Landkreis Sa., 9. / So., 10. November 2013 Nummer · 25 Sie sind stolz darauf, dass der vor 25 Jahren gegründete Notarzt-Standort in Sulzbach-Rosenberg eine Erfolgsgeschichte ist: Dr. Michael Körber, Erwin Gräml, Dr. Richard Leipold, Dr. Michael Scherer und Dr. Norbert Schönamsgruber (von links). Für das Notarzteinsatzfahrzeug, vor dem sie stehen, gibt es hinsichtlich der Ausstattung eine DIN-Norm, doch das BRK sammelt immer wieder Spenden, um so manches zusätzlich zu finanzieren. Bild: Sandig Das NEF Für ihren Dienst steht den Notfallmedizinern ein Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) zur Verfügung. Aktuell ist es ein Skoda Octavia „Scout“. „Nach 220 000 Kilometern oder vier Jahren werden die Fahrzeuge dann ersetzt“, so Erwin Gräml. Pro Jahr legt das NEF rund 50 000 Kilometer zurück. Die Fahrer sind zu 40 Prozent hauptamtliche Rettungssanitäter der Wache und zu 60 Prozent ehrenamtliche Rettungssanitäter des BRK. Bestückt ist das NEF mit EKG samt Sendeeinheit, womit Daten direkt an die Klinik, die den Patienten aufnehmen wird, übertragen werden können, Defibrillator, Intensivbeatmungsgerät und vielen Notfallmedikamenten. (san) Mit Arzttasche und dem eigenen Mercedes Interview zu 25 Jahre Notarzt-Standort Sulzbach-Rosenberg: Rückblick auf Anfangszeit – Mit heute nicht mehr vergleichbar Amberg-Sulzbach. (san) Dr. Michael Scherer kann sich noch gut an seinen ersten Einsatz als Notarzt erinnern. Es war sein erster Arbeitstag am St.-AnnaKrankenhaus. Der Mediziner wurde zu einem Unfall auf der Storg-Kreuzung gerufen – und traf dort einen, der als ein Pionier des Notarzt-Standortes Sulzbach-Rosenberg gilt: Dr. Richard Leipold. Im Interview blicken sie und Erwin Gräml, Leiter der BRK-Bereitschaft Sulzbach-Rosenberg, auf die Anfänge des Standorts vor 25 Jahren zurück. Ihre Arbeit als aktive Notärzte schildern die beiden am St.-Anna-Krankenhaus tätigen Mediziner, Dr. Norbert Schönamsgruber, Oberarzt der Chirurgie, und Dr. Michael Körber, Assistenzarzt für Innere Medizin. Warum wurde vor 25 Jahren der Notarzt-Standort gegründet? Dr. Richard Leipold: Zuvor war es so, dass wir niedergelassenen Ärzte Notfalleinsätze neben unserer Praxistätigkeit erledigten. Das war irgendwann nicht mehr leistbar, zumal wir ja auch Notfallpatienten in unseren Praxen hatten. Genau aus diesem Grund ist vor 25 Jahren der NotarztStandort gegründet worden. Es war der richtige Schritt. Das Rettungssystem in Deutschland ist eines der besten in der ganzen Welt. Seit wann gab es überhaupt Notarzt-Standorte? Dr. Michael Scherer: In den 60er Jahren in München und Würzburg. Amberg kam 1978/79 hinzu und wurde von den Bundeswehr-Ärzten besetzt. Erwin Gräml: In Sulzbach-Rosenberg haben wir vom Roten Kreuz gesagt, dass wir einen Notarzt an der Einsatzstelle brauchen. Außerdem war ein gewisser Druck aus der Bevölkerung da. Dr. Hans Wagner, damaliger Landrat und BRK-Kreisvorsitzender, unterstützte das Vorhaben ebenfalls. Dann lag die Genehmigung der Regierung vor, und auch die Kassen- Die Einsatzzahlen Vor einem Vierteljahrhundert, als der Notarzt-Standort SulzbachRosenberg gegründet wurde, lag die Zahl der Einsätze bei 700 pro Jahr, erzählt Erwin Gräml. „Jetzt sind es 1848“, sagt er über den Anstieg. Das Gros davon entfällt auf den internistischen Bereich. Krankheitsbilder wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Diabetes machen über 65 Prozent aus, Unfälle hingegen nur drei Prozent. BRK-Chefarzt Dr. Scherer ergänzt, dass sich das EinsatzSpektrum sehr verändert. Als er als Notarzt angefangen hatte, machten die Unfälle noch 40 Prozent aus, heute spielen sie eine eher untergeordnete Rolle. (san) ärztliche Vereinigung Bayerns stimmte zu. Rückblickend kann man sagen, dass es ein zähes Ringen war. Wie rückte der Notarzt aus? Gräml: Der Standort war nicht so besetzt, wie er es heute ist. Es gab noch