Patienteninformation: Bluthochdruck – was kann ich tun? Univ.-Prof. Dr. Dr. med. Eva Brand, Medizinische Klinik und Poliklinik D, Universitätsklinikum Münster, Albert-Schweitzer-Str. 33, 48149 Münster Tel.: 0251-83 48746, Fax: 0251-83 47545, E-mail: [email protected] In unserer Abteilung behandeln wir Bluthochdruck-Patienten durch ein erfolgreiches ganzheitliches Bluthochdruck-Konzept unter Einbeziehung von Sportmedizinern, Ernährungsberatern und Experten zum Stressmanagement. Dazu führen wir eine entsprechende Abklärung des Bluthochdrucks und maßgeschneiderte Behandlung entsprechend der aktuellen Leitlinien der European Society of Hypertension (ESH) / European Society of Cardiology (ESC) und der Deutschen Hochdruckliga e.V. DHL® - Deutschen Hypertonie Gesellschaft [www.hochdruckliga.de] durch. Im nachfolgenden Text möchten wir häufige Fragen beantworten und Sie zur Abklärung und Einstellung Ihres Bluthochdrucks in unsere Abteilung einladen. 1. Wie viele Deutsche leiden an Bluthochdruck (Epidemiologie)? Der Bluthochdruck (Hypertonie) ist der häufigste Risikofaktor von HerzKreislauferkrankungen. In einer erst kürzlich veröffentlichten multinationalen Studie konnte gezeigt werden, dass 55% aller 35- bis 64-jährigen Deutschen an einer Hypertonie litten. Ab dem 65. Lebensjahr sind 60-80% der Bevölkerung hyperton. Es zeigt sich, dass der Bluthochdruck nur bei ca. 50% der Betroffenen bekannt ist, nur bei ca. 25% behandelt wird und letztlich nur bei 10% auch ausreichend kontrolliert ist. 2. Was ist die Folge meines Bluthochdrucks? Folgeerkrankungen erhöhter Blutdruckwerte sind Schlaganfall, Herzinfarkt, Nieren/Herzschwäche, Arterienverkalkung (Arteriosklerose) und abnehmende Gedächtnisleistung (vaskuläre Demenz). Da erhöhte Blutdruckwerte lange unbemerkt bleiben, stellen sich die meisten Patienten erst mit symptomatischen Organschäden vor. Dies gilt es rechtzeitig zu verhindern, sodass regelmässige Blutdruckmessungen empfohlen werden. 3. Wie wird Bluthochdruck definiert? Sowohl systolisch (SBD, erster Messwert) als auch diastolisch (DBD, 2. Messwert) erhöhte Blutdruckwerte gehen mit einem steigenden Risiko für Schlaganfall und Herzinfarkt einher. Ein Blutdruck ≥140/90 mmHg gilt – mehrfach in Ruhe gemessen – als hyperton. Tabelle 1 zeigt die Einteilung der Hypertonie in drei Schweregrade. Tabelle 1. Einteilung von Blutdruckwerten Kategorie SBD (mmHg) DBD (mmHg) Optimal <120 <80 Normal 120-129 80-84 Hoch-normal 130-139 85-89 Hypertonie Grad 1 (leicht) 140-159 90-99 Hypertonie Grad 2 (mittel) 160-179 100-109 Hypertonie Grad 3 (stark) ≥180 ≥110 Isolierte systolische Hypertonie ≥140 <90 SBD, systolischer Blutdruck; DBD, diastolischer Blutdruck. 4. Was ist die Ursache meines Bluthochdrucks? Beim Bluthochdruck unterscheidet man zwischen der primären bzw. essentiellen Hypertonie (ca. 90% der Fälle) und der sekundären Hypertonie (ca. 10% der Fälle). Die primäre Hypertonie ist meist durch das Zusammenspiel mehrerer Faktoren bedingt, wobei genetische Faktoren ebenso eine Rolle spielen wie Umweltfaktoren bzw. individueller Lebensstil. Bis zu 50% aller Hypertoniker (25-33% aller Normotoniker) sind „salzempfindlich“ (salzsensitiv), d.h. eine erhöhte Kochsalzzufuhr führt zu einer deutlichen Blutdruckerhöhung. Übergewicht stellt einen wesentlichen Risikofaktor dar, da es u.a. zu einer gesteigerten Aktivität unterschiedlicher regulierender Systeme (Sympathikus- und Renin-AngiotensinAldosteron-System) kommt. Stress führt u.a. durch Stresshormonfreisetzung zur Blutdruckerhöhung. Erhöhter Alkoholkonsum (>30-40 g/Tag) kann ebenfalls zu Hypertonie führen. Bewegungsmangel kann auf verschiedenen Ebenen zur