenpaketpropagation (—) und aus den komplexen Floquet Resonanzen (- - -) für λ = 0.8. Wenn man die Intensität des Feldes erhöht, also in unserem Modell den Parameter λ, so wächst der zweite Peak stärker als der erste (man kann zeigen, dass das Verhältnis der partiellen Breiten Γ2 /Γ1 proportional zu λ2 ist5 . Bei einem kritischen Feldstärkeparameter λc sind die Peakhöhen invertiert und ein Übergang, der ein weiteres Photon erfordert, ist wahrscheinlicher als der einfachste Prozess. Abbildung 8.7 zeigt λc als Funktion der Frequenz ω des Feldes für den Anfangszustand |φ1 (0)i. Oberhalb der Kurve beobachtet man Inversion der Peakhöhen, d.h. Γ2 > Γ1 . 8.2.2 Wellenpaketpropagation In diesem Abschnitt soll kurz auf die Möglichkeiten einer Untersuchung von Multiphotonprozessen mit Hilfe einer Zeitpropagation der Wellenfunktion eingegangen werden6 . Abbildung 8.8 zeigt als Beispiel den Realteil der Wellenfunktion φ1 (x, t), propagiert (0) mit der Anfangsbedingung φ1 (x, 0) = φ1 (x), d.h. im ersten angeregten Zustand des feldfreien Systems, für λ = 0.8 nach zehn Zyklen (t = 10T ). Zu dieser Zeit hat das Wellenpaket die Potentialregion schon fast vollständig verlassen (siehe Abbildung 8.8). Man beobachtet 5 N. Moiseyev, F. Bensch, H. J. Korsch, Phys. Rev. A 42 (1990) 4045. Eine ausführliche Darstellung findet man in F. Bensch, H. J. Korsch, N. Moiseyev, J. Phys. B 24 (1991) 1321 und in F. Bensch, Dissertation Univ. Kaiserslautern, 1993. 6 102 KAPITEL 8. ZERFALLSPROZESSE IN STARKEN FELDERN: ATI Abbildung 8.7: Kritischer Feldstärkeparameter λc als Funktion der Frequenz ω des Feldes für den Anfangszustand φ1 (0)i. Oberhalb der Kurve beobachtet man Inversion der Peakhöhen, d.h. Γ2 > Γ1 . die Ausbildung von Teilpaketen. Die Wellenzahlen in den Zentren dieser Pakete entsprechen den Positionen der ATI Peaks in Abbildung 8.6. Durch Fouriertransformation kann man die Energieverteilung bestimmen. Ein solches Spektrum ist in Abbildung 8.6 dargestellt und zeigt gute Übereinstimmung mit den Resonanzspektrum. Weitere Resultate zeigt Abbildung 8.9. Abbildung 8.8: Realteil der Wellenfunktion φ1 (x, t) für λ = 0.8 nach zehn Zyklen (t = 10T ). Die gestrichelte Kurve markiert den Potentialtopf. 8.2. EINE MODELLSTUDIE FÜR ATI PROZESSE 103 Abbildung 8.9: ATI Spektren des (0) Anfangszustandes |φ1 i für λ = 0.4 (a) und λ = 0.8 (b). Bild (c) zeigt (b) auf einer logarithmischen Skala. Man kann das Zeitverhalten eines Zustandes verfolgen durch die Rekurrenzwahrscheinlichkeit S(t) = |hψ(t = 0)|ψ(t)i|2 , (8.13) also der Wahrscheinlichkeit für die Rückkehr des (normierten) Wellenpaketes zu seinem Ausgangszustand (vgl. auch Abbildung 7.14). In Abbildung 8.10 ist das numerisch ermit(0) (0) telte S(t) für den Zerfall der Zustände |φ1 i und |φ2 i für λ = 0.2 und λ = 0.4 dargestellt. Man beobachtet eine exponentielle Abnahme überlagert von Oszillationen. Das exponentielle Abklingen beruht auf dem Zerfall, mehr und mehr wandert in den Außenbereich ohne Möglichkeit eine Rückkehr. Ermittelt man aus den Steigungen die Lebensdauern, so findet man Übereinstimmung mit den Breiten Γα der Resonanzzustände bei komplexen Energien. Die Oszillationen sind Rabi Oszillationen zwischen den Zuständen 0 und 2 (besonders ausgeprägt) oder dem Zustand 1 und einem Zustand direkt an der Kontinuumsschwelle. Zum Abschluß soll in Abbildung 8.11 noch der zeitliche Aufbau der ATI Spektren illustriert sein. 8.2.3 Ein Zweizustandsmodell Um die Dynamik des Systems genauer zu verstehen wollen wir es einmal in einer einfachen Zweizustandsnäherung untersuchen. Wenn sich das System zur Zeit t = 0 im Grundzustand ϕ0 des feldfreien Systems H0 befindet, dann erwartet man (neben dem langsamen Zerfall) zunächst eine Bevölkerung des Zustandes ϕ2 . Der Zustand ϕ1 hat andere Parität. Wir reduzieren daher die volle Dynamik auf die beiden Zustände ϕ0 und ϕ2 . Da dies gebundene Zustände sind, ist es klar, dass dabei der Zerfall in das Kontinuum (zunächst) vernachlässigt wird. 104 KAPITEL 8. ZERFALLSPROZESSE IN STARKEN FELDERN: ATI Abbildung 8.10: Rekurrenzwahrscheinlichkeiten S(t) für den Zerfall der Zustände |φ(0) 1 i und (0) |φ2 i für λ = 0.2 und λ = 0.4 . Abbildung 8.11: Zeitlicher Aufbau des ATI Spektrums für λ = 0.85, ω = 0.34 und t = 3T (—), t = 6T (....), t = 9T (....), t = 12T (—). Der Ausschnitt zeigt eine Vergrößerung des markierten Rechtecks. Im Zweizustandsmodell hat der Hamilton Operator die Form H= E0 0 0 E2 ! V00 V02 + λ cos ωt V20 V22 ! (8.14) mit den Matrixelemente Vjk = hϕj |V0 |ϕk i . Zur Lösung der dynamischen Gleichungen gehen wir ähnlich vor wie in Abschnitt 3.2, nur ist die Situation hier etwas komplizierter, denn auch die Diagonalelemente sind zeitabhängig. Die Bewegungsgleichungen i~ ~a˙ = H~a (8.15) 8.2. EINE MODELLSTUDIE FÜR ATI PROZESSE 105 transformiert man mit der Transformation ~c = U~a . ! ni Z t o U00 0 , Ukk = exp Ek + λVkk cos ωt dt U == ~ 0 0 U22 (8.16) auf die Form i~~c˙ = U H nd U †~c = H 0~c . (8.17) Durch diese Transformation werden die Diagonalelemente beseitigt; H nd bezeichnet die Matrix H ohne Diagonalelemente und H 0 hat die Form ! 