DISKUSSION Dialektik von genetischen Grundlagen

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DISKUSSION
Dialektik von genetischen Grundlagen
und gesellschaftlicher Entwicklung des Menschen
Von HELGA E. HÖRZ und HERBERT HÖRZ (Berlin)
In dem Aufsatz von M. Steenbeck und W. Scheler wird ein grundlegendes weltanschauliches Problem behandelt, das durch die Ergebnisse genetischer Forschungen
und ihre philosophischen Deutungen in den Mittelpunkt internationaler philosophischer Auseinandersetzungen gerückt ist. Bei seiner Lösung unterscheiden sich Materialisten und Idealisten, Metaphysiker und Dialektiker, wobei idealistische und
metaphysische Auffassungen politisch-ideologisch gegen den Sozialismus/Kommunismus generell und speziell gegen bestimmte Konzeptionen, so die vom Wesen des
Menschen als Ensemble gesellschaftlicher Verhältnisse unter bestimmendem Einfluß
der Produktionsverhältnisse, die Erziehungsauffassung usw. gerichtet sind. Gerade
deshalb ist eine Diskussion um die Stellung der marxistisch-leninistischen Philosophie zum Verhältnis von genetischen Grundlagen und gesellschaftlicher Entwicklung des Menschen wichtig für den konstruktiven Ausbau eigener Positionen und für
die Auseinandersetzung mit der bürgerlichen Ideologie. Das erfordert die Zusammenarbeit von Natur- und Gesellschaftswissenschaftlern.
Steenbeck und Scheler untersuchen vom materialistischen Standpunkt ausgehend
die Dialektik von Genetischem und Sozialem, weisen auf das Primat des gesellschaftlichen Erbes gegenüber dem genetischen für die Determination menschlicher Entwicklung und Tätigkeit hin und entkräften damit viele Argumente biologistischer
und psychologistischer philosophischer Richtungen. Vieles wird dabei als Problem
sichtbar, was bisher noch ungenügend erforscht wurde. So wird auf die Rolle der gesellschaftlichen Determination des Erkennens und Handelns der Menschen verwiesen; deren Wirkungsmechanismen für die Entwicklung der Persönlichkeit sind uns
aber erst in Umrissen bekannt, und manche einseitige Hervorhebung bestimmter
Mechanismen, wie der bewufjten Verinnerlichung von Normen gegenüber der Erfahrung durch Handeln, der Erziehung gegenüber der Bildung, der offiziellen gesellschaftlichen Gruppenbildung gegenüber der auf eigene Initiative entstandenen,
hemmt die Einsicht in die wirkliche Dialektik von Verinnerlichung und Entäußerung,
von Bildung und Erziehung usw. Damit kann nur angedeutet werden, da§ der Problemumfang größer ist als vorliegende Lösungen. Sicher ist das eine Trivialität in der
wissenschaftlichen Arbeit; ihre Beachtung verhindert aber, sich mit prinzipiell richtigen Aussagen zu begnügen, die eigentlich ein Programm weiterer Forschungen sein
müfjten. In dieser Richtung enthalten auch die Ausführungen von Steenbeck und
Scheler Aufgaben für die philosophische Forschung. Zwei davon möchten wir in unseren Bemerkungen herausgreifen: die notwendige weitere Ausarbeitung der dialektisch-materialistischen Entwicklungstheorie im Zusammenhang mit der Determination menschlicher Entwicklung durch genetische und gesellschaftliche Faktoren und
das Verhältnis von Emotionalem und Rationalem.
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Helga Ε. Hörz/Herbert Hötz
Die dialektisch-materialistische Entwicklungstheorie hat hinsichtlich der Entwicklung des Menschen mehrere Aspekte zu beachten. Sie untersucht unter Verallgemeinerung des einzelwissenschaftlichen Materials die natürlichen und gesellschaftlichen Determinanten für die Herausbildung des Menschen als eines gesellschaftlichen Wesens. Der Mensch ist vom Tier durch die bewufjte gesellschaftliche
Produktion von Werkzeugen unterschieden. Nach ihrer Entstehung entwickelt sich
die menschliche Gesellschaft auf ihrer eigenen Grundlage durch die Herausbildung
ökonomisch bedingter und durch die Produktionsverhältnisse bestimmter Produktionsweisen, die die Befriedigung materieller und geistiger Bedürfnisse der Menschen nur in b astimmtem Umfang gestatten. Die ökonomisch bedingte Klassengesellschaft ist nac ι Marx und Engels nur die Vorstufe für die tatsächliche menschliche
(klassenlose) Gesellschaft. Erst sie ermöglicht die Verwirklichung eines Gesamtzieles nach t inem Gesamtplan mit Hilfe des Gesamtwillens. Mit ihr ist erst das Reich
der Freiheit erreicht. Damit ist die gesellschaftliche Entwicklung nicht abgeschlossen, sondern eben nur die Vorgeschichte der Menschheit. Neue Ziele der gesellschaftlichen Entwicklung, die auf Grund der materiellen Bedingungen erreicht werden
können, sind nun keine Teilziele von Klassen mehr, sondern gesellschaftliche,
menschliche Ziele. Diese genannten Entwicklungsphasen dürften durch unterschiedliche Beziehungen des genetischen Materials zur gesellschaftlichen Entwicklung charakterisiert sein.
Sicher kann man generell das genetische Material, das vererbt wird, als Möglichkeitsfeld charakterisieren, das unter bestimmten gesellschaftlichen Bedingungen zur
Entwicklung höherer Qualitäten führt. Dabei ist für die Entstehung des Menschen
zu berücksichtigen, dafj sich das genetische Material selbst veränderte, während die
weitere Entwicklung der Gesellschaft wesentlich durch ihre inneren Faktoren determiniert wird. Deshalb ist der Standpunkt sicher berechtigt, für die Entwicklung der
Gesellschaft in einer bestimmten Zeit das genetische Material als relativ konstant zu
betrachten. Interessant wäre aber auch die Antwort auf die Frage, ob gesellschaftliche Bedingungen und hohe Anforderungen der Gesellschaft zu einer Veränderung
des genetischen Materials über Auslese führten oder führen. - Bei der Herausbildung des Menschen als gesellschaftlichem Wesen überwiegt das genetisch mögliche
biologisch realisierte Verhalten gegenüber dem gesellschaftlich bedingten, das sich
zuerst in der bewu§ten gesellschaftlichen Produktion von Werkzeugen realisiert,
während viele andere Verhaltensweisen „tierisch" bleiben. Obwohl die Etappe der
Entwicklung der Menschheit in der Klassengesellschaft wesentlich durch gesellschaftliche Faktoren bestimmt ist, könnte sie in bezug auf das Verhältnis von Biologischem und Gesellschaftlichem durch die Realisierung genetisch möglicher das Biologische immer mehr verdrängender gesellschaftlicher Verhaltensweisen charakterisiert werden. Offensichtlich müfjte das aber noch differenziert für Aufstiegs- und
Untergangsperioden in der Klassengesellschaft untersucht und die Ausnutzung gesellschaftlich bedingter barbarischer Verhaltensweisen durch herrschende Ausbeuterklassen beachtet werden.
Mit dem Kapitalismus entstanden die gesellschaftlichen Voraussetzungen für die
sozialistische Revolution und die Entwicklung des Sozialismus/Kommunismus, der
gesellschaftliche Bedingungen für die Entwicklung der Persönlichkeit schafft, die
das genetische Möglichkeitsfeld in qualitativ neuem Mafje und größerem Umfang
zur Realisierung nutzen, als das vorher der Fall war.
Dieser Entwicklungszyklus, der von der dialektischen Negation des Biologischen
im Sozialen als der Vorgeschichte der Menschheit zur dialektischen Negation der
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Genetische Grundlagen und gesellschaftliche
Entwicklung des Menschen
Negation im Sozialismus/Kommunismus führt, ist bisher nicht ausreichend in seiner
historisch sich entwickelnden Dialektik von Biologischem und Sozialem erforscht
worden. Wenn wir das vielzitierte Wort von Marx auch hier ernst nehmen, dafj die
Anatomie des Menschen ein Schlüssel zum Verständnis der Anatomie des Affen ist,
weil die Andeutung auf höhere Qualität in niedrigeren nur verstanden werden kann,
wenn die höheren vorhanden und bekannt sind, dann bedeutet das, dafj wir das Verhältnis von Genetischem, Biologischem und Sozialem gründlicher aus der Sicht der
sozialistischen und kommunistischen Entwicklung des Menschen betrachten müssen. Dann wird auch der theoretische Fehler vieler biologistischer und psychologistischer Positionen, wie sie bei Freud, Reich, Lorenz und in vielen Varianten des Neofreudismus auftauchen, deutlich, die das Verhältnis von Biologischem und Sozialem
nur aus der Entwicklung der Klassengesellschaft heraus erklären. Steenbeck und
Scheler zeigen die Richtung unserer Argumentation. Sicher mufj aber dazu das Verhältnis von Genetischem und Gesellschaftlichem hoch genauer durch die Untersuchung vieler Bindeglieder, vor allem des Biologischem bestimmt werden. Dazu
sind weitere Darlegungen zur Dialektik von Biologischem, das nicht auf das Genetische reduziert werden kann, und Gesellschaftlichem, erforderlich, was sicher für
viele Wissenschaften, wie Medizin, Psychologie, Pädagogik usw., von Interesse ist.
Es geht dabei um die Vorformen gesellschaftlichen Verhaltens bei Tieren, also um
biologisch realisierte genetische Möglichkeiten, um die Berechtigung und die Grenzen von Analogien zwischen Tier und Mensch und um die Rolle gesellschaftlich modifizierter biologischer Faktoren im menschlichen Dasein.
Steenbeck und Scheler unterscheiden die biologische Vererbung als Individualprozefj von der sozialen Vererbung als einem gesellschaftlichen Prozefj, wobei der
Nachkomme beim ersten passiver Rezipient und beim zweiten aktiv ist. Gleichzeitig
betonen sie, dafj der Mensch erst durch seine Geburt in unmittelbare Beziehung zur
Umwelt tritt und in der Individualentwicklung sich zum gesellschaftlichen Wesen
herausbildet. Letztere Feststellung tendiert, wenn auch nicht ganz deutlich, auf die
individuelle Entwicklung, erstere auf die gesellschaftliche des Menschen. Zwischen
beiden gibt es aber Bindeglieder. So entscheidet der Mensch als gesellschaftliches
Wesen darüber, ob ein Kind überhaupt geboren wird. Die Stellung der Mutter zum
Embryo ist schon von Einflufj auf das Kind. Soziale Bedingungen beeinflussen positiv
oder negativ das Verhalten der werdenden Mutter, was sich auf die Entwicklung des
Kindes auswirkt. In diesem Sinne ist auch der werdende Mensch und das Kind ein
gesellschaftliches Wesen. Seinen Beitrag zur Entwicklung der menschlichen Gesellschaft leistet jeder Mensch dann, wenn er in seiner Individualentwicklung die gesellschaftlich gebotenen Möglichkeiten, sicher in Abhängigkeit vom vorhandenen genetischen und biologischen Möglichkeitsfeld, nutzt. Letzteres sollte auch mehr bei der
Diskussion um die Entwicklung sozialistischer Persönlichkeiten beachtet werden,
die oft so geführt wird, als ob alle Menschen genetisch-biologisch gleich seien. Die
Entwicklung der Persönlichkeit verlangt eigene und gesellschaftliche Anstrengungen zur Verwirklichung der genetischen und biologischen Möglichkeiten, die optimalen Arbeitseffekt für die Gesellschaft und Glück im persönlichen Leben mit sich
bringen. Die sozialistische Gesellschaft hilft bei der Entwicklung der Persönlichkeitsqualitäten aller Menschen durch die richtige Organisation der Arbeit, der Bewusstseinsentwicklung, der schöpferischen Tätigkeit, aber Realität wird diese Hilfe für
jeden einzelnen erst durch seine eigene Tat. Deshalb ist die Feststellung von Steenbeck und Scheler wichtig, dafj die Geburt nicht den gesellschaftlichen Status bestimmt
und die genetischen Möglichkeiten nur durch gesellschaftliche Bedingungen und
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Helga Ε. Hörz/Herbert Hörz
Forderungen realisiert werden. Daraus ergibt sich der für die Erziehung wichtige
Schluß, daß ein kleineres genetisches Möglichkeitsfeld bei großen Forderungen zu
größeren Leistungen führt als geringe Forderungen an ein größeres Möglichkeitsfeld. Damit ist aber nur die Bedeutung der Forderungen für die Individualentwicklung bekannt; wie sie erfüllt wurden, wann sie als Forderungen anerkannt werden
und ob es notwendige Forderungen sind, muß weiter untersucht werden. Das genetische Material liefert sicher mehr Möglichkeiten, als bisher realisiert wurden. Aus
diesen Überlegungen ergeben sich interessante Aspekte für unsere Erziehungsauffassung. Beachten wir beispielsweise immer genügend, daß das gesellschaftliche Erbe
sich auch noch über Generationen vermittelt? Für Schulanfänger spielt es eine große
Rolle, wie weit die Forderungen der Familie an biologisch mögliche Gedankenleistungen gingen. Auch gibt es in Abhängigkeit von der Tätigkeit der Eltern oft einseitig ausgebildete Interessen.
