Vorlesung Geldtheorie und –politik WS 2008/98 Heinemann

Werbung
Vorlesung Geldtheorie und –politik
WS 2008/98
Heinemann
1. Geld und Inflation - Eine Einführung
1.1. Entstehung und Erscheinungsformen des Geldes (Jarchow, I.1.c)
-
Warengeld, Beispiele: Weizen, Salz, Kaurimuscheln, Fische, Häute, Metalle, Zigaretten usw.
Eigenschaften: Homogenität, Teilbarkeit, Haltbarkeit, Knappheit, (Nicht-reproduzierbarkeit?).
Münzen als standardisiertes Metallgeld (Homogenität)
Welche Güter setzen sich als Tauschmittel durch?
Antworten bieten Kiyotaki/Wright1 und nachfolgende Literatur:
Güter, die von Vielen als nützlich erachtet werden (intrinsischer Wert für denjenigen, der das Gut annimmt)
Güter, die relativ geringe Lagerhaltungs- und Transportkosten aufweisen.
-
1
Kreditgeld: Scheidemünzen, Wechsel, Banknoten, Buchgeld
Scheidemünzen = nicht vollwertige Münzen, Handelswert höher als Metallwert
Wechsel = verbrieftes Zahlungsversprechen, zB A kauft Waren bei B, hat aber kein Gold dabei sondern besorgt
sich vorher bei seiner Bank einen Wechsel, mit dem der Bankier verspricht, dem Inhaber eine bestimmte Menge
Goldes zu geben. B kann den Wechsel seinerseits weiterreichen an C, C an D, bis evtl. D den Wechsel einlöst.
Besonderheit: Jeder Zeichner haftet für den Wechsel!
private Banknoten: Bank stellt Noten aus, die von Dritten akzeptiert werden. Verpflichtung der Bank, die Noten
jederzeit gegen Gold einzulösen.
Im 19. Jahrhundert: Übergang zu staatlichen Banken, Banknotenmonopol.
Allmähliche Aufgabe der Verpflichtung, Noten gegen Metall umzutauschen.
Buchgeld: nicht verbriefte Forderungen an Zentralbank oder Geschäftsbanken, die jederzeit in verbriefte
Forderungen / Banknoten umgetauscht werden können.
Kiyotaki, Nobuhiro, & Wright, Randall, 1989, Journal of Political Economy, vol. 97(4), pages 927-54.
1
-
Geldnahe Forderungen: Termineinlagen, Spareinlagen mit Kündigungsfrist.
erfüllen einige, aber nicht alle der Funktionen des Geldes: Wertaufbewahrung, aber nicht Tauschmittel.
Gleichwohl: leichte Umwandelbarkeit in Buchgeld, werden daher zur Geldmenge i.w.S. gezählt.
1.2. Geldfunktionen (Jarchow, I.1.a-b)
-
Tauschmittel: Stellen wir uns vor, Person
A besitzt Gut 1 und will Gut 2,
B besitzt Gut 2 und will Gut 3,
C besitzt Gut 3 und will Gut 1.
Wie kann es zu einer Re-Allokation der Güter kommen? „double-coincidence of wants“ liegt nicht vor.
1. Alle drei treffen sich an einem Ort und handeln einen Ringtausch aus. (Bei mehr als 3 Personen
zunehmend schwieriger.)
2. Eine Person (z.B. A) fungiert als Zwischenhändler (Intermediär): Jeder liefert seine Güter bei A ab, A
liefert anschließend die gewünschten Güter aus.’
3. Ein Gut wird als Tauschmittel (Medium of exchange) akzeptiert (z.B. Gut 1):
Schritt 1: A tauscht mit B, A verbessert sich, weil er sein gewünschtes Gut erhält,
B verbessert sich, weil er das Tauschmittel erhält.
Schritt 2: B tauscht mit C, beide verbessern sich, weil sie ihre gewünschten Güter erhalten.
Intermediär und Tauschmittel setzen vertrauen voraus: Zuerst liefere ich meine Güter ab und erhalte ein
versprechen, später für mich nützliche Güter zu erhalten. Vertrauen in den Intermediär oder in die
Wertbeständigkeit des Tauschmittels.
-
Recheneinheit: Wenn alle Güter gegen Geld getauscht werden können, bilden sich Preise, die in Geldeinheiten
ausgedrückt werden. -> Wertmaßstab, direkte Vergleichbarkeit des Wertes verschiedener Güter (auch solcher, die nicht
gegeneinander getauscht werden). Erleichtert Allokationsprozess und Produktionsentscheidungen.
2
-
Wertaufbewahrung: Tauschmittelfunktion bedingt eine zumindest kurzfristige Lagerfähigkeit des Geldes. Somit dient es
zumindest einer kurzfristigen Wertaufbewahrung. Je nach physischer Beschaffenheit bzw. Wertverlust pro Zeiteinheit
kann Geld auch der mittel- und langfristigen Wertaufbewahrung dienen.
-
Zusammenhänge zwischen diesen Funktionen: Die Funktionen als Recheneinheit und Wertaufbewahrungsmittel
ergeben sich unmittelbar aus der Tauschmittelfunktion. Umgekehrt ist es leichter einen Handelspartner zu überzeugen,
ein Gut in Zahlung zu nehmen, das wertbeständig ist. Die Wertbeständigkeit spielt eine große Rolle bei der
Durchsetzung einzelner Güter als Warengeld, aber auch bei der Entscheidung, in welcher von verschiedenen
Währungen Transaktionen abgeschlossen werden.
Beispiele: Dollar oder Euro fungieren in vielen Ländern als inoffizielle Währung, weil die eigene Währung zu
instabil ist.
1.3. analytische Geldmengenkonzepte (Jarchow, I.1.c.dd + ÎII.3.a: S. 101-109)
Unterscheide - Geldschöpfungssektor: monetäre Finanzinstitute, die Einlagen entgegennehmen (Zentral- und
Geschäftsbanken, sowie andere Finanzinstitute)
- Geldhaltungssektor: alle übrigen privaten und öffentlichen Haushalte unterhalb der Zentralregierung und
Unternehmen (kurz „Nichtbanken“).
-
Bargeldumlauf: Banknoten und Münzen im Besitz von Nichtbanken.
-
M1 = Bargeldumlauf + täglich fällige Einlagen (Girokonten) von Nichtbanken. -> höchste Liquidität
-
M2 = M1 + Einlagen mit Laufzeit bis zu 2 Jahren oder Kündigungsfrist von bis zu 3 Monaten.
dient z.T. stärker der Wertaufbewahrung als der Verfügung als Zahlungsmittel (insb. Termingelder)
-
M3 = M2 + Verbindlichkeiten aus Wertpapierpensionsgeschäften + Schuldverschreibungen mit Laufzeit bis zu 2 Jahren
+ Geldmarktfondanteile und Geldmarktpapiere
-
Monetäre Basis: Banknoten, Münzen und Einlagen der Geschäftsbanken bei der Zentralbank
3
Geldmengen EWU, August 2006
In % von M3
M1
47,8%
davon Bargeld
täglich fällige Einlagem
M2 – M1
In Mrd €
3571,3
7,5%
558,7
40,3%
3012,6
38,0%
2837,2
Einlagen mit Laufzeit bis 2 Jahren
17,0%
1270,5
Einlagen mit Kündigungsfrist bis 3 Monaten
21,0%
1566,7
M3 – M2
14,2%
1060,7
Repogeschäfte (Wertpapierpensionsgeschäfte)
3,4%
255,3
Geldmarktfondgeschäfte
8,4%
625,5
Schuldverschreibungen bis zu 2 Jahren
2,4%
179,9
M3
100,0%
7469,2
Geldmengen EWU, August 2007
M3
8344,1
4
1.4. Geldangebot
-
Monetäre Basis besteht aus Banknotenumlauf und Einlagen der Geschäftsbanken bei den Zentralbanken.
und wird als Indikator (Zwischenziel) benutzt. (Jarchow, III.3.a)
Sie ergibt sich im Wesentlichen aus der Bilanz der Zentralbanken. Münzumlauf wird von der EZB festgelegt, aber
Münzen werden von den Finanzbehörden ausgegeben.
