Universität Zürich Rechtswissenschaftliches Institut Frühjahrssemester 2008 Law & Economics Ökonomische Analyse des Rechts Vertragsrecht Prof. Dr. Rolf H. Weber / Dr. Mark Steiner [email protected] / [email protected] Was ist ein Vertrag? Vertrag als Versprechen Austausch von Leistung gegen Gegenleistung Was ist ein Vertrag? Bargain Theory (Angelsächsischer Raum, Common Law) Angebot Annahme Entgelt („consideration“) = Macht das Versprechen Durchsetzbar Schweiz (Art. 1 OR), Europa (Civil Law) Übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung Stillschweigend oder ausdrücklich => Intention zur Kooperation Universität Zürich 2 Ökonomische Theorie von Verträgen (1) Ökonomische Voraussetzung für Durchsetzbarkeit Pareto-Effizienz Verträge durchsetzen, welche zu Pareto-Effizienten Lösungen führen. Beispiel: „Agency-Game“ ohne Vertrag Zweiter Spieler (Agent) Investition von 100 durch Prinzipal Kooperieren Erster Spieler (Prinzipal) Universität Zürich Investieren Nicht Investieren Behalten 50 (100) + 50 100 -100 0 0 0 0 3 Ökonomische Theorie von Verträgen (2) Beispiel: „Agency Game“ mit Vertrag Zweiter Spieler (Agent) Investition von 100 durch Prinzipal Vertrag Einhalten Erster Spieler (Prinzipal) Investieren Nicht Investieren Vertrag Brechen 50 (100) + 50 –50 (100) + 50 0 0 0 0 Erst der Vertag ermöglicht die Kooperation Universität Zürich 4 Ökonomische Theorie von Verträgen (3) Ist diese Kooperation Wohlfahrtssteigernd? Wohlfahrt ohne Vertrag: +/- 0 Wohlfahrt mit Vertrag: + 100 Spiele mit einer ineffizienten Lösung werden zu Spielen mit effizienten Lösungen Ökonomie konsistent mit Recht Pareto-Kriterium (Ökonomie): Keiner wird schlechter gestellt Gegenseitigkeit, Willensäusserung (Recht) Gibt es nur, wenn keiner schlechter gestellt wird Oder wenn der Schaden kompensiert würde (Kaldor-Hicks) Universität Zürich 5 Ökonomische Theorie von Verträgen: Warum Verträge? (1) 1. Kooperation von „effizienten Spielen“ ermöglichen - Pareto-Kriterien 2. Optimale Offenlegung von Info in Vertragsbeziehung - Asymmetrische Informationen austauschen Haftung aufgrund von Unklarheiten verhindern 3. Optimale Verpflichtung/Bindung sicherstellen - K (Einhaltung) > K (Schadenersatz Bruch) => Brechen K (Einhaltung) < K (Schadenersatz Bruch) => Einhalten Universität Zürich 6 Ökonomische Theorie von Verträgen: Warum Verträge? (2) 4. Optimales Vertrauen zwischen Partnern schaffen - Vertrauensbrüche, Treu und Glauben (culpa in contrahendo) Wahrscheinlichkeit Einhaltung x zusätzliche Gewinn aus erhöhtem Vertrauen > K (erhöhtes Vertrauen) => Mehr „Vertrauen“ 5. Transaktionskosten der Verhandlungen minimieren - Effiziente Vertragslücken Effiziente Strafen für Nichterfüllung einz. Klauseln festlegen Lückefüllung durch Gerichte 6. Langfristige Beziehungen fördern - Entschärft das Kooperations-Problem => Vertrauen Universität Zürich 7 Coase und Vertragsrecht Minimierung Coase Theorien Transaktionskosten Allozierung Universität Zürich 8 Effizienter Vertragsabschluss Hohe Kosten für völlig spezifizierten Vertrag Vertragsabschluss Bewusstes Offenlassen von Punkten Substitutionslösungen für offene Punkte Universität Zürich 9 Beispiel: Effizienter Vertrag (1) Beispiel: Der Hersteller elektronischer Komponenten A schliesst mit dem Hersteller elektrischer Haushaltgerät B einen Vertrag über die Spezialanfertigung von 10.000 Schaltelementen zum Stückpreis von Fr. 1 ab. Die Stückosten für A betragen Fr. 0.50 (total Fr. 5.000). Es sei angenommen, dass sich die Stückkosten linear entwickeln, also nicht von der Stückzahl abhängen. Universität Zürich 10 Beispiel: Effizienter Vertrag (2) Nach Abschluss des Vertrags, aber vor Aufnahme der Produktion stellt B fest, dass er statt der geplanten 10.000 nur 7.500 Geräte wird verkaufen können, womit