SWR2 OPER Moderationsmanuskript von Reinhard Ermen Albert Lortzing: „Zar und Zimmermann“ Sonntag, 17.04.2016, 20.03 Uhr Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. 1 Auf dem Spielplan steht „Zar und Zimmermann“ von Albert Lortzing. Den Text zu dieser ersten großen Erfolgsoper hatte der Komponist selber verfasst, wobei er auf ein Lustspiel von Georg Christian Römer „Der Bürgermeister von Saardam oder die beiden Peter“ zurückgriff; dieses Stück basierte wiederum auf einer französischen Vorlage. Darüber hinaus gab es in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch weitere Theaterstücke und Opern, die sich mit dem Stoff auseinandersetzten. Die Grundvoraussetzung, dass ein leibhaftiger Zar (fast) unerkannt als Zimmermann in Holland seinen Dienst tut, die damit verbundenen Verwechslungsmöglichkeiten und Verwirrungen waren eine geradezu idealtypische Vorlage für die unterhaltende Dramenliteratur der Zeit. Anscheinend hat Lortzing im wahrsten Sinne des Wortes das Beste daraus gemacht, jedenfalls war seine „Komische Oper in drei Akten“ seit der Uraufführung im Dezember 1837 in Leipzig ein ausgesprochenes Erfolgsstück. Das heisst, die eigentliche Erfolgsgeschichte (so melden es die Chronisten) habe sich erst nach der Berliner Aufführung im Januar 1839 etabliert. Wie dem auch sei, vor etwas mehr als 20 Jahren galt Lortzings Werk als ein unentbehrliches Vehikel der deutschen Opernspielpläne. Das hat sich mittlerweile etwas geändert, denn das Repertoire der Oper hat sich mittlerweile erweitert. Unsere Sendung hat deshalb möglicherweise den Charakter einer unerwarteten Wiederbegegnung. „Zar und Zimmermann“ überrascht wieder, denn hier hat ein geistvoller Theaterpraktiker, der so ganz nebenbei auch ein inspirierter Musikerfinder war, mit viel Gespür für dramaturgische Finessen eine heitere Oper geschrieben; und die komischen Sachen sind immer schwerer als die Tragödien. Eine gute Portion an biedermeierlicher Gemütlichkeit gehört in diesem Falle mit dazu, und die charmante Affirmation, mit der die Verhältnisse leicht ironisiert werden, ohne irgendetwas grundsätzlich in Frage zu stellen, - dieses Verfahren ist möglicherweise ein Erkennungsmerkmal. Wir senden eine Aufnahme der Plattenindustrie aus dem Jahr 1987 in folgender Besetzung: Zar Peter I., Zar von Russland, unter dem Namen Michaelow als Zimmergeselle Wolfgang Brendel Peter Iwanow, ein junger Russe und Zimmergeselle - Deon van der Walt Van Bett, Bürgermeister von Saardam - Kurt Moll Marie, seine Nichte - Barbara Bonney General Lefort, russischer Gesandter - Jan Hendrik Rootering Lord Syndham, englischer Gesandter - Kurt Rydl Marquis von Châteauneuf; französischer Gesandter - Peter Seiffert Witwe Browe, Zimmermeisterin - Cornelia Wulkopf Der Chor des Bayerischen Rundfunks Das Münchner Rundfunkorchester Leitung - Heinz Fricke Andeutungen zum Geschehen machte bereits das Personenverzeichnis. Wir sind in Holland, in einem Städtchen, das deutsch ausgesprochen, Saardam heißt. Man schreibt das Jahr 1698, Zar Peter I. arbeitet schon seit gut einem Jahr als Zimmermann auf einer Schiffswerft. Das gut gewahrte Inkognito beginnt zu brökeln. Die Diplomatie ist in Bewegung, der Zar soll aufgespürt werden, überall spioniert man den Russen hinterher, insbesondere denen, die Peter heißen. Die Untersuchungen konzentrieren sich auf zwei Verdächtige, auf Peter Michaelow, den echten Zaren, und auf Peter Iwanow, einen sympathischen jungen Mann, der seinerzeit desertiert ist. Mit von der Partie sind ein englischer, ein französischer Gesandter, ein Vertrauter des Zaren und nicht zuletzt, der eitle Bürgermeister von Saardam. Und dann ist da noch die reizende Nichte des Bürgermeisters, in die der eifersüchtige Peter Iwanow ziemlich verliebt ist. Heraus kommt ein Gemisch aus Intrige, Eifersucht und Politik. Ein wenig wird dabei vielleicht sogar die politische Befindlichkeit im vormärzlichen Deutschland gestreift, doch