Münzumlauf derzeit 17,9 Mrd. €., Banknotenumlauf 628,2 Mrd. € (31.12.06)
Bilanz der EZB am 31.12.2006 (Mrd. €)
Aktiva
Passiva
Gold, Goldforderungen
9,930
Banknotenumlauf
Forderungen an den IWF
0,415
Verbindlichkeiten in Euro
1,170
Verbindlichkeiten in Fremdwährungen
0,331
Andere Forderungen in Fremdwährungen
Forderungen in Euro
Intra-Eurosystem-Forderungen
Sonstige Aktiva
Aktiva insgesamt
33,087
0,004
53,805
9,525
105,766
Intra-Eurosystem-Verbindlichkeiten
50,259
39,782
Sonstige Passiva
2,162
Rückstellungen
2,394
Ausgleichsposten
5,578
Kapital
4,089
Jahresüberschuss
0
Passiva insgesamt
105,766
Quelle: http://www.bundesbank.de/download/ezb/jahresberichte/2006jb_ezb.pdf
5
Bilanz der Deutschen Bundesbank am 31.12.2006 (Mrd. €)
Aktiva
Gold, Goldforderungen
Forderungen an den IWF
Andere Forderungen in Fremdwährungen
Forderungen in Euro an Kreditinstitute
Forderungen an den Bund
Intra-Eurosystem-Forderungen
Sonstige Aktiva
Passiva
53,114
3,011
28,640
259,397
4,440
18,273
6,360
Banknotenumlauf
Verbindlichkeiten in Euro auf Girokonten
373,535
47,913
Andere Verbindlichkeiten in Euro
4,193
Verbindlichkeiten in Fremdwährungen
1,064
Ausgleichsposten für zugeteilte SZR (IWF)
1,382
Intra-Eurosystem-Verbindlichkeiten
84,334
Sonstige Passiva
3,255
Rückstellungen
5,370
Ausgleichsposten aus Neubewertung
Aktiva insgesamt
170,881
45,933
Grundkapital und Rücklage
5,000
Jahresüberschuss
4,205
Passiva insgesamt
373,535
Quelle: http://www.bundesbank.de/download/volkswirtschaft/jahresberichte/2006gb_bbk.pdf
Forderungen an den öffentlichen Sektor: Die Maastrichter Beschlüsse verbieten es den europäischen Zentralbanken,
Staatskredite zu vergeben. Sie dürfen jedoch Staatspapiere im Rahmen von Offenmarktoperationen kaufen.
Verbindlichkeiten in Euro sind überwiegend Einlagen auf Girokonten (Mindestreserve)
6
-
Refinanzierung: (Bundesbank: Glossar, http://www.bundesbank.de/bildung/bildung_glossar.php)
Auf dem Kreditwege von den Banken bei der Notenbank beschafftes Zentralbankgeld. Während sich ein einzelnes Geldund Kreditinstitut auch am (Interbanken-) Geldmarkt refinanzieren kann, besteht für das Bankensystem als Ganzes die
Notwendigkeit, sich bei der Zentralbank zu refinanzieren. Dies geschieht i.d.R. über Offenmarktgeschäfte i.w.S., bei
denen die Initiative bei der Zentralbank liegt, und über ständige Fazilitäten, welche die Kreditinstitute aus eigener
Initiative in Anspruch nehmen können.
Refinanzierungszinssatz (moneyfruits, Wissen ist Geld: http://www.moneyfruits.com/wissen/dokumente/2245.html)
Der Zinssatz, zu dem sich Banken untereinander oder von der Nationalbank Geld ausleihen, heißt allgemein
„Refinanzierungszinssatz“. Wenn sich eine österreichische Bank im Euro-Land Geld ausleiht, so kommt als
Refinanzierungszinssatz der EURIBOR (EURO Interbank Offered Rate) zum Tragen, wenn sie sich das Geld von einer
Nationalbank außerhalb der Euro-Zone leiht, kommt der LIBOR (London Inter Bank Offered Rate traditionell werden die
in London veröffentlichten Zinssätze herangezogen) dieser Währung zum Tragen. Der Verdienst der Banken ist im
Zinsaufschlag (Marge) zu finden, die der Kreditkunde zu zahlen hat.
-
Offenmarktgeschäft (Bundesbank: Glossar, http://www.bundesbank.de/bildung/bildung_glossar.php)
Geldpolitische Operation, die auf Initiative der Zentralbank erfolgt und bei der die Zentralbank Wertpapiere hereinnimmt
oder abgibt. Solche Geschäfte können „endgültig“ (definitiv) oder „auf Zeit“ als befristete Transaktionen erfolgen. Letztere
können gemäß einer Rückkaufsvereinbarung als Wertpapierpensionsgeschäft oder auf Verpfändungsbasis abgewickelt
werden.
-
Tenderverfahren (Bundesbank: Glossar, http://www.bundesbank.de/bildung/bildung_glossar.php)
Verfahren, bei dem die Zentralbank auf der Basis konkurrierender Gebote der Geschäftspartner dem Markt Liquidität
zuführt oder vom Markt absorbiert. Die für die Zentralbank günstigsten Gebote kommen vorrangig zum Zuge, bis der
7
Gesamtbetrag an Liquidität, der von der Zentralbank zugeführt oder absorbiert werden soll, erreicht ist. Das Eurosystem
verwendet zum Beispiel zur Durchführung ihrer regelmäßigen Offenmarktgeschäfte sog. Standardtender (Mengen- oder
Zinstender, Durchführung innerhalb von 24 Stunden).
Mengentender (Wikipedia)
Bei der Steuerung der Geldmenge durch Offenmarktgeschäfte wird der Mengentender verwendet. Bei dem
Mengentender gibt die Europäische Zentralbank (EZB) den Zinssatz für angebotenes Zentralbankgeld vor. Die
Geschäftsbanken machen Gebote in Höhe der gewünschten Geldbeträge, die sie erwerben wollen. Die Zuteilungsquote
errechnet sich, indem das insgesamt beabsichtigte Zuteilungsvolumen auf die gesamte Angebotssumme bezogen wird.
Im Gegensatz dazu gibt es den Zinstender. Das Problem der Mengentender liegt darin, daß die Geschäftsbanken wegen
des niedrigen Zinssatzes dazu neigen, höhere Mengengebote abzugeben, als sie eigentlich benötigen. Bei der
anschließenden Quotelung (Pro-rata-Zuteilung) schnitten sie dann besser ab. Wegen der ständigen und massiven
Überbietung wurde am 27. Juni 2000 auf das Zinstenderverfahren umgestellt.
Zinstender (Wikipedia)
Mit dem Verfahren des Zinstenders kann die Zentralbank ihre Offenmarktgeschäfte durchführen. Die beteiligten
Geschäftsbanken geben dabei nicht nur ein Gebot über den gewünschten Geldbetrag ab, sondern auch über den Zins,
den sie zahlen wollen. In der Tatsache, dass eben kein Zins von der Zentralbank vorgegeben wird, liegt der Unterschied
zum Mengentender. Allerdings hat die Zentralbank auch beim Zinstender die Möglichkeit, einen Mindestzinssatz
vorzugeben, den die Banken bieten müssen (als Signal für den geldpolitischen Kurs).
