Fall 1 E besucht zum ersten Mal eine Weinversteigerung. Mit den Gepflogenheiten einer solchen Veranstaltung ist er nicht vertraut. Als er den Versteigerungssaal betritt, nickt ihm ein Bekannter zur Begrüßung lächelnd entgegen. E hebt entzückt den Arm und winkt seinerseits grüßend zurück. Im selben Moment erteilt der Auktionator A dem E den Zuschlag (§ 156 BGB) für eine Kiste Château Lafite Rothschild zum Preis von 12.500,00 €. E wusste nicht, dass das Armheben in einer Versteigerung als Abgabe eines Kaufgebots gewertet wird. Hat A gegen E einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 12.500,00 €? Fall 2 W ist Eigentümer eines „Wackel-Elvis“. Eines Tages schreibt er seinem Freund F folgenden Brief: „Lieber F, vor kurzem hast du dich für meine Elvis-Figur interessiert. Für 5,00 € kannst du sie haben.“ Kurz nachdem er das Schreiben per Post an F abgesandt hat, äußert der Dritte D reges Interesse an der Figur. Er möchte sie für 15,00 € kaufen. Daraufhin schickt W dem F ein Telegramm mit folgendem Wortlaut: „Ich ziehe mein Angebot bezüglich des Verkaufs des Wackel-Elvis zurück.“ F, der zuerst das Telegramm und dann den Brief des W erhält, wundert sich sehr. Er ist der Meinung, W sei an ein einmal abgegebenes Angebot gebunden. Deshalb erklärt er gegenüber W: „Ja, ich kaufe den Wackel-Elvis für 5,00 €.“ Hat F gegen W einen Anspruch auf Übereignung der Figur? Fall 3 V hat dem L sein Auto für eine Urlaubsreise geliehen. Als Rückgabetermin ist der 10.10. vereinbart, da V den Wagen für die anschließende eigene Urlaubsreise benötigt. Am 10.10. lässt L nichts von sich hören. Er denkt nicht an die vereinbarte Rückgabe. V mietet deshalb einen Ersatzwagen zum Preis von 1.600,00 € nachdem er vergeblich versucht hat, den L zu erreichen. Nach seiner Rückkehr verlangt V von L Schadensersatz für die Anmietung des Ersatz-PKW. Hat V gegen L einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 1.600,00 €? Fall 4 Galerist G bietet dem Kunstsammler K für 5.000,00 € eine kleine Bronzeskulptur an. Er behauptet bewusst wahrheitswidrig, bei der Büchse handle es sich um ein Original des Künstlers „Krachmann“. K glaubt der Anpreisung des G und nimmt das Angebot an. Noch vor der Abwicklung des Vertrags fliegt der Schwindel auf. Die Skulptur ist tatsächlich nur 50 € wert. K äußert gegenüber G, dass er sich getäuscht fühle und deshalb nicht am Vertrag festhalten will. G besteht auf Bezahlung gegen Übereignung und Übergabe der Skulptur. Hat G gegen K einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 5.000,00 €? Fall 5 A und B wollen am 20.7. heiraten. V, der Vater des A bestellt bei P, der einen HochzeitsParty-Service führt, ein opulentes Buffet zum Preis von 10.000,00 €. P erklärt sich bereit, das Essen bis 16.00 Uhr des genannten Tages anzuliefern. Zum vereinbarten Termin erscheint P nicht, da er in seinen Kalender irrtümlich den 27.7. als Liefertermin eingetragen hat. V versucht vergeblich, den P telefonisch zu erreichen. Auch nachfolgende Anrufe bei anderen Unternehmen bezüglich einer Essensbereitung werden abschlägig beschieden. Endlich erklärt sich Gastronom G bereit die