entscheidend ist, wie die offiziöse Geschichte und die Romanze zum Schluss übereinkommen. Die Anfänge dazu werden im ersten Akt exponiert, die 2 Geschichte erzählt sich in den Dialogen, in der Musik geht das Ganze auf einer gefühlten Ebene weiter. „Zar und Zimmermann“, 1. Akt = 65‘46“ SWR2 Opernabend, wir senden „Zar und Zimmermann“ von Albert Lortzing in einer Aufnahme mit dem Münchner Rundfunkorchester und dem Chor des BR unter der Leitung von Heinz Fricke. Die beiden Russen, die beide Peter heißen, also der echte und der falsche Zar werden gesungen von Wolfgang Brendel und Deon van der Walt. Den Bürgermeister singt Kurt Moll, seine Nichte Marie ist Barbara Bonney. Der französische Gesandte, der ihr gleich eine zärtliche Romanze singen wird, ist Peter Seifert. Bei dieser Gelegenheit zeigt sich wie geschickt Lortzing hier das persönliche mit dem politischen verknüpft und dabei auch das Bedürfnis des Publikums nach wirkungsvollen Auftritten und Liedern befriedigt. Der Marquis von Châteauneuf singt die Romanze „Lebe wohl mein flandrisch Mädchen“ um dem Zaren, also dem echten Peter, Gelegenheit zu geben den Entwurf zu einem Bündnisvertrag zwischen Russland und Frankreich zu lesen. Die Romanze dürfte das bekannteste Stück des zweiten Aktes sein, doch das raffinierteste ist das Sextett, das die beiden Parteien im Rahmen eines konspirativen Ensembles zusammenbindet; nur dass die eine Gruppe mit dem echten Zaren und die andere Gruppe mit dem falschen Mann verhandelt. Vor das eigentliche Finale setzt Lortzing ein Brautlied mit Chor. - Wir erinnern uns da wird ja gefeiert, ein Sohn der Witwe Browe heiratet. Der Komponist legt Marie zu diesem Zweck eine „Russische Nationalmelodie“ in den Mund. Das Finale endet dann in einer Art „Prügelszene“; die Schenke, in der der Akt spielt, ist von Soldaten umstellt. Die Diplomaten lüften ihr inkognito. Plötzlich sind zwei Zaren da, der eine, der echte, entzieht sich durch einen wirkungsvollen Faustschlag. „Zar und Zimmermann“, 2. Akt = 35‘38“ SWR2 Opernabend, wir senden „Zar und Zimmermann“ von Albert Lortzing in einer Aufnahme mit dem Münchner Rundfunkorchester und dem Chor des BR unter der Leitung von Heinz Fricke. Peter Michaelow ist Wolfgang Brendel, Peter Iwanow Deon van der Walt. Den Bürgermeister singt Kurt Moll, seine Nichte Marie ist Barbara Bonney. Es wird sich alles klären, die Verwechslungen treiben aber noch einen Augenblick das Geschehen des dritten Aktes; die köstliche Kantatenprobe, die der Bürgermeister mit den Bürgerinnen und Bürgern von Saardam abhält, gelten einem falschen. Der richtige Zar wird zum Schluss einen triumphalen Auftritt haben, doch zuvor singt er ein sentimentales, nachdenkliches Lied. Doch dann muss er zurück nach Russland, um dort seine Macht zu sichern. Zuvor wird er in Holland noch alles in Ordnung bringen, er wird auch das Glück von Peter Iwanow und Marie in die Wege leiten, und den eitlen Bürgermeister wird er blamieren. Aber das schadet der Figur in keinster Weise, denn dieser Van Bett ist eine der dankbarsten Bass-Buffo-Partien, die der Dichterkomponist jemals erfunden hat. „Zar und Zimmermann“, 3. Akt = 39‘08“ SWR2 Opernabend, auf dem Spielplan stand „Zar und Zimmermann“ von Albert Lortzing. Text vom Komponisten nach dem Lustspiel „Der Bürgermeister von Saardam oder die beiden Peter“ von Georg Christian Römer. - Die Ausführenden waren: 3 Zar Peter I., unter dem Namen Michaelow als Zimmergeselle - Wolfgang Brendel Peter Iwanow, ein junger Russe und Zimmergeselle - Deon van der Walt Van Bett, Bürgermeister von Saardam - Kurt Moll Marie, seine Nichte - Barbara Bonney General Lefort, russischer Gesandter - Jan Hendrik Rootering Lord Syndham, englischer Gesandter - Kurt Rydl Marquis von Châteauneuf; französischer Gesandter - Peter Seiffert Witwe Browe, Zimmermeisterin - Cornelia Wulkopf Der Chor des Bayerischen Rundfunks Das Münchner Rundfunkorchester Leitung - Heinz Fricke 4