Die Zuteilung der Wertpapiere erfolgt nach dem Ende der Gebote entweder nach dem
•
amerikanischen Verfahren, bei dem alle Bieter des Tenderverfahrens zu dem Zinssatz bedient werden, zu dem sie
jeweils geboten haben. Der niedrigste Zins, zu welchem noch eine (teilweise) Zuteilung erfolgt, ist der marginale
Zinssatz. Die einzelnen Gebote zum marginalen Zinssatz werden hierbei im Verhältnis zum kumulierten Gebot
gekürzt - man spricht von Repartierung. Bei diesem Verfahren erhalten die Banken mit den höchsten Zinsangeboten
8
den Zuschlag, d.h. das Geld fließt zu den Banken, die es am nötigsten brauchen (Einführung einer
Marktkomponente).
•
holländischen Verfahren, bei dem alle zum Zuge kommenden Bieter zum marginalen Zinssatz bedient werden. Wie
beim Mengentender wurden von den Banken oft Mondgebote abgegeben (Sie mussten ja nur den Marginalen
Zinssatz zahlen).
Die EZB verwendet seit dem 27. Juni 2000 das amerikanische Zinstender-Verfahren. Die Abwicklung erfolgt im
Automatischen Bietungssystem per E-Mail + PIN.
-
Mindestreserve (Bundesbank: Glossar, http://www.bundesbank.de/bildung/bildung_glossar.php)
Zentralbankguthaben der Banken, die sie zur Erfüllung der Mindestreservepflicht bei der Zentralbank halten müssen. Die
Höhe des Mindestreserve-Solls einer Bank wird durch Anwendung der Mindestreservesätze auf die reservepflichtigen
Bilanzpositionen ermittelt. Die Mindestreserve gehört zum geldpolitischen Instrumentarium des Eurosystems. Der
Mindestreservesatz des Eurosystems beträgt zwei Prozent. Dieser Satz gilt für täglich fällige Einlagen, Einlagen
mit einer vereinbarten Laufzeit von bis zu zwei Jahren, Geldmarktpapiere und Schuldverschreibungen mit vereinbarter
Laufzeit von bis zu zwei Jahren. (Daneben sind noch weitere Verbindlichkeiten mindestreservepflichtig, aber mit einem
Mindestreservesatz von null Prozent). Das Mindestreserve-Soll ist nicht täglich, sondern im kalendertäglichen
Durchschnitt als Guthaben bei der Zentralbank zu halten. Die Banken können die Mindestreserveguthaben somit auch
als Arbeitsguthaben für ihren laufenden Zahlungsverkehr nutzen. Die Mindestreserve wirkt deshalb am Geldmarkt als
Puffer, der starke Liquiditätsausschläge ausgleicht und die Zinsentwicklung verstetigt.
9
Entwicklung der Leitzinsen 1999 bis 15.10.2008
Japan
England
die USA
EU
8
6
4
2
0
n
Ja
99
n
Ja
00
n
Ja
01
n
Ja
02
n
Ja
03
n
Ja
04
n
Ja
05
n
Ja
06
n
Ja
07
n
Ja
08
n
Ja
09
10
Geldschöpfung durch Privatbanken (Jarchow, III.2.)
Betrachte Bankensektor mit einer Zentralbank und 2 Banken, A und B, sowie Nichtbanken.
- Nichtbanken halten Sichteinlagen bei Geschäftsbanken. Sämtliche Kredite werden wieder im Bankensektor angelegt
(bargeldloser Zahlungsverkehr).
- Geschäftsbanken halten Zentralbankguthaben in Höhe der Mindestreserve, k (hier 20%).
- Geschäftsbanken refinanzieren sich durch Verkauf von Wertpapieren (Aktien, Devisen)
Ausgangssituation: Nichtbanken verfügen über A = 40 Mio €. Davon muss Bank A 20% als Mindestreserve bei der
Zentralbank anlegen.
Situation in Periode 0
Bilanz der Bank A
Mindestreserve
8
Überschussreserve
Sichteinlagen
40
32
Bank A gewährt Kredite an Nichtbanken in Höhe der Überschussreserve (32), die bei Bank B angelegt werden.
Situation in Periode 1
Bilanz der Bank A
Mindestreserve
Kredite
8
32
Sichteinlagen
Bilanz der Bank B
40
Mindestreserve
6,4
Sichteinlagen
32
Überschussreserve 25,6
11
Bank B gewährt Kredite an Nichtbanken in Höhe der Überschussreserve (25,6), die bei Bank A angelegt werden.
Situation in Periode 2
Bilanz der Bank A
Mindestreserve
13,12
Kredite
32,00
Sichteinlagen
Bilanz der Bank B
65,60
Mindestreserve
Kredite
6,4
Sichteinlagen
32
25,6
Überschussreserve 20,48
u.s.w.
Periode
Δ Sichteinlagen
Δ Mindestreserve
Δ Kredite
0
40
8
---
1
32
6,4
32
2
25,6
5,12
25,6
3
20,48
4,096
20,48
…
oo
0
0
0
Summe
200
40
160
12
Gehen wir nun davon aus, dass Nichtbanken über A € verfügen.
Periode
Δ Sichteinlagen
Δ Mindestreserve
Δ Kredite
0
A
Ak
0
1
Δ(Kredite)
k Δ(Sichteinlagen)
A (1-k)
2
Δ(Kredite)
k Δ(Sichteinlagen)3
A (1-k)2
3
Δ(Kredite)
k Δ(Sichteinlagen)4
A (1-k)3
Δ(Kredite)
k Δ(Sichteinlagen)
A (1-k)n
…
n
Summe
∞
Geometrische Reihe:
∑q
n =0
n
=
1
1− q
q = (1-k)
∞
Summe der vergebenen Kredite:
∞
A∑ q = A∑ q n − A = A
n
n =1
n =0
im Beispiel (A=40)
1
1
− A = 40
− 40 = 160
1 − (1 − k )
1 − 0,8
Summe der Sichteinlagen: A + Kredite = 40 + 160 = 200
Aus einem Bargeldbestand von 40 Mio € ist durch Geldschöpfung der Banken eine Geldmenge M1 von 200 Mio €
geworden.
13
1.5. Geldnachfrage (Jarchow II.1-3.b.)
-
Motive der Kassenhaltung
Transaktionskasse: optimale Transaktionskasse hängt ab vom
erwarteten Umsatz (+)
Opportunitätskosten der Geldhaltung = Zins (-)
Transaktionskosten der Liquidierung von Wertpapieren (+).
Vorsichtskasse: Kassenhaltung zur Minderung des Illiquiditätsrisikos bei unsicheren Zahlungsströmen. Optimale
Vorsichtskasse hängt ab von
Risikoaversion (+)
erwarteter Volatilität des künftigen Liquiditätsbedarfs (bei positiver Risikoaversion +)
Opportunitätskosten der Geldhaltung = Zins (-)
Transaktionskosten der Liquidierung von Wertpapieren (+).
Spekulationskasse: Haltung liquider Mittel in Erwartung einer günstigen Kursänderung alternativer Anlagen.
Portfolio-Theorie: Ein gewisser Anteil des Portfolios wird in liquiden Mitteln gehalten, da alle anderen Anlagen
Risiken unterliegen (Diversifikation).
Die optimale Spekulationskasse hängt ab vom
Vermögen (+)
Opportunitätskosten der Geldhaltung = Zins (-)
14
-
Zins- und Inflationserwartungen, Opportunitätskosten der Kassenhaltung
Quantitätstheorie: M V = P Y
Identität durch Definition von V (= Umlaufgeschwindigkeit).
Interpretation als Geldnachfragefunktion:
Md = P Y / V = P Y k
,
k = 1/V = Kassenhaltungskoeffizient
Wovon hängt Kassenhaltung ab?
1. zu erwartendes Transaktionsvolumen, proportional zu nominalem BIP (Y), daher Md = P Y k,
Wovon hängt Kassenhaltungskoeffizient k ab?
2. Trend
(Desintegration, Liquiditätsvorliebe)
3. Zinssatz
(Opportunitätskosten der Geldhaltung)
k (i) mit k‘ < 0.
