MANAGEMENT OF NEUROMUSCULAR DISEASES LETTER NR. 28 Kernhüllenerkrankungen (Emery-Dreifuss-Muskeldystrophie, Hauptmann-Thannhauser-Muskeldystrophie, hereditäre sensomotorische Neuropathie Typ 2B) Frank Hanisch und Stephan Zierz Zusammenfassung Erst seit einigen Jahren ist bekannt, dass Veränderungen an Kernhüllenproteinen gewebsspezifische, häufig neuromuskuläre Veränderungen zur Folge haben können. Zurzeit sind zwei Kernhüllenproteine bekannt, das Lamin A/C auf dem LMNA-Gen und Emerin auf dem STA-Gen, bei denen Mutationen zu phänotypisch definierbaren Erkrankungen führen. Die Emery-Dreifuss-Muskeldystrophie mit X-chromosomalem Erbgang (XREDMD) ist klinisch neben den muskulären Symptomen durch Kontrakturen und eine später einsetzende kardiale Beteiligung (Herzrhythmusstörungen) gekennzeichnet. Die kardia- le Beteiligung ist für die Prognose von entscheidender Bedeutung. Die klinischen Manifestationsformen einer Mutation auf dem LMNA-Gen umfassen die autosomal-dominant vererbte Hauptmann-ThannhauserMuskeldystrophie (HTMD, häufig auch als autosomal-dominante Form der Emery-Dreifuss-Muskeldystrophie bezeichnet), die Gliedergürtel-Muskeldystrophie 1B (LGMD 1B), die dilatative Kardiomyopathie 1A (DCM1A) und die familiäre partielle Lipodystrophie Typ Dunnigan (FPLD Dunnigan), die autosomal-rezessiv vererbte hereditäre sensomotorische Neuropathie Typ 2B (HSMN 2B) und die mandibulo- 2 akrale Dysplasie sowie verschiedene Progerieformen (Tabelle 1). X-chromosomal rezessive Emery-Dreifuss-Muskeldystrophie und autosomal-dominante Hauptmann-Thannhauser-Muskeldystrophie sind klinisch kaum unterscheidbar. Es ist bislang noch ungeklärt, wie Art und Lokalisation einer Mutation auf dem LMNA-Gen den Phänotyp beeinflussen und worauf die Funktionsstörung des Lamin A/C-Proteins beruht [1]. Emerin-Protein und STA-Gen Emerin ist ein transmembranales, in der inneren Kernhüllenmembran verankertes und ins Nukleoplasma reichendes Protein mit einem Molekulargewicht von 34 kDa und wird durch das auf dem distalen Xq28-Chromosom lokalisierte STA-Gen kodiert [2]. Die Mehrzahl der über das gesamte Gen verteilten Mutationen stellen Punktmutationen (47,3 %) oder zu einer Verschiebung des Leserasters führende kleinere Deletionen (32,5 %) Abbildung 1: Schematische Darstellung der Kernhülle mit ausgewählten Kernhüllenproteinen. LAP – laminassoziiertes Protein, LBR – Lamin-B-Rezeptor. (Abbildung erstellt von Thorsten Schmidt) 3 Tabelle 1: Übersicht über Krankheiten, die auf Defekten der Kernhülle beruhen. Krankheit Emery-Dreifuss-Muskeldystrophie Hauptmann-Thannhauser-Muskeldystrophie Gliedergürtel-Muskeldystrophie Typ 1B Dilatative Kardiomyopathie 1A Familiäre partielle Lipodystrophie Typ Dunnigan Hereditäre sensomotorische Neuropathie Typ 2B Mandibuloakrale Dysplasie Hutchinson-Gilbert-Progerie-Syndrom Werner-Syndrom2 Abkürzung XR-EDMD AD-EDMD LGMD 1B1 DCM 1A FPLD Typ Dunnigan HSMN 2B MAD HGPS Vererbungsmodus XR AD, (AR) AD AD AD Gen STA LMNA LMNA LMNA LMNA Genprodukt Emerin Lamin A/C Lamin A/C Lamin A/C Lamin A/C AR LMNA Lamin A/C AR AD AD LMNA Lamin A/C LMNA Lamin A/C LMNA Lamin A/C - (engl.) Limb Girdle Muscular Dystrophy - progerieähnliches Syndrom AD – autosomal-dominant, AR – autosomal-rezessiv, XR – X-chromosomal-rezessiv 1 2 oder Insertionen (10,9 %) dar, die zu einem Abbruch der Translation und in Folge dessen zu einem trunkierten Protein führen. In ca. 95 % der Fälle kann die Diagnose durch das Fehlen einer 34 kDa Bande im Western-Blot oder reduzierte bzw. fehlende Immunreaktivität für Emerin in der Haut- oder Muskelbiopsie gestellt werden [3] (Abbildung 1, 2a, Tabelle 2). Lamin A/C-Proteine und