kein Notarzt-Einsatzfahrzeug. Vielmehr sind die Notärzte selbst mit ihren Privat-Autos gefahren. Ich kann mich noch gut an den silberfarbenen Mercedes von Dr. Leipold erinnern. Leipold: Ich mich auch. Meistens bin ich direkt zum Einsatzort gefahren, manchmal hat man sich auch unterwegs mit den Rettungsassistenten und -sanitätern getroffen – vor allem dann, wenn es erst kein akuter Notfall war, der Zustand des Patienten sich aber während des Transports im Rettungswagen verschlechtert hat. Wie war es mit der Ausstattung? Leipold: Wir hatten damals noch keinen Defibrillator, aber ein EKG. Gräml: Die niedergelassenen Ärzte sind mit ihrer Arzttasche ausgerückt, die Notfallsachen befanden sich im Rettungswagen. Scherer: Das lässt sich mit den Behandlungsmöglichkeiten von heute nicht vergleichen. Früher gab’s keine Defibrillatoren, heute gehören sie zum Standard. Es gab damals noch kein vernünftiges Beatmungsgerät, das musste mechanisch mit dem Ambu-Beutel gemacht werden. Somit war der Transport von Patienten in einem kritischen Zustand über weitere Strecken nicht möglich. Sie kamen also so schnell wie möglich in das nächste Krankenhaus. Und wie ist es heute? Scherer: Man hat mehr Zeit, sie zu stabilisieren und dann in eine geeignete Klinik zu fahren. Zum Beispiel hat man früher einen Herzinfarkt-Patienten auch nach Sulzbach-Rosenberg gebracht. Heute kommt er nach Amberg, weil es dort ein Herzkatheter-Labor gibt. Das verbessert die Chancen der Betroffenen. Früher verstarben 50 Prozent aller Herzinfarkt-Patienten. Heute überleben 80 bis 90 Prozent. Das setzt voraus, dass rechtzeitig ein Notarzt gerufen wird. Gleiches gilt für den Schlaganfall. senberg. Die Hälfte davon sind Chirurgen, die anderen sind Internisten. Der Anrufer sollte also mitteilen, von welcher Seite anzufahren ist. Worin bestand früher die NotarztAusbildung? Gräml: Nachts und an den Wochenenden machen niedergelassene Ärzte oder Klinikärzte freiberuflich den Dienst. Unter ihnen sind Anästhesisten, Kinderärzte und Gynäkologen. Herr Körber, Sie hatten gerade einen Einsatz. Haben Sie leicht hingefunden? Leipold: Das waren lediglich NotfallKurse bei der Ärztekammer. Scherer: Mein Kurs lief über drei Wochenenden. Außerdem musste man ein Jahr im Krankenhaus gearbeitet haben. Hat sich daran etwas geändert? Dr. Norbert Schönamsgruber: Das hat sich gravierend verändert. Man muss mehrere Jahre klinisch tätig sein und mindestens ein Jahr auf einer Intensivstation gearbeitet haben. Zudem muss man 50 Einsätze mit einem Notarzt absolvieren. Seit einem Jahr gibt es eine spezielle Prüfung. Danach darf man die Zusatzbezeichnung Notfallmedizin führen. Herr Dr. Körber, Sie sind seit einem halben Jahr Notarzt. Wie war das bei Ihnen? Körber: Ich brauchte 30 Monate klinische Tätigkeit, eine sechsmonatige Ausbildung auf der Intensivstation und 50 Einsätze mit einem Notarzt. Im Februar habe ich die Prüfung bei der Landesärztekammer in München gemacht und darf die Zusatzbezeichnung Notfallmedizin führen. Seit April bin ich hier als Notarzt tätig. Wie kamen Sie zur Notfallmedizin? Körber: Ich war bereits ehrenamtlich im Rettungsdienst tätig. Nach dem Medizinstudium war mir klar, dass ich die Notarzt-Ausbildung mache. Was ist so spannend daran? Körber: Man kann schwer erkrankten Menschen relativ schnell helfen, sie präklinisch gut versorgen und in ein Krankenhaus bringen, wo sie dann weiter behandelt werden. Aus welchen medizinischen Sparten kommen die Notärzte? Leipold: Früher waren es meist Anästhesisten und Intensivmediziner. Schönamsgruber: Das St.