Industrie-Applikationen 216 Neue immuntherapeutische Ansätze bei Krebserkrankungen Florian Rohrbach Georg-Speyer-Haus, Institute for Biomedical Research, Frankfurt/Main Patientenspezifische Immuntherapien werden derzeit als sinnvolle Alternative zu den bereits bestehenden Therapien, z.B. Chemotherapie und Strahlentherapie nach chirurgischem Eingriff diskutiert. Sie könnten vor allem bei bereits klassisch therapierten Patienten eingesetzt werden, bei denen ein Tumorrezidiv verhindert werden soll. In vielen Tumorerkrankungen epithelialen Ursprungs, wie z.B. dem Mamma- und Gebärmutterkarzinom oder Adenokarzinomen der Lunge, werden Rezeptoren aus der ErbB/epidermalen Wachstumsfaktor Rezeptor (EGFR) Familie signifikant überexprimiert. Diese Proteinfamilie fasst strukturell eng verwandte transmembrane Signalproteine zusammen, die vor allem in der intrazellulären Domäne strukturelle Homologien aufweisen. Neben EGFR (HER-1) gehören auch ErbB2 (HER-2), ErbB3 (HER-3), ErbB4 (HER-4) in diese Gruppe. Hinsichtlich ihrer Funktion zählen sie zu den Tyrosin Kinase Rezeptoren. Binden Wachstumsfaktoren an die extrazelluläre Domäne dieser Proteine, werden dadurch innerhalb der Zelle Wachstums- und Differenzierungsprozesse hervorgerufen. Da sich bei vielen Krebserkrankungen erhöhte EGFR und ErbB2 Konzentrationen nachweisen lassen, bieten sich diese Rezeptoren als potenzielle Targets für Anti-Krebs-Therapien an. Werden die Signalwege, die durch diese Rezeptoren gesteuert werden, selektiv gehemmt, könnte dadurch die unkontrollierte Proliferation ErbB2-überexprimierender Tumorzellen verhindert werden. Monoklonale Antikörper, die sich gegen ErbB2 oder auch EGFR richten, sind bereits zugelassen (Her- ceptin) oder werden in klinischen Studien getestet. Allerdings zeigte sich bisher, dass diese Antikörper nur begrenzt als Therapeutikum eingesetzt werden können, und daher die Suche nach alternativen Strategien erforderlich ist. An dem chemotherapeutischen Forschungsinstitut GeorgSpeyer-Haus werden Grundlagen- und anwendungsorientierte Forschungsprojekte im Bereich der Tumorbiologie und translatorischen Forschung durchgeführt. Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Wels, stellvertretender Direktor des Georg Speyer Hauses, arbeitet unter anderem an der Entwicklung neuer Vakzinierungsstrategien gegen Tumoren, die das ErbB2 Antigen überexprimieren. Durch die Präsentation Tumor-assoziierter Antigene soll in diesem Therapieansatz zunächst im Mausmodell eine endogene zelluläre Immunantwort gegen die Tumorzellen stimuliert werden. Es wird versucht eine verbesserte Aufnahme und Präsentation des ErbB2 Tumorantigens durch Antigen-präsentierende Zellen (APCs) zu erreichen. Als Teil eines rekombinanten Fusionsprotein-Vakzins soll die zielgerichtete Bindung des Tumorantigens an APC-spezifische Oberflächenmoleküle und deren anschließende Aufnahme und Prozessierung innerhalb von APCs ermöglicht werden, so dass dadurch eine verbesserte tumorspezifische zytotoxische Antwort des Immunsystems erzielt wird. So genannte Tumor Escape-Mechanismen können eine Aktivierung des Immunsystems und damit eine Abstoßung des Tumorgewebes verhindern, so dass die potenziellen Tumorantigene vom Immunsystem unerkannt bleiben. Kann diese Immuntoleranz jedoch überwunden wer- den, kann dadurch das Tumorgewebe aktiv abgestoßen werden. Kontrolle der Vakzinierung Einen entscheidenden Hinweis auf den Erfolg einer Tumorvakzinierung gibt die Analyse der TLymphozyten. Neben den zytotoxischen T-Zellen, lassen sich die Helfer T-Zellen (Th) des Immunsystems in zwei Subpopulationen unterteilen, die Th1- oder Th2-Zellen. Lassen sich hauptsächlich Th1-Zellen nach einer Stimulation nachweisen, wurde eine inflammatorische Antwort mit der Aktivierung von zytotoxischen T-Zellen hervorgerufen. Werden dagegen vorrangig Th2Zellen nachgewiesen, liegt eine humorale Antwort vor. Für eine erfolgreiche Tumorabstoßung ist vor allem die zelluläre Th1-Immunantwort mit den zytotoxischen T-Zellen entscheidend. Eine Immuntherapie führt daher meist nur dann zum Erfolg, wenn sie eine Th1-Antwort auslöst. Um den Verlauf einer gewählten Vakzinierungsstrategie überprüfen zu können, muss daher ermittelt werden, welche TZellantwort durch eine bestimmte Impfung induziert wird. Da sich Th1- und Th2-Zellen durch das Muster ihrer produzierten Zytokine unterscheiden, lässt sich durch eine Quantifizierung der sezernierten Zytokine eindeutig feststellen, welche Immunantwort vorliegt. Da die für die Zytokinbestimmung bislang eingesetzten Methoden sehr zeit- und arbeitsintensiv sind, setzte das Georg-SpeyerHaus erstmalig den neuen Cytometric Bead Array (CBA von BD Biosciences, Heidelberg) ein, der die parallele Detektion und Quantifizierung mehrerer Zytokine oder Chemokine ermöglicht. Während mit einem ELISA in einem Durchlauf ein Zytokin bestimmt werden kann, lassen sich in derselben Zeit mit dem BD CBA Mouse Kit insgesamt fünf Th1- bzw. Th2-Zytokine analysieren. Innerhalb eines Tages kann so das Th1-Th2 Gleichgewicht bestimmter Zellpopulationen reproduzierbar bestimmt werden. Da das Kit mit nur drei Fluoreszenzen arbeitet, kann es auch mit kleineren FACS-Geräten gemessen werden. In ex vivo Experimenten wurden am Georg-Speyer-Haus aus vakzinierten Mäusen Milzzellen entnommen und nach Kultivierung mit dem Tumorantigen restimuliert. Nach einer Inkubationsphase von 72h bestimmte die Arbeitsgruppe das Zytokinprofil im Zellkulturüberstand mit Hilfe des CBA Kits. Die Ergebnisse zeigten eindeutig, dass die primäre Immunantwort nach der Vakzinierung hauptsächlich der erwarteten Th1-Antwort mit der Aktivierung von zytotoxischen T-Zellen entsprach. Es konnte auf Zellkulturebene aber auch im Mausmodell gezeigt werden, dass diese Vakzinierungsstrategie eine antitumorale zytotoxische Immunantwort auslösen kann und daher potentiell zur Bekämpfung von Tumorerkrankungen eingesetzt werden kann. Das Georg Speyer-Haus plant in Kürze die Veröffentlichung der wissenschaftlichen Ergebnisse. Korrespondenzadresse: Dr. Florian Rohrbach Georg-Speyer-Haus Institute for Biomedical Research Paul-Ehrlich-Str. 42-44 D-60596 Frankfurt/Main BIOspektrum · 2/04 · 10. Jahrgang