Freitag · 31. Mai 2013 20 Uhr · Volkshaus Großer Saal 8. Philharmonisches Konzert Reihe C Das Meer gibt, das Meer nimmt Ottmar Gerster (1897-1969) Ouvertüre zur Oper »Enoch Arden« Benjamin Britten (1913-1976) Vier See-Zwischenspiele aus der Oper »Peter Grimes« op. 33a »Dawn«. Lento e tranquillo »Sunday Morning«. Allegro spiritoso »Moonlight«. Andante comodo e rubato »Storm«. Presto con fuoco Pause Ralph Vaughan Williams (1872-1958) Sinfonie Nr. 1 »A Sea Symphony« nach Texten von Walt Whitman für Soli, Chor und Orchester A Song For All Seas, All Ships. Moderato maestoso On The Beach At Night Alone. Largo sostenuto (Scherzo) The Waves. Allegro brillante The Explorers. Grave e molto adagio Dirigent: GMD Marc Tardue Sopran: Gudrun Ingimars Bariton: Nuno de Araújo Pereira Philharmonischer Chor Jena Einstudierung: Berit Walther Der Dirigent Marc Tardue wurde als Sohn franko-italienischer Eltern in Amerika geboren. Er absolvierte das Peabody Conservatory in Baltimore und studierte anschließend Klavier und Dirigieren, darüber hinaus ist er ausgebildeter Gesangslehrer und Klavierbegleiter. Schon kurz nach Beendigung seiner Studien erhielt er von amerikanischen Choral-, Sinfonie- und Opernensembles Engagements als musikalischer Leiter und Chefdirigent. Von 1982 bis 1984 war Marc Tardue Chefdirigent der National Opera von Reykjavik, 1984 gewann er den internationalen Dirigentenwettbewerb Concours International d’Execution Musicale „Ernest Ansermet“ (CIEM). 1985 übernahm er kurzfristig beim Ensemble Instrumentale de Grenoble Aufführungen der 9. Sinfonie von Beethoven und wurde sowohl vom Publikum wie auch den Musikern dermaßen umjubelt, dass das Orchester ihn anschließend umgehend zum Musikdirektor wählte. Unter seiner Leitung wurde das Repertoire des Klangkörpers um große Sinfonien sowie Chor- und Opernwerke erweitert. Zwischen 1991 bis 2002 war Marc Tardue Chefdirigent des Sinfonieorchesters des Theaters Biel (Schweiz), von 1999 bis 2009 Chefdirigent des Orquestra Nacional do Porto (Portugal), seit 2010 ist er Künstlerischer Leiter und Musikdirektor der Oper Schenkenberg (Schweiz). Als gern gesehener Gastdirigent arbeitet er mit renommierten Orchestern im In- und Ausland zusammen. Für seine künstlerischen Leistungen wurde Marc Tardue mit vielen Preisen und Auszeichnungen geehrt, u.a. erhielt er 1989 den französischen Kulturorden »Chevalier des Arts et des Lettres« und 2004 die »Medalha de Mérito Cultural«, eine der höchsten Ehrungen Portugals. Mit Beginn der Spielzeit 2012/2013 ist Marc Tardue Generalmusikdirektor der Jenaer Philharmonie. Die Solisten Die isländische Sopranistin Gudrun Ingimars begann ihre Gesangsausbildung an der Akademie für Gesang in Reykjavik. Sie setzte ihre Ausbildung in London bei Vera Rozsa sowie am MayerLismann Opera Center fort. An der Musikhochschule Stuttgart studierte sie in der Meisterklasse von Frau Prof. Sylvia Geszty und an der dortigen Opernschule. Meisterkurse besuchte sie unter anderem bei Elly Ameling, Robin Bowmann, Siegfried Lorenz und Janet Perry. Sie wirkte in vielen Opernproduktionen in Großbritannien, der Schweiz, Deutschland und Island mit. Gudrun Ingimars ist darüber hinaus eine gefragte Konzertsängerin und ihre Auftritte führten sie in die Musikmetropolen Europas. Engagements an die Bayerische Staatsoper München, die Württembergische Staatsoper Stuttgart und das Markgräfliche Opernhaus Bayreuth. Die Preisträgerin des Internationalen Erika-Köth-Wettbewerbs wurde sowohl vom Isländischen Verein zur Förderung von jungen Sängern als auch vom Kulturministerium ausgezeichnet. Nuno A. Pereira wurde in Santa Maria da Feira (Portugal) geboren. Seine musikalische Ausbildung begann an der Musikakademie Santa Maria bei Professor Ondina Santos. Später setzte er sein Studium an der Musikhochschule von Coimbra in der Klasse von Prof. Isabel Melo e Silva fort und