0 0 H 02 H0 = . (8.18) 0 H20 0 Mit den Abkürzungen ωjk = 1 Ej − Ek 2 , vjk = 1 Vjj − Vkk ~ω (8.19) und der Fourier–Entwicklung e iu sin ωt = +∞ X Jn (u)einωt (8.20) n=−∞ (die Jn (u) sind die Bessel–Funktionen) erhält man für die Nichtdiagonalelemente von H 0 0 Hjk +∞ o λVjk X n = Jn−1 (λvjk ) + Jn+1 (λvjk ) ei(ωjk −nω)t . 2 n=−∞ (8.21) Eine Lösung in geschlossenener Form erhält man mit einer leicht abgewandelten Form der Rotating–Wave–Approximation: Man berücksichtigt in der Reihe nur den Term mit der langsamsten Oszillation, also den mit ∆ω ωjk − nω = Minimum. (8.22) Hier ist ω = 1 und ω20 = −1/6 − (−3/2) = 4/3, also nehmen wir nur den Term n = 1 mit, Dann ist ∆ω = 1/3 und es folgt 0 H20 = ∗ H 0 02 o λV20 n 1 = J0 (λv20 ) + J2 (λv20 ) = − R20 ei∆ωt 2 2 (8.23) und (~ = 1) ċ0 ċ2 ! = 0 i R20 ei∆ωt 2 i 2 R20 e−i∆ωt 0 ! c1 c2 ! . (8.24) 106 KAPITEL 8. ZERFALLSPROZESSE IN STARKEN FELDERN: ATI Als letzten Schritt berücksichtigen wir jetzt noch die Zerfallsmöglichkeiten der beiden Zustände, indem wir einfach die Eν durch die komplexen Werte Eν − iΓν /2 ersetzen, d.h. aus der letzten Gleichung wird ! ! ! i −i∆ωt ċ0 −Γ0 /2 c R e 20 1 2 = i . (8.25) i∆ωt ċ2 c2 R e −Γ2 /2 20 2 Das liefert dann in der bekannten Weise (vgl. Abschnitt 3.2 einen geschlossenen Ausdruck für die Besetzungswahrscheinlichkeit P2 (t) des oberen Zustands (P2 (0) = 0): γ t 2 R20 20 2 P2 (t) = 2 exp − | sin(Ωt/2)| , 2 δ + (γ/2)2 + R20 2 (8.26) also eine gedämpfte Oszillation mit Dämpfungskonstanten γ20 = (Γ0 + Γ2 )/(2~) , γ = (Γ0 − Γ2 )/(2~) . Die Verstimmung und die Rabifrequenz sind gegeben durch q 2 δ = ω20 − ω , Ω = (δ − iγ/2)2 + R20 . (8.27) (8.28) Abbildung 8.12 zeigt einen Vergleich der Zweizustandsnäherung mit exakten numerischen Daten für λ = 0.4 (nach F. Bensch et al. (siehe Fußnote 6 auf Seite 101). Man sieht, dass das Zweizustandsmodell die Zeitentwicklung korrekt beschreibt. Abbildung 8.12: Rabi Oszillationen der Besetzungszahlen P0 (t) und P1 (t) der Zustände 0 und 2 für λ = 0.4. Die Punkte markieren Daten aus der exakten Zeitpropagation, die durchgezogenen Kurven sind die Resultate des Zweizustandssystems und die gestrichelten Kurven die geschlossenen Ausdrücke in der Rotating–Wave–Approximation (8.26). Kapitel 9 Erzeugung hoher Harmonischer (HHG) In Experimenten mit Gasen (z.B. Edelgasen), die mit intensiven Laserfeldern einer Frequenz ω (typische Intensitäten sind 1013 W/cm2 und Wellenlängen bei 1000nm) wechselwirken, hat man die Emission von Strahlung mit wesentlich kürzeren Wellenlängen beobachtet, die Erzeugung Höherer Harmonischer 1 . Dies ist ohne Zweifel von großem Interesse, z.B. in Hinblick auf mögliche Laser im Röntgenbereich. Abbildung 9.1: Anzahl der emittierten Photonen mit einer Frequenz Ω für Xe, Kr und Ar bei Anregung mit 1064nm und 3 · 1013 W/cm2 als Funktion von Ω/ω im Experiment (siehe Fußnote). Beobachtet wird eine diskrete Verteilung bei ungeraden Vielfachen von ω. 1 Einen Überblick der Arbeiten über die Erzeugung hoher Harmonischer findet man in A. L’Huillier, K. J. Schafer, K. C. Kulander, J. Phys. B24 (1991) 3315. 107 108 KAPITEL 9. ERZEUGUNG HOHER HARMONISCHER (HHG) Abbildung 9.1 zeigt ein Beispiel einer solchen Emission (aus 1). Dort ist die Anzahl der mit Frequenz Ω emittierten Photonen als Funktion des Frequenzverhältnisses Ω/ω zur eingestrahlten Laserfrequenz aufgetragen. Man findet eine Vervielfachung der Frequenz bis zu einem Faktor 30. In kurzer Zeit war man in der Lage durch Abänderung der experimentellen Bedingungen eine Frequenzvervielfachung um den Faktor 100 und höher zu erreichen2 (siehe Abbildung 9.2). Abbildung 9.2: Wie Abbildung 9.1, jedoch unter anderen Bedingungen (siehe Fußnote). Die folgenden Punkte charakterisieren die experimentellen Befunde: • Nur harmonische Vielfache Ω = nω der Einstrahlungsfrequenz ω werden abgestrahlt. • n kann groß sein (n ≈ 30, . . . 