4. Spekulationsmotiv (Erwartung steigender Zinsen = sinkende WP-Preise => höhere Kassenhaltung)
5. Unsicherheit über die künftige Preisentwicklung (Liquiditätsvorsorge)
Keynessche Liquiditätspräferenztheorie:
unterscheidet die drei o.g. Motive der Kassenhaltung
Spekulationsmotiv: Keynes geht davon aus, dass die Haushalte langfristige Zinserwartungen haben. Wenn die
aktuellen Zinsen höher [niedriger] sind als der langfristig erwartete Zins, dann wird allgemein mit Zinssenkungen [steigerungen] gerechnet.
Da der Preis festverzinslicher Wertpapiere negativ vom aktuellen Zins abhängt, kann es sich lohnen weniger
[mehr] Liquidität vorzuhalten als im Durchschnitt. Damit kann auf sinkende [steigende] Zinsen und damit steigende
[sinkende] WP-preise spekuliert werden. (Beispiel in Vorlesung)
-
Umlaufgeschwindigkeit, Kassenhaltungskoeffizient
Liquiditätspräferenz, Aufspaltung der Wertschöpfungskette
15
70
19 Q1
71
19 Q1
72
19 Q1
73
19 Q1
74
19 Q1
75
19 Q1
76
19 Q1
77
19 Q1
78
19 Q1
79
19 Q1
80
19 Q1
81
19 Q1
82
19 Q1
83
19 Q1
84
19 Q1
85
19 Q1
86
19 Q1
87
19 Q1
88
19 Q1
89
19 Q1
90
19 Q1
91
19 Q1
92
19 Q1
93
19 Q1
94
19 Q1
95
19 Q1
96
19 Q1
97
19 Q1
98
Q1
19
k
Umlaufgeschwindigkeit und Kassenhaltungskoeffizient in
Deutschland (M3)
Kassenhaltungskoeffizient
Umlaufgeschw .
v
0,65
2,7
0,6
2,5
0,55
2,3
0,5
2,1
0,45
1,9
0,4
1,7
0,35
1,5
Linear (Umlaufgeschw .)
16
1.6 Gleichgewicht auf dem Geldmarkt
Geldnachfragefunktion:
Md = P Y k(i),
Allgemeiner: Md = P L(Y, i, ierw. ), mit LY > 0, Li < 0, Lierw > 0.
Angebot :
Seit 2000 : EZB legt einen Mindestbietungszinssatz fest.
Beispiel in Vorlesung.
Geschäftsbanken geben Gebote über gewünschten Geldbetrag und den Zins, den sie zahlen wollen, vor. Die EZB legt
die zur Versteigerung stehende Geldmenge fest und bedient die Gebote mit den höchsten Zinsen. Dadurch hat die EZB
Kontrolle über die Geldbasis und beeinflusst den kurzfristigen Zinssatz.
Gebote zu höheren Zinsen als dem marginalen Zinssatz werden voll bedient, Gebote zum marginalen Zins werden
proportional zur Nachfrage auf das restliche Angebot rationiert (Repartierung).
Folge: Banken mit hohem Liquiditätsbedarf bieten mehr als den Mindestbietungssatz. Der höchste Liquiditätsbedarf wird
befriedigt. Rationierung nur „on the margin“. Da sich die Banken in ihren geboten am Mindestbietungssatz orientieren,
hat die ZB Kontrolle über Geldmenge und (partiell) über den Zinssatz. Der Interbankenmarkt verliert an Bedeutung für
die Bildung von Marktzinsen.
Bis 2000: Mengentender: ZB gibt Zins vor (und im Prinzip auch die Menge), Geschäftsbanken geben ihre Nachfrage an.
Zuteilung erfolgt durch proportionale Rationierung. Folge der Rationierung: Alle fragen viel mehr Geld nach als sie haben
wollen, weil sie mit der Rationierung rechnen. Diejenige, die ihren Geldbedarf am meisten übertreibt, erhält im Verhältnis
die meiste Liquidität. Re-allokation durch Interbankenmarkt.
Idee: Menge und Zins können gesteuert werden. Aber: Marktzins im Interbankenmarkt wird nur mittelbar beeinflusst.
Kurz: ZB legt Geldmenge fest und beeinflusst den Zins, den sie von Geschäftsbanken erhält. Der kurzfristige Marktzins
bildet sich durch Angebot und Nachfrage.
17
Warum ist die Geldmenge dann oft höher als beabsichtigt?
1. Geldschöpfung
2. Zentralbank hat Zielwert für den Marktzins (aus gesamtwirtschaftlicher Verantwortung, s. Ziele) und passt Geldmenge
ggfs. an.
Zusätzlich: längerfristige Refinanzierungsgeschäfte und Feinsteuerungsoperationen (bei unerwarteten
Liquiditätsschwankungen)
Ständige Fazilitäten: Ober- und Untergrenze für Tagesgeld
Spitzenrefinanzierungsfazilität (Lombardkredite, Privatbanken verpfänden Wertpapiere bei der Zentralbank)
Einlagefazilität (Diskontkredite, Privatbanken lösen Papiere mit längerer Laufzeit vorzeitig bei ZB ein)
4,5%
Spitzenrefinanzierungssatz
4,0%
3,5%
3,0%
Mindestbietungssatz
2,5%
2,0%
1,5%
Tagesgeldsatz
Einlagensatz
1,0%
0,5%
07.2002
Hauptrefinanzierungssatz
10.2002
01.2003
04.2003
07.2003
18
19
2. Aufgaben der Geldpolitik
2.1. Preisstabilität (Illing, Kap. 1.3.1, 4.2.2)
Was ist darunter zu verstehen und warum ist das ein Ziel?
Geldfunktionen können nur dann erfüllt werden, wenn der Wert des Geldes einigermaßen
stabil ist. Bei hohem Wertverlust des ZB-Geldes sind Warengelder dem ZB-Geld
überlegen
- in Bezug auf Wertaufbewahrung
- dadurch auch als Tauschmittel, weil Tausch Zeit erfordert.
- als Recheneinheit, weil ein ständig sich verändernder Geldwert, ständige
Anpassungen des Preissystems
erfordert, mithin die Rechenfunktion erschwert wird.
Unterscheide
- langfristige Preisstabilität: im Durchschnitt niedrige Inflation
π
- kurzfristige Preisstabilität: geringe Schwankungen des Geldwertes im Zeitverlauf
π
π(t)
π
t
20
Preisniveaustabilität oder Stabilität der Inflationsrate?
Sollte die Geldpolitik nach einer überraschenden Preissteigerung versuchen, das
ursprüngliche Preisniveau wieder zu erreichen?
35
Preisniveau
30
25
20
15
Preisziel
Inflationsziel
10
5
0
Zeit
Inflationsziel (hier π*=0) führt dazu, dass Inflationsrate um das Ziel schwankt, Preisniveau
folgt einem random walk (mit Trend π*), pt = (1+π*) pt-1 + ut, ut white noise
21
Preisziel p* führt dazu , Preisniveau um p* schwankt. Inflationsrate ist sehr volatil, da
Abweichung des Preisniveaus der Vorperiode vom Zielwert in der folgenden Periode
kompensiert werden muss.
0,4
Inflation
0,3
0,2
0,1
0
Zeit
-0,1
-0,2
-0,3
-0,4
Preisziel
Inflationsziel
22
Messung von Inflation
Überzeichnet der Konsumpreisindex die wahre Inflationsrate?