LMNA-Gen Das LMNA-Gen befindet sich auf dem Locus 1q21.2-1q21.3, umfasst 24 kb und besteht aus 12 Exons [4]. Durch alternatives Spleißen innerhalb des Exon 10 entstehen mRNAs, die Lamin A (80 kDa) und Lamin C (65 kDa) kodie- ren. Die nukleären Lamine (Lamin A/C, B1) sind netzartig angeordnete, der inneren Kernmembran aufliegende Intermediärfilament-Proteine. Bisher wurden etwa 40 Punktmutationen in allen Exons, eine NonsenseMutation, fünf Deletionen und eine Mutation am Ort des Spleißens beschrieben. Nur vier Mutationen haben ein trunkiertes, nicht funktionsfähiges Protein zur Folge [4,5]. Bei den anderen Mutationen vermutet man als Mechanismus eine Haploinsuffizienz: Die Menge des vom normalen Allel exprimierten Proteins scheint nicht ausreichend, ein funktionsfähiges Laminnetzwerk zu gewährleisten. In diesen Fällen stellt sich das Lamin A/CProtein jedoch immunhistologisch 4 unauffällig dar. Bei klinischem Verdacht auf eine Störung des Lamin A/CProteins ist das Sequenzieren des gesamten LMNA-Gens erforderlich (Abbildung 1, 2b, Tabelle 2). Abbildung 2: Regelrechte immunhistochemische Darstellung der Zellkerne im Muskelgewebe mit Antikörpern gegen Emerin (a) und Lamin A/C (b). Nur in wenigen Fällen hat eine Mutation im Lamin A/C-Gen eine verminderte Darstellung des Proteins zur Folge. Aufgrund der Lokalisation von Emerin und Lamin A/C wird eine Funktion im Aufbau und der Erhaltung der Kernhülle, aber auch zur Chromosomenposition vermutet. Bislang ist es nicht möglich, aus der Lokalisation oder Art der zugrunde liegenden Mutation eine Vorhersage des zu erwartenden Phänotyps oder des Verlaufs zu treffen. Mögliche, den Phänotyp modifizierende Mechanismen sind bislang ebenso unbekannt. Häufig besteht bei allen im Folgenden geschilderten Erkrankungen eine große inter- und intrafamiliäre Variabilität [1,8] Emery-Dreifuss-Muskeldystrophie (XR-EDMD) 1966 beschrieben Emery und Dreifuss männliche Mitglieder einer amerikanischen Familie mit Gliedergürtelsyndrom, Kontrakturen, kardialer Beteiligung und Anhalt für einen X-chromosomalen Erbmodus [3]. Die Emery-Dreifuss-Muskeldystrophie manifestiert sich überwiegend im Kindesalter, jedoch selten vor dem zweiten Lebensjahr mit Gangstörungen und häufigen Stürzen. Im Verlauf der zweiten Lebensdekade treten skapulohumeral betonte Atrophien, im Gliedergürtel bzw. humeroperoneal betonte Paresen, Kontrakturen im Ellbogenund Sprunggelenk, seltener im Hüftoder Kniegelenk und eine verminderte Wirbelsäulenbeweglichkeit auf. Leich- 5 Tabelle 2: Protein- und Gendiagnostik bei Verdacht auf Kernhüllenerkrankung. Histochemie Immunreaktivität Western-Blot Gen-Sequenzierung Emerinopathie in ~ 95 % fehlend in ~ 95 % fehlende 34 kDa Bande in 5 % erforderlich te Gehbehinderungen sind ab der 4. Lebensdekade häufig, selbst im höheren Lebensalter ist die notwendige Benutzung eines Rollstuhls selten gegeben. Verlaufsformen mit einer raschen Progredienz muskulärer Symptome und einem schweren Behinderungsgrad sind jedoch möglich. Wadenhypertrophie oder Fußdeformitäten können vorkommen. Die Kreatinkinase ist normal bis mäßig erhöht. Histologisch sind gering- bis mäßiggradige myopathische Veränderungen nachweisbar. Die Achillessehnenverkürzung kann operativ-orthopädisch versorgt werden [3,7]. Die kardialen Symptome sind prognosebestimmend (AV-Block, Vorhofflimmern- und -flattern). Die Penetranz der kardialen Symptome liegt ab dem 30. Lebensjahr bei > 95 %. Nach Diagnosestellung sollten mindestens jährlich ein Ruhe-EKG, ein 24-h-Holter-EKG und eine transthorakale Echokardiographie durchgeführt werden. Wegen der Gefahr eines plötzlichen Herztodes sollte schon bei