Wir haben schon auf die Rolle biologischer Faktoren in der Beziehung zwischen
Genetischem und Sozialem hingewiesen. Steenbeck und Scheler betonen, daß die
Steuerung der Reaktionsweise durch das Nervensystem noch keinen Unterschied
zwischen angeborenem und anerzogenem Verhalten machen läßt. Hier wäre es nun
sicher interessant, nicht nur den von ihnen hauptsächlich betrachteten Aspekt der
nicht vom Willen zu steuernden genetisch bestimmten Reaktionen zu betrachten,
sondern die sozial determinierte, durch den Willen (unvermittelt oder vermittelt)
gesteuerten Reaktion und ihre Rückwirkung auf biologische Reaktionen zu untersuchen. Hierher gehören die Rolle der Arbeitsatmosphäre für die Herz-KreislaufReaktionen ebenso wie gesellschaftliche Ursachen für Alkoholmißbrauch und daraus
entstehende organische Schäden. Man kann hier sogar von einer gewissen natürlichen Auslese durch gesellschaftliche Bedingungen sprechen, weil manche Anforderungen an unsere Organe durch Umweltverschmutzung, Lärm, Arbeitsbelastung
usw. nur von anpassungsfähigen Organismen überstanden werden. Manchmal helfen auch Kuren, Krankschreibungen usw. nicht mehr. Da hier gesellschaftliche Ursachen vorliegen, sollte auch die Verantwortung der Gesellschaft und des einzelnen
weiter erhöht werden.
Für die genannten Überlegungen reicht die Annahme von der relativen Konstanz
des genetischen Materials aus. Wenn wir aber das Verhältnis von Genetischem und
Sozialem unter dem Aspekt der Entwicklungstheorie betrachten, dann müßte in zweifacher Hinsicht die Rolle des Zufalls im Entwicklungsprozeß bei der Veränderung
des genetischen Materials genauer analysiert werden. Einerseits spielt er in der Entwicklung der Lebewesen bis zum Menschen eine wichtige Rolle. Wenn die zufällige
Veränderung des genetischen Materials zur Entwicklung höherer Qualitäten führt,
dann müssen die Kriterien bestimmt werden, die gesetzmäßig diese Entwicklung als
Höherentwicklung erkennen lassen. Der Zufall ist damit die Realisierung einer der
im Entwicklungsgesetz enthaltenen objektiven Möglichkeiten. Es ist hier kein der
Entwicklung äußerliches oder unwesentliches Ereignis. Zufall ist das Entstehen dieser höheren Qualität, weil es sich nicht aus dem Gesetz der relativ invarianten Reproduktion der Organismen ergibt; aber es ist gesetzmäßiges Ergebnis der objektiven Entwicklungsprozesse. Hier ist von Philosophen das Verhältnis von Zufall und
Entwicklung noch besser auszuarbeiten. Andererseits ergibt sich daraus die Annahme, daß solche Zufälle genetischer Informationsveränderungen auch heute auftreten. Steenbeck und Scheler verweisen vor allem auf die negative Seite dieser Zufälle. In der Entwicklungstheorie dürfen wir jedoch mögliche positive Seiten nicht
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Genetische Grundlagen und gesellschaftliche Entwicklung des Menschen
außer acht lassen, obwohl wir der Kritik gerade an der manipulierten Genveränderung als Mittel zur Weltverbesserung voll zustimmen.
Steenbeck und Scheler gehen auch auf das Verhältnis von Rationalem und Emotionalem ein. Sie betonen die Bedeutung der Gefühle, wobei jedoch der Anschein
entsteht, als ob Gefühle auf angeborene Reaktions- und Verhaltensweisen allein zurückzuführen seien. Diese Auffassung wird aber offensichtlich nicht ganz durchgehalten, da bestialische Verhaltensweisen aus sozialen Ursachen erklärt werden.
Trotzdem werden Kurzschlußreaktionen als angeborene Verhaltensweisen erklärt,
die nicht mehr durch Konvention und Erziehung bestimmt sind. Damit wird einer Auffassung, wenigstens in den Ansätzen, entsprochen, die oft noch anzutreffen ist. Danach
sind die Gefühle auf die emotionale, noch mit dem Biologischen verbundene Stufe
der Erkenntnis und Beherrschung der Welt zurückzuführen, die durch die höhere,
die rationale Stufe abgelöst wird. In der berechtigten Auseinandersetzung mit rationalistischer Gefühllosigkeit versuchen Steenbeck und Scheler die Begründung für die
Bedeutung der Gefühle in der Rolle des genetischen Erbes zu finden. Uns erscheint
das einseitig. Man kann die Frage stellen, ob Kurzschlußreaktionen allein genetisch
bedingt sind. Sind sie nicht oft ein Rückfall in früher anerzogene Antipathien, Ausdruck oberflächlicher Erkenntnis oder gerade Erscheinungsform der Gefühllosigkeit. Vielleicht ist es hier besser, zwischen solchen Gefühlen zu unterscheiden, die
in der antagonistischen Klassengesellschaft anerzogen werden und sich im Individualismus, Egoismus usw. äußern und an denen oft echte Liebe und Freundschaft
scheitern, und denen, die sich in der Arbeiterklasse bereits herausbilden und im Sozialismus zu den beherrschenden werden, wie Hilfsbereitschaft, Freundschaft, Solidarität. Es geht uns nicht nur um die Erziehung der Gefühle, sondern um den weltanschaulichen Hintergrund von Gefühlen, um die mit der rationalen Erkenntnis verbundene gefühlsmäßige Erkenntnis und Aneignung der Welt, die erst die Reichhaltigkeit der menschlichen Beziehungen zur sozialen und natürlichen Umwelt garantiert. Sinn für Schönheit, Liebe zum Partner, Freundschaft mit den Kampfgefährten usw. sind Gefühle, die wie die der Solidarität und des Internationalismus erst auf
einer bestimmten Stufe der Entwicklung der Weltanschauung möglich und ihr Bestandteil sind. Unsere Gesellschaft muß auf die Erziehung dieser Gefühle sehr viel
Wert legen. Sie entstehen nicht automatisch aus der Anerkennung der Bedeutung des
genetischen Erbes.
Unsere Bemerkungen sollen die Feststellung unterstreichen, daß es wichtig ist,
über das von Steenbeck und Scheler behandelte weltanschauliche Problem zu diskutieren, weil die von ihnen analysierte Beziehung des genetischen zum sozialen Erbe
viele Problemlösungen schon enthält, aber auch viele Anregungen zur Meinungsäußerung und eine Reihe von Aufgaben für die zukünftige Forschung.
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Zur Problematik des genetischen und gesellschaftlichen Erbes
Von JOACHIM STREISAND (Berlin)
Die Ausführungen von Max Steenbeck und Werner Scheler sind in größerem wissenschaftsgeschichtlichen Zusammenhang von Interesse. Wenn früher Naturwissenschaftler die philosophisch-weltanschauliche Bedeutung von Erkenntnissen aus ihren
Fachgebieten zu interpretieren versuchten, dann pflegten sie spezifische Gesetzmäßigkeiten oft zu verabsolutieren und die Unterschiede der verschiedenen Bewegungsformen der Materie zu negieren. Der hier zur Diskussion stehende Aufsatz beweist,
daf} nun neue Tendenzen wirksam werden. Zum einen haben die Naturwissenschaften selbst einen Stand erreicht, auf dem sowohl die Einheit der objektiven Realität
als auch die Unterschiede der verschiedenen Bewegungsformen in der einzelwissenschaftlichen Forschung selbst immer größeres Gewicht erhalten. Zum anderen ermöglicht es die Überzeugung, daß das Leben im Sozialismus „dem inneren Wesen des
Menschen entspricht" 1 , den Autoren, zu weltanschaulichen Konsequenzen aus naturwissenschaftlichen Erkenntnissen zu gelangen. Wenn sie aus der Tatsache, daß erworbene Eigenschaften genetisch nicht vererbbar sind, folgern, daß erst das gesellschaftliche Zusammenleben den Menschen wirklich zum Menschen macht, dann ist
das ein Beispiel dafür, wie unter solchen Umständen die Naturwissenschaften auch
fruchtbare Fragestellungen für die Gesellschaftswissenschaften aufwerfen können.
Unter solchen Gesichtspunkten seien im folgenden einige Thesen von Max Steenbeck und Werner Scheler diskutiert.
„Die Vorstellungen der Menschen über sich selbst, ihr Sein und ihre Stellung in
Natur und Gesellschaft haben in der geschichtlichen Entwicklung wiederholt tiefgreifende Änderungen durch neue naturwissenschaftliche Erkenntnisse erfahren;
als Beispiel seien hier nur die mit den Namen Kopernikus und Darwin verbundenen
Geistesrevolutionen genannt." 2 Gewiß: die Naturwissenschaften haben stets einen
wesentlichen Einfluß auf die Entwicklung der Weltanschauungen ausgeübt. Aber
diese Beziehung ist komplizierter, als es hier erscheint. Erst vermittelt durch die
Ideologie und Philosophie der verschiedenen Klassen beeinflussen solche Erkenntnisse die Vorstellungen der Menschen über sich selbst, ihr Sein und ihre Stellung in
Natur und Gesellschaft. Dafür sind gerade Kopernikus und Darwin Beispiele. Die
Kosmologie des Kopernikus erlangte weltanschauliche Bedeutung in dem Maße, in
dem sie in ein umfassenderes System bürgerlich-antiklerikaler Auffassungen einging. Umgekehrt wandte sich die feudale und klerikale Gegenreformation erst gegen
die kopernikanische Lehre, als dieser Prozeß eingesetzt hatte. Darwins Abstam1
2
M. Steenbeck/W. Scheler: Essay über den Einflufj von genetischem und gesellschaftlichem Erbe auf das Verhältnis Mensch-Gesellschaft. In: DZfPh. Heft 7/1973. S. 798
Ebd. S. 781
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Genetisches und gesellschattlich.es
Erbe
mungslehre entstand zu einer Zeit, da der Kapitalismus der freien Konkurrenz auf
den Höhepunkt seiner Entfaltung gelangt war. Die weltanschaulichen Konsequenzen, vor allem die Konsequenzen für die Stellung des Menschen in der Gesellschaft
und für die geschichtliche Entwicklung, die Karl Marx und Friedrich Engels aus der
Lehre Darwins zogen, waren denen, die bürgerliche Ideologen aus ihr ableiten wollten, diametral entgegengesetzt: Es ging dabei um grundsätzliche Fragen der Philosophie und Weltanschauung. Karl Marx schrieb an Friedrich Engels, als er Darwins
„Entstehung der Arten" gelesen hatte: „Obgleich grob englisch entwickelt, ist dies
das Buch, das die naturhistorische Grundlage für unsere Ansicht enthält." 3 Charles
Darwin dagegen war - darauf bezieht sich das „grob englisch" in dem erwähnten
Brief - nicht frei von der Tendenz, Analogien zwischen dem Kampf ums Dasein in
der organischen Natur und der Konkurrenz in der bürgerlichen Gesellschaft zu konstruieren (ganz zu schweigen vom Sozialdarwinismus, der gar - im Gegensatz zur
spontan-materialistischen und dialektischen Tendenz im Werk Darwins - die Unterschiede zwischen der biologischen Evolution und der gesellschaftlichen Entwicklung
negierte und die Lehre Darwins zunächst zur Rechtfertigung der Ausbeutung und
Unterdrückung innerhalb der kapitalistischen Länder, später, beim Übergang zum
Imperialismus, zur Rechtfertigung der Ausbeutung und Unterdrückung anderer Völker mißbrauchen wollte). Beide Beispiele bestätigen: naturwissenschaftliche Erkenntnisse beeinflussen nicht unmittelbar und kausal die Weltanschauung einer Klasse,
sondern nur vermittelt durch das Ganze ihrer Ideologie und Philosophie und innerhalb dessen.
Es mag Fälle gegeben haben, in denen Verbreitung einer neuen Erkenntnis tatsächlich dadurch erleichtert wurde, da§ - wie es in der Bemerkung von Max Planck
heißt, die in dem Essay zitiert wird 4 - die Vertreter überholter Ansichten ausstarben.
Daraus aber ableiten zu wollen, der wissenschaftliche Fortschritt werde durch einen
„genetisch fixierten Schutzinstinkt"5 beeinflufjt, hieße, gesellschaftliche Prozesse auf
biologische zu reduzieren. Neue Erkenntnisse setzten sich - das zeigt die Geschichte
der Wissenschaften - um so leichter durch, je mehr sie den Bedürfnissen bestimmter Klassen entsprachen. Das gilt in besonderem Sinne für die Arbeiterklasse, die
erste Klasse der Geschichte, die uneingeschränkt an der Erkenntnis der Gesetze der
Natur und der Gesellschaft interessiert ist. Die moderne Genetik hat - das beweist
gerade dieser Essay - wertvolle Präzisierungen philosophischer Aussagen des dialektischen Materialismus ermöglicht. Der Nachweis, dafj die Ergebnisse der gesellschaftlichen Praxis nicht in das genetische Erbe eingehen, bestätigt auf seine Weise
die Spezifik der gesellschaftlichen Bewegungsform der Materie als einer neuen, höheren gegenüber der Bewegungsform des organischen Lebens.
Max Steenbeck und Werner Scheler ziehen aus diesem Nachweis eine Reihe
interessanter und wertvoller Schluijfolgerungen. Die moderne Genetik bestätigt das wird von ihnen überzeugend entwickelt - eine Grundthese des dialektischen und
historischen Materialismus: Der Mensch „paßt sich nicht mehr in passiver biologischer Evolution dei Umwelt, sondern in aktiver gesellschaftlicher Entwicklung die
Umwelt an"6. Aber sie ziehen nicht alle diese Schluijfolgerungen konsequent genug.
3
4
5
6
Marx an Engels. 19. Dezember 1860. In: K. Marx/F. Engels: Werke. Bd. 30. Berlin 1964.
S. 131
Vgl.: M. Steenbeck/W. Scheler: Essay über den Einfluij von genetischem und gesellschaftlichem Erbe auf das Verhältnis Mensch-Gesellschaft. A. a. O. S. 796
Ebd.
Ebd. S. 791
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Joachim
Streisand
„Sichert die biologische Vererbung die Erhaltung und Evolution der Art, gewährleistet die soziale Vererbung die Erhaltung und Höherentwicklung der Menschheit." 7 Prüfen wir diese scheinbar einleuchtende Analogie. Die Art repräsentiert jeweils ein bestimmtes Stadium in der natürlichen Evolution, und diese Evolution
führte schließlich zur Entstehung des Menschen. Aber damit begann etwas Neues.