Entwicklung oder Aufrechterhaltung einer arteriellen Hypertonie beitragen. Diese Aspekte ergeben Ansatzpunkte für wirksame Allgemeinmaßnahmen. Den sekundären Hypertonieformen liegen isolierte, identifizierbare Ursachen zugrunde, wie z.B. eine Nierenerkrankung, eine Einengung des zuführenden Nierengefäßes (Nierenarterienstenose), ein Hormon-produzierender Knoten (Hyperaldosteronismus, Phäochromozytom, Cushing-Syndrom), Schilddrüsenüberfunktion bzw. ein sogenanntes Schlafapnoe-Syndrom (gekennzeichnet durch Atemstillstände während des Schlafs und Tagesmüdigkeit). Diese Ursachen können durch die Berücksichtigung der Krankengeschichte, der Laborwerte und ggf. einer Bildgebung bei uns abgeklärt und gezielt behandelt werden. 5. Welche Diagnostik zur Abklärung meiner Hypertonie ist sinnvoll? Die Diagnostik der Hypertonie umfasst (a) die Bestimmung der Blutdruckhöhe (Tabelle 1), (b) den Ausschluss o.g. sekundärer Formen der Hypertonie und (c) die Festlegung des Gesamtrisikos für Herz-Kreislauf-Folgeerkrankungen (wie z.B. Herzund Hirninfarkte) durch die Abklärung weiterer Risikofaktoren (z.B. Fettstoffwechselstörung, Rauchen, Übergewicht, Bewegungsmangel usw.), Organschäden (Herz, Gehirn, Niere) und Begleiterkrankungen (z.B. Diabetes mellitus). Der Ablauf wird bestimmt durch (a) wiederholte Blutdruckmessungen, (b) Krankengeschichte, (c) körperliche Untersuchung, (d) Laboruntersuchungen und (e) apparative Diagnostik. 5.1. Wie sollte eine Blutdruckmessung durchgeführt werden? Die Diagnose Hypertonie basiert auf mehreren Blutdruckmessungen. Die sogenannte konventionelle Messung sollte nach einigen Minuten Ruhe im Sitzen mit einer Standardmanschette (12-13 cm breit, 35 cm lang; für dickere bzw. dünnere Arme größere bzw. kleinere Manschette), die auf Herzhöhe angelegt wird, durchgeführt werden. Wir empfehlen die Selbstmessung und das Führen eines Blutdruckpasses durch den Patienten. Die 24-Stunden-Blutdruckmessung ist als zusätzliche diagnostische Maßnahme einzustufen, die besser mit dem Ausmaß der Organschäden korreliert und besser das Herz-Kreislauf-Risiko abschätzen lässt als die konventionelle Blutdruckmessung. Ausserdem können Weißkittel-Effekte (Praxishypertonie) vermieden werden, fehlende Nachtabsenkung als möglicher Hinweis auf das Vorliegen einer sekundären Form der Hypertonie dokumentiert werden und die therapeutische Wirkung antihypertensiver Maßnahmen besser erfasst werden. Ein Praxisblutdruck von 140/90 mmHg entspricht ungefähr einem 24-Stunden-Mittelwert von 130/80 mmHg. Als Richtwert für die Tagphase gilt ein Mitteldruck von <135/85 mmHg und für die Nachtphase von <120/70-75 mmHg. 5.2. Welche Abklärung von Organschäden ist sinnvoll? Neben der Erhebung der Krankengeschichte, der körperlichen Untersuchung und einiger Laboruntersuchungen (Blut, Urin) ist die Abklärung von Organschäden notwendig, um das individuelle Herz-Kreislauf-Risiko zu bestimmen und darüber eine maßgeschneiderte Therapie zu erhalten. Dazu empfehlen wir eine Ultraschalluntersuchung des Herzens (Echokardiographie), des Bauchraumes (Abdomen-Sonographie) und der Halsgefäße (Doppler-Sonographie). 