100, . . . wurden beobachtet). • n ist ungerade. • Die Anzahl der emittierten Photonen mit Ω = nω, n = 0, 1, . . . , zeigt: – einen exponentiellen Abfall bei kleinen Zeiten; – ein mehr oder weniger ausgedehntes Plateau; – einen exponentiellen Abfall für große Zeiten. • In manchen Fällen werden auch Subharmonische beobachtet. 2 A. L’Huillier, P. Balcao, Phys. Rev. Lett. 70 (1993) 774 109 Ein ähnliches Bild fand man auch bei der Anregung von Molekülen. Die Erklärung dieser Beobachtungen ist vergleichsweise einfach. Nach anfänglichen Vermutungen anderer Art (kohärente Emission vieler Atome, oder vieler Elektronen,...) hat sich herausgestellt, dass man es hier in der Hauptsache mit einem Ein–Atom- und sogar einem Ein–Elektron-Problem zu tun hat, das in seinen wesentlichen Zügen beschrieben werden kann als ein Übergang, wie er bei der Mehrphotonen Ionisation im vorangehenden Kapitel zur Above Threshold Ionisation (ATI) auftrat. Wir haben gesehen, dass dort ein Resonanzzustand des Atoms im Laserfeld angeregt wurde, der in die multiplen Kontinua des um n~ω verschobenen Systems eingebettet ist und in die er dann zerfallen kann unter Emission eines Elektrons mit kinetischer Energie ≈ n~ω − Eion . Es ist jedoch auch ein Übergang des Systems in einen gebundenen Zustand möglich unter Emission eines Photons der Energie n~ω. Genau dieser Prozess ist verantwortlich für die Erzeugung hoher Harmonischer (vgl. Abbildung 9.3). Abbildung 9.3: Schematische Darstellung von Multiphoton Ionisation (ATI) und Erzeugung hoher Harmonischer (HHG). Die Abstrahlung eines atomaren Elektrons im Zustand |ψ(t)i läßt sich beschreiben durch den Erwartungswert des zeitabhängigen Dipolmoments µ̂ D(t) = hψ(t)|µ̂|ψ(t)i . (9.1) Die Wahrscheinlichkeit für die Emission von Strahlung der Frequenz Ω ist dann gegeben durch die Fouriertransformierte Z σ(Ω) ∼ +∞ −∞ e −iΩt 2 D(t)dt . (9.2) 110 KAPITEL 9. ERZEUGUNG HOHER HARMONISCHER (HHG) 9.1 Das Rückstreu–Modell Eine ganz einfache Modellierung der Strahungsemission liefert das folgende Modell, das auf K. C. Kulander zurückgeht. Wir folgen hier der ausführlichen Darstellung von W. Becker et al.3 . In dieser Arbeit findet man eine wesentliche Erweiterung des Modells im Rahmen der Quantenmechanik,; wir beschränken und hier aber auf rein klassische Betrachtungen. Zunächst unterstellen wir, dass ein einzelnes Elektron an dem Vorgang beteiligt ist (was nicht selbstverständlich ist!); außerdem berücksichtigen wir nur einen einzigen Freiheitsgrad. Das Elektron ist anfangs im Grundzustand (Ionisierungsenergie Ip ). Wenn auf das Elektron nur das oszillierende Feld F = −eE sin ωt (9.3) wirkt, so gilt für die Geschwindigkeit mv̇ = eE sin ωt (mit a = v(t0 ) + eE mω =⇒ v(t) = − eE cos ωt + a mω (9.4) cos ωt0 ), und die Bahn ist durch x(t) = − eE sin ωt + at + b mω 2 (9.5) eE gegeben (mit b = x(t0 ) + mω 2 sin ωt0 ). Es ergibt sich also die Überlagerung einer gerichteten Bewegung (x ∼ at) und einer ’Zitterbewegung’ im Takt des Feldes mit der frequenzabhängigen Amplitude eE/(mω 2 ). Die mittlere kinetische Energie dieser Zitterbewegung ist e2 E 2 1 e2 E 2 2 hcos ωti = , (9.6) Up = hEkin i = 2 mω 2 4mω 2 das sogenannte ponderomotive Potential . Empirisch wurde in den Experimenten die folgende Relation gefunden: Das Plateau der HHG–Spektren erstreckt sich bis zu einer maximalen Energie der emittierten Photonen Emax , die wie Emax ≈ Ip + 3Up (9.7) von den wesentlichen Systemparametern abhängt. Wie kann man das erklären? Das Rückstreu–Modell nimmt an, dass das Elektron durch die Feldbarriere tunnelt und zur zeit t0 mit einer Geschwindigkeit v(t0 ) = 0 aus der Barriere austritt. Danach vernachlässigt man die Wechselwirkung mit dem ionisierten Atom und propagiert nur in dem Wechselfeld. Wenn man x(t0 ) = 0 annimmt (Begründung z.Zt. noch unklar), dann ist die Position des Elektrons zu einer Zeit t1 durch x(t1 ) = − 3 eE eE sin ωt1 − sin ωt0 + (t1 − t0 ) cos ωt0 2 mω mω W. Becker,, S. Long, J. K, Mciver, Phys. Rev. A 50 (1994) 1540. (9.8) 9.2. EIN MODELLSYSTEM 111 gegeben. Die Photonenemission findet in der Nähe des Kerns statt, also muss sich das Elektron durch die oszillierende Bewegung wieder zurück bewegt haben. Die Emissionzeit t1 ist also näherungsweise durch x(t1 ) = 0 festgelegt, eine Gleichung, die natürlich mehrere Lösungen t1 = t1 (t0 ) haben kann. Bei dieser Emission wird die kinetische Energie des Elektrons und die Ionisationsenergie Ip frei. Das weitere Vorgehen ist klar. Man bestimmt aus Ekin (t1 ) = Ekin (t1 (t0 )) durch die Bedingung dEkin /dt = 0 die maximal mögliche Energie (natürlich für alle möglichen t1 ) und erhält nach längerer und z.T. numerischer Rechnung Emax = 3.173 Up und damit eine Bestätigung des experimentellen Befundes. 