w Peter Weibel im Inter

Werbung
faq Magazine
21/2013
Artikelfläche
Seite 80-85
Artikelwerbewert Euro nicht beauftragt
Peter
Weibel im Inter
BY ROLAND
346309 mm²
Auflage
w
SCHÖNY
PHOTO; HOTEL UORPHILIA OHCHESTER
MANFRED RAHS
'
Zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG.
Anfragen zu weiteren Nutzungsrechten an den Verlag oder Ihren Medienbeobachter
1/6
faq Magazine
21/2013
Auflage
Zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG.
Anfragen zu weiteren Nutzungsrechten an den Verlag oder Ihren Medienbeobachter
2/6
faq Magazine
21/2013
Auflage
Alles andere als Retro ist das Donaufestival in Krems.
Vielmehr versucht man, auszuloten, wie Sound, wie Performance relevante Aussagen über Gesellschaft und Kultur
heute formulieren. Sensationelle Auftritte bedeutender
Formationen der Avantgarde sind Tradition. Am 25. April
eröffnet in der Messehalle Krems das Hotel Morphila Orchester rund um Theoretiker, Aktions- und Medienkünstler Peter Weibel gemeinsam mit einer Abordnung des ZKM
Karlsruhe die 9. Ausgabe des Festivals. "The Origin of
Noise The Noise of the Originct heißt das Projekt.
-
Peter Weibel, das Hotel Morphila Orchestersteht demnächst wieder auf der
Bühne und zwar im Rahmen eines umfangreichen multimedialen Projekts.
Es geht um einen utopischen Entwurf zur künstlerischen und sozialen Funktion des Konzertes. Noch dazu steht das Thema Rauschen als "Noise" In
der Rockmusik Im Fokus. Was Ist für das Donaufestival geplant?
In der Hauptsache sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des
ZKM-Zentrumfür Kunst und Medientechnologie Karlsruhe
einbezogen: aus dein Tonbereich.Wir zeigen, welche Klänge
im digitalen Zeitalter möglich sind. Die erste Regel heißt: Im
digitalen Zeitalter kann jeder Gegenstand und jedes Geräusch
jeden Ton erzeugen, entweder über einen Computer oder einen Sampler oder auch ein iPhone. wo dann eben bestimmte
Klänge, bestimmte Gitarren-Riffs aus der Rockmusik oder
was auch immer gespeichert sind.
In der analogen Musikwelt, sei es Gitarre, sei es Klavier, war
immer das Instrument die Ausgabestelle für Klang. I leuteist es
der Computer. Ich werde zeigen, dass egal, welchen Gegenstand ich zu Hand nehme ich völlig neuartige Geräusche hervorbringen kann. Dabei möchte ich mich konzentrierenauf das
Rauschen, weil mau selbst im elektronischen Zeitalter nicht
genau weiß, dass das Signal schlechthin das Rauschen ist.
-
-
-
-
Natürlich meinen Sie weniger, "das Rauschen" des Wassers, sondern sprechen jenen Sound an, der Im Englischen, von der Rockmusik und der Avantgarde am Computer oder Synthesizer als "Noise" bezeichnet wird.
Man hat vorher, also vor den Lautsprechern und Synthesi-
zern,ja gar kein Rauschen erzeugen können. Vorher hat das
Klavier Klaviermusik und haben die Gitarren Gitarrenklänge
gemacht,aber Rauschen ist die eigentlicheErfindung unserer
Gegenwart. Da möchte ich ansetzen und dieses Phänomen
künstlerisch akquirieren. aber auch mit .'JD-EHekten aufladen. Bei unserem Auftritt in Krems wird das Phänomen des
Rauschens visualisiert und strömt durch den ganzen Saal.
Besucher werden 3D-Brillen haben, werden das Rauschen
visuell erleben, es werden Buchstaben und Ziffern durch den
Raum fliegen, aber auch symmetrische Körper und alle anderen möglichen Formen, die wir erzeugen. Man ist gewissermaßen in einer Satellitenbahn und fliegt durch den Kosmos
des Rauschens, die ganzen Rauschpartikel fliegen um einen
herum.
Oer visuelle Teil scheint neu zu sein, historisch befinden wir uns In einer
Phase, in der 3D Effekte in die Bildende Kunst transformiert werden. Doch,
was Sie zum Thema /Rauschen" erklären, wirkt doch ein wenig aus dem
Bereich der Neuen Elektronischen Musik, die per Laptop Ende der 1990er
Jahre en vogue war. Was ist denn Jetzt das Neue?
