Zulassungsprüfung Stochastik, 16.10.15 Wir gehen stets von einem Maßraum (Ω, A, µ) bzw. einem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, A, P ) aus. Die Borel σ-Algebra auf Rn wird mit B n bezeichnet, das Lebesgue-Maß auf Rn wird mit λn bezeichnet. Sollten Ihnen in Teilaufgaben Ergebnisse fehlen, dann treffen Sie eine plausible Annahme dafür. Aufgabe 1 (18 Punkte) Sei P ein Wahrscheinlichkeitsmaß, C ∈ A, X : Ω −→ (0, ∞) integrierbar und Q : A −→ [0, ∞), Z Q(A) = X1A 1C dP. Ω (a) Angenommen es gilt R Ω X dP = 1. Ist Q ein Wahrscheinlichkeitsmaß? (b) Beweisen Sie für jede Zufallsvariable Y ≥ 0 Z Z Y dQ = XY 1C dP. Ω Aufgabe 2 (26 Punkte) Sei RF die von einem Fondsmanager erwirtschaftete Rendite, RM die Marktrendite, und es gelte: Der Zufallsvektor (RF , RM )⊤ ist zweidimensional normalverteilt, (1) (2) E(RF ) = E(RM ) = µ, 2 Var(RF ) = Var(RM ) = σ , 1 Cov(RF , RM ) = σ 2 . 2 (3) (4) (a) Bestimmen Sie Erwartungswert, Varianz und Verteilung von RF − RM . (b) Sei xα > 0. Ein Fondsmanager wird als gut bewertet, wenn RF −RM > xα gilt. Bestimmen Sie die Wahrscheinlichkeit α ∈ (0, 1), dass ein Fondsmanager als gut bewertet wird. Für den Rest der Aufgabe betrachten wir n Fondsmanager mit Renditen RFi ∼ RF , i = 1, . . . , n, RFi und RM erfüllen jeweils (1)-(4), RFi − RM seien voneinander unabhängig. Sei N die Anzahl der Fondsmanager, die als gut bewertet werden. (c) Bestimmen Sie (i) die Verteilung von N (in Abhängigkeit von n und α), (ii) die Wahrscheinlichkeit β, dass mindestens ein Fondsmanager als gut bewertet wird (in Abhängigkeit von n und α), (iii) für n = 100 und α = 5 % den Erwartungswert von N und die Wahrscheinlichkeit β. (d) (i) Bestimmen Sie α aus (b) in Abhängigkeit von n so, dass für β aus (c) (ii) gilt: β = 5 %. 1 (ii) Sei n = 100. Geben Sie für die Angaben in (i) xα in Abhängigkeit von σ so an, dass P (N ≥ 1) = 5 % näherungsweise gilt. Verwenden Sie die unten stehenden Quantile u1−t der Standardnormalverteilung t u1−t 5 · 10−1 0 5 · 10−2 1,645 5 · 10−3 2,576 5 · 10−4 3,291 5 · 10−5 3,891 5 · 10−6 4,417 5 · 10−7 4,892 (e) Von einem guten Fondsmanager würde man E(RF ) > E(RM ) fordern und als Indiz eine Regel wie in (b) zugrunde legen. Ein Anlegermagazin schlägt vor, zur Bestimmung von x in (b) α = 5 % zu wählen. Ist dies sinnvoll? Begründen Sie Ihre Antwort. Aufgabe 3 (13 Punkte) Seien X1 , X2 Zufallsvariablen mit E(Xi ) = µi ∈ R, p Xi − µ i Var(Xi ) = σi2 > 0, σi = σi2 , i = 1, 2. Sei Zi = die Standardisierung σi von Xi , i = 1, 2. (a) Angenommen für ρ ∈ R gilt E(X1 |X2 ) = ρX2 . Beweisen Sie, dass Cov(X1 , X2 ) = ρσ22 gilt. (b) Angenommen es gilt E(Z1 |Z2 ) = ρZ2 . Bestimmen Sie E(X1 |X2 ) in Abhängigkeit von X2 . Verwenden Sie ohne Beweis, dass E(Z1 |Z2 ) = E(Z1 |X2 ) gilt. Aufgabe 4 (33 Punkte) Sei X eine Zufallsvariable mit der Verteilungsfunktion F (x) = mit θ > 0. ( 0 1 − exp − √ x θ falls x ≤ 0 sonst (a) Bestimmen Sie die Dichte von X. (b) Beweisen Sie für unabhängige Xi ∼ X, i = 1, . . . , n, dass θ̂ = ein Maximum-Likelihood Schätzer für θ ist. √ (c) Beweisen Sie, dass X ∼ Exp θ1 gilt. 1 n Pn i=1 √ Xi (d) Beweisen Sie, dass 2nθ θ̂ ∼ χ22n gilt und bestimmen Sie Erwartungswert und Varianz von θ̂. Hinweis: Verwenden Sie die Eigenschaften der Gammaverteilung in der Formelsammlung! (e) Wir betrachten die Nullhypothese H0 : θ ≤ θ 0 . Beweisen Sie, dass unter H0 (also bei Gültigkeit von H0 ) für α ∈ (0, 1) ( ) ( ) 2nθ̂(ω) 2nθ̂(ω) 2 2 ω ∈ Ω > χ2n,1−α ⊂ ω ∈ Ω > χ2n,1−α θ0 θ 2 und schließen Sie daraus, dass P χ22n,1−α θ0 θ̂ > 2n ! ≤α gilt. (f) Gegeben seien die Daten i xi x2i 1/2 xi 1 0,1 0,01 0,31 2 1,05 1,11 1,03 3 0,37 0,14 0,61 4 0,96 0,93 0,98 5 7,5 56,31 2,74 6 0,3 0,09 0,54 7 0,46 0,21 0,68 8 0,18 0,03 0,43 9 2,55 6,48 1,6 10 0,57 0,32 0,75 Summe 14,04 65,63 9,66 Wie beurteilen Sie die Hypothese H0 : θ ≤ 1 zu einem Signifikanzniveau von 5 %? 3 Lösungsvorschläge Aufgabe 1 [(a) 5 Punkte, (b) 13 Punkte ] Zu (a) Q ist ein Maß aber kein Wahrscheinlichkeitsmaß, denn wenn C eine Nullmenge ist, gilt Q(Ω) = 0 6= 1. Zu (b) n X αi 1Ai , αi ≥ 0, Ai ∈ B 1 . Sei zunächst Y eine Treppenfunktion, also Y = Dann gilt Z Y dQ = Ω = i=1 n X αi Q(Ai ) = αi i=1 i=1 Z n X Z X1Ai 1C dP = Ω Z X Ω n X αi 1Ai i=1 ! 