9.2 Ein Modellsystem Wir beschreiben die Dynamik eines Elektrons in einem Laserfeld durch den Hamilton– Operator4 Ĥ(x, t) = Ĥ0 (x) − 0 x̂ cos(ωt) = p̂2 + V (x̂) − 0 x̂ cos(ωt) . 2m (9.9) (Wir verwenden atomare Einheiten, in denen Masse und ~ den Wert eins haben.) Das Dipolmoment ist in dieser Darstellung (man spricht auch von der Längeneichung) gegeben durch µ̂ = x̂. Es ist nützlich, an dieser Stelle auf zwei andere oft benutzte Darstellungen hinzuweisen. In der Impuls- oder Strahlungseichung hat der Hamilton Operator nach einer Transformation i (9.10) |ψi −→ |ψ̃i = e− ~ 0 x cos ωt |ψi die Form Ĥ(x, t) = 2 1 0 p̂ + sin(ωt) + V (x̂) . 2m mω (9.11) Sehr nützlich ist es, zusätzlich noch auf ein zeitlich bewegtes Koordinatensystem zu transformieren, indem man die Dynamik des Elektrons relativ zu einer klassischen Bewegung allein im Strahlungsfeld beschreibt: x −→ x − xcl , xcl = − 0 cos(ωt) = −xm cos(ωt) . mω 2 (9.12) Dies ist die Kramers–Henneberger Transformation 5 , in der der Hamilton–Operator besonders einfach wird: Ĥ(x, t) = p̂2 0 +V x+ cos(ωt) . 2m mω 2 (9.13) Dieser Darstellung liefert also eine Bewegung in einem lateral oszillierenden Potential. Es ist für das Verständnis der Dynamik wichtig, dass sich das System vorwiegend in den Extremsituationen, also bei x ± xm , befindet. mit relativ schnellen Übergängen. 4 5 siehe N. Ben-Tal, N. Moiseyev, R. Kosloff, C. Cerjan, J. Phys. B26 (1993) 1445. H. A. Kramers (1950; W. C. Henneberger, Phys. Rev. Lett. 21 (1968) 838. 112 KAPITEL 9. ERZEUGUNG HOHER HARMONISCHER (HHG) Die einzelnen Darstellungen ermöglichen unterschiedliche approximative Zugänge, z.B. liefert die Kramers–Henneberger Darstellung (9.13) nach Fourier Entwicklung des zeitperiodischen Potentials V (x, t) = X k −ikωt Vk (x)e , 1 Vk (x) = T Z T V (x, t) eikωt dt (9.14) 0 in nullter Näherung eine Bewegung in dem Potential V0 (x). Falls V (x) ein Potential mit einem Minimum bei x = 0 ist, besitzt V0 (x) zwei Minima bei ≈ ±xm . In einer Modellstudie wurde ein Gauß–Potential 2 V (x) = −V0 e−(x/x0 ) , (9.15) benutzt, dessen Parameter V0 und x0 so angepasst sind, dass die Bindungsenergien der beiden tiefsten Zustände des Xe Atoms wiedergegeben werden (E0 = −0.4451, E1 = −0.1400, E2 = −0.00014) und ein Laserfeld mit einer Frequenz von ω = 0.095 (damit ist E1 − E0 ≈ 3~ω) und einer Intensität I0 = (c/8π) 20 im Bereich 1013 − 1015 W/cm2 . Damit wurde die zeitabhängige Schrödingergleichung (9.9) numerisch gelöst, das zeitabhängige Dipolmoment D(t) berechnet sowie das Emissionsspektrum (9.2). Das Resultat in Abbildung 9.4 zeigt ein Spektrum, das in allen wesentlichen Strukturen mit den experimentellen Befunden der HHG Spektren übereinstimmt. Insbesondere findet man Maxima bei den ungeraden Vielfachen der eingestrahlten Frequenz und das Plateau. Abbildung 9.4: HHG Spektrum für das Modellsystem mit einer Feldintensität I0 = 21 · 1013 W cm2 (nach N. Ben-Tal et al. (siehe Fußnote auf Seite 111). 9.3. HHG SPEKTREN UND FLOQUET RESONANZEN 9.3 113 HHG Spektren und Floquet Resonanzen In diesem Abschnitt soll eine approximative Analyse der Emissionsspektren mit Hilfe der Floquet Resonanzen gegeben werden. Wie in dem Fall der ATI Resonanzen kombiniert man die Floquet Theorie mit einer komplexen Skalierung. Entwickelt man die (komplex skalierte) Wellenfunktion nach den Quasienergiezuständen X ψ(xeiθ ) = cα e−iα t uα (xeiθ , t) (9.16) α mit α = Eα + ω + iΓα /2, k = 0, ±1, . . ., so bleibt für größere Zeiten nur die langlebigste Resonanz übrig: ψ(xeiθ ) −→∼ e−iEres t e−Γres t uα (xeiθ , t) . (9.17) Wenn man nur diese eine Resonanz berücksichtigt, ergibt sich das Frequenzspektrum als Z +∞ 2 −iΩt σ(Ω) ∼ dte hures (t)|µ̂|ures ic . (9.18) −∞ Setzt man hier die Fourier Entwicklung iθ ures (xe , t) = +∞ X iθ eikωt ures k (xe ) (9.19) k=−∞ RT 0 der T –periodischen Quasienergiezustände ein, so erhält man mit 0 ei(k−k )ωt dt = T δk,k0 das Ergebnis 2 +∞ X res σ(Ω = nω) ∼ hhures |µ̂|uk + n ii (9.20) , n = 0, 1, 2, . . . c k k=−∞ und σ(Ω) = 0 für Ω 6= nω. Wegen der Symmetrie des Hamilton–Operators bezüglich der Transformation x −→ −x , t −→ t + T /2 (9.21) haben die ures k (x, t) gerade oder ungerade Symmetrie. Der Dipoloperator ist ungerade res (µ ∼ x) und folglich ist hhures k |µ̂|uk + n iic = 0 für