„Man kann die Menschen durch das Bewusstsein, durch die Religion, durch was man
sonst will, von den Tieren unterscheiden. Sie selbst fangen an, sich von den Tieren
zu unterscheiden, sobald sie anfangen, ihre Lebensmittel zu produzieren." 8 In dem
Maße, in dem die Menschen ihre natürliche Umwelt veränderten, veränderten sie
auch ihre gesellschaftlichen Beziehungen. Wenn man von „Erhaltung und Höherentwicklung der Menschheit" sprechen will, geschah und geschieht dies in der Geschichte, einer progressiven Folge ökonomischer Formationen, die schließlich zum
Kommunismus führt. Dieser Fortschritt setzt sich in den antagonistischen Formationen nur vermittels des Klassenkampfes durch. Wie sollte eine „soziale Vererbung"
solche fundamentalen Antagonismen überbrücken können? Das Bild von der „sozialen Vererbung" kann dazu beitragen, die menschliche Gesellschaft vom Leben der
Pflanzen und Tiere zu unterscheiden. Man mag es in bezug auf eine einzelne Klasse
verwenden, wenn man sich darüber klar ist, daß es sich um ein Bild handelt. Sieht
man darin mehr als ein Bild, dann wird die geschichtliche Entwicklung verzerrt.
Trotz der Hinweise auf den Klassencharakter des Erbes 9 ist der Essay dieser Gefahr
nicht völlig entgangen.
Max Steenbeck und Werner Scheler ist durchaus zuzustimmen, wenn sie zwei
Formen des Fcrtwirkens der Vergangenheit in der jeweiligen Gegenwart unterscheiden 1 0 : zum einen die materiellen Zeugnisse der Vergangenheit und die Objektivationen früherer geistiger Leistungen, zum anderen fortwirkende Verhaltensweisen, Anschauungen und Ideen, also das, was man als Tradition bezeichnen kann. Aber solche
Begegnung mit der Vergangenheit hat stets in zweifachem Sinne Klassencharakter:
Die Klassenzugehörigkeit des Einzelnen beeinflußt, welche Erscheinungen der Vergangenheit ihm begegnen, und jede Klasse nutzt eine solche Begegnung mit der Geschichte, um ihre Ideologie durchzusetzen. Daß sich der geschichtliche Fortschritt
im Klassenkampf durchsetzt, gilt auch für die Rezeption des Erbes der Vergangenheit : Traditionen wirken als retardierende Kraft bei rückständig gewordenen Klassen, und mit der neuen Qualität, die mit der Entstehung der Arbeiterklasse verbunden ist: Tradition kann hier zum ersten Male in uneingeschränktem Einklang mit
den gesellschaftlichen Gesetzmäßigkeiten wirken, sie kann auch zum ersten Male
auf Grund wissenschaftlicher Einsicht kritisch überwunden oder bewußt gepflegt und
gefördert werden.
Gewiß, im Sozialismus/Kommunismus gibt es eine Aneignung des Erbes und der
Traditionen der Vergangenheit durch die von der Arbeiterklasse und ihrer Partei
geführte Gesellschaft. Es kann sie geben, da nun zum ersten Male die Menschen
„Herren der Natur, weil und insofern sie Herren ihrer eigenen Vergesellschaftung" 11
7
8
9
10
11
Ebd. S. 762
K. Marx/F. Engels: Die deutsche Ideologie. In: K. Marx/F. Engels: Werke. Bd. 3. Berlin
1958. S. 21
Vgl.: M. Steenbeck/W. Scheler: Essay über den Einfluß von genetischem und gesellschaftlichem Erbe auf das Verhältnis Mensch-Gesellschaft. A. a. O. S. 793
Vgl.: Ebd. S. 792
F. Engels: Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft. In: K. Marx/F. Engels:
Werke. Bd. 20. Berlin 1962. S. 264
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Genetisches und gesellschaftliches Eibe
werden. Auch in diesem Falle kann aber das Bild von der sozialen Vererbung nicht
die Triebkräfte und das Wesen dieses Prozesses adäquat beschreiben; es mag geeignet sein, einzelne seiner Seiten deutlicher zu erfassen.
Eine letzte Überlegung, zu der der Aufsatz anregt, zu der er gerade den Historiker
anregt. Die Konstanz des genetischen Erbes gehört gleichsam zu den Naturbedingungen der menschlichen Existenz. Aber auch wenn dieses Erbe im wesentlichen
konstant ist, hat sich doch die Beziehung der Menschen, der verschiedenen Klassen
zu ihm im Laufe der Geschichte wesentlich verändert. Dazu hier nur einige Andeutungen. Für die herrschenden Klassen in den Formationen, die auf Ausbeutung beruhen, wird auch diese Naturbedingung menschlicher Existenz vor allem unter dem
Gesichtspunkt betrachtet, wie sie in den Dienst der Ausbeutung gestellt werden
kann - bis hin zur Barbarei faschistischer „Rassenhygiene". Zur Moral der Arbeiterklasse gehört es, diese Naturbedingung zu achten. Der dialektische und historische
Materialismus geht davon aus, dafj mit der Herausbildung der menschlichen Gesellschaft sich die Menschen als Naturwesen nicht mehr wesentlich verändern, dafj sich
der Fortschritt in der Geschichte nunmehr auf andere Weise vollzieht. „Realer Humanismus" : das heifjt auch, dafj diese Einsicht genutzt wird, dafj der Sozialismus/Kommunismus begriffen und gestaltet wird als die Gesellschaft, in der sich die Fähigkeiten des Menschen mit diesem seinem genetischen Erbe entfalten können.
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Bemerkungen zum Verhältnis der marxistisch-leninistischen
Philosophie zu den Einzelwissenschaften
Von KARL-FRIEDRICH WESSEL (Berlin)
Das Verhältnis von Philosophie und Einzelwissenschaften ist und bleibt ein wesentlicher Gegenstand philosophischer Arbeit. Die Entwicklung der marxistisch-leninistischen Philosophie ist eng mit den Ergebnissen, den Erfolgen und Problemen in diesem Forschungsbereich verbunden. Die Wertung dieser Arbeitsrichtung ist aber
sehr unterschiedlich. Die Diskussion zum Gegenstand dieser Disziplin und damit verbunden zur Frage, ob es sich überhaupt um einen relativ selbständigen Gegenstand
handelt, die Einschätzung zu vorliegenden Publikationen u. a. weisen recht unterschiedliche Standpunkte aus.
Im Interesse der theoretischen Arbeit und ebenso im Interesse der Agitations- und
Propagandatätigkeit ist eine Diskussion, die zu einer relativen Klärung der Standpunkte und zu einer wirkungsvollen Orientierung führt, erforderlich. Erschwert wird
diese Diskussion allerdings dadurch, daß eine notwendige Voraussetzung, die kritische Einschätzung der philosophischen Tätigkeit auf diesem Gebiet, nicht vorliegt
bzw. eine vermeidbare Einseitigkeit nicht zu übersehen ist. Aus diesem Grunde ist
es zu begrüßen, dafj F. Fiedler, G. Klimaszewsky und G. Söder den Versuch unternommen haben, möglichst umfassend die verschiedenen Aspekte des genannten Verhältnisses zu untersuchen, und orientierende Forderungen stellten. 1 Ich fasse diesen Artikel auch als Aufforderung zur Diskussion auf und möchte daher zu einigen
der aufgeworfenen Probleme meine Meinung schreiben. Ich sehe in ihm einen guten
Auftakt für eine längst fällige Diskussion zu den Ergebnissen, Problemen und Perspektiven der Arbeit zu den philosophischen Problemen der Einzelwissenschaften.
Mit den Autoren des genannten Artikels kann man übereinstimmen, wenn sie schreiben, da§ „wir . . . gerade auf diesem Gebiet weitab von einer normalen wissenschaftlich-geistigen Atmosphäre" sind. Aber „dafj einige Bücher schreiben und andere sie
nur kritisieren" (S. 1322), ist sicher nur eine Seite des Mangels an schöpferischem
Meinungsstreit. Entscheidend scheint mir zu sein, dafj es zu Grundproblemen des
Verhältnisses von marxistisch-leninistischer Philosophie und Einzelwissenschaften
verschiedene Auffassungen gibt, die nicht diskutiert und dennoch zur Entscheidungsgrundlage werden. Eine umfassende Diskussion, und die ist sicher mit dem Artikel von Fiedler, Klimaszewsky und Söder beabsichtigt, kann diesen und andere
negative Umstände beseitigen helfen. Dabei kann das Ziel der Diskussion sicher nicht
darin bestehen, einen einheitlichen Standpunkt zu allen Fragen zu finden; das scheint
mir bei der Menge der allein im genannten Artikel aufgeworfenen diskussionswür1
F. Fiedler/G. KMmaszewsky/G. Söder: Das Verhältnis der marxistisch-leninistischen Philosophie zu den Einzel- und Strukturwissenschaften. In: DZfPh. Heft 11/1972. Alle diese
Arbeit betreffenden Quellenangaben erfolgen im Text in runden Klammern.
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Marxistisch-leninistische Philosophie und Einzelwissenschatten
digen Probleme gar nicht möglich und in vielen Fällen auch gar nicht notwendig zu
sein. Unterschiedliche Standpunkte zu dem einen oder auch anderen grundlegenden
Problem wird es immer geben, sie müssen nur, und dahingehend sollte sich ein einheitlicher Standpunkt ermöglichen, solange gleichberechtigt existieren können, solange es keine ausreichenden ideologischen und wissenschaftstheoretischen Argumente für eine Entscheidung gibt. Es geht also im Streben nach einer normalen wissenschaftlich-geistigen Atmosphäre nicht nur um das Schreiben der einen und das
Kritisieren der anderen, sondern vielmehr um die Art und Weise des Schreibens und
Kritisierens.
Es ist nur zu unterstützen, wenn es bei Fiedler, Klimaszewsky und Söder heifjt,
„dafj die Realisierung einer engen, wechselseitigen Zusammenarbeit zwischen der
marxistisch-leninistischen Philosophie und den Einzelwissenschaften nicht nur für
jene eine große Bedeutung besitzt; sie ist für die Philosophie selbst eine Bedingung
ihrer Existenz und Wirksamkeit" (S. 1311). In dieser Aussage ist das Grundanliegen
der Diskussion über das Verhältnis von marxistisch-leninistischer Philosophie und
Einzelwissenschaft ausgedrückt. Die Problematik liegt in der Möglichkeit recht
unterschiedlicher Interpretationen über Wesen, Inhalt, Aufgaben und Tendenzen dieses Sachverhaltes. So mu§ man den Autoren recht geben, wenn sie meinen, die Empfehlungen, die Lenin in seiner Arbeit „Über die Bedeutung des streitbaren Materialismus" gab, dürfe man nicht schematisch interpretieren. Die vorgenommene Interpretation (S. 1312) kann aber m. E. als Verletzung dieser Forderung verstanden werden.
Die Leninschen Hinweise lassen sich sowohl auf die Zusammenarbeit im sozialistischen Lager als auch auf die Zusammenarbeit mit bürgerlichen Naturwissenschaftlern
in kapitalistischen Ländern anwenden. Die Situation hat sich selbstverständlich in
den letzten fünfzig Jahren wesentlich verändert, aber nicht dergestalt, dafj der naturwissenschaftliche Materialismus bürgerlicher Naturwissenschaftler in Frage gestellt
werden müfjte (S. 1312). Der naturwissenschaftliche Materialismus ist und bleibt
wichtig für das Bündnis zwischen den marxistisch-leninistischen Philosophen und
den Naturwissenschaftlern in kapitalistischen Ländern und für eine differenzierte
und wirkungsvolle Auseinandersetzung mit der bürgerlichen Ideologie und Naturphilosophie. Die veränderte Situation gegenüber 1922 bringt natürlich auch veränderte Einsichten mit sich. Der ideologische Kampf um die weltanschauliche Haltung
der Naturwissenschaftler hat andere Formen angenommen. Die bürgerlichen Ideologen können nicht von der völligen Unkenntnis der marxistisch-leninistischen Philosophie ausgehen. Ebenso wenig dürfen wir uns aber von der Illusion leiten lassen,
die Kenntnis und das Verständnis des dialektischen Materialismus wäre heute in der
bürgerlichen Welt mit Selbstverständlichkeit zu erwarten, der Naturwissenschaftler
hätte die Möglichkeit, sich zu ihm zu bekennen, und ein fehlendes Bekenntnis würde
auch das Streben nach Einsicht in Frage stellen. Eine solche Illusion käme der Negation der materialistischen Geschichtsauffassung in der Einschätzung der konkreten
historischen Situation gleich. Der bürgerliche Naturwissenschaftler ist in seinem
Denken belastet durch seine soziale Umgebung. Er ist befangen in den Denkgewohnheiten, Prinzipien und Normen der bürgerlichen sozialen Umgebung, in der er sich
bewegt und lebt und das selbst dann, wenn er sich gegen sie wendet. Der Schritt
zur Weltanschauung der Arbeiterklasse geht einher mit dem Bekenntnis zur Arbeiterklasse. Naturwissenschaftlicher Materialismus ist aber nach wie vor möglich, ohne
diesen Schritt auch nur zu denken. Eine der Aufgaben der Kritik bürgerlicher Naturphilosophie besteht daher m. E. darin, die Abgrenzung des naturwissenschaftlichen
Materialismus zu einer jeden idealistischen Naturphilosophie deutlich zu machen
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Karl-Friedrich Wessel
und den progressiven Naturwissenschaftlern die Verschiedenheit ihres materialistischen Standpunktes zu naturphilosophischen Interpretationen idealistischer Natur
zu zeigen und in dieser Auseinandersetzung den dialektischen Materialismus als einzige konsequente philosophische Weiterentwicklung ihres naturwissenschaftlichen
Materialismus nachzuweisen.