schloss seine Ausbildung am Royal Scottish Academy of Music and Drama in Glasgow ab; kurze Zeit später folgte der Abschluss seines postgradualen Studiums an der Alexander Gibson Opera School sowie die Zusammenarbeit mit Michael Rhodes ab 2006. Kurse besuchte er bei Samlimg Masterclass, Renato Bruson, Tom Krause, Philip Langridge, Patricia MacMahon und Laura Sarti. Zu erleben war er u. a. als Don Pizarro in Fidelio am Staatstheater Darmstadt, als Remigio in Irene sowie als Tartaglia in Busonis Turandot am Teatro Nacional de São Carlos, als Argante in Rinaldo am New Athenäum Theatre und Edinburgh Festival Theatre sowie als Dieb in The Vanishing Bridegroom am New Athenäum Theater. Er arbeit mit Dirigenten wie Konstantin Trinks, João Paulo Santos, Lukas Beikircher, Timothy Dean, Christian Curnyn, Bartholomew Berzonsky, Marc Tardue und Sir Charles Mackerras zusammen. Gastspiele führten Nuno A. Pereira nach Portugal, Deutschland, England sowie Schottland. Sein Repertoire umfasst Werke wie L'Enfance du Christ, Beethovens Neunte Sinfonie, Antonín Dvořáks Te Deum, Ein Deutsches Requiem von Johannes Brahms, Mozarts Feierliche Vesper, Come Ye Sons of Art von Henry Purcell sowie Israel in Ägypten von Georg Friedrich Händel. Künftig wird der Sänger als Tonio sowie Silvio in Der Bajazzo und Scarpia in Tosca am Teatro Nacional Sao Carlos in Lissabon zu erleben sein. Der Philharmonische Chor Jena Im Jahr 1970 wurde der Philharmonische Chor Jena durch den damaligen Chefdirigenten der Jenaer Philharmonie Günter Blumhagen gegründet. Im Jahr 1985 wurde Jürgen Puschbeck Chordirektor. Unter seiner Leitung konnte der Chor bei zahlreichen Konzerten über Thüringens Grenzen hinaus Bekanntheit erlangen, so auch bei Auftritten in Großbritannien, Frankreich und Griechenland. Mit Beginn der Spielzeit 2000/2001 übernahm Berit Walther die Leitung. Seitdem wurden unter anderem Werke wie Haydns Die Jahreszeiten, Kaddish von Bernstein, die Missa Solemnis von Beethoven, Elias und Die erste Walpurgisnacht von Mendelssohn und Händels Messiah einstudiert und aufgeführt. Im Mai 2010 feierte der Chor sein 40jähriges Jubiläum. 1970 in Mühlhausen/Thüringen geboren, erhielt Berit Walther ihre erste musikalische Ausbildung mit 6 Jahren an der Musikschule ihres Heimatortes in den Fächern Klavier, Chor und Musiktheorie. 1988 begann sie ihr Studium an der Hochschule für Musik FRANZ LISZT in Weimar. Diese Ausbildung wurde nach fünf Jahren mit dem künstlerischen Diplom im Fach Chordirigieren mit »sehr gut« beendet. Anschließend studierte Berit Walther im Ergänzungsstudiengang Orchesterdirigieren und schloss dieses im November 1995 ebenfalls mit »sehr gut« ab. Seit April 1993 war sie als Stimmbildnerin und Assistentin des Chordirektors der Jenaer Philharmonie verpflichtet, im September desselben Jahres übernahm sie die Leitung des Studentenchores der Friedrich-Schiller-Universität Jena; ein Jahr später die Leitung der Chöre des Musikgymnasiums Schloss Belvedere. Seit August 2000 leitet sie in der Funktion der Chordirektorin die Chöre der Jenaer Philharmonie, seit Oktober 2007 hat sie einen Lehrauftrag im Fach Chordirigieren an der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar. Die Komponisten und ihre Werke Seit je her übt das Meer, seine Weite eine große Faszination auf den Menschen aus. Der Titel »das Meer gibt, das Meer nimmt« spiegelt genau diese Begeisterung, diese Leidenschaft wider und so verwundert es nicht, dass zahlreiche Komponisten sich diesem Mysterium angenommen haben. Entstanden sind so eindrucksvolle Gemälde tobender Wellen, gewaltiger Winde, Gemälde mit den unermesslichen Weiten des Ozeans von Ralph Vaughan Williams, Benjamin Britten und Ottmar Gerster. Alle Kompositionen begnügen sich jedoch nicht mit der Beschreibung unterschiedlicher Meeresstimmungen, sondern charakterisieren zudem die Stimmungslagen der