gerades n, da dann uk und uk+n die gleiche Parität haben. Es folgt also die Auswahlregel Ω = nω, n ungerade . (9.22) 114 KAPITEL 9. ERZEUGUNG HOHER HARMONISCHER (HHG) Abbildung 9.5 zeigt die komplexen Resonanzpole in der komplexen λα = e−iα –Ebene (das komplex rotierte Kontinuum erscheint hier wegen der Entwicklung nach einer endlichen Basis als diskretisierter String von Punkten). Im rechten Teil der Abbildung ist das aus Gleichung (9.20) wiedergegeben, das das Plateau und die alleinige Population der ganzzahligen Harmonischen wiedergibt. Die geradzahligen Vielfachen von ω sind stark unterdrückt, aber nicht Null wegen der endlichen Basis in den numerischen Rechnungen. Resultate für eine anderer Intensität sind in Abbildung 9.4 eingetragen und zeigen eine sehr gute Übereinstimmung mit den Wellenpaket–Rechnungen. Abbildung 9.5: Komplexe Quasienergie Resonanzen λα und HHG Spektrum für das Modellsystem mit einer Feldintensität I0 = 30 · 1013 W cm2 (nach N. Ben-Tal et at. (siehe Fußnote 4 auf Seite 111. Kapitel 10 Kontrolle von Quantenprozessen In diesem Kapitel soll eine kurze Einführung in ein sehr wichtiges Gebiet aktueller Forschung gegeben werden, der gezielten externen Kontrolle quantenmechanischer Prozesse. Als anschauliches einfaches Beispiel wollen wir die Anregung eines (anharmonischen) Oszillators durch ein Laserfeld diskutieren, etwa zur Beschreibung der Vibrationsanregung eines zweiatomigen Moleküls. Die theoretischen Überlegungen sind aber allgemeiner Natur. Unsere Aufgabe sei es, das Molekül aus dem Grundzustand in einen vorgeschriebenen Vibrationszustand n zu bringen, und zwar mit möglichst hundertprozentiger Effizienz. Zur Verfügung steht uns beispielsweise ein Laserfeld mit einer zeitlich konstanten (aber in einem gewissen Bereich wählbaren) Frequenz ω und einer kontrollierbaren Amplitude, zum Beispiel ein Puls, der bei der Zeit t = 0 beginnt, bis zu einem maximalen Wert fmax ansteigt, diesen Wert eine gewisse Zeit beibehält und dann wieder auf Null zur Zeit t = Tp abfällt. Die Zeit Tp ist die Pulsdauer. Eine einfache Art, einen solchen ‘Puls’ auf ein Molekül zu realisieren, wäre zum Beispiel das Durchfliegen eines Atoms durch einen Laserstrahl. Ein solcher Puls kann also beispielsweise beschrieben werden durch f (t) cos ωt mit einer konstanten1 Frequenz ω und einer Pulsamplitude fmax (0 < t < Tp ) f (t) = 0 (sonst) (10.1) (10.2) (ein so genannter π–Puls) oder ein glatter Puls, der in einem definierten Zeitintervall stetig und sogar differenzierbar bis zu einem Maximum ansteigt und dann wieder abfällt: 2 fmax sin (πt/Tp ) (0 < t < Tp ) f (t) = . (10.3) 0 (sonst) 1 Es gibt jedoch auch interessante Anwendungen von so genannten ‘gechirpten’ Pulsen, bei denen die Frequenz während des Pulses anwächst oder abfällt. 115 116 10.1 KAPITEL 10. KONTROLLE VON QUANTENPROZESSEN Zwei–Niveau Systeme: π–Pulse In Abschnitt 3.2 haben wir im Rahmen der RWA das Zweizustandssystem (Energiedifferenz E2 −E1 = ~ω) gelöst. Mit der Anfangsbedingung, dass sich das System zur Zeit t = 0 im Zustand 1 befindet, ergab sich für die Besetzungswahrscheinlichkeit des Zustandes 2 die Wahrscheinlichkeit 2 2λ Ωt p2 (t) = sin2 . (10.4) Ω 2 (vgl. p Gl. (3.34) ) für ein konstantes λ = λmax , also für einen π–Puls. Dabei ist Ω = δ 2 + 4λ2max die Rabi Frequenz und δ = ω − ω0 das Detuning. Man kann in dieser Näherung, d.h. also für nicht zu große Felder, die gestellte Aufgabe der Prozesskontrolle leicht lösen: Wählt man als Antriebsfrequenz ω = ω0 , so wird Ω = 2λmax , und man erhält mit p2 (t) = sin2 λmax t (10.5) den gewünschten vollständigen Transfer p2 (Tp ) = 1 mit einer Amplitude λmax = π(` + 1/2)/Tp , ` = 0, 1, . . . . (10.6) Eine alternative Darstellung des gleichen Sachverhaltes basiert auf den Floquet Zuständen. Im Gegensatz zu der vorangehenden Behandlung ist dieser Ansatz aber weitaus flexibler. Mit den Floquet Zuständen |u± (t)i und den Quasienergien ± des Zweizustandssystems (vgl. Abschnitt 4.4) können wir einen beliebigen Zustandsvektor schreiben als |ψ(t)i = c+ e−i+ t/~ |u+ (t)i + c− e−i− t/~ |u− (t)i (10.7) mit konstanten Koeffizienten c± . Wie oben erhalten wir in der RWA bei Abstimmung auf den Übergang, ω = ω0 ! −iωt/2 ±e 1 e−i± t/~ |u± (t)i = √ e∓iΩt/2 (10.8) e−iωt/2 2 mit Ω = 2λmax . Die Anfangsbedingung ψ(0)i = ! 