Fiedler, Klimaszewsky und Söder möchte ich allerdings zustimmen, wenn sie meinen, dafj die Verbreitung des Materialismus bei den Naturwissenschaftlern in der
bürgerlichen Welt kontinuierlich verfolgt werden mufj. Dabei kommt es nicht so sehr
auf eine Differenzierung im Sinne der Zuordnung einzelner Naturwissenschaftler zu
philosophischen Richtungen und Schattierungen an. Dies ist ohnehin nur dann möglich, wenn sich der Naturwissenschaftler in seinen Arbeiten philosophischen Interpretationen umfassender Art zuwendet. Vielmehr geht es um das Erkennen von Tendenzen philosophischer Betrachtungsweisen der Naturwissenschaftler einerseits und
der Auffassungen bürgerlicher Ideologen in der Diskussion mit den Naturwissenschaftlern andererseits. Zweifelsohne ist auf diesem Gebiet viel zu tun. Die Bemühungen um entsprechende Gesamteinschätzungen 2 zeigen die Schwierigkeiten. Die
notwendigen und vorliegenden Einschätzungen grofjer Naturwissenschaftler, die sich
kontinuierlich zu philosophischen Problemen geäußert haben, wie ζ. B. Heisenberg,
sind nur eine Seite. Tendenzen des Materialismus in den Arbeiten der Naturwissenschaftler aufzudecken, bleibt eine ständige Aufgabe, die aber voraussetzt, dafj man
die Möglichkeit des naturwissenschaftlichen Materialismus nicht bezweifelt. In vielen vorliegenden Arbeiten wird angestrebt, die Schwierigkeiten des Naturwissenschaftlers in der bürgerlichen Welt konkret zu erfassen und eine gute Argumentation
zu entwickeln, die vor allem darüber reflektiert, da§ die Inkonsequenz der Naturwissenschaftler in der bürgerlichen Welt keine intellektuelle Fehlleistung, sondern
eng mit der sozialen Stellung und der Art und Weise des gesellschaftlichen Handelns
verbunden ist. Da aber bereits die Einschätzung von konkreten Aussagen der Naturwissenschaftler kompliziert ist, erhöht sich diese Schwierigkeit bei der Verallgemeinerung. Vermeidbare Fehleinschätzungen liegen hier sicherlich vor. Gelegentlich
wurde Naturwissenschaftlern bereits dann Materialismus zugesprochen, wenn sie
von Objektivität des Gegenstandes ihrer Forschungen sprachen, ohne zu überprüfen,
ob es sich um einen naiv materialistischen Standpunkt handelte oder ob der Naturwissenschaftler mit dem Gedankengebäude einer idealistischen Philosophie verbunden war, die die Objektivität der Gegenstände, die es zu erforschen gilt, ebenfalls
voraussetzt.
Diese Differenzierung mufj mit großer Aufmerksamkeit vorgenommen werden,
weil es sich im letzten Fall um eine Philosophie handeln kann wie den kritischen
Realismus, die vom Naturwissenschaftler kein Bekenntnis verlangt wie etwa der
Neothomismus, aber ihm das beruhigende Gefühl zu geben vermag, dafj die Objektivität seines Forschungsgegenstandes nicht angezweifelt wird. Es ist nicht zu
übersehen, dafj der kritische Realismus einen beachtlichen Einflufj hat. Naturgemäß
tritt er nicht so spektakulär in Erscheinung wie Positivismus und Neothomismus.
Seine „Verträglichkeit" mit der unbefangenen Erkenntnishaltung der Naturwissenschaftler wird ζ. B. durch W. v. Del-Negro genutzt, um ihn aufzuwerten. In seinem
Buch „Konvergenzen in der Gegenwartsphilosophie und die moderne Physik" 3 postu2
3
Siehe ζ. B.: R. Mocek/D. Pälike: Zum Funktionswandel der bürgerlichen Naturphilosophie im System der imperialistischen Ideologie. In: DZfPh. Heft 7/1971
W. v. Del-Negro: Konvergenzen in der Gegenwartsphilosophie und die moderne Physik.
(West-) Berlin 1970
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Marxistisch-leninistische
Philosophie und
Einzelwissenschatten
liert er eine Konvergenz von dialektischem Materialismus und Positivismus auf den
kritischen Realismus. So leicht es auch fallen mag, diese Konvergenz ad absurdum
zu führen, sie als Wunschtraum Del-Negros einzuschätzen, so spiegelt doch allein der
Versuch eine Tendenz wider, die von uns ernst genommen werden mufj und die sicher
auch mit zur kritisch betrachteten Äußerung von Fiedler, Klimaszewsky und Söder
geführt hat.
Der Zusammenhang und die Unterschiede im Verhältnis von Naturwissenschaft
und marxistisch-leninistischer Philosophie einerseits und Gesellschaftswissenschaften und marxistisch-leninistischer Philosophie andererseits sind unbedingt zu untersuchen, wenn das Thema marxistisch-leninistische Philosophie und Einzelwissenschaften zur Diskussion steht. Dabei ist es ein erheblicher Vorteil, dafj in der DDR
und in den anderen sozialistischen Staaten der größte Teil der Einzelwissenschaftler
eine gediegene marxistisch-leninistische Bildung besitzt. Ich würde daraus aber keine
Diskussion über den Begriff des Bündnisses zwischen marxistisch-leninistischen Philosophen und den Einzelwissenschaftlern ableiten. Weder die Zusammenarbeit der
marxistisch-leninistischen Philosophen mit den Naturwissenschaftlern noch die mit
den Gesellschaftswissenschaftlern ergibt sich von selbst. Sie mu§ immer wieder erneut gesucht und hergestellt werden. Die Einzelwissenschaftler beziehen bereits von
selbst ihre marxistisch-leninistischen Kenntnisse in ihre wissenschaftliche Arbeit ein,
aber der Erfolg bei der Lösung bestimmter Probleme hängt wesentlich von der bewufjten Zusammenarbeit mit den marxistisch-leninistischen Philosophen ab. Ähnliches gilt umgekehrt für die Philosophen. Die Berücksichtigung neuester einzelwissenschaftlicher Erkenntnisse für die Entwicklung der marxistisch-leninistischen Philosophie, für die Propagandatätigkeit ist abhängig von der konkreten Beziehung zu
den Einzelwissenschaftlern, die sich nicht einfach aus einer gemeinsamen Weltanschauung ergibt. Ich meine, dafj man sehr wohl von einem Bündnis sprechen könnte,
wenn man die bewufjte Orientierung auf diese Zusammenarbeit anspricht. Aber es
geht sicher niemandem um die Worte, sondern vielmehr um die Qualität und die
Struktur der Zusammenarbeit von marxistisch-leninistischen Philosophen und Einzelwissenschaftlern. Hier mufj man Fiedler, Klimaszewsky und Söder zustimmen, wenn
sie meinen, dafj es falsch sei, „die Prinzipien und Erfahrungen der Arbeit auf dem
Gebiet der Naturwissenschaften einfach und unvermittelt auf das der Gesellschaftswissenschaften zu übertragen" (S. 1312). Sie gehen davon aus, dafj die bewufjte Tätigkeit zum Verhältnis von Naturwissenschaft und marxistisch-leninistischer Philosophie
ausgeprägter und die theoretischen Ergebnisse dementsprechend ausgereifter sind als
dies für das Verhältnis von Gesellschaftswissenschaften und marxistisch-leninistischer
Philosophie zutrifft. Daher ist mir die Ansicht unverständlich, da§ es nicht darum
gehen könne, die Vertreter der Gesellschaftswissenschaften „mittels eines Bündnisses
für uns zu gewinnen", dafj es „um die gemeinsame Vertretung unserer Sache" gehe
(S. 1312). Vielleicht war diese gemeinsame Vertretung unserer Sache so selbstverständlich, dafj teilweise oder zeitweise oder wie man will auf ein Bündnis im Interesse der Entwicklung von Gesellschaftswissenschaft und marxistisch-leninistischer
Philosophie zu wenig orientiert worden ist. Natürlich hat dieses Bündnis, ich würde
von einem solchen sprechen, heute eine andere Qualität. „Unsere Sache" ist etwas
sehr Unbestimmtes. Unsere Sache können wir auch gemeinsam vertreten, ohne dafj
damit die Zusammenarbeit der Wissenschaftsbereiche im Interesse der Entwicklung
der Wissenschaften gemeint ist. Und gerade auf der Grundlage der gemeinsamen
Weltanschauung bedarf es, wie die Geschichte zeigt, großer Anstrengungen, um ein
Bündnis im Sinne der Zusammenarbeit von Philosophie und Einzelwissenschaft her1073
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Karl-Friedrich
Wessel
zustellen, das den Anforderungen der Gegenwart entspricht. Übersehen werden kann
doch kaum die Tatsache, dafj von den realen Möglichkeiten der Zusammenarbeit
wenige genutzt wurden. Die Ursachen dafür anzugeben dürfte ohne eingehende Untersuchung kaum möglich sein. Sie werden sowohl in subjektiven Werten des Verhältnisses der marxistisch-leninistischen Philosophie zu den Gesellschaftswissenschaften und den Naturwissenschaften wie im objektiven Entwicklungsstand der einzelnen
Wissenschaften liegen. Beide Seiten einer ausreichenden Analyse zu unterziehen, war
weder im Artikel von Fiedler, Klimaszewsky und Söder, noch ist das in einem anderen
kurzen Beitrag möglich, zumal nicht übersehen werden kann, dafj der Beitrag des
einzelnen eine Analyse wiedergeben wird, die von den Auffassungen des jeweiligen
Autors zum Verhältnis der marxistisch-leninistischen Philosophie zu den Einzelwissenschaften geprägt sein wird.
Fiedler, Klimaszewsky und Söder gehen m. E. von der richtigen Zielsetzung aus,
philosophische Probleme der Naturwissenschaften und philosophische Probleme der
Gesellschaftswissenschaften im Zusammenhang zu betrachten, um dadurch die Ursachen des Rückstandes auf dem Gebiet der philosophischen Probleme der Gesellschaftswissenschaften und auch die Mängel in der Arbeit zu philosophischen Problemen der Natur- und Strukturwissenschaften nachzuweisen. (Auf die Beziehungen
von Philosophie und Gesellschaftswissenschaften möchte ich dennoch in diesem Beitrag nicht eingehen.)
Ich stimme den Autoren zu, dafj in der einschlägigen Literatur noch zu wenig auf
die Fragen eingegangen worden ist, was eigentlich die philosophischen Probleme
der Wissenschaften sind. Mir scheint aber, dafj diese Frage nicht genügend von der
nach den Aufgaben und Problemen dieses Verhältnisses getrennt wurde. Denn bei
der Beantwortung der ersten Frage steht man vor der ähnlichen Schwierigkeit, wie
fast jede wissenschaftliche Disziplin, wenn sie ihren Gegenstand definieren soll.