-AnnaKrankenhaus stellt tagsüber die Notärzte für den Standort Sulzbach-Ro- Ist es schwierig, Mediziner für den Dienst zu gewinnen? Schönamsgruber: Viele wollen das gar nicht. Andere schaffen es zeitlich nicht, sie müssten Jahre bei uns arbeiten, bis sie als Notärzte tätig sein dürften – meistens gehen sie dann woanders hin. Es sind also hauptsächlich die altgedienten Notärzte, die den Dienst machen. Welche Situationen sind besonders schwierig? Leipold: Notfälle bei Kindern wie Pseudokrupp mit Erstickungsanfall, sind die schlimmsten Einsätze. Das ist psychisch belastend. Schönamsgruber: Das stimmt. Man hat ja mit Kindern nicht immer zu tun, außer man ist Kinderarzt. Es erfordert also breite medizinische Kenntnisse ... Scherer: Ja, man ist mit einer Vielzahl von Krankheitsbildern und Verletzungen konfrontiert – von der Geburt eines Kindes bis zur Versorgung eines 100-jährigen Greises. Mit welchen Problemen haben Notärzte heutzutage zu kämpfen? Gräml: Das ist in erster Linie das Finden des Einsatzortes. Wir können nur daran appellieren, die Hausnummern so anzubringen, dass sie von der Straße gut sichtbar sind – man fährt sonst schnell mal vorbei. Schönamsgruber: In vielen Dörfern ist wild nummeriert. Da ist Hausnummer 1, dann die 20, dann gehts weiter mit der Nummer 4. Das beklagen Notärzte seit Jahren – hat sich da was verbessert? Gräml: Teilweise. Oftmals gibt es auch örtliche Besonderheiten, zum Beispiel die Weiherstraße in Sulzbach-Rosenberg, die ist zweigeteilt. 1988 wurde der Notarzt-Standort Sulzbach-Rosenberg gegründet, fünf Jahre später bekamen die dort tätigen Notärzte ihr erstes Einsatzfahrzeug, das sie liebevoll „Poldi“ nannten. Das BRK finanzierte es über Spenden. Die nächsten Notarzteinsatzfahrzeuge wurden über Spenden und dank Sonderkonditionen bei BMW angeschafft. Viele Jahre fuhren niedergelassenen Ärzte, wenn sie Dienst hatten, mit ihren eigenen Autos. Bild: Rainer Berendes Körber: Nein, es war trotz Navi schwierig. Man muss leider immer wieder feststellen, dass vor allem kleine Dörfer sehr zerstückelt sind und die Hausnummern von außen nicht immer sichtbar sind. Wie lautet Ihre Bilanz nach 25 Jahren, hat sich das System bewährt? Scherer: Auf jeden Fall, Dr. Leipold hat recht, wenn er sagt, dass es eine Erfolgsgeschichte ist. Das deutsche Rettungs- und Notarztsystem ist eines der besten der Welt. Man muss aber auch eines sagen: Die bezahlten Honorare für Notärzte sind eher eine Aufwandsentschädigung als ein Honorar. Wir haben aber auch Nachwuchsprobleme: Immer weniger junge Ärzte sind bereit, den verantwortungsvollen Dienst zu übernehmen. Was könnte das für die Zukunft bedeuten? Scherer: Es wird wohl so sein, dass es eher in die amerikanische Richtung geht. Ein Schritt dahin ist schon das geänderte Berufsbild des jetzigen Rettungsassistenten: Künftig wird es Notfallsanitäter geben, die teils ärztliche Kompetenzen übernehmen. Wie wichtig ist es, in Sulzbach-Rosenberg auch künftig einen Notarzt-Standort zu haben? Leipold: Der Standort muss – wie auch das St.-Anna-Krankenhaus – unbedingt erhalten bleiben. Wichtig sind kurze Anfahrtswege zur Klinik. Gräml: Das belegen allein schon die Zahlen. Wir haben inzwischen 1848 Notarzteinsätze pro Jahr. Es war damals, vor 25 Jahren, eine gute Entscheidung, dass der Landkreis das St.-Anna-Krankenhaus mit ins Boot genommen hat. Die Patienten kommen aber nicht nur dorthin – 30 Prozent werden nach Amberg gebracht. Scherer: Der Patient kommt dorthin, wo er für sein Problem eine optimale Versorgung erhält. Der Standort Sulzbach-Rosenberg ist einer von zwei Notarzt-Standorten im Landkreis. Die Mediziner decken einen Teil (Sulzbach-Rosenberg, Birgland, Illschwang, Poppenricht, Hahnbach, Neukirchen, Etzelwang, Edelsfeld, Vilseck, Freihung sowie Teile von Hirschbach und Königstein) ab, den Rest die Amberger. „Es gibt aber keine starren Grenzen, die gab’s nie“, betont Erwin Gräml. „Es kann vorkommen, dass man nach Hersbruck gerufen wird“, sagt Dr. Richard Leipold, der bis Ende 2005 Notarzt war. Oder eben der Amberger Kollege ausrückt, weil ein zweiter Notfall gemeldet wird und der hiesige Notarzt bereits einen Einsatz hat. (san)