Protagonisten und bieten zum Teil visionären Charakter. Ottmar Gerster studierte am Hoch’schen Konservatorium in Frankfurt am Main Violine und Komposition und konnte sein Studium nach Kriegsende abschließen und wurde Solo-Bratschist im Frankfurter Sinfonieorchester sowie Mitglied der Quartette Lenzewski und Witek. Erste Erfolge als Komponist stellten sich ein; parallel hierzu ist er jedoch in zunehmendem Maße als Lehrer in Essen, Weimar und Leipzig tätig. Gersters Kompositionen verbinden liedhafte Melodik mit klarer formaler Gestaltung, ohne den Boden der Tonalität zu verlassen. Seine Bühnenwerke haben hauptsächlich zu seinem großen Erfolg beigetragen, darunter sein wohl berühmtestes Werk Enoch Arden, welches an den Stil Paul Hindemiths erinnert. Die Ouvertüre zur Oper Enoch Arden schildert in beeindruckender Art und Weise die Gewalt und Ferne der Meere und gestattet Einblicke in seine ganz eigene Arbeitsweise, in der Ottmar Gerster zur Schilderung von Stimmungen die Technik der Leitmotive sowie eine große Volkstümlichkeit in den Vordergrund rückt. Enoch Arden, ein alter Seefahrer, bereitet sich auf seine Seereise vor und bittet den Windmühlenbesitzer Klas, auf seine Frau Annemarie, mit der Klas einmal zusammen war, aufzupassen. Zehn Jahre später ist Enoch Arden von seiner Reise immer noch nicht zurück gekehrt; Annemarie hält ihn für verschollen und ist mit ihrem Sohn zu Klas in die Windmühle gezogen. Die Ungewissheit quält sie, ist ihre Liebe zu Klas doch wieder entfacht. Der Bürgermeister überbringt die Nachricht, dass Enoch Arden verstorben sei. Annemarie und Klas planen daraufhin ihre Hochzeit. Szenenwechsel auf eine Südseeinsel, auf welcher der Schiffbrüchige Enoch seit mehr als zehn Jahren lebt – doch gerade als er alle Hoffung verloren hat, erblickt er am Horizont ein Schiff – seine Rettung naht. Enoch Arden kehrt in sein Heimatdorf zurück und erfährt von der Hochzeit seiner Frau und realisiert, dass es keine Zukunft für ihn gibt. Ein letztes Mal spricht er zu seinem Sohn, um sich anschließend ins Meer zu stürzen. Der musikalisch frühreife Benjamin Britten erhielt bereits als Sechsjähriger den ersten Musikunterricht bei seiner Mutter und komponierte ab 1921 regelmäßig und geschickt; in seine Schulzeit fällt auch die erste Veröffentlichung eines seiner ersten Werke, eine Sinfonietta für Kammerorchester. Am Royal College of Music in London setzte er seine Studien (Klavier und Komposition) fort. Gerne hätte Britten bei Alban Berg in Wien gelernt, jedoch verhinderten die Lehrer des Royal College dies mit Verweis auf die Zwölftonmusik, welche in London nicht gerade hoch im Kurs stand. Später erklärte Britten selber, dass ihn die Zwölfton- und die daraus abgeleitete serielle Musik nie wirklich interessiert hätten. Britten entwickelt in der Folge einen überaus charakteristischen Personalstil, der stets tonal gebunden, jedoch immer wieder neu definiert wird. Obwohl sein Werkkatalog im Wesentlichen alle Gattungen enthält, liegt der Schwerpunkt doch deutlich im Bereich der Vokalmusik, auf seinen insgesamt 17 Bühnenwerken. Seiner ersten Oper Peter Grimes ist es zu verdanken, dass Britten bereits 1945 seinen Durchbruch feiern konnte. Besonders prägend war dabei die Verbindung mit dem Tenor Peter Pears, für den er die wichtigsten Opernpartien komponierte, angefangen bei Peter Grimes. Die Handlung spielt in einer kleinen englischen Fischerstadt um 1830. Peter Grimes lebt zurück gezogen; dies genügt bereits, um ihn den Mitmenschen verdächtig erscheinen zu lassen. Bei stürmischer See kommt sein junger Gehilfe ums Leben – der Unfall wird gerichtlich bestätigt, die Ortsbewohner beschuldigen jedoch weiterhin Grimes. Im ersten Akt werden alle Einwohner vorgestellt. Peter Grimes sucht einen Gehilfen für sein Boot. Da ihn niemand unterstützen möchte, fällt seine Wahl auf einen Jungen aus dem Waisenhaus. Dem