Wenn aber die Frage nach den Aufgaben, Problemen, Tendenzen und Ergebnissen
des Verhältnisses von marxistisch-leninistischer Philosophie und Einzelwissenschaften gemeint ist, dann scheint mir die von Fiedler, Klimaszewsky und Söder vorgenommene Analyse für die Folgerungen, die sie formulieren, nicht ausreichend zu
sein. Es ist einfach falsch, wenn behauptet wird, lediglich in dem Buch „Naturphilosophie — von der Spekulation zur Wissenschaft" sei auf diese Fragestellung eingegangen worden (S. 1317). In bezug auf die philosophischen Probleme der Naturwissenschaften gibt es eine ganze Reihe von Arbeiten, die sich direkt mit diesem Problem beschäftigen. 4 Die theoretischen Grundprobleme des Verhältnisses von Naturwissenschaft und marxistisch-leninistischer Philosophie sind in vielfältiger Weise
untersucht und dargestellt worden. Allerdings bedarf es einiger Mühe, sie zu überblicken, da dies in unterschiedlichen Arbeiten erfolgt ist. Es liegt in der Natur der
Sache, dafj der größte Teil aller Arbeiten, die zu speziellen Problemen einer Naturwissenschaft geschrieben wurden, zur allgemeinen Problematik des Verhältnisses
von marxistisch-leninistischer Philosophie und Einzelwissenschaften Stellung nehmen. Von Naturwissenschaftlern und Philosophen sind die Probleme, die Fiedler, Klimaszewsky und Söder unter „Grundsätzliches" (S. 1317 f.) behandeln, mehrfach dargestellt worden. Es wurde über die philosophischen Grundlagen des Verhältnisses
4
Um nur einige zu nennen: H. Laitko: Zum Standort der Disziplin Philosophische Probleme der Naturwissenschaften in der marxistischen Philosophie. In: DZfPh. Heft 3/
1965; Naturforschung und Weltbild. Hrsg. von M. Guntau und H. Wendt. Berlin 1964;
H. Hörz: Neue Aspekte bei der Propagierung naturwissenschaftlich-weltanschaulicher
Erkenntnisse. In: DZfPh. Heft 12/1969
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Marxistisch-leninistische
Philosophie und
Einzelwissenschaiten
von Philosophie und Naturwissenschaft 5 , über die Bedingungen der konkreten Zusammenarbeit von Philosophen und Naturwissenschaftlern, über den Mechanismus
der Zusammenarbeit, das Wesen der philosophischen Verallgemeinerung 6 und viele
andere Probleme diskutiert. Damit soll Fiedler, Klimaszewsky und Söder nicht entgegengehalten werden, es lohne nicht, darüber zu schreiben, das Gegenteil ist richtig,
aber man mufj wirklich die bisherigen Ergebnisse und Erfahrungen verarbeiten,
jedenfalls dann, wenn man konzeptionelle Hinweise geben möchte. In diesem Zusammenhang ist Korch zuzustimmen, der schreibt, dafj an Entwicklungsproblemen im
Verhältnis von marxistisch-leninistischer Philosophie und Naturwissenschaft gearbeitet werden mufj, „die einerseits auf den schöpferischen Charakter der Untersuchungen philosophischer Fragen der Naturwissenschaft hinweisen und andererseits
zeigen, dafj um weiterführende Lösungen gerungen werden mufj".7
Ob die in den vorliegenden Veröffentlichungen dargestellte Arbeit nun als Ergebnis
einer Disziplin „Philosophische Probleme der Naturwissenschaften" oder als Arbeitsrichtung bezeichnet werden, halte ich für unerheblich. Entscheidend ist, dafj zugestanden wird, dafj es sich um einen Problembereich handelt, der Spezialisten erfordert und hervorbringt. Dadurch löst sich diese Arbeitsrichtung oder wie man es auch
nennen will keineswegs aus der marxistisch-leninistischen Philosophie heraus. Sie
durchdringt nicht nur alle Bereiche der marxistisch-leninistischen Philosophie, sondern wird selbst, richtig verstanden, von allen ihren Bereichen durchdrungen. Das
dürfte jedenfalls für alle selbstverständlich sein, die auf diesem Gebiet arbeiten. In
diesem Zusammenhang ist die Polemik von Fiedler, Klimaszewsky und Söder gegen
die ungerechtfertigte Trennung von dialektischem und historischem Materialismus in
bezug auf die Bearbeitung von philosophischen Problemen der Gesellschaftswissenschaften und der Naturwissenschaften sehr zu unterstützen. Es erhebt sich aber die
Frage, ob eine solche Trennung nicht durch die Behauptung gefördert wird, die philosophischen Probleme der Wissenschaften seien jeder philosophischen Forschung immanent. Solange nur dieser Aspekt gemeint ist, halte ich es für normal, dafj sich die
überwiegende Mehrheit der Spezialisten des historischen Materialismus als „Kontaktwissenschaft" einer Gesellschaftswissenschaft zuwendet und von den philosophischen
Problemen der Naturwissenschaft lediglich partizipiert. Anders bei den Spezialisten
des dialektischen Materialismus, hier kann man die Hinwendung der überwiegenden
Zahl der Spezialisten zur Naturwissenschaft als einseitig charakterisieren. Aber das
Verhältnis von marxistischer Philosophie und Einzelwissenschaften ist mehr als immanentes Prinzip der philosophischen Forschung, es ist ein Arbeitsbereich, der Spezialisten erforderlich macht. Fiedler, Klimaszewsky und Söder schreiben, „dafj die
Diskussion theoretischer Probleme einer Wissenschaft noch nicht mit der Erörterung
ihrer philosophischen Problematik identisch ist" (S. 1317). Aber es mufj unterstrichen
werden, dafj sie eine notwendige Voraussetzung darstellt. Die drei Autoren zitieren
in diesem Zusammenhang J. Treder, der die philosophische Interpretation der durch
den Physiker allgemeinverständlich dargestellten physikalischen Sachverhalte für
5
6
7
Siehe z. B.: H. Ley: Natur und Technik im Verständnis von Karl Marx. In: Wiss. Z. Humboldt-Univ. Berlin. Ges.-Sprachw. R. XVII (1968)
H. Hörz: Neue Aspekte im Verhältnis von marxistischer Philosophie und moderner Naturwissenschaft. Berlin 1968; H. Hörz: Philosophische Hypothese und moderne Physik.
In: DZfPh. Sonderheft 1965; H. Hörz: Materie und Bewufjtsein. Berlin 1965
H. Korch: Zum Verhältnis von marxistisch-leninistischer Philosophie und Naturwissenschaft. In: Das philosophische Erbe Lenins und der ideologische Kampf der Gegenwart.
Berlin 1972
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Karl-Friedrich Wessel
unzureichend hält, weil bereits die Interpretation des Physikers eingeht. Die dementsprechend geforderte Arbeitsweise verlangt ein möglichst tiefes Eindringen in die
einzelwissenschaftlichen Sachverhalte und die Entwicklungsprobleme der jeweiligen
Wissenschaft. Ich bezweifle, dafj man dies ohne ausreichende Spezialisierung tun
kann, zumal die Spezialisierung kein einmaliger Akt ist. Sie erfordert, unabhängig
davon, ob es sich um eine Naturwissenschaft, um die Mathematik oder um eine Gesellschaftswissenschaft handelt, einen kontinuierlichen Kontakt zur Einzelwissenschaft und damit auch zu den Einzelwissenschaftlern. Das gemeinsame Verständnis
für die philosophischen Probleme einer Wissenschaft setzt ein beachtliches Zeitintervall der Zusammenarbeit voraus. Der persönliche Kontakt zwischen marxistischleninistischen Philosophen und Einzelwissenschaftlern ist für die erfolgreiche Bearbeitung von philosophischen Problemen der Einzelwissenschaften unabdingbare
Voraussetzung.
Die allgemeinen Aufgaben der Zusammenarbeit von marxistisch-leninistischen Philosophen und Einzelwissenschaftlern lassen sich etwa wie folgt angeben: erstens die
Möglichkeit der philosophischen Beeinflussung der naturwissenschaftlichen Forschung und der Anwendung ihrer Ergebnisse in der gesellschaftlichen Praxis auszunutzen und dementsprechende ideologische Hemmnisse und Schwierigkeiten überwinden zu helfen; zweitens die Form und die Lösung der Probleme des dialektischen
und historischen Materialismus und in unterschiedlichem Mafje aller anderen philosophischen Disziplinen zu beeinflussen, sie in Übereinstimmung mit den Ergebnissen
und Erfordernissen der Wissenschaftsentwicklung zu bringen; drittens die Qualität
der Verbreitung der. wissenschaftlichen Weltanschauung zu beeinflussen, indem die
neuesten Ergebnisse philosophischer Forschung für die weltanschaulich-philosophische Bildung und Erziehung, für die Propaganda und Agitation genutzt werden.
Diese drei Aufgaben schließen eine vierte ein, nämlich die offensive und prinzipielle
Auseinandersetzung mit der idealistischen Philosophie bzw. den ideologischen Interpretationen der einzelwissenschaftlichen Ergebnisse. Was die Bedeutung der Arbeit
über das Verhältnis von marxistisch-leninistischer Philosophie und Einzelwissenschaft betrifft, so ist hervorzuheben, dafj diese vier Aufgaben gleichzeitig erfüllt werden müssen. Mir ist daher unverständlich, dafj Fiedler, Klimaszewsky und Söder die
„heute akute Aufgabenstellung" wie folgt angeben: „Es wird der Schritt von der Mithilfe an der Durchsetzung eines Theorien- und Methodengefüges im Denken und
Handeln der Wissenschaftler zur philosophischen Analyse ihrer wesentlichen und
weltanschaulich relevanten Grundaussagen getan." (S. 1323) Die Durchsetzung eines
Theorien- und Methodengefüges im Denken und Handeln der Wissenschaftler wird
immer eine Aufgabe bleiben, solange sich Wissenschaft entwickelt, und die aktive
Beteiligung der Philosophen verlangt. Und die Analyse der wesentlichen und weltanschaulich relevanten Grundaussagen der Wissenschaften ist eine Aufgabe, die nicht
erst heute aktuell ist. Von einem Übergang der einen zur anderen Aufgabe würde ich
nicht sprechen. Zu unterstützen ist die Forderung nach einer anzustrebenden höheren
Qualität. Die höhere Qualität kann aber erst definiert werden, wenn eine ausreichende Analyse der bisherigen Ergebnisse vorliegt. Diese Analyse ist zweifelsohne
sehr schwierig. Wie Fiedler, Klimaszewsky und Söder hervorheben (S. 1317), ist die
Vielfalt und die Breite dieses Bereiches sehr groß. Man könnte eine gewisse Ordnung
der Probleme des Verhältnisses von Philosophie und Naturwissenschaft angeben, indem man die Naturwissenschaft und ihre Funktion in der Gesellschaft, die Naturwissenschaft im Prozefj ihrer Entwicklung, die Naturwissenschaft als Produkt der Erkenntniskraft des Menschen und die entsprechenden Einflüsse auf die Entwicklung
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Marxistisch-leninistische
Philosophie und
Einzelwissenschalten
der marxistisch-leninistischen Philosophie untersucht. 8 Natürlich ließen sich noch
andere Differenzierungen nennen; welche man wählt, hängt sicher immer vom Umfang und Wesen der Analyse ab, die man beabsichtigt.
Es ist sehr wichtig, daß Fiedler, Klimaszewsky und Söder auf die Notwendigkeit
der historischen Betrachtungsweise im Hinblick auf das Verhältnis von marxistischleninistischer Philosophie und Einzelwissenschaften, besonders Naturwissenschaften,
hinweisen. Ohne historische Betrachtungsweise gerät vieles in Vergessenheit, was
unsere Tradition bestimmt, und die erreichte Qualität der gegenwärtigen Arbeit
bleibt im dunkeln. Daher ist neben der Kenntnis der Entwicklung in der UdSSR die
Kenntnis der Geschichte des Verhältnisses von Philosophie und Naturwissenschaft
in der DDR unerläßlich. Diese Kenntnis setzt aber bereits heute eine bewußte Reflexion über diese Vergangenheit voraus. Ich halte es daher für eine sehr wesentliche Aufgabe, daß ein kleines Kollektiv gut mit der Entwicklung Vertrauter diese
Arbeit übernimmt. Es geht dabei nicht um eine Geschichte, die lediglich würdigt und
kritisiert, sondern um einen notwendigen Beitrag zum Verständnis der Probleme,
der Struktur und der Strategie der Arbeit zu philosophischen Problemen der Naturwissenschaften. Dieser Beitrag würde uns allen die Orientierung auf zukünftige Aufgaben erleichtern.
Diese historische Betrachtung des Verhältnisses von Philosophie und Naturwissenschaften in der DDR muß eingebettet sein in ein historisches Gesamtverständnis der
Entwicklung von Naturwissenschaft und Philosophie. Es ist allerdings eine Frage,
ob die Unterscheidung in drei Etappen (S. 1319) eine hinreichende Grundlage weiterer Diskussionen sein kann. Welcher Maßstab für die Entwicklung wurde hier angelegt? Offensichtlich nicht die Entwicklung und Herausbildung der philosophischen
Probleme der Naturwissenschaften. Der Maßstab war sicher die schöpferische Zusammenarbeit von marxistisch-leninistischen Philosophen und Naturwissenschaftlern.
Sie ist aber nur die Erscheinungsform des Wesens der philosophischen Probleme und
des Wesens der jeweiligen konkret-historischen Situation. Die Notwendigkeit der
schöpferischen Zusammenarbeit ergibt sich aus den Erfordernissen der Wissenschaftsentwicklung in der Gegenwart und den Möglichkeiten, die die gesellschaftliche Wirklichkeit hervorgebracht hat. Ein großer Teil der Aufgaben, die heute zu
lösen sind, wurde bereits von Marx und Engels und später dann von Lenin gestellt.
Die Phase vor 1922 vorwiegend dadurch zu charakterisieren, daß Engels und Lenin
vor allem „an der weltanschaulich-philosophischen Verarbeitung und Deutung
epochemachender naturwissenschaftlicher Erkenntnisse (die drei großen Entdekkungen, die Radioaktivität, die spezielle Relativitätstheorie)" arbeiteten, halte ich
für unzureichend. In dieser Phase wurde nicht nur der dialektische und historische
Materialismus als Grundlage des marxistisch-leninistischen Verständnisses der Resultate der Naturwissenschaft geschaffen, sondern in diesem Prozeß der Herausbildung der marxistisch-leninistischen Philosophie das philosophische Wesen der Naturwissenschaften geklärt, die Entwicklungsprobleme der Wissenschaften untersucht
(Hypothese), Grundprobleme des Verhältnisses von marxistisch-leninistischer Philosophie und Naturwissenschaft herausgearbeitet und die entscheidenden Aufgaben
philosophischer Arbeit formuliert. Soll eine Einteilung nach Etappen überhaupt einen
8
Siehe auch: Kapitel 2.3. „Überblick über die Probleme des Verhältnisses von Naturwissenschaft und marxistisch-leninistischer Philosophie", in: Weltanschaulich-philosophische Bildung und Erziehung im mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterricht.
Berlin 1972. S. 120 ff.
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Karl-Friedrich Wessel
Sinn haben, so ist die Zeit nach 1922 eine zu grobe Angabe. Auch hier ist offensichtlich nur der eine Magstab benutzt und nicht von allen wesentlichen Aufgaben der
philosophischen Arbeit in diesem Bereich ausgegangen worden. Die Charakterisierung von Etappen müßte einerseits von den unterschiedlichen Bedingungen in den
verschiedenen Ländern, von der Entwicklung des Grundwiderspruchs in der Welt,
von der Entwicklung der wissenschaftlich-technischen Revolution und andererseits
auch von der Entwicklung des Selbstbewusstseins der marxistisch-leninistischen Philosophen in den einzelnen sozialistischen Ländern ausgehen. All dies konnte von
Fiedler, Klimaszewsky und Söder im Rahmen der Zielstellung ihres Artikels nicht
geleistet werden. Daher wäre es sicher besser gewesen, auf die Probleme der Geschichte des Verhältnisses von Naturwissenschaft und Philosophie stärker hinzuweisen und eine genauere Bearbeitung zu fordern. Es wäre durchaus als berechtigte
Kritik zu werten gewesen, wenn man darauf hingewiesen hätte, daß hier ein Mangel
in der bisherigen Arbeit der Spezialisten zu sehen ist. Es liegen zwar Arbeiten über
die Leistung von Marx und Engels im angesprochenen Zusammenhang vor 9 , und
groß ist die Zahl der Arbeiten, die jeweils bestimmte Aspekte der Gedanken Lenins
würdigen, aber über die Entwicklung nach dem Tode Lenins gibt es wenig, und eine
Gesamtdarstellung dieser Geschichte bzw. ein Abriß der Geschichte des Verhältnisses
von marxistisch-leninistischer Philosophie und Naturwissenschaft fehlt in der D D R
gänzlich.