1C dP XY 1C dQ. Ω Sei nun Y ≥ 0 messbar. Dann gibt es eine monoton steigende Folge von Treppenfunktionen Yn ≥ 0 mit limn→∞ Yn = Y . Wegen X1C ≥ 0 ist X1C Yn eine monoton steigende Folge mit X1C Yn ≥ 0 und limn→∞ X1C Yn = X1C Y . Da Yn Treppenfunktionen sind, gilt Z Z Yn dQ = XYn 1C dP für alle n ∈ N. Ω Ω Laut Satz von der monotonen Konvergenz konvergieren beide Seiten obiger Gleichung Z Z lim Yn dQ = Y dQ, n→∞ Ω ZΩ Z XY 1C dP XYn 1C dP = lim n→∞ Ω Ω und es folgt die Behauptung. Aufgabe 2 [(a) 6, (b) 3, (c) 7, (d) 5, (e) 5] Zu (a) Es gilt Var(RF −RM ) = Var(RF +(−RM )) = Var(RF )+2Cov(RF , −RM )+Var(−RM ). Wegen Cov(RF , −RM ) = Var(−RM ) = 1 −Cov(RF , RM ) = − σ 2 2 (−1)2 Var(RM ) = σ 2 folgt weiter Var(RF − RM ) = E(RF − RM ) = 1 σ2 − 2 · σ2 + σ2 = σ2 2 E(RF ) − E(RM ) = µ − µ = 0. 4 Da (RF , RM )⊤ zweidimensional normalverteilt ist, ist (1, −1)⊤ , (RF , RM )⊤ = RF − RM normalverteilt N (0, σ 2 ). Zu (b) Sei α ∈ (0, 1). Wegen (a) gilt RF − RM ∼ N (0, σ 2 ) und somit α = = P (RF − RM > xα ) = 1 − P (RF − RM ≤ xα ) x α 1−Φ . σ Zu (c) (i) Es gilt N ∼ B(n, α). (ii) Gesucht ist P (N ≥ 1). Da N binomialverteilt ist, gilt β = P (N ≥ 1) 1 − P (N = 0) = 1 − α0 (1 − α)n = 1 − (1 − α)n . = (iii) Da N binomialverteilt ist gilt für n = 100 und α = 0, 05 E(N ) P (N ≥ 1) = = nα = 5, 1 − 0, 95100 = 0, 994. Zu (d) (i) Zu bestimmen ist α ∈ (0, 1) so, dass 1 − (1 − α)n ≤ 0, 05. 1 − (1 − α)n ≤ 0, 05 ⇐⇒ (1 − α)n ≥ 0, 95 ⇐⇒ 1 − α ≥ 0, 951/n ⇐⇒ α ≤ 1 − 0, 951/n . (ii) Mit n = 100 ergibt sich in (i) α = 1 − 0, 951/100 ≈ 5 · 10−4 . Aus (b) ergibt sich x xα α =⇒ u1−α = . α = 1−Φ σ σ Somit ergibt sich xα = σu1−α wobei u1−α das (1 − α)-Quantil der Standardnormalverteilung ist. Nach Tabelle erhalten wir xα = 3, 291 · σ. Zu (e) Laut Annahmen ist keiner der Fondsmanager besser als der Markt. Wählt man α = 0, 05, dann ist bei n = 100 die Wahrscheinlichkeit mindestens einen Fondsmanager als gut einzustufen 99,4 %, obwohl kein guter Fondsmanager dabei ist. Also ist α = 0, 05 nicht streng genug. Angemessen ist im Allgemeinen α < 1 − 0, 951/n und das sich daraus ergebende xα . Aufgabe 3 [(a) 7, (b) 6] Zu (a) Mit der iterierten Erwartung gilt E(X1 X2 ) = = E(E(X1 X2 |X2 )) = E(X2 E(X1 |X2 )) = E(X2 ρX2 ) ρE(X22 ), E(X1 )E(X2 ) Cov(X1 , X2 ) = = E(E(X1 |X2 ))E(X2 ) = E(ρX2 )E(X2 ) = ρE(X2 )2 , E(X1 X2 ) − E(X1 )E(X2 ) = ρ E(X22 ) − E(X2 )2 = ρVar(X2 ) = ρσ22 . Zu (b) 5 Mit (b) und der Linearität der bedingten Erwartung gilt 1 X1 − µ1 E X1 − µ 1 X2 X2 = E(Z1 |Z2 ) = E(Z1 |X2 ) = E σ1 σ1 1 = (E (X1 |X2 ) − µ1 ) . σ1 Mit der Voraussetzung E(Z1 |Z2 ) = ρZ2 folgt durch Ersetzten des ersten Terms der oberen Gleichung und Auflösen nach E(X1 |X2 ) 1 (E (X1 |X2 ) − µ1 ) , σ1 1 X2 − µ 2 = (E (X1 |X2 ) − µ1 ) , ρ· σ2 σ1 ρσ1 · (X2 − µ2 ). E (X1 |X2 ) = µ1 + σ2 ρZ2 = Aufgabe 4 [(a) 3, (b) 8, (c) 3, (d) 8, (e) 8, (f) 4 ] Zu (a) Bezeichne mit f die gesuchte Dichte. Es gilt f (x) = 0 für x ≤ 0. Sei x > 0. Differenzieren von F nach x ergibt √ 1 x √ exp − . θ 2θ x Zu (b) Sei x1 , . . . , xn > 0 eine Realisierung von (X1 , . . . , Xn ). Aufgrund der Unabhängigkeit der Xi , i = 1, . . . , n, gilt für die Likelihoodfunktion ! n √ n n √ n X Y xi xi Y 1 1 1 √ . = exp − L(θ; x1 , . . . , xn ) = √ exp − 2θ xi θ 2θ θ xi i=1 i=1 i=1 Es ergibt sich ℓ(θ) ℓ′ (θ) := = ln L(θ) = −n ln θ − n ln 2 − n n 1 X√ − + 2 xi . θ θ i=1 n √ X xi i=1 Nullsetzen der ersten Ableitung ergibt n θ̂ = 1 X√ xi n i=1 und wegen ′′ ℓ (θ) = ℓ′′ (θ̂) = n n 2 X√ xi , − 3 θ2 θ i=1 n θ̂2 − 6 2n θ̂2 =− n θ̂2 n 1X − ln xi , θ 2 i=1 <0 liegt in θ̂ ein Maximum der Likelihoodfunktion vor. Damit ist die Zufallsvariable n θ̂ = 1 Xp Xi n i=1 ein Maximum Likelihood Schätzer. Zu (c) Sei y > 0. Es gilt mit (a) √ 2 P ( X ≤ y) = P (X ≤ y ) = 1 − exp p y2 θ ! = 1 − exp y θ und es folgt die Behauptung. Zu (d) Mit dem Ergebnis aus (b) folgt 2nθ̂ = θ 2n n1 n √ P Xi i=1 θ n = 2 Xp Xi . θ i=1 √ Mit den Eigenschaften der Gamma-Verteilung gilt: Die Summanden Xi des letzten Terms sind unabhängig und wegen (c) identisch Exp θ1 = Γ 1, θ1 verteilt. Somit ist deren Summe Γ n, θ1 und schließlich folgt bei der Multiplikation 2 mit θ n θ 1 1 2 Xp = Γ n, = χ22n . Xi ∼ Γ n, · θ i=1 2 θ 2 Damit ergeben sich 2n E θ̂ = θ 2n θ̂ = Var θ n = 2n, also E(θ̂) = θ, 1/2 n θ2 = 4n, also Var(θ̂) = . 1/4 n Zu (e) Sei ω ∈ Ω mit 2nθ̂(ω) θ0 > χ22n,1−α . Unter H0 : θ ≤ θ0 gilt 2nθ̂(ω) 2nθ̂(ω) ≥ > χ22n,1−α θ θ0 und somit die behauptete Teilmengenbeziehung, bzw. durch Auflösen nach θ̂ ) ( ) ( θχ22n,1−α θ0 χ22n,1−α ⊂ θ̂ > . θ̂ > 2n 2n Da P ein Wahrscheinlichkeitsmaß ist, folgt mit (d) 7 P θ0 χ22n,1−α θ̂ > 2n ! ≤P θχ22n,1−α θ̂ > 2n =1−P ! =P 2nθ̂ ≤ χ22n,1−α θ ! 2nθ̂ > χ22n,1−α θ ! = 1 − (1 − α) = α. Zu (f) Es ergibt sich θ̂ = 0, 966. H0 wird abgelehnt, wenn θ̂ > Wegen χ220,1−5/100 χ220,1−5/100 · 1 20 = 31, 410 und 0, 966 < 1, 5705 wird H0 nicht abgelehnt. 8 gilt.