Hochzeitsgäste zu beliefern. Für seine – dem Buffet des P vergleichbare – Leistung verlangt er jedoch 12.000,00 €. V zahlt das Geld zähneknirschend. Kann V von P die angefallenen Mehrkosten in Höhe von 2.000,00 € ersetzt verlangen? Fall 6 Kneipier K, der seine Gaststätte verschönern will, schließt am 7.8. mit dem ComicladenInhaber C in dessen Geschäft einen schriftlichen Kaufvertrag über eine große Gipsbüste von Goofy zum Preis von 800,00 €. K und C einigen sich darüber, dass C eine neue Büste beim Großhändler G bestellt, weil er nur noch über ein einziges Ausstellungsstück verfügt. K zahlt den Kaufpreis sofort. Auf der Vorderseite der von beiden Parteien unterzeichneten Vertragsurkunde findet sich ein dick aufgedruckter Hinweis: „Bestandteil dieses Vertrags sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des C-Comicladens“. K nimmt jedoch keinen Einblick in die im Laden ausliegenden Bedingungen. Am 11.8. verständigt C den K telefonisch darüber, dass der die zwischenzeitlich eingetroffene Büste ausgesondert habe und sie zur Abholung bereitstehe. Am selben Abend stößt C die Figur grob fahrlässig zu Boden. Sie zerbricht irreparabel. Als K hiervon am nächsten Tag erfährt, verlangt er von C Schadensersatz in Höhe von 200,00 €, da ein plötzlicher Sammlerboom die Preise für GoofyBüsten auf 1.000,00 € katapultiert hat. C verweist auf Ziffer 8 seiner AGB, in der es heißt: „Der Verkäufer haftet nur für Vorsatz, nicht jedoch für Fahrlässigkeit.“ und verweigert die Zahlung. Hat K gegen C einen Schadensersatzanspruch? Lösungsskizze Fall 1: A gegen E Kaufpreiszahlung gem. § 433 II I. Anspruch entstanden 1. Kaufvertrag, § 433 I a. Übereinstimmende Willenserklärungen (-) Mangels Erklärungswille des E. b. Kaufvertrag (-) 2. Anspruch entstanden (-) II. Ergebnis: A gegen E Kaufpreiszahlung gem. § 433 II (-). Lösungsskizze Fall 2: F gegen W Übereignung der Figur gem. § 433 I I. Anspruch entstanden 1. Kaufvertrag, § 433 a. Willenserklärung des W = Angebot (-), Angebot des W ist dem F zugegangen; eine Willenserklärung gegenüber Abwesenden wird gem. § 130 I 1 erst wirksam, wenn sie zugeht; gem. § 130 I 2 wird die Willenserklärung nicht wirksam, wenn demjenigen, dem sie zugehen soll, vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht. b. Willenserklärung des F = Angebot (+) Mit der Erklärung des F (Ja, ich kaufe…) c. Willenserklärung des W = Annahme (-) d. Kaufvertrag, § 433 (-) 2. Anspruch entstanden (-) II. Ergebnis: F gegen W Übereignung der Figur gem. § 433 I 1 (-). Lösungsskizze Fall 3: V gegen L Schadensersatz neben der Leistung gem. §§ 280 I, II, 286 I. I. Anspruch entstanden 1. Wirksames Schuldverhältnis (+) Leihvertrag, § 598 2. Voraussetzungen der §§ 280 II, 286 a. Fälliger einredefreier Anspruch, § 286 I 1 (+) Rückgabeanspruch, § 604. Mit Beendigung der Leihe, § 605 b. Nichtleistung trotz Mahnung, § 286 I oder Entbehrlichkeit, § 286 II aa. Mahnung (-) bb. Entbehrlichkeit (+) nach § 286 II Nr. 1 c. Vertretenmüssen des Schuldners (+) Fahrlässigkeit i.S.d. § 276 I, II 3. Voraussetzungen des § 280 I a. Verletzung einer Pflicht aus einem Schuldverhältnis, § 280 I 1 (+) Versäumte