‹ Mögliche Messfehler bei der Berechnung der Inflationsrate
• Qualitätsverbesserungen und neue Produkte nicht adäquat erfasst
→ Hedonischer Preisindex
• Laspeyres-Index verzerrt, weil er Substitutionseffekte ignoriert
• Outlet Substitution Bias: Veränderungen der Handelsstruktur
‹ Falsche Messung der Inflation bringt Fehleinschätzung bei anderen Variablen mit sich
(Vgl. Produktivitätswachstum USA - Europa)
Jüngst in der Geldpolitik stark diskutiertes Thema:
‹ Gefahr der Liquiditätsfalle in Zeiten niedriger Inflation
‹ Vorwurf an die EZB: Hat sie ein zu niedriges Inflationsziel gewählt?
→ Optimale Inflationsrate
23
Exkurs: Berechnung von Inflation
(Lit: Pindyck, Robert S., and Daniel L. Rubinfeld, Mikroökonomie, 5. Auflage, Pearson Studium
2003, Abschnitt 3.6)
1) Der ideale Lebenshaltungskostenindex gibt an, um wie viel die Ausgaben eines
Durchschnittskonsumenten steigen müssten, damit dieser das Nutzenniveau der
Basisperiode erreichen kann.
2) Der Laspeyres-Index gibt an, um wie viel die Ausgaben für das Güterbündel der
Basisperiode steigen.
3) Der Paasche-Index gibt an, um wie viel die Ausgaben für das Güterbündel der
Vergleichsperiode gestiegen sind.
Der ideale Lebenshaltungsindex beruht auf Nutzenvergleich. Problem der Messbarkeit:
(i) Nutzen ist nicht direkt messbar,
(ii) Die Nutzenfunktionen verschiedener Konsumenten unterscheiden sich.
Theoretisches Konzept beruht auf repräsentativem Konsumenten
24
Beispiel einer 2-Güter-Ökonomie (Lebensmittel und Bücher)
Basisjahr 1990: Preis für 1 kg Lebensmittel: 2 €,
Vergleichsjahr 2000: Preis für 1 kg Lebensmittel: 2,20 €,
Preis für ein Buch: 20 €
Preis für ein Buch: 100 €
Warenkorb des Durchschnittsverbrauchers 1990: 100 kg Lebensmittel, 15 Bücher
Ausgaben 1990: 500 €
Warenkorb des Durchschnittsverbrauchers 2000: 320 kg Lebensmittel,
Ausgaben 2000: 1504 €
8 Bücher
Wie hoch ist die Inflationsrate im Zeitraum 1990-2000?
1) Idealer Lebenshaltungsindex:
Die Nutzenfunktion des Durchschnittskonsumenten ist durch die nachfolgende Grafik
angedeutet (wir benötigen nur die Indifferenzkurve zum Güterbündel des Jahres 1990).
Das Preisverhältnis 2 : 20 entspricht der Budgetgeraden B1. Da der Haushalt sich für das
Güterbündel (100, 15) entscheidet, offenbart er, dass seine Indifferenzkurve die
Budgetgerade in diesem Punkt tangiert.
Der ideale Lebenshaltungsindex gibt an, um wie viel die Ausgaben steigen müssten, damit
der Konsument das bei neuen Preisen dieselbe Indifferenzkurve erreichen kann. Das neue
Preisverhältnis 2,20 : 100 entspricht der Steigung der
Budgetgeraden B2 und B3. Die Gerade B2 charakterisiert das minimale Budget, welches der
Haushalt benötigt um die alte Indifferenzkurve zu erreichen. Das zugehörige Güterbündel
25
(derjenige Punkt in dem die Indifferenzkurve die Steigung des neuen Preisverhältnisses hat)
besteht aus 300 kg Lebensmittel und 6 Büchern.
Dafür muss der Haushalt im Jahr 2000 1.260 € ausgeben.
Im Jahre 1990 musste der Haushalt 500 € ausgeben um dasselbe Nutzenniveau zu
erreichen.
Der Lebenshaltungsindex im Jahre 2000 bezogen auf das Basisjahr 1990 beträgt also 100 *
1260 / 500 = 252.
Die zehnte Wurzel aus 2,52 ist 1,0968. Die durchschnittliche Inflationsrate betrug demnach
9,68%.
26
30
Indifferenzkurve
25
gewähltes Güterbündel 1990
Bücher
20
B_1
gewähltes Güterbündel 2000
15
B_2
B_3
10
B_3
5
B_1
B_2
0
0
100
200
300
400
500
600
700
800
Lebensmittel
27
2) Laspeyres-Index
Der Laspeyres-Index gibt an, um wie viel die Ausgaben für das Güterbündel der Basisperiode
gestiegen sind.
Das Güterbündel der Basisperiode kostet nach neuen Preisen 1.720 €
Dies entspricht der Budgetgeraden B3 in der oberen Abbildung.
Der Laspeyres-Lebenshaltungsindex im Jahre 2000 bezogen auf das Basisjahr 1990 beträgt also
100 * 1720 / 500 = 344.
Die zehnte Wurzel aus 3,44 ist 1,1315. Die durchschnittliche Inflationsrate betrug demnach
13,15%.
3) Paasche-Index
Der Paasche-Index gibt an, um wie viel die Ausgaben für das Güterbündel der Vergleichsperiode
gestiegen sind.
Der Warenkorb des Durchschnittsverbrauchers 2000 besteht aus 320 kg Lebensmitteln und 8
Büchern
Dieser Warenkorb kostet im Jahre 2000 1.504 €. Im Jahre 1990 kostete dieser Warenkorb 800 €.
Das Verhältnis der Kosten beträgt 1.504/800 = 1,88
Der Paasche-Lebenshaltungsindex im Jahre 2000 bezogen auf das Basisjahr 1990 beträgt also
100 * 1.504 / 800 = 188.
Die zehnte Wurzel aus 1,88 ist 1,0652. Die durchschnittliche Inflationsrate betrug demnach 6,52%.
28
Wie wir an der obigen Abbildung sehen, erreicht der Konsument im Jahre 2000 ein höheres
Nutzenniveau als im Jahre 1990. Er kann sich das Güterbündel (320 kg Lebensmittel und 8
Bücher) leisten. Wie stark ist sein Realeinkommen gestiegen? (Annahme: Die Konsumquote
des Haushalts hat sich nicht verändert)
Die Ausgaben im Jahre 2000 betragen 1504 €. Die Ausgaben im Jahre 1990 betrugen 500 €.
Die Ausgaben haben sich also mit dem Faktor 1504 / 500 = 3,008 verändert. Gemessen am
idealen Lebenshaltungsindex (252) ist dies ein realer Anstieg von 300,8 / 252 = 1,19365. Die
jährliche reale Wachstumsrate betrug demnach 10 1,19365 − 1 = 1,79% .
Die spiegelt das Faktum wieder, dass der Haushalt ein höheres Nutzenniveau erreicht.
Gemessen am Laspeyres-Index war das Wachstum aber negativ! Mit dem neuen Budget kann
sich der Haushalt das alte Güterbündel nicht mehr leisten. Die reale Veränderung gegenüber
dem Basisjahr wird mit 300,8 / 344 = 0,8744 berechnet. Die jährliche reale Wachstumsrate
betrug demnach 10 0,8744 − 1 = −1,33% .
Gemessen am Paasche-Index hätte der Haushalt sogar dann einen realen Zuwachs erzielen
können, wenn sein Nutzenniveau zurückgegangen wäre. Bei den hier gegebenen Zahlen ergibt
sich jedoch ein realer Anstieg von 1 auf 300,8/188 = 1,6, was einer jährlichen realen
Wachstumsrate von 10 1,6 − 1 = 4,81% entspricht.