asymptomatischen Patienten mit beginnenden Auffällig- Laminopathie in ~ 95 % normal in ~ 95 % normale 70 kDa Bande in 95 % erforderlich keiten im EKG ein Schrittmacher mit zusätzlicher Defibrillatorfunktion implantiert werden. Beim Nachweis supraventrikulärer Überleitungsstörungen ist eine Antikoagulanzientherapie indiziert. Im Gegensatz zu den anderen X-chromosomal rezessiven Muskeldystrophien vom Typ Duchenne und Becker fallen Konduktorinnen nur selten durch eine erhöhte Kreatinkinase auf. Mit zunehmendem Lebensalter nimmt bei Konduktorinnen das Risiko atrioventrikulärer Überleitungsstörungen zu. Deshalb gelten die oben genannten Empfehlungen für asymptomatische männliche Mutationsträger als auch Konduktorinnen [3,8]. Hauptmann-ThannhauserMuskeldystrophie (HTMD, häufig auch als autosomaldominante Form der Emery-DreifussMuskeldystrophie bezeichnet) Die zwei aus Deutschland emigrierten Ärzte Hauptmann und Thannhauser beschrieben 1941 neun Mitglieder einer Familie mit "muscular shortening 6 Abbildung 3 a, b: 16-jähriger Patient mit HauptmannThannhauser-Muskeldystrophie infolge der Missense-Mutation R401C. Auffällig sind Lordose, Beugekontrakturen der Ellbogenund Hüftgelenke, humeroperoneal betonte Atrophien und beidseitige Scapula alata. and dystrophy". Im anglophonen Sprachgebrauch ist jedoch die Bezeichnung autosomal-dominante EmeryDreifuss-Muskeldystrophie üblich [9]. Phänotypisch sind die X-chromosomal rezessive Emery-Dreyfuss-Muskeldystrophie und die Hauptmann-Thannhauser-Muskeldystrophie nicht sicher unterscheidbar [3] (Tabelle 3, Abbildung 3). Ab der 2., meist jedoch im Verlauf der 3. Lebensdekade werden, zunächst überwiegend asymptomatisch, Herzrhythmusstörungen (Bradykardie, atrioventrikulärer Block I-III) auffällig. Das Risiko, im mittleren Lebensalter einen plötzlichen Herztod zu erleiden, ist hoch. Parallel zu den Überleitungsstörungen kann sich eine dilatative Kardiomyopathie manifestieren. [5]. Da infolge einer progredienten dilatativen Kardiomyopathie das Risiko für ein Sick-Sinus-Syndrom oder ventrikuläre Tachykardien besteht, sollten die Patienten mit einem Schrittmacher mit zusätzlicher Defibrillatorfunktion versorgt werden. Aus den oben genannten Gründen ist die Anlage eines Herzschrittmachers schon bei asymptomatischen Patienten bei Auftreten von Sinus- oder av-Knotenstörungen zu empfehlen. Bei einem Teil der Patienten wird eine Herztransplantation erforderlich. Es erscheint sinnvoll, bei allen Mutationsträgern ab der 2. Lebensdekade mindestens jährlich eine 24-h-HolterEKG-Untersuchung und eine transthorakale Echokardiographie durchzuführen. Beim Nachweis supraventrikulärer Überleitungsstörungen ist eine Antikoagulanzientherapie indiziert [4,5,8,10]. Bisher sind mehr als 20 über das 7 Tabelle 3: Synopsis zu Emery-Dreifuss (XR-EDMD)- und Hauptmann-ThannhauserMuskeldystrophie (AD-EDMD) sowie Gliedergürtel-Muskeldystrophie Typ 1B (LGMD 1B). Emery-DreifussMuskeldystrophie Hauptmann-ThannhauserMuskeldystrophie GliedergürtelMuskeldystrophie 1B Manifestationsbeginn 1.-2. Dekade 1. Dekade 1.-3. Dekade Atrophien/Paresen Beginn 1.-2. Dekade Beginn 1.-2. Dekade Beginn: 1.-(3.) Dekade Schultergürtel/ Schultergürtel/ Hüftgürtel humeroperoneal humeroperoneal im Verlauf proximal und distal im Verlauf proximal und distal im Verlauf Schultergürtel Progredienz langsam progredient Extremitäten-Kontrakturen Beginn: 1.-2. Dekade langsam progredient Beginn: 1.