Ungeliebten wird immer wieder kommuniziert, dass es doch besser wäre, wenn er seinen Heimatort verlassen würde – Peter Grimes lehnt jedoch ab. Die Vorbereitungen zu einer Seeausfahrt bei schlechtem Wetter gipfeln in dem Tod des Jungen, der die Klippen hinunter rutscht; Grimes kann ihn nicht retten. Für die Einwohner ist es klar, dass Grimes den Jungen ermordet hat. Daraufhin sucht er auf See den Tod. Bereits vor der Uraufführung seiner Oper stellte Benjamin Britten vier wunderschöne Zwischenspiele zu einer Suite zusammen - Vier See-Zwischenspiele aus der Oper Peter Grimes op 33a. Im Mittelpunkt der Suite steht das singende Meer – Grundlage des Lebens und tödliche Bedrohung zugleich. Das Meer kann somit als Hauptakteur der Oper angesehen werden. Die einleitende Dämmerung (»Dawn«) ist geprägt von einem Wechsel der Violin-Kantilene und einem sich langsam steigernden Bläsersatz und erzeugt somit einen ersten Eindruck des Meeres und seiner Umgebung und verbindet in der Oper den Prolog mit dem ersten Akt. Hörner eröffnen den Sonntagmorgen (»Sunday Morning«), zu denen sich in der Folge die Streicher hinzu gesellen. Expressiv entfaltet sich das dritte Zwischenspiel »Moonlight« in den tiefen Streichern und Bläsern, wobei Flöte, Harfe und Xylophon grelle Akzente setzen. Zum Abschluss setzt Britten einen Höhepunkt nach dem anderen, in dem er sein chromatisches Hauptthema den einzelnen Instrumentengruppen zuordnet. Eine letzte expressive Streicherkantilene wird von den Gewalten des Meeres einfach so hinweg gewischt und zeugt vom tragischen Ende der Oper. Der amerikanische Dirigent James Conlon fasste den Inhalt wie folgt zusammen: »Das Los dieses einsamen Fischers Peter Grimes ist ein Symbol des 20. Jahrhunderts für den ewigen Außenseiter, für den Kampf der Masse gegen das Individuum, das Opfer von Vorurteilen und Bigotterie, für das Bedürfnis jeder Gesellschaft nach einem Sündenbock.« Ralph Vaughan Williams erhielt seinen ersten Musikunterricht von seiner Tante im Klavierspiel; sie war es auch, die ihn in erste theoretische Grundlagen einweihte. Bei Schulkonzerten spielte Williams bereits Orgel, Violine und Viola und präsentierte ein eigenes Werk. Er studierte am Royal College of Music in London, anschließend am Trinity College in Cambridge, wobei er sich neben der Musik zusätzlich mit Geschichte und Philosophie beschäftigte. Erst die Feierlichkeiten zu Henry Purcells 200. Todestag lenkten seine Aufmerksamkeit voll auf die Schätze der englischen Musik. Von nun an nahm er jede Gelegenheit war, seine musikalischen Kenntnisse zu erweitern. Von 1901 an konnte sich Williams ganz seiner Tätigkeit als Komponist widmen. Zwischen 1903 und 1909 entsteht seine erste Sinfonie, eine imposante Choralsinfonie, der Williams den Namen A Sea Symphony gab. Die eindrucksvolle Komposition für Soli, Chor und Orchester fußt auf dem Gedichtzyklus Grashalme von Walt Whitman und setzt das Leben der Menschen mit den großen Entdeckungsreisen der Seefahrer in Beziehung. Fanfaren eröffnen den in Sonatenform gestalteten ersten Satz mit dem Titel »A Song For All Seas, All Ships«. In beeindruckender Art und Weise artikuliert der Chor das Hauptthema. Williams zeichnet gleich zu Beginn ein gewaltiges musikalisches Bild des Meeres. Doch zwischen all dem »Getöse« und der zerstörerischen Kraft des Ozeans lassen sich Orte der Stille finden – besonders in den Soloparts. Der langsame, düstere Satz - On The Beach At Night Alone – setzt diese Stille in der Beschreibung der Weite des Ozeans fort. Kontrastierend hierzu gestaltet sich das Scherzo; die Wellen des Meeres stehen dabei wie der Chor ganz im Mittelpunkt. Eine religiöse Tendenz herrscht im Finale vor. Kraftvolle Abschnitte wechseln sich mit zurückhaltenden Passagen ab. Verhalten endet Williams Sinfonie – das Unsagbare, das Unbekannte bleibt im Raum stehen. Text: Markus Pietrass