Wir gehen von dieser Erfahrung der 1990erJahre aus. Wir
versuchen sie aber weiterzutreiben und setzen sie performativ auf der Ebene von .SD fort. Etwa, wenn ich ein Buch
aufschlage und die Seiten umblättere. Dabei sitze ich auf der
Bühne. Auf akustischer Ebene hört man dann das Rauschen
des Umblätternsder Seiten. Es kann sozusagen das Buch den
Sound strukturieren. In Wirklichkeit ist es der Computer. Das
Umschlagen von Buchseiten kann ich strukturieren,als würde
ich auf Klaviertasten schlagen. Dann versuche ich aus dem
Rauschen heraus einen Rhythmus zu erzeugen. Das heißt
ich stehe auf der Bühne und bewege die Seiten des Buches.
Dieser Akt wird gewissermaßen veredelt und verwandelt in
Sequenzen des Rauschens durch Rhythmen, die wir schon
vorher am Computer schreiben.
Damit schlagen Sie offenbar eine Brücke zwischen zwei Formen des Speichers, zwischen dem klassischen Buch und der Festplatte des Computers.
Was da ausführlicher Erklärungen bedarf, geht offenbar über in ein viel-
leicht sogar ziemlich ekstatisches multimediales Konzert mit Vlsuals in
3D-Technolgie.
Zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG.
Anfragen zu weiteren Nutzungsrechten an den Verlag oder Ihren Medienbeobachter
3/6
faq Magazine
21/2013
Auflage
Zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG.
Anfragen zu weiteren Nutzungsrechten an den Verlag oder Ihren Medienbeobachter
4/6
faq Magazine
21/2013
Auflage
Ich selber werde noch ein bisschen mit Rockgitarre spielen.
aber das ist das einzige Rockmoment.Was noch wichtig ist.
als performativeErscheinung: Das Publikum wird selbst eingeblendet. Per iPhone oder Handy kann das Publikum selbst
an der Sound- und Geräuscharchitektur teilhaben.
Was hat sich verändert im Bereich der Rock und Popmusik, seit das Hotel
Morphila Orchester 1978 als Band gegründet wurde?
-
Das Aufkommen von Soundart-Künstlerinnen und-Künstlern
wie beispielsweise Carsten Nicolai, der sowohl im Ausstellungskontextpräsent ist als Raster-Noton, aber auch gemeinsam mit Olaf Bender im ( Hub-Zusammenhangelektronische
Musik macht. Eine andere Richtung wäre durch den Sountlund Videokünstler Riöji Iketla angedeutet. Ich sehe hier eine
neue Generation, die man vielleicht Musik- und Foto- oder
Soundkünstler nennen kann. Da sind wir klarerweise mit den
Vorstellungen der achtzigererJahre weit hinten. Was wir versuchen, ist. tlie Erfährungen aus der Rockmusik zu übertragen
in das gegenwärtige Zeitalter von elektronischer Noise-Musik.
Was wir beim Donaufestival machen, ist gewissermaßenein
Anschlussversuch.
Würden Sie sagen, das ist die Pop-Performance auf einer Meta-Euene reflektiert?
Ich würde sagen, das ist die Idee. Mit der Erfahrung, die wir
haben als Künstler, die in vielen Bereichen gezeigt haben, dass
sie sehr fortgeschritten sind.
Kurz zu Popmusik: Ist vieles in diesem Bereich nicht anachronistisch
ge-
worden? Pop auf der Bühne?
Meiner Auffassung nach wird Pop auf der Bühne in Krems gar
nicht vorkommen. Abgesehen von ein paar Minuten, wird sich
niemand aus dem Publikum im Geringsten an Pop erinnern
nach diesem Konzert. Weil Pop eben anaebronistisch ist.
War das Hotel Morphila Orchester, als es 1978 gegründet wurde, mehr
Performanceprojekt oder wirklich eine Musikgruppe?
Wir werden ein Konzert spielen mit, sagen wir mal, fünf Musikern des Hotel Morphila Orchesters, die haben dann eventuell
gar keine Instrumente in der Hand, sondern Bücher; und im
Raum steht sozusagen der Sound. Und das nächste ist: Man
kann jetzt das hörbare Rauschen übersetzen in Bit-Ströme.
als in 0- und l-Algorithmen. Diese Ströme kann ich visuell
transformieren m Zahl oder Ziffer, und das ist ein Alphabet.
Daraus entstellen Texte. Durch die Art. wie ich auf der Bühl ic
diese Buchseiten umdrehe und blättere, entsteht eine Kette
von Buchstaben, die effektiv auf der Leinwand und letztlich
als .'>D-Pn>|ektion im Raum echte Texte auslöst.
Es war ursprünglich ein Performanceprojekt, aber dann hat
sich der musikalische Teil verselbstständigt. Deswegen hat es
nach einiger Zeit auch aufgehört,weil wir den musikalischen
Teil nicht weiterentwickeln konnten. Jetzt ist es der Versuch,
mit den aktuellen technischen Mitteln die ich über das ZKM
und seine Mitarbeiterunen und Mitarbeiter habe,noch einmal
an das Performative des Gründungsakts anschließen.