Fiedler, Klimaszewsky und Söder legen auf die Einschätzung der Forschungsarbeit
in den letzten zehn Jahren großen Wert. Es gibt keinen Zweifel daran, daß die Bilanz der Forschungsarbeit auf dem Gebiet der philosophischen Probleme der Naturwissenschaften positiv ausfällt. Diese Überzeugung im einzelnen zu belegen. Mögliches und Wirkliches abzuwägen, das, was erreicht wurde, an dem zu messen, was
hätte gemacht werden müssen, usw. ist auf Anhieb nicht möglich. Daher muß der
Anfang, den die drei Autoren (S. 1324 ff.) gemacht haben, prinzipiell positiv eingeschätzt werden. Das schließt die Möglichkeit des Zweifels am Ergebnis des Versuches nicht aus. Zunächst fällt auf, daß in dem ganzen Artikel von einer sehr beschränkten Menge an Veröffentlichungen ausgegangen wird, ohne daß die Prinzipien der Auswahl sichtbar würden. Für die Bilanz der Forschungsarbeit ist es m. E.
erforderlich, mehr Arbeiten, d. h. auch Zeitschriftenartikel, einzubeziehen, als das in
der vorliegenden Analyse geschehen ist. Überdies vermißt man jeden Hinweis auf die
Seiten der Arbeit zum Verhältnis von marxistisch-leninistischer Philosophie und
Naturwissenschaft, die sich nicht unmittelbar in der Literatur niederschlagen, aber
zu dem, was Wissenschaft in diesem Bereich ausmacht, gehören. Will man die Leistungen auf diesem Gebiet einschätzen, dann kann man nicht von den Erfolgen abstrahieren, die ζ. B. die Arbeitsgruppen in Jena (H. Korch) und in Rostock (H. Vogel,
H. Parthey) und viele andere marxistisch-leninistische Philosophen in den verschiedensten Bereichen bei der Einbeziehung von Naturwissenschaftlern in die philosophische und ideologische Arbeit aufzuweisen haben. Es darf m. E. auch nicht über die
Arbeit des Lehrstuhls für Philosophische Probleme der Naturwissenschaften an
der Humboldt-Universität (H. Ley, Η. Hörz) hinweggegangen werden. Sie repräsentiert einen nicht unwesentlichen Teil dessen, was in den letzten zehn Jahren auf
diesem Gebiet geleistet worden ist. Zweifelsohne wird wissenschaftliche Arbeit am
Ergebnis gemessen; aber erstens ist dieses Ergebnis nicht gleichzusetzen mit einer
9
K. Reiprich: Die philosophisch-naturwissenschaftlichen Arbeiten von K. Marx und F. Engels. Berlin 1969
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Marxistisch-leninistische Philosophie und Einzelwissenschaiten
Anzahl (schon gar nicht einer reduzierten) von Publikationen, die dem untersuchten
Bereich zuzuordnen wären, sondern auch an Ergebnissen, die in Publikationen und
Äußerungen anderer Bereiche eingehen, und zweitens gilt es auch den Organismus
zu untersuchen, der bestimmte Formen von Ergebnissen hervorbringt, und dazu gehören Ergebnisse der Ausbildung, Einsatz von Kadern, wissenschaftsorganisatorische
Voraussetzungen, Traditionen, Autoritäten usw. Sicherlich gibt es mehrere Möglichkeiten, Ebenen der konkreten Forschungsarbeit zu charakterisieren. Ich möchte im
wesentlichen dem zustimmen, was Fiedler, Klimaszewsky und Söder zu den drei von
ihnen angegebenen Ebenen (S. 1324 ff.) schreiben. Aber eine solche Differenzierung
reicht für eine Analyse, die dem wirklichen Entwicklungsstand der Forschung gerecht werden soll, nicht aus. Es wird noch eines erheblichen Aufwands bedürfen, um
in erforderlicher Breite die von Fiedler, Klimaszewsky und Söder begonnene Analyse
zu beenden. Ich möchte mich der Aufgabe, über die kritischen Bemerkungen hinaus,
einen Beitrag zur Vertiefung der Analyse zu leisten, nicht entziehen und in einem
speziellen Beitrag dazu Stellung nehmen.
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Die marxistisch-leninistische Wissenschaftstheorie
benötigt ein interdisziplinäres Forschungskonzept*
Von JOCHEN RICHTER und RAINER VOSS (Berlin)
Von der Voraussetzung ausgehend, da § Wachstum, Struktur und Leistung der
Volkswirtschaft entscheidend von Wissenschaft und Technik beeinflufjt werden, formulierte der VIII. Parteitag der SED als eine der wichtigsten Aufgaben bei der Gestaltung unseres wissenschaftlich-technischen Potentials, „die verfügbaren Kräfte
und Mittel in Wissenschaft und Technik, angefangen bei der Grundlagenforschung,
auf rationellste Weise einzusetzen, in der wissenschaftlich-technischen Arbeit nach
hohen schöpferischen Leistungen zu streben und die Ergebnisse dieser Arbeit im Interesse höchster Effektivität rasch und umfassend in der Produktion anzuwenden" 1 .
Diese Aufgabenstellung impliziert sowohl wissenschaftspolitische als auch wissenschaftstheoretische und -organisatorische Probleme und Konsequenzen.
Für die marxistisch-leninistische Wissenschaftstheorie bedeutet dies, dafj von ihr
einerseits theoretischer Vorlauf und praktische Resultate erwartet werden, um „die
volkswirtschaftliche Effektivität des vorhandenen und sich erweiternden wissenschaftlich-technischen Potentials . . . vor allem durch die Steigerung der Produktivität der geistig-schöpferischen Arbeit bedeutend zu erhöhen" 2 ; andererseits sind ihre
Erkenntnisse auf die Gestaltung des wissenschaftstheoretischen Forschungspotentials
selbst anzuwenden, für das eine „hohe Rationalität der Arbeitsprozesse" ebenso erforderlich ist wie in jedem anderen Bereich der Wissenschaft. In diesem Sinne hat
die marxistisch-leninistische Wissenschaftstheorie einen Beitrag dazu zu leisten, „die
Errungenschaften der wissenschaftlich-technischen Revolution organisch mit den
Vorzügen des sozialistischen Wirtschaftssystems zu vereinigen und in größerem
Umfang als bisher dem Sozialismus eigene Formen des Zusammenschlusses der Wissenschaft mit der Produktion zu entwickeln" 3 .
Welchen Kriterien mufj eine marxistisch-leninistische Wissenschaftstheorie genügen, deren Forschungen entscheidende theoretische Grundlagen für die bewufjte und
planmäßige Beherrschung dieses Prozesses zu liefern haben und die zu diesem Zweck
spezifische Beziehungen zur gesamten wissenschaftlichen Erkenntnisproduktion unter Einschlug ihrer produktiven Anwendung zu realisieren hat?
* Der folgende Beitrag entstand in Auswertung eines Kolloquiums des Instituts für Wissenschaftstheorie und -organisation der Akademie der Wissenschaften der DDR. Auf
diesem Kolloquium wurde ein Meinungsstreit zu einigen Problemen des Artikels von
F. Fiedler/G. Klimaszewsky/G. Söder „Das Verhältnis der marxistisch-leninistischen Philosophie zu den Einzel- und Strukturwissenschaften", in: DZfPh. Heft 11/1972, S. 1309 ff.,
geführt.
1 Entschließung des VIII. Parteitages der SED zum Bericht des Zentralkomitees. In: Dokumente des VIII. Parteitages der SED. Berlin 1971. S. 27
2 Ebd.
3 Ebd. S. 26
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Marxistisch-leninistische
Wissenschaitslheotie
Bereits im Beschlug des Politbüros des ZK der SED vom 22. Oktober 1968 über
die weitere Entwicklung der marxistisch-leninistischen Gesellschaftswissenschaften
wurde dazu festgestellt: „Angesichts der wachsenden Bedeutung der Wissenschaften
als unmittelbare Produktivkraft mufj das System der Wissenschaften selbst zum
Gegenstand der wissenschaftlichen Forschungsarbeit werden, um Grundlagen für
Prognose, Planung und Leitung der Wissenschaftsentwicklung zu erhalten. Das erfordert die Entwicklung einer Wissenschaftstheorie (Wissenschaftskunde). Insbesondere gilt es, die Stellung der Wissenschaft in der Gesellschaft zu bestimmen, die
sozialen Voraussetzungen und Auswirkungen wissenschaftlicher Erkenntnisse zu erforschen, die inneren Entwicklungsgesetze und -tendenzen des Systems der Wissenschaften, besonders der Wachstumsprobleme aufzudecken, den Prozefj der schöpferischen wissenschaftlichen Arbeit zu analysieren und den Einflufs von Wissenschaft
und Technik auf die Herausbildung und Entwicklung der sozialistischen Persönlichkeit zu erforschen." 4 Bei der Analyse solcher Probleme gelangte H. Hörnig (1970)
zu der eindeutigen Feststellung, dafj „eine komplexe, von vornherein eng und direkt
mit den gesellschaftlichen Anforderungen verbundene naturwissenschaftlich-technische und gesellschaftswissenschaftliche Arbeit unerläßlich" ist, und bemängelte im
gleichen Zusammenhang „die Erscheinung, das komplexe Gebiet der Wissenschaftsorganisation und Wissenschaftstheorie noch zu stark nur von herkömmlichen wissenschaftlichen Einzeldisziplinen (ζ. B. der Philosophie, Ökonomie, Geschichte, Soziologie, Mathematik u. a.) zu behandeln. Dadurch entstehen", so schrieb Hörnig weiter,
„sehr unzulängliche und teilweise falsche Beziehungen zur Gesamtproblematik. Diese
in den Einzeldisziplinen verwurzelte Bearbeitung wissenschaftsorganisatorischer und
wissenschaftstheoretischer Fragen bringt uns nicht genügend vorwärts im Prozefj der
Nutzbarmachung der Wissenschaft als einer entscheidenden Produktivkraft und der
vollen Integration der Wissenschaft in den gesellschaftlichen Reproduktionsprozess
In dem hier zur Diskussion stehenden Artikel von F. Fiedler, G. Klimaszewsky und
G. Söder über „Das Verhältnis der marxistisch-leninistischen Philosophie zu den
Einzel- und Strukturwissenschaften" wird diese Problematik ebenfalls behandelt. Die
Autoren gehen auf Fragen des Verhältnisses zwischen marxistisch-leninistischer Philosophie und Wissenschaftstheorie und in diesem Zusammenhang auf grundlegende
konzeptionelle Fragen der Ausarbeitung einer marxistisch-leninistischen Wissenschaftstheorie in der DDR ein. Ausgehend von ihrem Anliegen, einige theoretische
und methodologische Probleme der „philosophischen Reflexion der Wissenschaft insgesamt als einer gesellschaftlichen Erscheinung" 6 zu diskutieren, fordern die Autoren einen umfassenden Wissenschaftsbegriff, „der die gnoseologische Einseitigkeit
vergangener Definitionen . . . zu überwinden trachtet", aber auch nicht „durch soziologische Einseitigkeit . . . ein Extrem durch ein anderes ersetzt" 7 . Dabei wird dem
vom Institut für Wissenschaftstheorie und -organisation der Akademie der Wissenschaften der DDR erarbeiteten Wissenschaftsbegriff 8 soziologische Einseitigkeit zum
Vorwurf gemacht und auf dieser Basis eine Auseinandersetzung mit wissenschafts4
5
6
7
8
Die weitere Entwicklung der marxistisch-leninistischen Gesellschaftswissenschaften in
der DDR. In: Einheit. Heft 12/1968. S. 1460
H. Hörnig: Wissenschaft und Klassenkampf der Gesellschaftssysteme. In: Einheit. Heft
7/1970. S. 892
F. Fiedler/G. Klimaszewsky/G. Söder: Das Verhältnis der marxistisch-leninistischen Philosophie zu den Einzel- und Strukturwissenschaften. A. a. O. S. 1313
Ebd. S. 1314
Siehe: G. Kröber/H. Laitko: Sozialismus und Wissenschaft. Berlin 1972. S. 61
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Jochen Richter/Rainer
Voß
theoretischen Grundbegriffen und -Problemen geführt, die wesentliche konzeptionelle
Positionen dieses Instituts berühren. Die Autoren räumen ein, „dafj die Diskussion
um die Definition eines marxistisch-leninistischen Wissenschaftsbegriffs noch nicht
abgeschlossen ist" 9 , und es auch „hinsichtlich des Status der marxistisch-leninistischen
Wissenschaftstheorie noch unterschiedliche Auffassungen" gibt, die „durch weitere
Diskussionen, insbesondere aber durch die Arbeit auf diesem Gebiet" 1 0 geklärt
werden.
Vom Institut f ü r Wissenschaftstheorie und -organisation wurde der von den Autoren angeregte Meinungsstreit zu diesen Problemen aufgegriffen und im Februar
d. J. zum Gegenstand eines Institutskolloquiums gemacht. An diesem Kolloquium
nahmen neben dem Direktor des Zentralinstituts f ü r Philosophie der Akademie,
Akademiemitglied Prof. Dr. M a n f r e d Buhr, und Mitarbeitern des Instituts für Wissenschaftstheorie und -organisation seitens der Autoren Prof. Dr. Fiedler und Dr. KlimaszeWsky teil. Zur Aufgabe des Kolloquiums erklärte der Direktor des Instituts
f ü r Wissenschaftstheorie und -organisation, Prof. Dr. Kröber, die gemeinsame Verständigung über Grundfragen der marxistisch-leninistischen Wissenschaftsauffassung und ihre Konsequenzen für die Entwicklung einer marxistisch-leninistischen
Wissenschaftstheorie. Die bestehenden Meinungsverschiedenheiten seien Ausdruck
natürlicher Entwicklungsprobleme der materialistischen Gesellschaftstheorie und
prinzipiell sämtlich auf der gemeinsamen Basis des Marxismus-Leninismus in der
Einheit seiner drei Bestandteile lösbar. Der schöpferische und kritische wissenschaftliche Meinungsstreit über noch ungeklärte Probleme sei eine wesentliche Phase f ü r
die Herausbildung eines einheitlichen, theoretisch fundierten Wissenschaftsverständnisses.
