Grundlagen der Logik in der Informatik WS 2016 Übungsblatt 11 Abgabe der Lösungen: 23.01.–27.01. Aufgabe 1 Die Natürlichen Zahlen als Modell (Präsenzaufgabe) Sei N die Menge der natürlichen Zahlen einschließlich 0, also N = {0, 1, 2, . . .}. Stellen Sie N als ein Modell einer Signatur dar, die aus den folgenden Symbolen besteht: • eine Konstante (also ein 0-stelliges Funktionssymbol) 0; • ein einstelliges Funktionssymbol s für die Nachfolgeroperation: s(0) = 1, s(1) = 2, usw.; • zwei binäre Funktionssymbole + und × für Addition und Multiplikation, geschrieben als Infixoperatoren mit der üblichen Präzedenz. Wir erinnern uns an die folgenden Axiome der Peano-Arithmetik von Übungsblatt 8: PA1 . ∀x (¬(0 = s(x))); PA2 . ∀x, y (s(x) = s(y) → x = y); PA3 . ∀x (x + 0 = x); PA4 . ∀x, y (x + s(y) = s(x + y)); PA5 . ∀x (x × 0 = 0); PA6 . ∀x, y (x × s(y) = x × y + x); PA7 . ∀y1 , . . . , yn φ(0, y1 , . . . , yn ) ∧ ∀x (φ(x, y1 , . . . , yn ) → φ(s(x), y1 , . . . , yn )) → ∀x φ(x, y1 , . . . , yn ) . (a) Die Axiome PA1 –PA7 gelten für N, d.h. N ist ein Modell der Peano-Arithmetik, das sogenannte Standardmodell. Überprüfen Sie beispielsweise, dass PA4 und PA6 über N gelten. (b) Überprüfen Sie, ob N |= ∀x, y (x + y = 0 → (x = 0 ∧ y = 0)) gilt. (c) Beweisen Sie im Fitch-Kalkül, dass ∀y, x (x + y = 0 → (x = 0 ∧ y = 0)) aus den Axiomen PA1 –PA7 folgt. Aufgabe 2 Natürliche vs. reelle Zahlen (Präsenzaufgabe) Beweisen Sie, dass die nicht-negativen reellen Zahlen R+ unter den gleichen Interpretationen von 0, s, + und × (d.h. s(x) = x + 1, + wird als Addition, × als Multiplikation und 0 als 0 interpretiert) kein Modell der Peano-Arithmetik sind. Finden Sie dazu ein Peano-Axiom, das über R+ nicht gilt. GLoIn, WS 2016 Aufgabe 3 Schachbrett als Modell erster Stufe (8 Punkte) (a) Formalisieren Sie die folgende Schachsituation als ein Modell M für die Signatur, die folgende Symbole umfasst: drei Individuenkonstanten wKoenig, sKoenig und sSpringer; vier binäre Prädikate LinksVon, RechtsVon, Unterhalb, Oberhalb; und ein ternäres Prädikat Zwischen. 2 Punkte 0Z0Z0Z0J 7 Z0Z0Z0Z0 6 0Z0Z0Z0Z 5 Z0Z0Z0Z0 4 0Z0Z0m0Z 3 Z0Z0Z0Z0 2 kZ0Z0Z0Z 1 Z0Z0Z0Z0 8 a b c d e f g h Als Trägermenge des Modells verwenden Sie die Menge aller 64 Felder. Die Semantik der Prädikate soll durch die jeweils offensichtliche geometrische Beziehung gegeben sein. Dabei befindet sich eine Schachfigur oberhalb einer anderen, wenn die erste auf dem Bild echt höher als die zweite steht. Ein Schachfigur befindet sich zwischen zwei anderen Figuren, wenn sie gleichzeitig rechts von einer, links von der anderen und oberhalb von einer, unterhalb der anderen liegt. Es muss also für M gelten, dass Oberhalb(wKoenig, sKoenig), RechtsVon(wKoenig, sKoenig), Zwischen(sSpringer, sKoenig, wKoenig). (b) Geben Sie eine Formel φ an, die das Prädikat Zwischen nicht enthält und für die 3 Punkte M |= ∀x, y, z (Zwischen(x, y, z) ↔ φ) gilt. Beweisen Sie dies formal anhand der Definitionen aus der Vorlesung. (c) Überprüfen Sie die folgende Behauptung: 3 Punkte M |= ∀x (Zwischen(x, sKoenig, sSpringer) → ∃y (Zwischen(y, wKoenig, sSpringer) ∧ Zwischen(sSpringer, x, y))). Aufgabe 4 Modellbau für Peano-Arithmetik (12 Punkte) Da alle Axiome der Peano-Arithmetik über N gelten, ist die Peano-Arithmetik korrekt über natürlichen Zahlen; d.h. N |= φ gilt für jedes Theorem φ der Peano-Arithmetik, d.h. für alle durch natürliches Schließen aus den Peano-Axiomen hergeleiteten Formeln φ. Die PeanoArithmetik ist dennoch nicht vollständig über N; d.h. es gibt Formeln, die über N gültig, aber keine Theoreme der Peano-Arithmetik sind. Dies ist eine Konsequenz des berühmten ersten Gödelschen Unvollständigkeitssatzes. Das bedeutet unter anderem, dass es strukturell andere Modelle als N gibt ( strukturell anders“ in einem formal präzisen Sinn), die alle Peano-Axiome ” erfüllen. Solche Modelle werden auch Nichtstandardmodelle genannt. Man meint intuitiv, solche Modelle auf recht naive Weise konstruieren zu können, was aber fehlschlägt, wie die folgenden Versuche zeigen: 2 GLoIn, WS 2016 3 Punkte (a) Erweitern Sie das Modell N auf N ∪ {∞}, indem Sie die Semantik von Funktionssymbolen dahingehend vervollständigen, dass ∞ als Ergebnis ausgegeben wird, sobald mindestens ein Argument zu ∞ evaluiert wird. 3 Punkte (b) Beweisen Sie, dass das so definierte Modell kein Nichtstandardmodell der Peano-Arithmetik ist (es also ein Peano-Axiom φ gibt, so dass N ∪ {∞} 6|= φ). Hinweis: Betrachten Sie das Induktionsaxiom für φ(x) = ¬(x = s(x)). (c) Analog zu (a) und (b) betrachten Sie die Menge N×N von Paaren von natürlichen Zahlen (x, y) mit x, y ∈ N und betrachten Sie die folgende elementweise definierte Semantik von 0, s, + und × über N × N : (N × N)[[0]] = (N[[0]], N[[0]]), (N × N)[[s]](x, y) = (N[[s]](x), N[[s]](y)), (N × N)[[+]]((x, y), (x0 , y 0 )) = (N[[+]](x, x0 ), N[[+]](y, y 0 )), (N × N)[[×]]((x, y), (x0 , y 0 )) = (N[[×]](x, x0 ), N[[×]](y, y 0 )). Beweisen Sie, dass N × N ebenfalls kein Nichtstandardmodell der Peano-Arithmetik ist, indem Sie zeigen, dass 3 Punkte (c. 1) ∀x, y (x+y = s(0) → (x = 0∨y = 0)) aus PA1 –PA7 im Fitch-Kalkül folgt (Hinweis: es kann sich lohnen, eine im Fitch-Kalkül bewiesene Hilfsaussage in Anspruch zu nehmen); 3 Punkte (c. 2) N × N 6|= ∀x, y (x + y = s(0) → (x = 0 ∨ y = 0)). 3