sich sein Bedarf für die Schaltelemente entsprechend reduziert. Eine alternative Verwendungsmöglichkeit für die Komponenten gibt es nicht. Ein Festhalten an der alten Produktionszahl von 10.000 würde unter diesen Umständen zu einem ineffizienten Einsatz von Mitteln führen. Es würden Ressourcen für die Herstellung eines Gutes – die nicht verwendbaren 2.500 Schaltteile – eingesetzt, das seinerseits keinen Nutzen abwirft. Wie weiter? Universität Zürich 11 Beispiel: Effizienter Vertrag (3) Mit einer Anpassung des Vertrags liesse sich ein Effizienzgewinn realisieren: A einerseits könnte die Produktion auf 7.500 Stück beschränken und so seine Kosten auf Fr. 3.750 reduzieren. Solange er insgesamt wenigstens Fr. 8.750 erhält, stände er nicht schlechter da als zuvor. Für B andererseits ist jede Reduktion des Kaufpreises vorteilhaft. Handeln A und B rational, so werde sie somit die ursprüngliche Vereinbarung anpassen und neu die Lieferung von 7.500 Elementen zu einem Gesamtpreis von mindestens Fr. 8.750 und höchstens Fr. 10.000 vereinbaren. Universität Zürich 12 Kostenminimierung Vertragsfreiheit Vertrauensschutz Kostenminierung durch Vertragsrecht Pacta sunt servanda Durchsetzungskraft Dispositives Recht Universität Zürich Durchschnittlicher Wille Normalbedingung 13 Kostenzuweisung Effizientere Nutzung bei konfligierender Beanspruchung Kostenzuweisung im Vertragsrecht Markt als funktionsfähige Lösung Zumutbarkeit Universität Zürich 14 Zuordnungsregeln Vertragsrecht Zuordnungsregel: Cheapest Cost Avoider Effiziente Ressourcennutzung (wertvollere Nutzung) Gutglaubensschutz Transaktionskosten Universität Zürich 15 Umsetzung in die Gesetzgebung Funktionstypen Beispiel: Gesetzgeberische Erfassung der Innominatkontrakte Aufgabenerfüllung Präjudizwirkung Universität Zürich 16 Versicherungen und Verträge Risikobeurteilung durch Vertragspartner - risikoavers - risikogeneigt - risikoneutral Cheapest Insurer Moral Hazard Adverse Selection Universität Zürich 17 Tradeoff Cost Avoider vs. Insurer Cheapest Cost Avoider Interessenabwägung Cheapest Insurer Schadensvermeidung (moralisch) Versicherungslösung Universität Zürich 18 Optimale Risikoverteilung Keine vernünftige Schadensvermeidung Keine Versicherungslösung Superior Risk Bearer Informationskosten Beurteilung Risikostreuung Universität Zürich 19 Problematische Bereiche Allgemeine Geschäftsbedingungen Defiziterscheinungen Kostenkalkulation Verhandlungsmacht Unterschiedliche Vertragscharaktere Langfristige Bindungen Effizienter Vertragsbruch Universität Zürich 20 Effiziente Vertragsbrüche Bessere ökonomische Alternative (Doppelverkauf) Effizienter Vertragsbruch Moralisches Risiko Schadenersatz Geschäftsanmassung Rechtliches Risiko Ungerechtfertigte Bereicherung Punitive Damages Universität Zürich 21 Vertragsbruch: Schadenersatzarten (1) Common Law (USA, UK) Schweizer Recht (Civil Law) Expectation Damages Was von der Transaktion erwartet wurde (Tickets) Reliance Damages Indifferenz zwischen Vertragsbruch und kein Vertrag Opportunity Damages Indifferenz zwischen kein Vertrag und bester Alternative Subjective Value => Probleme Hawkins vs. McGee Positive Vertragsinteressen Negative Vertragsinteressen Positive Vertragsinteressen? Universität Zürich 22 Vertragsbruch: Schadenersatzarten (2) Restitution Rückgabe des Abgemachten Disgorgement Ungerechtfertigter Profit durch Vertragsbruch zurückzahlen (Manager vs. Aktionäre) Specific Performance Tun was im Vertrag vereinbart (wenn keine Substitute) Party Designed Remedies: Spezifisch gegen den Bruch von Vertragsklauseln „Strafe“ schon im Vertrag Universität Zürich Rückabwicklung Geschäftsanmassung Vertragsdurchsetzung Vertragsklauseln Konventionalstrafe Schadenspauschale 23 Phelps v. School Dist. No. 109 (1922) Vertragsbruch – wer haftet? (302 Ill. 193, 134 N.E. 312.) Phelps ist angestellte Lehrerin für 50 Dollar pro Monat Schule wegen Grippeepidemie 2 Monate geschlossen Schule bezahlt Phelps 33 Dollar Gesundheitsbehörde ordnet Schliessung an Phelps ist Arbeitsfähig, sie lehrt während 14 Tagen Phelps bereitet alle Lektionen und Aufgaben vor Lehrerin Phelps verklagt Schule, 100 Dollar Sie wollte während ganzen 2 Monaten arbeiten Was sagt das Gericht? Universität Zürich 24 Neri v. Retail Marine Corp. (1972) (285 N.E.2d 311) Schadenersatz bei Vertragsbruch? (1) Kauffvertrag zw. Neri und Marine Corp. für ein Boot Neri wird Krank Preis: 12‘587.40 $ / Anzahlung: 4‘250 $ Lieferung so bald wie möglich Neri‘s Anwalt informiert Marine Corp., dass Neri sich aufgrund der Krankheit aus dem Vertrag zurückzieht Forderung der Rückzahlung 4‘250 $ Retail Marine Corp. Boot wurde beim Hersteller bestellt und ist (noch vor Erhalt des Schreibens von Neris‘ Anwalt) bereits ausgeliefert worden Universität Zürich 25 Neri v. Retail Marine Corp. (1972) (285 N.E.2d 311) Schadenersatz bei Vertragsbruch? (2) Klage 1: Rückzug aus Vertrag Rückforderung der 4‘250 $ Klage 2: Retail Marine Corp.: Vertragsbruch Volle Bezahlung der 12‘587.40 Abnahme des Bootes Universität Zürich 26 Neri v. Retail Marine Corp. (1972) (285 N.E.2d 311) Schadenersatz bei Vertragsbruch? (3) Zusätzliche Informationen: Bei Gerichtstermin (4 Monate später) hat Retail Marine Corp. das Boot zum gleichen Preis verkauft Ausgaben während der vier Monate: 674 $ Anwaltskosten: 1‘250 $ Gewinn durch Verkauf: 2‘579 $ Was sagt das Gericht? Universität Zürich 27 Neri v. Retail Marine Corp. (1972) (285 N.E.2d 311) Schadenersatz bei Vertragsbruch? (4) Ist es effizient, dass der erkrankte Neri Schadenersatz zahlt? Das Gericht verpflichtete Neri, die Folgekosten (674 $) zu bezahlen, was hat das für einen Effekt? Retail Marine Corp. konnte das Boot ja trotzdem verkaufen? Stichwort: Efficient Breach Wie wäre die Situation, wenn es ein privater Bootsverkäufver wäre, der nur dieses eine Boot verkauft? Universität Zürich 28 Campbell Soup Co. vs. Wentz (1) Campbell Soup Co., Suppenhersteller Wentz, Produzent von Karotten Vertrag über den Anbau und die Lieferung von Karotten, je nach Lieferzeitpunkt Preis pro Tonne zwischen 23$ und 30$ Preis für Lieferung im Januar 1948: 30$ Wentz erntet ca. 100 Tonnen Karotten Wentz verweigert Lieferung zu den Preisen im Vertrag Der Marktpreis der Karotten war im Januar bei 90$ pro Tonne, es war fast unmöglich solche Karotten zu bekommen Wentz verkauft 62 Tonnen an Lojeski, ein benachbarter Farmer Lojeski verkauft 58 Tonnen auf dem Markt, 29 davon an Campbell Universität Zürich 29 Campbell Soup Co. vs. Wentz (2) Campbell Soup Co. Stoppt den Kauf von Karotten von Lojeski, Verdacht das dies „Vertragskarotten“ von Wentz sind Klagen: Wentz darf keine Karotten mehr an Andere verkaufen Lieferung gemäss Vertragskonditionen Rückerstattung der Preisunterschiede für die Karotten von Lojeski Was sagt das Gericht? Universität Zürich 30 Campbell Soup Co. vs. Wentz (3) Entscheidung des Gerichtes: Wentz muss zu Vertragskonditionen liefern Gründe Es war fast unmöglich solche Karotten zu bekommen Farbe, Verarbeitbarkeit und Aussehen waren typisch Es gibt kaum Substitute Campbell benötigte die Karotten in 15 seiner 21 Suppen Campbell als bekanntes nationales Brand Campbell hat gezielt vorgeplant Universität Zürich 31 Campbell Soup Co. vs. Wentz (4) Effiziente Lösung(en) für folgende Situationen? Wentz finded eine andere Partei, die alle Karotten für 85$ abnehmen würde? Welche Fragen stellen sich? Coase Theorem: Wann führt die Vertragsverletzung zu einer ineffizienten Allokation der Resourcen? Gibt es bei Nichtbelieferung allokative- oder distributive Effekte? Universität Zürich 32