G. Kröber wertete das Bemühen, auch von philosophischer Seite zur Klärung wissenschaftstheoretisch relevanter Fragestellungen beizutragen, positiv. Andererseits
dürfe nicht unwidersprochen bleiben, dafj die von den Autoren mit der Absicht einer
polemischen Auseinandersetzung mit der wissenschaftstheoretischen Grundkonzeption des Instituts f ü r Wissenschaftstheorie und -organisation vorgenommene Interpretation wesentlicher theoretischer Positionen des Instituts teilweise fehlerhaft ist
und eine Reihe von Einschätzungen so nicht aufrechterhalten werden können. Zu Beginn der Diskussion bekräftigte G. Klimaszewsky das Anliegen der Autoren, mit
ihrem Artikel durch die Veröffentlichung ihrer persönlichen Auffassungen u. a. zu
einigen wichtigen wissenschaftstheoretischen Problemen die Diskussion und Forschung auf diesem Gebiet anzuregen. Aus diesem Grunde sei die Durchführung eines
solchen Kolloquiums zu begrüben.
Im Interesse einer konstruktiven und systematisch entwickelnden Wiedergabe des
geführten Meinungsaustausches werden in dem vorliegenden Beitrag die von den
Diskussionsteilnehmern dargelegten Argumente nach zwei Diskussionsschwerpunkten - Wissenschaftsbegriff und Status der marxistisch-leninistischen Wissenschaftstheorie - geordnet. Dabei sind insbesondere die in den Diskussionsbeiträgen von
G. Kröber, H. Parthey, G. Domin, K. D. Wüstneck, H. Laitko, D. Wahl, H. Seickert
und B. Lange enthaltenen Gedanken verarbeitet worden. Die in der Diskussion von
F. Fiedler und G. Klimaszewsky vorgetragenen Auffassungen werden nur insoweit
reproduziert, wie sie die in dem Artikel enthaltenen Feststellungen und Argumente
präzisieren oder von diesen abweichen.
9
F. Fiedler/G. Klimaszewsky/G. Söder: Das Verhältnis der marxistisch-leninistischen Philosophie zu den Einzel- und Strukturwissenschaften. A. a. O. S. 1314
10
Ebd. S. 1316
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Marxistisch-leninistische
1. Zum marxistisch-leninistischen
Wissenschaftstheorie
Wissenschaitsbegriff
Der vom Institut für Wissenschaftstheorie und -organisation erarbeitete Wissenschaftsbegriff, auf den sich die Autoren ausdrücklich beziehen, gründet sich auf die
Auffassung der Wissenschaft als einer gesellschaftlichen Erscheinung. Er wird definiert als Begriff zur Kennzeichnung eines Systems spezifischer gesellschaftlicher
Tätigkeiten, die im Rahmen einer gegebenen ökonomischen Gesellschaftsformation
auf die Gewinnung, Reproduktion und Anwendung systematischen und methodischen Wissens gerichtet sind. 11 Damit ist bereits zum Ausdruck gebracht, da§ für
diesen Wissenschaftsbegriff auch der von Fiedler und Klimaszewsky vermiete Wissensaspekt konstituierend ist. Während die Autoren dennoch die grundlegende Bestimmung der Wissenschaft als System spezifischer gesellschaftlicher Tätigkeiten
falsch als eine ausschließliche Kennzeichnung interpretieren, wird in der von ihnen
zitierten Quelle im unmittelbaren Konnex mit der Definition ausdrücklich festgestellt, daß, „obwohl sie (die Definition - J. R./R. V.) auf die Wissenschaft als ein
System spezifischer gesellschaftlicher Tätigkeiten akzentuiert, sie die Auffassung
von der Wissenschaft als System theoretischer Kenntnisse nicht aus-, sondern einschließt, denn wissenschaftliche Tätigkeit hat als eines ihrer Produkte Wissenssysteme, wissenschaftliche Theorien, Gesetze, Begriffe, usw. zum Ziel". 12
In der Tat ist die Wissenschaft als sehr komplexe gesellschaftliche Erscheinung
durch eine Vielzahl verschiedener Aspekte unterschiedlichen Gewichts gekennzeichnet. Während es in der Vergangenheit noch überwiegend üblich war, den Wissenschaftsbegriff aus einer Aufzählung der wichtigsten dieser Aspekte zusammenzusetzen 13 , ist es heute für den Aufbau einer konsistenten marxistisch-leninistischen Wissenschaftstheorie unerläfjlich, ein System von wenigen, einfachen Grundbegriffen
mit einem konstituierenden Wissenschaitsbegriff in seinem Zentrum zu erarbeiten,
das die Funktion eines kategorialen Begriffssystems erfüllt. Bestimmend für diesen
Wissenschaftsbegriff ist die Forderung, dafj er einen gleichermaßen theoretischen
wie praktischen Zugang zur Lösung sowohl wissenschaftstheoretischer als auch wissenschaftspolitischer und -organisatorischer Probleme erschließt. Insbesondere sollte
der Wissenschaftsbegriff als ein Instrument zur Durchsetzung der Vorzüge der entwickelten sozialistischen Gesellschaft im gesamten Bereich seiner Anwendbarkeit
nutzbar sein.
Ideologisch-theoretische Grundlage für die Erarbeitung eines solchen Wissenschaftsbegriffes und eines Kategoriensystems der marxistisch-leninistischen Wissenschaftstheorie - wie für diese im ganzen - müssen deshalb alle drei Bestandteile des
Marxismus-Leninismus in ihrer Einheit sein. Nur dann können unter Zugrundelegung
eines so verstandenen Wissenschaftsbegriffs Resultate gewonnen werden, die den
Prinzipien des dialektischen und historischen Materialismus entsprechen, die politisch-ökonomischen Bedingungen der Wissenschaftsentwicklung berücksichtigen und
konstruktiv gestalten sowie zur Lösung wesentlicher Probleme der entwickelten sozialistischen Gesellschaft beitragen. Dazu gehören also sowohl die erkenntnistheoretischen und methodologischen Fragestellungen der Wissensproduktion als auch we11
12
13
G. Kröber: Wissenschaftswissenschaft - Wissenschaftstheorie - Wissenschaftsbegriff. In:
Kolloquienreihe des Instituts für Wisisenschaftstheorie und -organisation. Heft 1/1971.
S. 19
Ebd.
Vgl.: F. Fiedler: „Einheitswissenschaft" oder Einheit der Wissenschaft? Berlin 1971.
S. 55
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Jochen Richter/Rainer Vo/j
sentliche Probleme der politischen Ökonomie. Außerdem hängen damit Fragen der
Planung und Prognose der Prozesse der wissenschaftlich-technischen Revolution für
den sozialen Fortschritt der sozialistischen Gesellschaft zusammen.
Welche Bestimmung des Wissenschaftsbegriffs könnte den obengenannten
Leistungskriterien genügen? Die Analyse der Werke der Klassiker des MarxismusLeninismus und der Ergebnisse marxistisch-leninistischer Autoren, insbesondere
sowjetischer Wissenschaftler, beginnend in den 20er Jahren 14 bis in die Gegenwart 15 ,
und zahlreicher DDR-Autoren insbesondere aus dem Bereich der marxistisch-leninistischen Philosophie speziell der 60er Jahre 16 führte auf dem Weg der theoretischen
Durchdringung und weiterführender Überlegungen zum (dynamischen) Aspekt der
spezifischen gesellschaftlichen Tätigkeit als dem konstituierenden Moment des marxistisch-leninistischen Wissenschaftsbegriffs. Die Autoren sind deshalb im Recht,
wenn sie feststellen, daß dieses Wissenschaftsverständnis vor allem auf der Marxschen Kennzeichnung der wissenschaftlichen Tätigkeit („Allgemeine Arbeit ist alle
wissenschaftliche Arbeit, alle Entdeckung, alle Erfindung.") beruht 17 , übersehen
aber dabei, daß es zugleich auf der Leninschen Widerspiegelungstheorie aufbaut,
indem es die kognitive Spezifik der wissenschaftlichen Tätigkeit impliziert, und darüber hinaus die Ergebnisse der marxistisch-leninistischen Wissenschaftsforschung
der letzten Jahrzehnte - vor allem in der Sowjetunion - zu berücksichtigen sucht.
Das von F. Fiedler und G. Klimaszewsky in der Diskussion aufgeworfene Hauptproblem ist die Frage, was der vom Institut für Wissenschaftstheorie und -organisation erarbeitete Wissenschaftsbegriff zu leisten imstande ist. Selbst wenn zugestanden werden muß, dafj die Definition den Wissensaspekt einschließt, sehen sie in der
grundlegenden Orientierung auf den Tätigkeitsaspekt die Gefahr einer Einengung,
die zwar für den Aufbau einer marxistisch-leninistischen Wissenschaftstheorie hinreichend und zweckmäßig sein mag, aber möglicherweise darüber hinausgehende
Gesichtspunkte ζ. B. philosophischer Fragestellungen nicht genügend berücksichtigt,
evtl. sogar Angriffsflächen für das Eindringen positivistischer Auffassungen bietet.
Da es andererseits objektiv nicht zweckmäßig ist, mehrere Wissenschaftsbegriffe im
Rahmen der marxistisch-leninistischen Wissenschaftsauffassung zu schaffen, ζ. B.
einen wissenschaftstheoretischen und einen philosophischen Wissenschaftsbegriff,
muß es das gemeinsame Bemühen aller marxistischen Wissenschaftler, die die Wissenschaft zum Gegenstand ihrer Forschung haben, sein, einen einheitlichen Wissenschaftsbegrifi zu erarbeiten, der gleichermaßen zur Grundlage der verschiedensten
disziplinären und interdisziplinären Forschungen dienen kann.
Die aktive Tätigkeit des Menschen ist die grundlegende Existenzbedingung der
Gesellschaft. Dieser fundamentale Zusammenhang ist von den Klassikern des Marxismus-Leninismus umfassend philosophisch und politökonomisch auf der Basis des
historischen Materialismus begründet worden. Die Orientierung des Wissenschaftsbegriffs auf die menschliche Tätigkeit erschließt den Zugang zu den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhängen der Wissenschaft (Stellung und Funktion der Wissenschaft im gesamtgesellschaftlichen Reprcduktionsprozeß) und bezieht sich auf die
14
15
16
17
L. S. Berg, I. N. Boricerskij, Β. M. Gessen, V. V. Kujbysev, P. N. Petrov, S. G. Strumilin,
B. P. Vejnberg, V. I. Vernadskij u. a.
G. M. Dobrov, M. G. Jarosevskij, Β. M. Kedrov, Μ. M. Karpov, I. A. Majzel, S. R. Mikulinskij, Ν. I. Rodnyj, G. N. Volkov u. a.
F. Fiedler, A. Rösing, R. Mocek, D. Wittich u. a.
F. Fiedler/G. Klimaszewsky/G. Söder: Das Verhältnis der marxistisch-leninistischen Philosophie zu den Einzel- und Strukturwissenschaften. A. a. O. S. 1314
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Marxistisch-leninistische
Wissenschattstlieorie
schöpferische Funktion des gesellschaftlichen Gesamtarbeiters (Subjektfunktion) in
seinen konkreten Erscheinungsformen in Gestalt der wissenschaftlich Tätigen in allen Teilbereichen der Gesellschaft.
Mit der Charakterisierung der wissenschaftlichen Tätigkeit unter Marx' Gesichtspunkt ihrer Funktion als „allgemeiner Arbeit" erschließen sich nicht nur die erkenntnistheoretischen Probleme der schöpferischen wissenschaftlichen Arbeit, sondern
auch die konkreten materiellen und ideellen Bedingungen der wissenschaftlichen
Tätigkeit, wie Fragen der Organisation, Planung und Leitung wissenschaftlicher Arbeitsprozesse und auch der individuellen Voraussetzungen schöpferischer Arbeit.
Mit dem Begriff der Tätigkeit wird die gesellschaftliche Bewegung unter dem Aspekt
ihrer Subjektivität gefaxt; das Verständnis von Menschen und Menschengruppen
als tätige Subjekte schließt die Realität des Bewusstseins ein.
Das Wissen steht in mehrfacher Beziehung zum Tätigkeitsaspekt: Es ist erstens
Voraussetzung jeder wissenschaftlichen Tätigkeit („Benutzung der Arbeiten Früherer" als eine Bedingung für die Kennzeichnung wissenschaftlicher Tätigkeiten als
allgemeine Arbeit nach M a r x 1 8 ) ; es ist zweitens als methodische und systematische
Komponente dem wissenschaftlichen Arbeitsprozeß selbst immanent, und es ist drittens schließlich das angestrebte Resultat und Produkt wissenschaftlicher Tätigkeit.