-2. Dekade langsam progredient fehlend oder minimal häufig: Ellbogen- häufig: Ellbogen- und Sprunggelenk und Sprunggelenk seltener: Hüft- und seltener: Hüft- und selten: Ellbogen/ Kniegelenk Kniegelenk Sprunggelenk Wirbelsäulenkontraktur häufig, zervikal betont häufig, zervikal betont fehlend (Rigid Spine) leichte Skoliose in 30 % leichte Skoliose in 30 % Skoliose selten Achillessehnenverlängerungs-OP häufig erforderlich häufig erforderlich selten erforderlich Creatinkinase normal – mäßig erhöht normal – mäßig erhöht normal – mäßig erhöht av-Überleitungsstörungen Beginn: (2.)-3. Dekade Beginn: (2.)-3. Dekade Beginn: (3.)-4. Dekade Dilatative selten 35 % der Fälle 35 % der Fälle notwendig > 95 % ab 30. LJ notwendig > 95 % ab 30. LJ notwendig > 95 % ab 35. LJ selten erforderlich häufig, wenn DCM vorliegend häufig, wenn DCM vorliegend Kardiomyopathie (DCM) Herzschrittmacher mit Defibrillatorfunktion Herztransplantation gesamte Gen verteilte Punktmutationen, die Nonsense-Mutation Q6X und 2 "in frame"-Deletionen beschrieben, die einen für die Hauptmann-ThannhauserMuskeldystrophie typischen Phänotyp bedingen. Es gibt zunehmend Hinweise dafür, dass die Penetranz des muskulären, aber auch kardialen Phänotyps der Hauptmann-Thannhauser-Mus- keldystrophie geringer als ursprünglich angenommen ist [11]. Die Existenz einer autosomal-rezessiven Variante konnten di Barletta und Mitarbeiter (2000) an einer Familie (asymptomatische heterozygote Eltern und symptomatischer homozygoter Sohn) mit der C664T-Mutation auf dem LMNA-Gen nachweisen [12]. 8 Gliedergürtel-Muskeldystrophie 1B (limb girdle muscular dystrophy 1B – LGMD 1B) Bei der Gliedergürtel-Muskeldystrophie 1B (LGMD 1B) mit autosomaldominantem Erbgang konnte entweder eine Missense-Mutation, eine "in frame"-Deletion oder eine "splice donor site"-Mutation auf dem LMNAGen identifiziert werden. Nur bei letzterer Mutation war ein trunkiertes Lamin A/C-Protein nachweisbar [13,14]. In der Hälfte der Fälle manifestiert sich die Erkrankung im Kindesalter, bei den anderen in der 2. oder 3. Lebensdekade. Paresen betreffen zunächst den Hüftgürtel und die Oberarmmuskulatur. Typisch ist die Aussparung der tibialen und peronealen Muskeln sowie eine Atrophie des M. biceps brachii ab der 4. Dekade. Gelegentlich ist eine Wadenhypertrophie auffällig. Die Erkrankung verläuft hinsichtlich der skelettmuskulären Beteiligung gering progredient. Klinisch scheint eine Abgrenzung zur HauptmannT h a n n h a u s e r- M u s k e l d y s t r o p h i e berechtigt, da Bewegungseinschränkungen im Wirbelsäulenbereich bislang nicht beschrieben wurden und Kontrakturen im Ellbogen- oder Sprunggelenk sich erst spät manifestierten oder nur gering ausgeprägt sind. Die Kreatinkinase kann normwertig oder gering erhöht sein (Tabelle 3). Kardiale Symptome, in der Regel atrioventrikuläre Überleitungsstörungen, selten eine dilatative Kardiomyopathie, treten im Verlauf der 3. – 4. Lebensdekade auf. Auch bei dieser Erkrankungsform sollten nach Diagnosestellung wegen des Risikos eines plötzlichen Herztodes in jährlichen Abständen ein 24-h-Holter-EKG und eine transthorakale Echokardiographie durchgeführt werden und großzügig die Indikation für eine Schrittmacherimplantation mit zusätzlicher Defibrillatorfunktion gestellt werden. Beim Nachweis supraventrikulärer Überleitungsstörungen ist eine Antikoagulanzientherapie indiziert [8]. Dilatative Kardiomyopathie 1A (DCM 1A) Die dilatative Kardiomyopathie vom Typ 1A (DCM 1A) ist die erste familiäre DCM mit autosomal-dominantem Erbgang, bei der Genort und zugrunde liegendes Genprodukt identifiziert wurden [15]. Typisch ist die sich überwiegend in der 3. – 4. Lebensdekade manifestierende Kombination aus dilatativer Kardiomyopathie und atrioventrikulären Überleitungsstörungen. Eine Skelettmuskelbeteiligung ist häufig nicht nachweisbar. Sie kann sich jedoch in einer asymptomatischen Kreatinkinaseerhöhung oder dem gering ausgeprägten Phänotyp einer Hauptmann-Thannhauser-Muskeldystrophie bzw. einer Gliedergürtel-Muskeldystrophie manifestieren [5,8,15,16]. 