6. Welchen Zielblutdruck sollte ich anstreben? Das Hauptziel bei der Behandlung von Hypertonikern ist die Reduktion des Gesamtrisikos an Herz-Kreislauf-Folgeerkrankungen. Dies erfordert sowohl die Senkung des Blutdrucks als auch die Therapie aller zusätzlicher Risikofaktoren. Bei allen Hypertonikern sollte der Blutdruck mindestens auf Werte unter 140/90 mmHg gesenkt werden. Bei Diabetikern ist eine Blutdrucksenkung auf Werte in einem Zielkorridor zwischen 130-139/80-85 mmHg anzustreben, wobei das Ziel der Blutdruckeinstellung im unteren Bereich dieser Werte liegen sollte. Der Zielblutdruck sollte kleiner als 130/80 mmHg bei Hypertonikern mit hohem oder sehr hohem Herz-Kreislauf-Risiko (Patienten nach Schlaganfall bzw. Herzinfarkt, nierenkranke Patienten mit einer Eiweißausscheidung im Urin) sein. 7. Welcher Lebensstil ist hilfreich für die Blutdrucksenkung? Der Veränderung des Lebensstils kommt als Grundlage der Blutdruck-senkenden Therapie eine wichtige Rolle zu. Dieses betrifft nicht nur Patienten vor dem Beginn der medikamentösen Therapie, sondern auch Patienten, die bereits antihypertensive Medikamente erhalten. Das Ziel der Lebensstiländerungen ist es, den Blutdruck zu senken und andere Risikofaktoren günstig zu beeinflussen. Veränderungen des Lebensstils, welche den Blutdruck senken und das Herz-Kreislauf-Risiko günstig beeinflussen, sind (Abbildung 1): 1. Beendigung des Rauchens 2. Gewichtsreduktion bei Übergewicht 3. Verminderung des Alkoholkonsums; <20-30 g/Tag (Mann) bzw. <10-20 g/Tag (Frau) 4. Körperliche Bewegung und Sport; ideal 30-45 Min./Tag (mindestens 3 x 30 Min./Woche), mittlere Intensität (aerob) 5. Reduktion des Kochsalzkonsums; <5g/Tag NaCl (<85 mmol/Tag) 6. Eine Ernährung reich an Obst und Gemüse und wenig tierischen und gesättigten Fetten 7. Stressmanagement. ErnährungsErnährungsumstellung AlkoholAlkoholreduktion GewichtsGewichtsabnahme Ausdauer training Stress management Abbildung 1. Lebensstil-Änderung zur Blutdrucksenkung Wir bieten Ihnen dazu unser ganzheitliches Bluthochdruckkonzept an, das mehrere hundert Patienten inzwischen seit Jahren erfolgreich durchgeführt haben. Darüber konnten Tabletten eingespart werden und Zielwerte erfolgreich erreicht werden. Dazu bieten wir Ihnen u.a. eine individuelle Ernährungsberatung, sportmedizinische Testung und eine Beratung zum Stressmanagement durch Experten an (Abbildung 2). Risikomanagement Umweltfaktoren konventionelle Faktoren genetische Faktoren Hypertoniker Nephrologen Hypertensiologen Kardiologen Psychosoziale Mediziner Sportmediziner Ernährungsberater Epidemiologische / sozialmedizinische Konzepte; Stadt Münster Gesundheitsamt Münster, HVM - niedergelassene Kollegen, Selbsthilfegruppen, Krankenkassen Optimiertes individuelles Präventions-/Therapiekonzept Abbildung 2. Ganzheitliches Behandlungskonzept am UKM 8. Welche Blutdruck-senkenden Medikamente sollte ich einnehmen? Als sog. Monotherapeutika der ersten Wahl stehen den Bluthochdruck-Patienten ACE-Hemmer, AT1-Blocker, Beta-Blocker, Calzium-Antagonisten und Diuretika zur Verfügung, die gut miteinander kombiniert werden können (Abbildung 2). Dabei richtet sich die maßgeschneiderte medikamentöse Therapie nach zusätzlichen Risikofaktoren, Organschäden und möglichen Begleiterkrankungen, dem unterschiedlichen Nebenwirkungsprofil der Medikamente sowie den Bedürfnissen des Patienten. * Kombination nur für Dihydropyridine Kombination Kombination Abbildung 2. Antihypertensiva der 1. Wahl 9. Welche Optionen bestehen bei sogenannter therapierefraktärer Hypertonie? Eine therapierefraktäre Hypertonie ist definiert als das Nichterreichen des Zielblutdrucks von <140/90 mmHg trotz Behandlung mit 3 ausreichend dosierten Antihypertensiva inkl. eines Diuretikums. Sie tritt bei ca. 4% aller Hypertoniker in allgemeinmedizinischen Praxen und bis zu 15% aller Hypertoniker in HypertonieSpezialambulanzen auf. Bei therapierefraktärer Hypertonie erhalten Sie eine entsprechende Beratung zu neuen vielversprechenden interventionellen Verfahren (u.a. Katheter-basierte Radiofrequenz-Ablation der renalen Sympathikusaktivität bzw. Carotis-Sinus-Stimulation durch die Implantation eines Carotis-Schrittmachers).