1 0 (10.9) √ erfüllt man mit c± = ±1/ 2, d.h. der Anfangszustand ist eine Linearkombination der beiden Floquet Zustände mit gleichen Gewichten. Mit wachsender Zeit sammeln die beiden Floquet Anteile unterschiedliche dynamische Phasen auf, die zu Interferenzen führen. Konstruktive Interferenz haben wir unter der Bedingung 1 (+ − − ) Tp = π(2` + 1) , ~ ` = 0, ±1, ±2, . . . . (10.10) 10.2. OPTIMALE PULSE 117 Nun ist aber nach (4.61) ± = ~ (ω ± Ω) + k~ω 2 (10.11) für ganzzahliges k, und damit + − − = ~ω = 2~λmax . (10.12) Wir erhalten folglich für unseren optimalen π–Puls die Bedingung λmax = π(` + 1/2)Tp , in völliger Übereinstimmung mit (10.6). 10.2 Optimale Pulse λ(t) t Abbildung 10.1: Adiabatische Veränderung der Pulsamplitude λ. Bisher hatten wir einen Puls f (t) = 2~λ cos ωt = ~F cos ωt (10.13) angenommen, der während einer Zeit 0 < t < T wirkt (ein π–Puls). In diesem Abschnitt wollen wir eine langsame (‘adiabatische’) Variation von λ zulassen, durch die die Feldamplitude von dem Wert Null auf einen maximalen Wert λmax heraufgefahren und später wieder abgesenkt wird. Ein typisches Profil einer solchen Pulsflanke ist λmax sin2 (πt/2τ ). Abbildung 10.1 zeigt ein Beispiel einer solchen Pulsvariation. Bei einer langsamen Änderung der Feldamplitude folgen nach dem Adiabatentheorem die Quasienergiezustände |ψ± i adiabatisch und wir erhalten Quasienergien ± , die sich langsam zeitlich verändern, also ± (t), und die optimale Pulsbedingung (10.10) lautet jetzt Z 1 Tp (+ (t) − − (t)) dt = π(2` + 1) , ` = 0, ±1, ±2, . . . . (10.14) ~ 0 Dabei ist Tp die gesamte Pulsdauer. Weiterhin kann man mit Hilfe der RWA (vgl. Gl. (4.60)) die Differenz der Quasienergien durch die Rabifrequenz ausdrücken: √ + (t) − − (t) = ~Ω(t) = ~ δ 2 + 4λ2 = ~2λ = ~F (t) , (10.15) 118 KAPITEL 10. KONTROLLE VON QUANTENPROZESSEN für eine exakte Abstimmung auf den Übergang (δ = 0). Damit erhält man die Bedingung Z Tp F (t) dt = (2` + 1)π (10.16) 0 d.h. die Fläche unter dem Puls muss einer Quantisierungsbedingung genügen. Gleichung (10.16) bezeichnet man daher auch als das ‘Flächentheorem’ für einen optimalen Übergang. Einige Bemerkungen dazu erscheinen angebracht: – In den Kopplungsterm f (t) des Zweizustandmodells geht auch das Matrixelement für den Übergang ein, d.h. f (t) = Pulsh2|V |1i. – Die Formel (10.14) ist wesentlich allgemeiner als die Gleichung (10.16), denn letztere gilt ja nur im Rahmen der RWA unter exakter Abstimmung ω = ω0 . – Es ist in ähnlicher Weise auch möglich, Systeme mit mehr als zwei Niveaus zu beschreiben. Ein Beispiel soll die obigen Überlegungen illustrieren. Es ist einer Arbeit von M. Holthaus2 entnommen. Wir betrachten einen angetriebenen Morse–Oszillator H(t) = 2 p2 + D 1 − e−βx + dxF cos ωt 2m (10.17) mit den Parametern m = 1744.8a.e., D = 0.2251a.e., β = 1174a.e., d = 0.3099a.e. (alle in atomaren Einheiten), die eine Streckschwingung im HF–Molekül modellieren. Für den feldfreien Fall, F = 0, sind die Eigenwerte des Morse–Potentials durch ~ω0 2 En = ~ω0 (n + 1/2) − (n + 1/2) (10.18) 4D p gegeben, wobei ω0 = 2Dβ 2 /m die Frequenz im Potentialminimum ist. Die Anrgeungsfrequenz ω sei abgestimmt auf eine 5–Photonen Resonanz zwischen E0 und E5 , also ω= E5 − E0 . 5~ (10.19) Als Puls wird in der Rechnung ein sin2 –Puls F (t) = Fmax sin2 πt Tp mit einer Pulsdauer von Tp = 100T , T = 2π/ω benutzt. 2 M. Holthaus, B. Just, Phys. Rev. A49 (1994) 1950.. (10.20) 10.2. OPTIMALE PULSE 119 Abbildung 10.2: Quasienergien für den angetriebenen Morse–Oszillator (Holthaus et al, siehe Fußnote 2). Abbildung 10.2 zeigt zunächst die Variation der Quasienergien F(n,m) = F(n,0) + m~ω, m = 0, ±1, . . . der Anregungsamplitude F . Für F = 0 sind die 0(0,0) = 0(5,−5) entartet. In Abbildung 10.3: Wahrscheinlichkeit für den Übergang 0 → 5 für den angetriebenen Morse– Oszillator als Funktion der maximalen Feldamplitude Fmax . Die exakten numerischen Resultate (•) sind verglichen mit der adiabatischen Näherung (—) (Holthaus et al, siehe Fußnote 2). 120 KAPITEL 10. KONTROLLE VON QUANTENPROZESSEN adiabatischer Näherung erhält man für den 0 −→ 5 Übergang die Wahrscheinlichkeit Z Tp F (t) F (t) 2 P0→5 = sin 5 − 0 dt , (10.21) 0 in guter Übereinstimmung mit den exakten numerischen Resultaten, wie in Abbildung 10.3 demonstriert. Für den Fall Fmax = 0.0431 ist die Bedingung (10.14) mit ` = 1 erfüllt beobachten wir eine Übergangswahrscheinlichkeit P0→5 ≈ 1. Das Zeitverhalten der Übergangswahrscheinlichkeiten für diesen optimalen Fall zeigt Abbildung 10.4 einmal in der normalen Morse–Basis (a) (d.h. die Pn (t) = |hn|ψ(t)i|2 ) und in der Floquet–Basis (b). Man sieht, dass in der Floquet–Basis der Übergang wesentlich klarer beschrieben wird. Zum Abschluss sei noch angemerkt, dass bei den hier betrachteten Feldstärken die Kopplung an das Kontinuum noch vernachlässigt werden kann. Derartige Übergänge sind natürlich möglich (alle Floquet Zustände sind instabil!), erfolgen aber auf sehr viel längeren Zeitskalen. Abbildung 10.4: Zeitentwicklung der Besetzungswahrscheinlichkeiten für den angetriebenen Morse– Oszillator bei optimaler Feldamplitude. (a) Morse–Basis, (b) Floquet– Basis (Holthaus et al, siehe Fußnote 2). 