Somit taucht das Publikum in einen Sound-Bild-Rau seh. Zumindest Ihrer
Beschreibung zufolge.
Also ich mache auf der Bühne scheinbar Rauschen,den akustischen Teil, aber ich kann das Rauschen übersetzen durch
Binärcode. Dann entstehen Sätze, und diese Sätze fliegen als
Buchstaben durch die Luft.
Das wirkt, als würde das Hotel Morphila Orchester eine zeitliche Klammer
von den Gründungstagen bis heute zeichnen. Die Band kommt aus dem
Rock, war New Wave. ist dann in diverse performative Kontexte übergegangen, die von Pop weit entfernt sind.
Zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG.
Anfragen zu weiteren Nutzungsrechten an den Verlag oder Ihren Medienbeobachter
5/6
faq Magazine
21/2013
Auflage
Der Text wird offenbar auch aufgelöst.
Ja, aber die Ebene des Textes ist trotzdem wichtig. Auch hier
gibt es Vorläufer in der avancierten Konzeptkunst, wie Cerith
Wyn Evan. Er hat gezeigt, wie etwa aus Morsezeichen ein Text
werden kann. So wird bei uns ein philosophischer Text in
Morsezeiclien. sprich in Punkte übertragen, und die werden
umgewandelt in kurze oder lange Einschaltzeitenvon Beleuchtungskörpern. Ein ganzer Saal leuchtet dann, ein Kristallinster
leuchtet auf, aber das ganze Leuchten wird gesteuert von der
Sprache. Diese Übergänge verschiedenster Codes. SprachCüues, Lichtcodes. Morsecodes. Binärcodes, entsprechen dem
heutigen Stand in der avanedertesten bildenden Kunst, den versuche ich riiekzuübertragen in die Noisemusik.
Aber warum sind Sie dann als Körper, als Performer auf der Bühne? Ist das
überhaupt noch notwendig?
Ich habe einige Erfindungen im Bereich von Apps mit Han-
dys gemacht, und die möchte ich selber demonstrieren. Ich
verwende das Handy auf ganz neue Weise als Klangkörper.
bis etwa Laurie Anderson den Leuten beigebracht hat, dass
selbst der eigene Körper Resonanzkörper sein kann.
Eine allgemeine Frage nach zum Politischen won Pop, aber auch Punk. New
Wave und elektronischer Musik. Insbesondere der Begriff Pop hatte ursprünglich etwas Emanzipatorisches. Auch die elektronische Musik hatte
Anfang der 1990er Jahre den Charakter eines Statements auf der Bühne.
Wie sehen Sie aktuell eigentlich die Musik, die allgemein unter Pop oder
Indie-Pop subsummiert wird?
Meiner Auffassung nach gibt es keinen einzigen politischen Aspekt mehr. Es ist im Grunde ein Teil der großen Betäubungsindustrie. Letztlich denkt man an Ibiza.an the.se endlosen Partys
und die Leute, die Djs, die sind mittlerweile eine neue global
agierende Aristokratie. Eine riesige Industrie zur Betäubung
des Publikums, zur Verblödung des Publikums, also nicht einmal Unterhaltungsindustrie, sondern wirklich große, repressive Betäubungsindustrie. Den Versuch, den wir unternehmen
in Krems, ist ein Gegenbild dazu, würde ich sagen.
Das möchte ich an nur selber, am eigenen Körper und den
Körpern der Mitspieler demonstrieren.
Tlie Origin ofNoise The Nuise of tlie Origin. Ein SD-Rausch-Konzert.
Koproduktion von Donaufestival und ZUM \ Zentrum fiir Kumt und
MedientechnolugU Karlsruht
Eine Frage noch zum Politischen...
Mitwirkende: Peter Ueibel und Ludgcr ßrürmiiiT. (' i>\/. Dippcr.
Manfred Häuften. Bernd Lintennan. Nikolaus Välzow,
Manuel Weber untl Hntel Morphila
Orchester; Paul Braunsteiner,Kranz Dorfner, Didi Kern. Loys K^
Stop! Sie haben vollkommen recht, man muss was zum Körper sagen: Den eigenen Körper gibt's in der Kunst als eine
Art Klangkörper. Man kennt das Wort Klangkörper, aber man
hat nie daran gedacht, dass dies der eigene Körper sein kann.
-
Xüww.dvnaiifesthiai.ai
Zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG.
Anfragen zu weiteren Nutzungsrechten an den Verlag oder Ihren Medienbeobachter
6/6
Herunterladen