Die unterschiedlichen Ergebnisse sind darauf zurückzuführen, dass Paasche und Laspeyres
die Substitutionseffekte vernachlässigen. Im Beispiel sind die Preise der beiden Güter sehr
unterschiedlich gestiegen, der Lebensmittelpreis um 10%, der Bücherpreis um 400%. Die
29
Relativpreisänderung führt dazu, dass Haushalte das relativ teurer gewordene Gut weniger
stark nachfragen und durch das relativ billiger gewordene Gut substituieren (auch wenn schwer
vorstellbar ist, dass man den Hunger nach Bildung durch Lebensmittel stillen kann). Der ideale
Lebenshaltungsindex würde diese Subsitutionseffekte einbeziehen (er entspricht dem
mikroökonomischen Konzept der „compensated variation“). Aus den o.g. Gründen lässt er sich
jedoch nur schwer berechnen, weil zumindest lokale Eigenschaften der Nutzenfunktion
geschätzt werden müssen.
Das nachfolgende Schaubild zeigt, wie die Umstellung des Verfahrens der Inflationsmessung
(für den BIP-Deflator) die ausgewiesenen realen Wachstumsraten verändert hat.
Das statistische Bundesamt hat die BIP-Inflationsrate bis 2004 mit einem Laspeyres-Index
berechnet, wobei der Warenkorb alle 5 Jahre aktualisiert wurde (so wie heute noch bei den
Lebenshaltungskosten). 2005 wurde auf verkettete Indizes umgestellt, was auf eine jährliche
Aktualisierung des Warenkorbs hinausläuft. Dadurch werden die systematischen Fehler
verringert. Da die Inflation durch den Laspeyres-Index überschätzt wurde, ist das reale
Wachstum unterschätzt worden. Mit der neuen Methode erscheinen die realen
Wachstumsraten deshalb höher.
30
31
2.2. Glättung konjunktureller Schwankungen („Outputstabilisierung“, Illing, Kap. 1.3.2)
Geringere Volatilität von realen Wachstumsraten ist u.a. auf aktive Geldpolitik zurückzuführen.
32
Konträre Sichtweisen
a) Keynesianische Sicht: Wirtschaft inhärent instabil
Aktive Stabilisierungspolitik wohlfahrtssteigernd
b) Neoklassische Sicht: Wirtschaft grundsätzlich stabil
(Vielzahl automatischer Stabilisatoren)
Schwankungen gerade Resultat von Politikmaßnahmen
Moderne Makroökonomie (Neue keynesianische Makroökonomie; Neue klassische
Synthese): Stabilisierung als öffentliches Gut bei rigiden Preisen
Gibt es einen Zielkonflikt zwischen Stabilisierung von Preisen und Output?
Bei Nachfrageschocks: Stabilisierung des Preisniveaus wirkt auch stabilisierend auf Produktion
Bei Angebotsschocks: Preisstabilisierung geht zu Lasten der Stabilisierung von
Produktionsschwankungen
→ Transmissionsmechanismen
33
2.3. Die Kosten von Inflation und Deflation, Optimale Inflationsrate
a) Klassische Dichotomie: Geld ein Schleier ohne reale Effekte
b) Milton Friedman (1959): Optimale Inflationsrate minimiert die Kosten der Geldhaltung
Die Opportunitätskosten der Kassenhaltung sind der Nominalzins i, der für illiquide sichere
Anlagen gezahlt wird.
Fischer Gleichung: i = r + π
Annahme: Konstante Grenzkosten der Bereitstellung von Geld α (nahe 0).
Friedman argumentiert, dass der Wohlfahrtsverlust, der mit Geldhaltung verbunden ist,
minimiert wird, wenn die Nominalzinsen i* = α sind.
=>
Optimale Inflation π* = i* – r = α – r < 0.
34
Friedman: Wohlfahrtsverlust wird minimiert, wenn i = α
i
Geldnachfrage
Konsumentenrente
Produzentenrente
i
Wohlfahrtsverlust
Grenzkosten
α
M/P
M/P
35
c) Seignorage-Einnahmen: Die Produzentenrente ist der Gewinn der Zentralbank
Vereinfachte Bilanz der Zentralbank
Gold
Geldmenge
Verzinsliche Wertpapiere
Seignorage-Einnahmen sind eine wichtige Finanzierungsquelle des Staates. Dies gilt
insbesondere für Staaten, in denen die Steuervermeidung ein ernstes Problem
darstellt.
Andere Finanzierungsquellen des Staates, wie z.B. Einkommens- oder
Verbrauchssteuern haben ebenfalls verzerrende Wirkungen und gehen mit
Wohlfahrtsverlusten einher.
Theorie der optimalen Besteuerung zeigt, dass auch die Seignorage-Einnahmen zur
Finanzierung herangezogen werden sollten. - Inflationssteuer -
36
d) Preisunsicherheit:
Empirische Beobachtung: Preisunsicherheit ist positiv korreliert mit absoluter
Veränderungsrate des Preisniveaus (Inflation oder Deflation).
Klassische Dichotomie beruht auf der Annahme vollständiger Information. In der
Realität geben Preise wichtige Signale (relative Knappheit von Gütern) an die
Marktteilnehmer, beinhalten also Informationen, die für die Marktteilnehmer wertvoll
sind.
Bei starken Änderungen des Preisniveaus weiß der einzelne Marktteilnehmer nicht,
ob die von ihm beobachteten Preise sich aufgrund der Änderung des Preisniveaus
ändern oder aufgrund neuer Informationen im Markt.
Preisänderungen finden zeitlich versetzt statt. Daher ergibt sich bei Veränderungen
des Preisniveaus ein Koordinationsproblem. Relativpreise ändern sich, wenn
Preisanpassungen nicht simultan erfolgen.
e) Asymmetrien in der Anpassung von Preisen und Löhnen
Preiserhöhungen scheinen schneller umsetzbar zu sein als Preissenkungen.
Relativpreisänderungen sind daher schneller zu erreichen, wenn das relativ billiger
werdende Gut seinen Preis erhält und das relativ teurer werdende Gut
überdurchschnittliche Preissteigerungen erfährt.
Nominallohnsenkungen sind unpopulär und demotivierend. Reallohnsenkungen sind
einfacher zu erreichen, wenn Inflation positiv ist.
37
f) Stabilisierung makroökonomischer Schwankungen:
Flexible Reaktion der Leitzinsen auf konjunkturelle Bedingungen erforderlich
Wenn Zinsen im Durchschnitt nahe null liegen, sind keine wesentlichen Änderungen
möglich, da Zins nicht negativ werden kann (Liquiditätsfalle).
Durchschnittlicher Nominalzins muss daher deutlich positiv sein.
Wegen π = i – r impliziert dies eine Inflationsrate, die zumindest oberhalb von (– r)
liegen sollte. Wir gehen heute davon aus, dass Stabilisierungspolitik einen Spielraum
für Zinssenkungen von mehr als 3 Prozent erfordert. Bei einem langfristigen Realzins
von 2% impliziert dies mindestens 1% durchschnittliche Inflation.
Empirische Untersuchungen zeigen, dass Inflationsraten unterhalb von 5%
volkswirtschaftlich unschädlich sind.
Inflationsraten oberhalb von 10% führen zu signifikanten Einbußen, vermutlich vor allem
wegen des mangelnden Informationsgehalts der Preise.
38
2.4. Ziele der Zentralbanken im Vergleich (Lit: Websites der Zentralbanken)
EZB
Artikel 105 (1), Vertrag von Maastricht (7. 2. 1992):
Eindeutige Zielhierarchie: verpflichtet die EZB auf das „vorrangige Ziel, die Preisstabilität
zu gewährleisten.“
Handlungsspielraum für weitere Ziele (Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik) nur
für den Fall, dass diese nicht die Preisstabilität beeinträchtigen.
Sowohl Instrumenten- und Ziel-Unabhängigkeit: EZB-Rat trifft selbst Entscheidung über die
Definition von Preisstabilität.