10.3 Kontrolliertes Tunneln In diesem Abschnitt werden wir die oben erarbeiteten Kenntnisse heranziehen, um ein kontrolliertes Tunneln zwischen zwei Potentialminima herbeizuführen. Als Modellsystem3 3 Wir folgen hier der Arbeit M. Holthaus, Phys. Rev. Lett. 69 (1992) 1596. . 10.3. KONTROLLIERTES TUNNELN 121 betrachten wir dabei einen Duffing–Oszillator p2 mω02 2 m2 ω04 4 H= − x + x + f x sin ω̃t . 2m 4 64EB (10.22) Dabei ist ω0 die Frequenz für eine Schwingung in den beiden Potentialminima, EB ist die Höhe der Potentialbarriere zwischen diesen Minima bei x = 0. p Durch Umskalieren mω02 /~x → x und ω0 t → t vereinfacht sich der Hamilton– Operator zu p2 1 2 1 4 H= − x + x + λx sin ωt = H0 + λx sin ωt (10.23) 2 4 64D √ mit Minima bei xm = ± 8D mit einer Tiefe D. Ohne Antrieb, λ = 0, spalten die Eigenzustände auf in Tunnel–Dubletts En ≈ En+1 , n = 0, 2, . . . mit kleinem Splitting ∆En = En+1 − En . Wir unterdrücken den Index n und bezeichnen die beiden (normierten) Eigenzustände eines Dubletts als |+i und |−i mit positiver oder negativer Parität mit den Eigenwerten E± . Durch Überlagerung 1 1 |Ri = √ |−i + |+i , |Li = √ |−i − |+i (10.24) 2 2 lassen sich Zustände konstruieren, die im rechten (R) oder linken (L) Potentialminimum lokalisiert sind. Die Zeitabhängikeit dieser Zustände ist dann einfach gegeben durch 1 |ψ(t = 0)i = |Ri = √ |−i + |+i (10.25) 2 und 1 − i E− t − ~i E+ t ~ |ψ(t)i = √ e |−i + e |+i 2 mit einer Rekurrenzwahrscheinlichkeit ∆Et 1 1 + cos pR (t) = |hψ(0)|ψ(t)i|2 = 2 ~ (10.26) (10.27) mit einer periodischen Oszillation mit Periode τ = 2π~/∆E. Damit erhält man nach den Zeiten 2π~ τ` = ` + 1/2 , ` = 0, 1, . . . (10.28) ∆E einen vollständigen Übergang vom rechten in das linke Potentialminimum. Es sei angemerkt, dass man dasR Energiesplitting ∆E in semiklassischer Näherung durch Berechnen des Tunnelintegrals |(p(x)|dx über die Barriere abschätzen kann zu r 2D −16D/3 ∆E ≈ 8 e . (10.29) π Mit dem zeitabhängigen Feld lassen sich zunächst die Quasienergien und ihre Aufspaltung 2 − 1 berechnen (siehe Abbildung 10.5) Verwendet man jetzt wieder einen 122 KAPITEL 10. KONTROLLE VON QUANTENPROZESSEN Abbildung 10.5: Quasienergiesplitting als Funktion der Feldamplitude λ (suehe Holthaus, Fußnote 3). (adiabatischen) sin2 –Puls (vgl. (10.20)) mit Pulsdauer Tp = 500 · 2π/ω, so erwartet man einen vollständigen Transfer von |Ri nach |Li, wenn das Integral Z Tp [2 (λ(t)) − 1 (λ(t))] dt δT = 0 Abbildung 10.6: Tunnelwahrscheinlichkeit als Funktion der maximalen Feldamplitude λmax . Man erhält ein vollständiges Tunneln, wenn ∆T (oberes Teilbild) ein ganzzahliges Vielfaches von π ist. (suhe Holthaus Fußnote 3). (10.30) 10.4. STÜCKELBERG–OSZILLATIONEN BEI PULSEXPERIMENTEN 123 ein ganzzahliges Vielfaches von π ist. Das ist in der Tat der Fall, wie Abbildung 10.6 belegt. 10.4 Stückelberg–Oszillationen bei Pulsexperimenten Wie schon weiter oben ausgeführt, folgen die Quasienergiezustände bei einer langsamen (adiabatischen) Änderung eines Systemparameters (hier als F bezeichnet) eines zeitperiodischen Systems den ‘instantanen’ Quasienergiezuständen, d.h. denen bei einem jeweils festgehaltenen Wert von F . Abweichungen von diesem adiabatischen Verhalten treten in natürlicher Weise dann auf, wenn zwei solche Zustände sehr ähnlich sind. Die beiden Quasienergien liegen dann dicht beieinander. Typischerweise findet man bei einem Parameterwert F× eine sogenannte vermiedene Kreuzung, wie in Abbildung 10.7 dargestellt ist4 . Man kann dieses Verhalten modellieren durch ein Zweiniveausystem mit dem Hamilton Operator ! × + ζ(F − F× ) δ/2 (10.31) H= δ/2 × − ζ(F − F× ) 4 Es gibt auch echte Kreuzungen, jedoch typischerweise nur zwischen Zuständen verschiedener Symmetrieklassen. ε ε+ ε2 εx ε1 ε- Fx F Abbildung 10.7: Vermiedene Kreuzung zweier Quasienergien ± (adiabatische Zustände) als Funktion eines Systemparameters F . Die diabatischen Zustände 1 und 2 kreuzen bei F× . 