9 Hereditäre sensomotorische Neuropathie Typ 2B (HSMN 2B; englisch: Charcot-MarieTooth Type 2B) Die genetisch unterschiedlichen, seltenen hereditären sensomotorischen Neuropathien mit axonaler Schädigung und autosomal-rezessivem Erbgang wurden bislang meist in maghrebinischen Ländern aufgrund der häufigen Ehen zwischen Blutsverwandten identifiziert. Die HSMN 2B wurde in zehn algerischen, teilweise blutsverwandten, Familien beschrieben. Ursächlich war ausschließlich die homozygote C892T-Mutation. Die Erkrankung manifestiert sich am Ende der 1. oder im Verlauf der 2. Lebensdekade mit Steppergang infolge Parese und Atrophie der Mm. peronei longus et tibiales anteriores. Ein Pes cavus ist in allen Fällen nachweisbar. Im Verlauf breiten sich Schwäche und Atrophie auf die distale Muskulatur der oberen Extremität, aber auch die Hüftmuskulatur aus. Eine sensible Störung mit strumpfförmiger Verteilung ist klinisch weniger bedeutend. Bei ca. 50 % der Betroffenen führt die Mutation schon während der 3. und 4. Lebensdekade zu erheblichen Gehbehinderungen und einer deutlichen Beeinträchtigung der Handfunktion in täglichen Aufgaben. Der Krankheitsverlauf ist von Fall zu Fall jedoch recht heterogen [17]. Eine Fettverteilungsstörung oder eine kardiale Mitbeteiligung wurde bislang bei keinem Patienten festgestellt. Neuromuskuläre oder kardiale Symptome bei anderen Krankheiten mit LMNA-Mutation Neben den Erkrankungen mit primär neuromuskulärer oder kardialer Beteiligung sind weitere Syndrome bekannt, die auf LMNA-Mutationen beruhen. Dazu gehören die familiäre partielle Lipodystrophie Typ Dunnigan (FPLD), die mandibuloakrale Dysplasie (MAD), das Hutchinson-Gilbert-Progerie-Syndrom und das Werner-Syndrom (Tabelle 1). Die FPLD ist einerseits durch eine Atrophie des subkutanen Fettgewebes in Extremitäten und Rumpf, andererseits durch eine Lipidakkumulation in Gesicht und Nacken gekennzeichnet. Klinisch stehen die Folgen einer Insulinresistenz und Dyslipidämie mit den sich daraus ergebenden atherosklerotischen Komplikationen im Vordergrund [18]. Bei drei Familien und einem Einzelfall mit FPLD konnten zusätzliche Symptome im Sinne einer kardialen Mitbeteiligung oder Gliedergürtel-Muskeldystrophie nachgewiesen werden [13,19]. Auch die MAD kann mit partieller oder generalisierter Lipodystrophie und Gelenkkontrakturen einhergehen [20]. 10 Literatur 1. Hanisch F, Zierz S (2003) Kernhüllen- erkrankungen – Eine neue Gruppe neuromuskulärer, kardiologischer und endokrinologischer Erkrankungen. Aktuelle Neurologie 30:369-74 2. 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Stephan Zierz Klinik und Poliklinik für Neurologie Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Ernst-Grube-Str. 40 06097 Halle/Saale Kontaktadresse: Aventis Pharma Deutschland GmbH Geschäftseinheit: Innovation Praxis & Klinik Königsteiner Straße 10 65812 Bad Soden am Taunus Tel.: 069/305 220 44 Management of Neuromuscular Diseases Kernhüllenerkrankungen ARCIS Verlag GmbH · München ISSN 0949-1503 9. Jahrgang Dr. med. F. Hanisch Klinik und Poliklinik für Neurologie Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Ernst-Grube-Str. 40 06097 Halle/Saale E-Mail: [email protected] Telefon: 0345/557-2934 Fax: 0345/557-2934 Herausgeber der Schriftenreihe: Prof. Dr. med. R. Dengler · Hannover Prof. Dr. med. D. Pongratz · München Verantwortlich für den Inhalt dieser Ausgabe: 313 407 Prof. Dr. med. D. Pongratz · München