Definition der Preisstabilität gemäß EZB-Rat (Oktober 98):
„Eine jährliche Wachstumsrate des harmonisierten Verbraucherpreisindex für die Euro-Zone
von mittelfristig unter 2%.“
• Harmonisierter Verbraucherpreisindex HVPI
• Euro-Zone: keine Rücksicht auf nationale Entwicklungen; auch nicht auf Entwicklung
außerhalb des Euroraums
• mittelfristig: zukunftsgerichtet, keine Reaktion auf kurzfristige Schwankungen
(Überschreitungen)
• unter 2%: Kein Zielkorridor; Deflation? – Präzisiert am 8. Mai 2003: Inflation von unter,
aber nahe zwei Prozent
39
FED
Humphrey-Hawkins Act von 1978
(Full Employment and Balanced Growth Act):
FED soll ihre Geldpolitik an den Zielen „maximaler Beschäftigung, stabiler Preise und
moderater langfristiger Zinsen“ orientieren
Kein formales Inflationsziel. Faktisch: Dominanz des jeweiligen Chairmans (Persönlichkeit)
Bank of England: „Inflation Forecast Targeting“
Gesetzliches Ziel der Geldpolitik (Bank of England Act 1.6.1998): Einhaltung der
Preisstabilität
Ziel wird vom Finanzminister spezifiziert durch die Vorgabe eines quantitativen
Inflationsziels:
Zielvorgabe: Bis Dezember 2003: 2,5% Inflation des retail price index (RPIX)
Seit 2004: 2% Inflation des harmonised index of consumer prices (HICP)
Unterschied: HICP excludes all housing costs
Instrumenten-Unabhängigkeit des Monetary Policy Committee (MPC):
Inflationsziel ist dem MPC verbindlich vorgegeben; bei der Wahl der Instrumente ist das
MPC frei.
Bei Zielverfehlungen: Brief an Finanzminister zur Rechtfertigung
40
41
42
„Fanchart“ zur Prognose der künftigen Inflation. Die unterschiedlichen Farben geben
Wahrscheinlichkeiten (Konfidenzintervalle) für die künftigen Inflationsraten an. Ziel:
Erwartungswert der Inflationsrate in (jeweils) 2 Jahren soll 2% erreichen.
Aktuelle Grafiken unter
http://www.bankofengland.co.uk/publications/inflationreport/irfanch.htm
43
2.5.
Wirkungsmechanismen der Geldpolitik (Illing, Kap. 4.2.4 – 4.3, Blanchard/Illing, Kap. 17.1-17.2)
Geldpolitik wirkt über Geldmengen- oder Zinssteuerung auf aggregierte Nachfrage
Expansive Geldpolitik:
Kurzfristig: Stimulierung von Nachfrage und Produktion;
Mittel- bis langfristig: Wirkung nur auf die Preise (Inflation)
Verschiedene Transmissionskanäle
a) Zinskanal
b) Wechelkurskanal
c) Real balance effect (Vermögenspreise)
d) Erwartungskanal
e) Kreditkanal
a) Zinskanal: IS-LM
Problem 1: ZB beeinflusst Nominalzins. Investitionen hängen aber vom Realzins ab!
Y = C (Y – T) + I (Y, r) + G
Wie werden Veränderungen des Nominalzinses auf Veränderungen des Realzinses übertragen?
Fishersche Zinsgleichung:
Nominalzins = Summe aus Realzins + Inflationserwartungen: i = r+ πe
Realzins: r = i – πe
Falls πe= konstant: Nominalzinsänderung entspricht Realzinsänderun
Problem 2: Zinselastizität der Investitionen ist relativ niedrig (steile IS-Kurve)
44
Wirkungsmechanismen der Geldpolitik
Kreditvergabe
Marktzins
Inlandsnachfrage
Vermögenspreise
Zentralbank
Zins
Aggregierte
Nachfrage
Inflationsdruck
im Inland
Nettoauslandsnachfrage
Erwartungen
Wechselkurs
Inflation
Importpreise
45
Zinssteuerung versus Geldmengensteuerung
i
η2
LM
η1
i
IS
~y
1
^y1
y
^y2
~y
2
y
Zins- vs. Geldmengensteuerung
Instabile Güternachfrage = Schwankungen der IS-Kurve:
Geldmengensteuerung stabilisierend im Vergleich zur Steuerung des Zinses.
Bei konstanter Geldmenge schwankt Output weniger stark als bei konstantem Zins
46
i
ζ1
ζ2
i
y^1
y
y^2
y
Zins- vs. Geldmengensteuerung
Instabile Geldnachfrage = Schwankungen der LM-Kurve:
Geldmengensteuerung destabilisierend im Vergleich zur Steuerung des Zinses
Bei konstanter Geldmenge schwankt Output weniger stark als bei konstantem Zins
47
b) Wechselkurskanal: Abwertung stimuliert Nettoexporte
→ Zinsparität
Zinssenkung führt zu sofortiger Abwertung der heimischen Währung, so dass die
nachfolgende allmähliche Aufwertung die niedrigeren Zinsen kompensiert.
→ Wirkung auf Güternachfrage
Die Abwertung stimuliert die Nettoexporte, weil heimische Güter nun relativ billiger sind.
Höhere Exportnachfrage führt zu höherem Output.
(vgl. ISLM für die offene Volkswirtschaft, Mundell-Fleming-Modell)
48
c) Vermögenskanal: Zinsentscheidungen beeinflussen Vermögenspreise:
Vermögenspreise orientieren sich am Gegenwartswert der künftigen Erträge. D.h., die
künftigen Erträge müssen mit dem Marktzins abdiskontiert werden. Je höher der
Diskontfaktor, desto niedriger der Vermögenspreis.
o festverzinsliche Wertpapiere: Je höher der aktuelle Zins, desto niedriger der aktuelle
Kurs langfristiger Papiere mit fest vereinbartem Nominalzins.
o Aktien: Preis = Gegenwartswert künftiger Dividenden plus Bubble-Komponente. Je
höher der Zins, desto geringer der Gegenwartswert. Außerdem verteuert der Zins die
Liquidität, die zum Kauf von Aktien eingesetzt werden kann. Daher führen
Zinserhöhungen ceteris paribus zu einem Rückgang der Aktienkurse.
o Immobilien: Je höher der Zins, desto geringer der Gegenwartswert künftiger
Mieteinnahmen. Privat genutzte Immobilien: Durch höhere Zinsen werden Kredite zur
Finanzierung von Immobilienkäufen teurer. Dies reduziert die Nachrage nach
Immobilien. Daher führen Zinserhöhungen ceteris paribus zu einem Rückgang der
Immobilienpreise.
Steigende Zinsen mindern die aktuellen Vermögenswerte, sinkende Zinsen steigern die
Vermögenswerte. Da die Nachfrage der Haushalte teilweise vom aktuellen
Vermögenswert abhängt, wird somit auch die Konsumnachfrage beeinflusst.
IS: C( Y-T, V(i)), mit CV > 0, Vi < 0
IS-Kurve wird flacher.
=> Konsumnachfrage hängt negativ vom Zins ab.
Vermögenskanal verstärkt die Wirkung von Geldpolitik.
49
d) Erwartungskanal:
Ankündigung einer Zinssenkung in der Zukunft senkt den erwarteten Realzins und
stimuliert so schon heute die Nachfrage.
Realzins: r = i – πe
Wenn Zinssenkung dazu führt, dass auch für die Zukunft niedrigere Zinsen erwartet
werden, dann verschiebt expansive Geldpolitik auch die IS-Kurve nach rechts.
50
Erwartungskanal: Zinsstruktur
Zusammenhang zwischen kurz- und langfristigen Zinsen:
Geldmarkt dient der Liquiditätsversorgung
→ Zins für kurzfristige Papiere (kurze Laufzeiten).
Die Zentralbank beeinflusst direkt nur den Zins auf dem Geldmarkt (durch
Refinanzierungskonditionen, Liquiditätsverknappung, ...)
Für Investoren von Realkapital ist aber der langfristige Realzins entscheidend.