124 KAPITEL 10. KONTROLLE VON QUANTENPROZESSEN (vgl. auch die Diskussion des Entartungstheorems in Abschnitt 4.2). Für verschwindende Kopplung δ/2 ist H diagonal mit den Eigenwerten 1 = × + ζ(F − F× ) , 2 = × − ζ(F − F× ) , (10.32) die hier linear von dem Parameter F abhängen. Bei F× kreuzen diese sogenannten diabatischen Kurven. Durch die Kopplung wird diese Kreuzung aufgehoben und die adiabatischen Eigenwerte s 2 2 δ ± = × ± + ζ(F − F× ) (10.33) 2 haben bei F× einen Abstand + − − = δ . (10.34) Variiert man jetzt zeitlich den Parameter F über den den Kreuzungsbereich hinweg, so werden Übergänge zwischen den Zuständen induziert. Für eine sehr langsame Variation (|Ḟ | klein) folgen die Zustände den adiabatischen Kurven, für eine schnelle Variation den diabatischen. Die Übergangswahrscheinlichkeit zwischen den adiabatischen Zuständen kann man nach Landau und Zener5 in einer semiklassischen Näherung abschätzen als π(δ)2 p LZ = exp − , (10.35) 4~|ζ Ḟ | der sogenannten Landau–Zener Übergangswahrscheinlichkeit. Dabei ist Ḟ die Geschwindigkeit der F –Variation am Kreuzungspunkt. Es ist instruktiv, den Exponenten in (10.35) umzuschreiben als π δ δF π(δ)2 = , (10.36) 2 ~ |Ḟ | 4~|ζ Ḟ | wobei δF = δ/2ζ die Ausdehnung des Kreuzungsbereiches angibt. Der Term ~/∆ ist die charakteristische Zeit für Übergänge zwischen den Zuständen und δF/|Ḟ | ist die Zeit für das Durchlaufen der Kreuzungsregion. Ist die letztere Zeit groß gegenüber der ersteren, so ist p LZ ≈ 0 und das System folgt den adiabatischen Zuständen + bzw. − . Im umgekehrten Fall eines schnellen Durchlaufs ist p LZ ≈ 1 und das System ‘hat nicht mehr genug Zeit’, um sich auf die instantanen Eigenzustände einzustellen. Es folgt dann den diabatischen Zuständen 1 bzw. 2 . Wenn nun der Parameter F von einem Wert deutlich unterhalb der Kreuzungsbereiches bis zu einem Wert deutlich oberhalb des Kreuzungsbereiches erhöht wird, so werden wird beispielsweise ein Zustand, der anfangs in dem unteren Niveau ist, mit einer Wahrscheinlichkeit p LZ in den anderen Zustand übergehen und mit einer Wahrscheinlichkeit 1 − p LZ verbleiben. Senkt man jetzt F wieder auf den alten Wert unterhalb der Kreuzung ab, so passiert das Gleiche noch einmal. In einem ersten groben Modell ist dann die Gesamtwahrscheinlichkeit für einen Übergang zwischen den beiden Zuständen bei einem solchen symmetrischen F -Puls gleich p12 = 2p LZ (1 − p LZ ) , 5 siehe z.B. M. S. Child: Molecular Collision Theory (Academic Press, 1974) (10.37) 10.4. STÜCKELBERG–OSZILLATIONEN BEI PULSEXPERIMENTEN 125 denn es gibt zwei Möglichkeiten: Kreuzen beim ersten Durchgang und Nichtkreuzen beim zweiten oder umgekehrt mit jeweils der gleichen Wahrscheinlichkeit p LZ (1 − p LZ ), wie in Abbildung 10.8 illustriert. ε a ε1 b ε2 F Abbildung 10.8: Zwei interferierende Wege für einen nichtadiabtischen Übergang. Eine genauere Überlegung zeigt allerdings, dass quantenmechanisch diese beiden Wege interferieren können, was zu dem Ausdruck p12 = 4p LZ (1 − p LZ ) sin2 (∆Φ/2) (10.38) führt. Hierbei ist ∆Φ die Phasendifferenz. Wenn man jetzt ein Experiment mit einem Laserpuls (Frequenz ω und maximale Amplitude Fmax ) durchführt, so hängt die Phasendifferenz ∆Φ von der Pulsamplitude Fmax ab. Variiert man diese, so ergeben sich Oszillationen in den Übergangswahrscheinlichkeiten p12 . Man bezeichnet derartige Oszillationen in Kurvenkreuzungen als Stückelberg Oszillationen (siehe Cild, Fußnote auf Seite 124). Experimentell wurden solche Stückelberg Oszillationen z.B. für Triplettzustände des einfach angeregten Helium–Rydbergatoms in einem Magnetfeld in der Gruppe von Peter Koch beobachtet6 . Die Quasienergien der 28 3 P – und 28 3 S–Niveaus zeigen eine vermiedene Kreuzung (vgl. Abbildung 10.9). Die Messwerte für den Übergang 28 3 P – 28 3 S in Abbildung 10.10 zeigen deutlich die erwarteten Stückelberg Oszillationen. Man beachte außerdem, dass die Übergänge erst einsetzen wenn die maximale Pulsamplitude den Kreuzungsbereich erreicht (also etwa bei 34.5 V/cm für 29 GHz). 6 S. Yoakum, L. Sirko, P. Koch, Phys. Rev. Lett. 69 (1992) 1919. 126 Abbildung 10.9: KAPITEL 10. KONTROLLE VON QUANTENPROZESSEN Quasienergien für Triplettzustände des einfach angeregten Helium– Rydbergatoms in einem Magnetfeld von 29 GHz in Abhängigkeit von der Feldamplitude (siehe Yoakum et al., Fußnote auf Seite 125). 10.4. STÜCKELBERG–OSZILLATIONEN BEI PULSEXPERIMENTEN 127 Abbildung 10.10: Übergang 28 3 P – 28 3 S in Abhängigkeit von der maximalen Feldamplitude für verschiedene Frequenzen (siehe siehe Yoakum et al., Fußnote auf Seite 6).