Rückgabe des Autos b. Vertretenmüssen des Schuldners (+) Fahrlässigkeit i.S.d. § 276 I, II c. (Aus Pflichtverletzung resultierender) Schaden (+) 1,600 € Mietkosten 4. Anspruch entstanden (+) II. Anspruch erloschen (-) III. Anspruch durchsetzbar (+) IV. Ergebnis: V gegen L Schadensersatz neben der Leistung gem. §§ 280 I, II, 286 (+). Lösungsskizze Fall 4: G gegen K Kaufpreiszahlung gem. § 433 II I. Anspruch entstanden 1. Kaufvertrag, § 433 I a. Übereinstimmende Willenserklärungen (+) Angebot und Annahme b. Kaufvertrag, § 433 I (+) 2. Wirksame Anfechtung der Willenserklärung des K a. Anfechtungsgrund aa. Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, § 123 I (1) Täuschung (+) (2) Kausalität zwischen Täuschung, Willenserklärung (+) (3) Arglist (+) (4) Arglistige Täuschung (+) bb. Anfechtungsgrund (+) b. Anfechtungserklärung, § 143 (+) c. Anfechtungsfrist, § 124 (+) d. Kein Ausschluss der Anfechtung e. Wirksame Anfechtung (+) 3. Anspruch entstanden (-) II. Ergebnis: G gegen K Kaufpreiszahlung gem. § 433 II (-). Lösungsskizze Fall 5: V gegen P Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 280 I, III, 283 S. 1 I. Anspruch entstanden 1. Wirksames Schuldverhältnis (+) Kaufvertrag gem. § 433 zwischen V und P 2. Voraussetzungen der §§ 280 III, 283 S.1 i.V.m. § 275 I-III a. Vereinbarte Leistung (+) Übereignung des Buffets, § 929 S.1 b. Objektive oder subjektive Unmöglichkeit, § 275 I (+) Zwar kann P die Leistung noch erbringen, nicht aber zum vereinbarten Zeitpunkt; es handelt sich bei der Verpflichtung des P jedoch um eine Leistung, die nur am vereinbarten Tag und zur vereinbarten Zeit erbracht werden kann (absolutes Fixgeschäft); die Nichteinhaltung der vereinbarten Leistungszeit bedeutet beim absoluten Fixgeschäft objektive Unmöglichkeit der Leistung, da eine spätere Erfüllung sinnlos wäre. c. Voraussetzungen der §§ 280 III, 283 S.1 i.V.m. § 275 I liegen vor 3. Voraussetzungen des § 280 I a. Pflichtverletzung, § 280 I 1 (+) b. Vertretenmüssen, § 280 I 2 (+) c. Schaden (+) d. Voraussetzungen des § 280 I (+) 4. Anspruch entstanden (+) II. Anspruch erloschen (-) III. Anspruch durchsetzbar (+) IV. Ergebnis: V gegen P Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 280 I, III, 283 S.1 (+) Lösungsskizze Fall 6: K gegen C Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 280 I, III, 283 S. 1 I. Anspruch entstanden 1. Schuldverhältnis, Pflichtverletzung (+) 2. Vertretenmüssen des Schuldners § 280 I 1 C hat die Büste grob fahrlässig zerstört; insofern haftet er gem. § 276; zwar hat C in Ziffer 8 seiner AGB eine Haftung für fahrlässiges Handeln ausgeschlossen; die Klausel entspricht auch den Voraussetzungen des § 305 I und ist gem. § 305 II Bestandteil des Vertrags geworden; der Ausschluss verstößt aber gegen § 309 Nr. 7.b); hiernach ist in AGB u.a. ein Ausschluss der Haftung für grob fahrlässiges Handeln unwirksam; es bleibt bei der Haftung aus § 276 Vertretenmüssen (+) 3. Schaden (+) 4. Anspruch entstanden (+) II. Anspruch erloschen (-) III. Anspruch durchsetzbar (+) IV. Ergebnis: K gegen C Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 280 I, III, 283 S. 1.