Centre juridique franco-allemand Universität des Saarlandes Wintersemester 2014/15 AG Bürgerliches Vermögensrecht I / 1 Übungsfall (§ 433 BGB): Klaus (K) geht in den Laden des Volker (V), sucht dort eine CD aus, die im Regal steht und 18,- Euro kosten soll und legt sie auf den Kassentisch. V tippt den Betrag in die Kasse ein. K überlegt es sich plötzlich anders und will die CD jetzt doch nicht mehr. Kann V trotzdem Bezahlung von 18,- Euro verlangen? Lösungsvorschlag: V könnte gegen K einen Anspruch auf Zahlung von 18.- Euro aus § 433 Abs. 2 BGB haben. Dafür ist erforderlich, dass ein wirksamer Kaufvertrag über die CD zum Preis von 18,Euro zustande gekommen ist. Das ist der Fall, wenn sich V und K vertraglich geeinigt haben. Eine solche Einigung setzt zwei übereinstimmende, mit Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen - Angebot und Annahme - voraus, §§ 145 ff. BGB. Es müsste zunächst ein Angebot vorliegen. Ein Angebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die ein Vertragsschluss einem anderen so angetragen wird, dass nur von dessen Einverständnis das Zustandekommen des Vertrages abhängt. Das Angebot muss inhaltlich also so bestimmt sein, dass die Annahme durch eine bloße Zustimmung des anderen erfolgen kann. Hierfür ist erforderlich, dass das Angebot die wesentlichen Punkte des Vertrages, also beim Kaufvertrag den Kaufgegenstand und den Kaufpreis, enthält; außerdem muss es mit dem Willen, sich rechtlich zu binden, abgegeben worden sein. Fraglich ist deshalb, ob V schon durch das Auslegen der CD im Regal ein wirksames Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages abgegeben hat. Zwar sind Kaufgegenstand und Preis bestimmbar, gegen das Vorliegen einer auf Vertragsabschluss gerichteten Willenserklärung könnte aber sprechen, dass es insoweit am Rechtsbindungswillen fehlt. Das Auslegen von Ware im Regal richtet sich nämlich nicht an eine konkrete Person sondern an die Allgemeinheit. Würde man darin schon die Abgabe eines Angebotes sehen, bestünde die Möglichkeit, dass zwei Personen gleichzeitig die Annahme im Hinblick auf ein im Regal ausgestelltes Produkt aussprechen könnten, also mehrere Kaufverträge über ein und dasselbe Produkt zustande kämen. Das ist nicht im Interesse der Parteien. In dem Auslegen der CD im Regal ist deshalb lediglich eine Aufforderung zur Offerte (inviatio ad offerendum) zu sehen und noch kein Angebot des V an K, die CD zu erwerben. -2K könnte jedoch ein Angebot dadurch abgegeben haben, dass er die CD auf den Ladentisch gelegt hat. Zwar hat K hierbei nichts gesagt, er hat also kein ausdrückliches Angebot abgegeben. Allerdings müssen Willenserklärungen nicht stets ausdrücklich abgegeben werden. Vielmehr genügt für die Annahme, dass eine Willenserklärung vorliegt, ein Verhalten, das sich aus der Sicht eines objektiven Beobachters als Äußerung eines auf die Herbeiführung einer bestimmten Rechtsfolge gerichteten Willens darstellt (sog. konkludente Willenserklärung). Indem K die CD auf die Kassentheke legt, gibt er damit nach außen zu erkennen, dass er die CD zu dem ausgezeichneten Preis kaufen möchte. Darin liegt ein konkludentes Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages. V müsste das Angebot angenommen haben. Die Annahme ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die der Antragsempfänger sein Einverständnis mit dem angebotenen Vertragsschluss zu verstehen gibt. Inhaltlich muss die Annahmeerklärung mit dem Angebot übereinstimmen; andernfalls liegt keine Einigung vor. Auch V hat hier keine ausdrückliche Willenserklärung abgegeben. Allerdings kann auch die Annahme eines Vertragsangebotes durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Hier hat V, nachdem K die CD auf den Ladentisch gelegt hat, den Betrag in die Kasse getippt und damit seinen Willen zur Annahme des Vertragsangebotes zum Ausdruck gebracht. Darin liegt eine konkludente Annahme des Vertragsangebots. Eine Willenseinigung über den Kauf der CD zum Preis von 18,- Euro liegt also vor. Damit ist ein Kaufvertrag zustande gekommen. Aus diesem hat V gegen K einen Anspruch auf Zahlung von 18,- Euro (§ 433 Abs. 2 BGB).