Inwiefern kann die Zentralbank diesen Zins beeinflussen?
„interest rate smoothing:“
mehrere Zinsschritte in die gleiche Richtung:
Zinsentscheidungen haben Signalcharakter als Indiz für zukünftigen Verlauf der
Zinsentwicklung
Erwartungen über zukünftigen Verlauf der Zinsen
Sie haben starken Einfluss auf die Zinsstruktur (Yield Curve).
51
Einfluss der Strategie der ZB auf Inflationserwartungen:
Langfristig gilt die Quantitätstheorie M V = P Y
In Wachstumsraten: μ + v = π + y
Die Umlaufgeschwindigkeit V wird langfristig durch Organisation des
Produktionsprozesses (Wertschöpfungskette) und des Zahlungsverkehrs bestimmt. Das
Outputniveau Y ist langfristig durch Faktorbestand, Technologie und Marktstruktur
bestimmt. Beide Größen und ihre Wachstumsraten v bzw. y sind in der langen Frist
unabhängig von Geldpolitik.
Daher gilt in der langen Frist: Das Preisniveau entwickelt sich proportional zur Geldmenge.
Die Geldmengenstrategie setzt damit ein langfristiges Inflationsziel, das auch die
Inflationserwartungen beeinflusst.
52
Zinsstruktur (Jarchow, Kap. III.4)
Die „yield curve“ (Zinsstrukturkurve) vergleicht Zinssätze von Wertpapieren verschiedener
Laufzeiten.
Zins
Normaler Verlauf
Laufzeit
53
Zins
Inverser Verlauf
Laufzeit
Stilisierte Fakten:
1. Zinsstruktur wird mit zunehmender Restlaufzeit flacher (1. Ableitung nimmt
betragsmäßig ab)
2. Schwankungen am kurzen Ende sind größer als am langen Ende
3. Kurz- und langfristige Zinsen bewegen sich jeweils in dieselbe Richtung
54
Aktuelle Zinsentscheidungen bewegen die „yield curve“ am kurzen Ende. Die
Notenbankverfassung und die Situation der Staatsfinanzen beeinflussen das lange Ende.
Zinssatz
Geldpolitische Ziele,
Verfassung der Zentralbank,
Staatsverschuldung
Leitzins
Laufzeit
55
Wie wirkt sich Geldpolitik auf Zinsstruktur aus?
Zwei unterschiedliche Interpretationen denkbar:
A) Indikator für erwartete Konjunkturentwicklung:
• steil aufwärts gerichtete Ertragskurve: → Indiz für Wachstumserwartung
• Umkehrung der Kurve → Indiz für drohende Rezession
Steigung der Ertragskurve: Indikator für Restriktivität der Geldpolitik
Bei gegebenen Inflationserwartungen:
Zinssenkung am kurzen Ende dämpft effektiven Realzins
Gesamteffekt stärker, falls noch weitere Zinssenkungen erwartet
Bei Stetigkeit der Geldpolitik agiert Kapitalmarkt im Sinn der Zentralbank
B) Indikator für Inflationserwartungen:
Nominalzins = Realzins + Inflationserwartungen
Höhere langfristige Zinsen können höhere langfristige Inflationserwartungen
widerspiegeln.
Geldpolitik kann Inflationserwartungen beeinflussen → restriktive Geldpolitik reduziert
Inflationserwartungen und trägt damit zu niedrigeren langfristigen Zinsen bei.
56
e) Kreditkanal: Kreditgeber verlangen von Kreditnehmern Sicherheiten zum Schutz vor
asymmetrischer Information.
Bank kann Profitabilität eines Projekts und Leistung des Managements nicht sicher
einschätzen. Daher muss der Kreditnehmer sich mit Eigenkapital beteiligen oder
Sicherheiten hinterlegen.
Wenn Aktienkurse oder Immobilienpreise sinken, dann verlieren die Sicherheiten an Wert.
Das Eigenkapital in Form von Wertpapieren wird gleichfalls reduziert. In der Folge werden
keine neuen Kredite gewährt und bestehende Kredite zum Teil nicht verlängert („Credit
Crunch“). Liquidität wird knapp und rentable Investitionen können nicht finanziert werden.
Um Liquidität zu erhalten, trennen sich vor allem Banken von illiquiden Anlagen. Sie
verkaufen Aktien und verstärken so den Kursverfall.
Umgekehrt können steigende Aktienkurse und Immobilienpreise einen „Credit Boom“
auslösen.
Um reale Effekte von Schwankungen in den Wertpapierpreisen auszugleichen und einen
„credit crunch“ zu vermeiden, kann die Zentralbank auf Wertpapierpreise reagieren:
Eine Senkung der Leitzinsen erhöht den Gegenwartswert der Erträge und mildert somit
den Kursverfall in Phasen sinkender Aktienkurse. Zugleich erleichtert die zusätzliche
Liquidität die Vergabe von Krediten.
Verknappung von Liquidität durch Anhebung der Leitzinsen in Phasen steigender
Wertpapierpreise mildert die Ausweitung von Krediten dämpft die Kurssteigerungen.
Problem: Es ist auch für Zentralbank kaum zu erkennen, wann Aktienkurse zu stark
steigen oder wann sie unterbewertet sind.
57
2.6. Optimale Stabilisierungspolitik
Vgl. AVWL II
Unterscheide die Ursachen makrökonomischer Schwankungen:
a) Schock der Geldnachfrage (LM-Kurve)
b) Schock der Güternachfrage (IS-Kurve)
c) Schock des Güterangebots (AS-Kurve, Potenzialoutput)
Wiederholung aus AVWL II:
IS LM – AD AS
IS: Y-i-Kombinationen mit
Y = C(Y) + I(i) + G + NX + ε
Güternachfrage, ε = Störterm
LM: Y-i-Kombinationen mit
M/P = L(Y,i) + η
Geldmarktgleichgewicht, η = Störterm der Geldnachfrage
AD-Kurve: Y-P-Kombinationen, für die ein Zins i existiert, so dass
IS = LM
Aggegierte Nachfrage.
AS-Kurve: Güterangebotsfunktion
- mittlere Frist: Güterangebotsfunktion hängt positiv vom Preis ab
- lange Frist: Güterangebotsfunktion hängt nur von Technologie, Marktstruktur und
Importpreisen ab (Potenzialoutput).
58
Fazit:
Auf Nachfrageschocks kann die Zentralbank so reagieren, dass das BIP konstant bleibt.
Politik der konstanten Geldmenge (oder Geldmengenwachstumsrate) führt zu
Schwankungen des BIP, wenn Schocks der Geldnachfrage (η) oder der Güternachfrage
(ε) auftreten.
Politik des konstanten Zinses neutralisiert Schwankungen der Geldnachfrage (η), führt
aber bei Schwankungen der Güternachfrage (ε) zu besonders großen Wirkungen auf das
BIP.
Politik, die das Preisniveau (oder die Inflationsrate) konstant hält, stabilisiert das BIP bei
Schwankungen sowohl der Güternachfrage (ε) als auch der Geldnachfrage (η).
=> Ziel einer konstanten (niedrigen) Inflation ist konsistent mit dem Ziel der Stabilisierung
von Outputschwankungen, sofern diese durch Nachfrageschocks verursacht werden.
Bei Angebotsschocks gibt es einen Trade-off zwischen Stabilisierung des Preisniveaus
und Stabilisierung des Outputniveaus
-
bei konstanter Geldmenge mittlere Schwankungen von Preisen und Output.
-
Stabilisierung des Preisniveaus führt zu stärkeren Schwankungen im Output.
-
Stabilisierung des Outputniveaus führt zu stärkeren Schwankungen der Preise.
Zentralbank löst den Zielkonflikt durch Minimierung eines gewichteten Mittels aus
Schwankungen von Preisniveau und Beschäftigung.
59
Herunterladen