Gerade diese Tatsache und das Überwiegen der ideellen gegenüber den materiellen
Momenten der Tätigkeit ist eine spezifische Seite wissenschaftlicher Tätigkeit. Damit ist eine der Hauptfragen des Wissenschaftsbegriffs die nach der Relation von
Prozeß und Produkt. Die Tätigkeit im Verhältnis zum Wissen stellt nicht einfach
einen anderen, sondern den objektiv übergeordneten Ausgangspunkt f ü r den Wissenschaftsbegriff dar. 1 9
Wenn Marx prinzipiell unterscheidet, was und wie in einer bestimmten Gesellschaftsordnung produziert wird, trifft er damit eine Unterscheidung zwischen dem
Produkt und dem Prozeß, der z u diesem Produkt führt. Als Unterscheidungskriterium verschiedener Gesellschaftsordnungen bezeichnet Marx ausschließlich, wie produziert wird. Gilt diese Fragestellung f ü r die gesamtgesellschaftliche Produktion
allgemein, so trifft sie selbstverständlich auch auf die Produktion wissenschaftlicher
Kenntnisse zu, d. h., auch hier kommt dem Prozeß, der Tätigkeit, das Primat zu. Entscheidend f ü r die Orientierung des Wissenschaftsbegriffs auf den Tätigkeitsaspekt
ist hauptsächlich dessen innere Beziehung zu den gesellschaftlichen Verhältnissen,
in denen wissenschaftlich produktiv gearbeitet wird. Es wäre deshalb in der Tat unzureichend und würde positivistische Positionen nicht ausschließen, wissenschaftliche Tätigkeit losgelöst vom gesellschaftlichen Bezugssystem der Bestimmung des
Wissenschaftsbegriffs zugrunde zulegen, wie das in soziologischen und psychologischen Arbeiten bürgerlicher Autoren der Fall ist. Völlig verfehlt ist es aber auch,
etwa die Wissenschaft oder „wissenschaftliches Erkennen" - wenn auch nur fragmentarisch und unter einem speziellen Gesichtspunkt - als „ökonomische Tätigkeit" zu
charakterisieren 2 0 , da hier eine unzulässige Identifizierung von Tätigkeiten verschiedener Spezifik vorliegt. Vielmehr ist es erforderlich, alle wesentlichen gesellschaft18
19
20
Vgl.: K. Marx: Das Kapital. 3. Bd. In: K. Marx/F. Engels: Werke. Bd. 25. Berlin 1964.
S. 113 f.
Vgl.: H. Laitko: Bemerkungen zum Begriff der wissenschaftlichen Tätigkeit. In: Kolloquienreihe des Instituts für Wissenschaftstheorie und -organisation. Heft 1/1971. S. 32
F. Fiedler: Wissenschaftliches Erkennen und sozialistische Produktionsverhältnisse. In:
DZfPh. Heft 3/1969. S. 949
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Jochen RichterIRainet Voß
liehen Bestimmungen - weltanschaulich-ideologische, ökonomische, politische, kulturelle u. a. - in den Wissenschaftsbegriff einzubringen.
Diese Überlegungen führen dazu, dafj es vom objektiven Inhalt her nur einen einheitlichen marxistisch-leninistischen Wissenschaftsbegriff geben kann, der sowohl
den Tätigkeits- als auch, davon abgeleitet, den Wissensaspekt impliziert. Das gibt
jeder Disziplin, die sich mit wissenschaftswissenschaftlichen Fragestellungen befafjt,
die Möglichkeit, die ihrem Gegenstand entsprechenden spezifischen Aspekte aus dem
Begriff abzuleiten, hervorzuheben und zu formulieren. Das heißt natürlich nicht, dafj
der vom Institut für Wissenschaftstheorie und -organisation erarbeitete Wissenschaftsbegriff Anspruch auf endgültige Fassung erhebt. Er bietet aber u. E. in seiner
grundlegenden Bestimmung bereits einen fruchtbaren Ausgangspunkt für eine weitere Vertiefung und Vervollkommnung in gemeinsamer Arbeit und eine Grundlage
zur Prüfung seiner Leistungsfähigkeit. Dieser Auffassung entspricht im wesentlichen
die Intention des diskutierten Artikels sowie der mit F. Fiedler und G. Klimaszewsky
geführten anregenden und fruchtbaren Diskussion, auch wenn nicht in allen Fragen
ein einheitlicher Standpunkt erzielt werden konnte.
2. Zum Status der marxistisch-leninistischen
Wissenschaitstheorie
Während in früheren Arbeiten von Philosophen, darunter auch von Fiedler21, die
Auffassung vertreten wurde, die Wissenschaftstheorie ausschließlich als eine Teildisziplin der marxistisch-leninistischen Philosophie zu begreifen, wird in dem zur
Diskussion gestellten Artikel bereits eingeräumt, dafj es hierzu unterschiedliche
Standpunkte gibt. Neben der alten Auffassung von der Wissenschaftstheorie als
„neuer philosophischer Disziplin bzw. als neuer Bereich der marxistisch-leninistischen Philosophie" wird auch der Standpunkt als berechtigt anerkannt, die Wissenschaftstheorie „als eine eigenständige Wissenschaft auf der Grundlage aller drei Bestandteile des Marxismus-Leninismus zu entwickeln"22. So heißt es bezüglich der
beiden Standpunkte über den Status der marxistisch-leninistischen Wissenschaftstheorie : „Beide Varianten haben etwas für sich, beide werfen aber auch neue Fragen
auf. Wir haben es hier offensichtlich mit einem echten Entwicklungsproblem zu tun.
Seine Klärung mu§ nicht unbedingt in den Vordergrund gestellt werden. Sie wird
durch weitere Diskussionen, insbesondere aber durch die Arbeit aui diesem Gebiet
selbst herbeigeführt werden." 23 Auch 1968 schrieb Fiedler: „Wird die philosophische
Wissenschaftstheorie als Disziplin der marxistischen Philosophie gefafjt, dann ergibt
sich die Frage nach der Stellung in ihrem System, insbesondere nach ihrem Verhältnis zur Erkenntnistheorie. Dieses Problem bedarf noch einer gründlicheren Klärung
und soll deshalb an dieser Stelle nicht weiter diskutiert werden." 24
Die Haltung der Autoren ist inkonsequent, da sich die Praxis der marxistisch-leninistischen Gesellschaftswissenschaften bereits über ihre Position weit hinaus entwickelt hat. Das findet seinen Ausdruck sowohl in den entsprechenden Dokumenten
21
Vgl.: Autorenkollektiv: Die Wissenschaft von der Wissenschaft - Philosophische Probleme der Wissenschaitstheorie. Berlin 1968. S. 43 f.; F. Fiedler: „Einheitswissenschaft"
oder Einheit der Wissenschaft? S. 42 f.
22
F. Fiedler/G. Klimaszewsky/G. Söder: Das Verhältnis der marxistisch-leninistischen Philosophie zu den Einzel- und Strukturwissenschaften. A. a. O. S. 1316
23
Ebd. S. 1316 (Hervorhebung von tins - die Verf.)
24 F. Fiedler: Die Wissenschaft als Gegenstand der Wissenschaft. In: DZfPh. Heft 5/1969.
S. 567 (Hervorhebung von uns - die Verf.)
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Marxistisch-leninistische
Wissenschaitstheorie
der letzten Parteitage der KPdSU, der SED und der anderen Bruderparteien als auch
in der Entwicklung des wissenschaftstheoretischen Forschungspotentials in der sozialistischen Staatengemeinschaft. Es spricht für die Forschungskonzeption des Instituts
für Wissenschaftstheorie und -organisation, da§ seine auf dieser Grundlage abgeleiteten und den Beschlüssen der Partei entsprechenden Aufgaben vollkommen pafjgerecht in das entsprechende Forschungsprogramm des RGW integriert werden
konnten. Die von diesem Institut entwickelte Wissenschaftskonzeption wurde im
Rahmen des internationalen RGW-Sympcsiums „Allgemeintheoretische Fragen der
Entwicklung von Wissenschaft und Technik" im September 1972 in Berlin von den
führenden Vertretern der wissenschaftstheoretischen Forschung anderer sozialistischer Staaten als tragfähig und den objektiven Erfordernissen der sozialistischen
Wissenschaftsentwicklung entsprechend anerkannt.
Wenn in dem hier diskutierten Beitrag von Fiedler, Klimaszewski und Söder deshalb zugestanden wird, dafj es zum Status der Wissenschaftstheorie heute zwei unterschiedliche Standpunkte gibt (Wissenschaftstheorie als philosophische Teildisziplin
und als interdisziplinär zu erarbeitendes Wissensgebiet), so konstatieren die Autoren
einerseits lediglich den erreichten Fortschritt in der Diskussion um den Status der
Wissenschaftstheorie; andererseits ist diese bloße Feststellung jedoch nur als halber
Fortschritt zu werten, solange die einseitige Auffassung, Wissenschaftstheorie könne
in philosophischer Selbstgenügsamkeit entwickelt werden, noch Anhänger unter unseren Philosophen findet. Soll die Entwicklung der marxistisch-leninistischen Wissenschaftstheorie den objektiven Erfordernissen der entwickelten sozialistischen Gesellschaft entsprechen, so kann sie nur in einer einzigen Richtung vorangetrieben werden: auf der Grundlage eines auf dem Marxismus-Leninismus in seiner Einheit beruhenden interdisziplinären Konzepts Vertreter verschiedener Disziplinen - Philosophen, Ökonomen, Soziologen, Psychologen u. v. a. - zu wissenschaftswissenschaftlichen Forschungen zusammenzuführen und deren Ergebnisse zu einem einheitlichen
System wissenschaftstheoretischer Gesetzesaussagen zu integrieren.
K. Hager bemerkt in diesem Zusammenhang: „Dies erfordert eine solide wissenschaftliche Grundlage. Wir verfügen in Gestalt des Marxismus-Leninismus über eine
gesicherte und in der Praxis bewährte Ausgangsposition bei der Lösung der gegenwärtigen Probleme der Wissenschaftsentwicklung. Sich dieser Probleme anzunehmen, sind die marxistisch-leninistischen Philosophen, Ökonomen, Soziologen und
Historiker genau so aufgerufen wie Psychologen, Kybernetiker, Mathematiker und
Naturwissenschaftler. Eine ihrer Aufgaben ist es, in enger interdisziplinärer Arbeit
und ausgehend vom Marxismus-Leninismus die theoretischen Grundlagen der Wissenschaftsentwicklung weiter auszubauen, die für die Wissenschaftspolitik der Partei, aber auch für die Leitung und Organisation der wissenschaftlichen Tätigkeit in
den Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen der DDR den nötigen Vorlauf
sichern mufj." Und mit direktem Bezug auf die Forschungsarbeiten, die dazu an der
Akademie bereits geleistet worden sind - d. h. auch am Institut für Wissenschaftstheorie und -organisation - , stellt K. Hager weiter fest: „Die Anfänge, die in dieser
Hinsicht bereits in der Akademie der Wissenschaften gemacht worden sind, müssen
weiter unterstützt werden." 25
Im Ergebnis der Diskussion zu dieser Problematik wurde von allen Diskussionsteilnehmern Einmütigkeit hinsichtlich einer positiven Bestimmung des Status der
marxistisch-leninistischen Wissenschaftstheorie als interdisziplinäres Forschungs25
K. Hager: Sozialismus und wissenschaftlich-technische Revolution. Berlin 1972. S. 58
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Jochen Richter/Rainet
Vo§
gebiet erzielt. Daran anschließend wurde von F. Fiedler und G. Klimaszewsky berechtigt gefordert, in weiterer gemeinsamer Arbeit von Philosophen und Wissenschaftstheoretikern die Frage nach dem Verhältnis von Philosophie und Wissenschaftstheorie tiefer zu analysieren. In diese Richtung zielt auch das Anliegen des
Instituts für Wissenschaftstheorie und -organisation, wenn ζ. B. 1971 in einer Arbeit
von H. Laitko festgestellt wird: „Obwohl wir nicht der Ansicht sind, daß die marxistisch-leninistische Wissenschaftstheorie als eine philosophische Teildisziplin betrachtet werden kann, vertreten wir die Meinung, dafj sie einen expliziten philosophischen Kern enthalten muß . . . Die Existenz eines solchen expliziten philosophischen
Kerns gehört zu den wesentlichen Merkmalen, die die Wissenschaftstheorie als eine
gesellschaftswissenschaftliche Disziplin ausweisen. Daneben tritt die Wissenschaftstheorie - und der Gesamtkomplex der wissenschaftswissenschaftlichen Forschung als ganze in ähnlicher Weise wie jede andere bedeutende Disziplin auch in eine
äußere Wechselbeziehung mit der marxistisch-leninistischen Philosophie, in der ihre
spezifischen philosophischen und methodologischen Fragen beantwortet werden." 26
Die Legitimität dieser Bemühungen anerkennend, erklärte F. Fiedler, in der Frage
des Status der Wissenschaftstheorie inzwischen mehr dem Standpunkt des Instituts
für Wissenschaftstheorie und -organisation zuzuneigen. Im gleichen Sinne äußerte
sich G. Klimaszewsky, dafj er im Ergebnis der Diskussion die Arbeit des Instituts mit
größerem Verständnis sieht, als das vorher der Fall war. Gewiß muß die begonnene
Diskussion um die Herstellung produktiver Beziehungen zwischen Philosophie und
Wissenschaftstheorie fortgesetzt werden, zumal die letztere noch am Anfang ihrer
Entwicklung steht, so daß sich eine wirksame Wechselwirkung zwischen beiden noch
nicht in genügendem Maße herausbilden konnte. In der Diskussion wurden von Vertretern des Instituts für Wissenschaftstheorie und -organisation erste gemeinsame
Anknüpfungspunkte für die Kooperation zwischen marxistischen Philosophen und
Wissenschaftstheoretikern dargelegt. Es wird jedoch notwendig sein - und auch
hierfür liegen die erforderlichen Bedingungen vor - , die Beziehungen der marxistisch-leninistischen Wissenschaftstheorie zur politischen Ökonomie in der Diskussion mit marxistischen Ökonomen zu klären. Es entspricht dem Geist der Gemeinschaftsarbeit in der gesellschaftswissenschaftlichen Forschung, daß Fragen und Meinungsverschiedenheiten parteilich und konstruktiv im offenen Meinungsstreit geklärt werden.
26
H. Laitko: Zur Wissenschaftsauffassung der marxistisch-leninistischen Wissenschaftstheorie. In: Wiss. Z. Humboldt-Univ. Berlin. Ges.-Sprachw. R. XX (1971) 6. S. 694 f.
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