Strahlentherapie und Onkologie Literatur kommentiert Rauchen und (Krebs-)Mortalität bei Frauen: Mit der Aufgabe des Rauchens sinkt sofort das Sterblichkeitsrisiko Fragestellung und Hintergrund: Rauchen ist mit einem erhöhten Gesamt- und ursachenabhängigen Todesrisiko assoziiert, wobei bisher ungewiss blieb, inwieweit die Risikorate der Mortalität nach Beendigung des Rauchens verglichen mit dem Weiterrauchen sinkt. Unzureichend war auch der Nachweis eines Zusammenhangs von Rauchen mit Eierstock- sowie Dick- und Enddarmkrebs. Die Abhängigkeiten zwischen Rauchverhalten bzw. dem Beendigen des Rauchens zum Gesamt- und ursachenabhängigen Todesrisiko bei Frauen sollte in dieser Studie geklärt werden. Probanden und Methodik: In der 1976 begonnenen, großen prospektiven Beobachtungsstudie von US-amerikanischen Krankenschwestern im Alter von 30 bis 55 Jahren mit ursprünglich 121 700 Teilnehmerinnen wurden detaillierte Informationen über den Gesundheitsstand und Risikofaktoren für Krebs-, Herz- und andere Krankheiten erfragt, wobei diese Daten alle zwei Jahre erneut erhoben wurden [2]. Das Rauchverhalten, die gerauchte Menge pro Tag, eine mögliche Beendigung und der Start des Rauchens wurden zu Beginn der Studie und während der Nachbefragungen genau eruiert. Die Daten von 104 519 Probandinnen mit Follow-up-Zeiten von 1980 bis 2004 konnten ausgewertet werden. Die aufgetretenen Todesfälle wurden unabhängig von der Ursache erfasst und nachträglich einer von sechs Gruppen zugeordnet: Vaskuläre Erkrankungen (koronare oder zerebrovaskuläre Krankheiten), respiratorische Erkrankungen, Lungenkrebs, alle von Rauchen verursachten Krebse, alle anderen Krebsformen und sonstige Ursachen (Klassifizierung nach dem US-Chirurgen Report, 2004). Gemessen wurde die Hazard Ratio (HR) mit dem proportionalen Cox-Hazard-Modell für die Gesamtmortalität und für die oben dargestellten Gruppen, konditioniert durch das Lebensalter in Monaten und die Nachuntersuchungszyklen. Resultate: Insgesamt traten 12 483 Todesfälle in dieser Kohorte auf, wovon 4485 (35,9%) Nichtraucher, 3602 (28,9%) aktuelle Raucher und 4396 (35,2%) ehemalige Raucher waren. Verglichen mit den Nichtrauchern hatten die derzeitigen Raucher ein erhöhtes Gesamtmortalitätsrisiko (HR = 2,81; 95%-Konfidenzintervall (KI) = [2,68; 2,95]), was qualitativ ebenfalls auch für alle wesentlichen ursachenspezifischen Mortalitätsrisiken zutrifft. Für Krebsformen, die dem Rauchen zugeschrieben werden können, ergab sich die entsprechende HR = 7,25; 95%-KI = [6,43; 8,18] und für alle anderen Krebsarten entsprach die HR = 1,58; 95%-KI = [1,45; 1,73]. Für aktuelle Raucher verglichen mit Nichtrauchern war die HR für kolorektale Krebse 1,63; 95%-KI = [1,29; 2,05] und der Vergleich mit ehemaligen Rauchern resultierte in einer HR = 1,23; 95%-KI = [1,02; 1,49]. Für Eierstockkrebs konnte eine signifikante Assoziation nicht nachgewiesen werden. Signifikante Trends wurden beobachtet für die Subpopulation mit einem frühen Rauchbeginn (i) bei der Gesamtmortalität (p = 0,003), (ii) bei der Mortalität von respiratorischen Krankheiten (p = 0,001) und (iii) bei durch Rauchen hervorgerufene Krebsmortalität (p = 0,001). Das im Vergleich größere Mortalitätsrisiko vermindert sich für ehemalige Raucher unabhängig von der Ursache mit zunehmendem rauchfreiem Zeitintervall, bis es sich nach etwa 20 Jahren mit sehr unterschiedlicher Geschwindigkeit wieder dem Risiko von Nichtrauchern angleicht, wobei bei kardiovaskulären Krankheiten die Abnahme am schnellsten erfolgt, bei Lungenerkrankungen am langsamsten. Ungefähr 64% der Todesfälle bei Rauchern und 28% bei ehemaligen Rauchern waren dem Tabakkonsum zuzuschreiben. Schlussfolgerungen: Das Sterberisiko an rauchbedingten vaskulären Erkrankungen sinkt bei Frauen nach einem Rauchstopp schnell, bleibt aber für Lungenerkrankungen in der Folgezeit deutlich erhöht und erreicht für diese erst nach 20 Jahren das Nichtraucherniveau. Ein später Rauchbeginn reduziert das Todesrisiko für respiratorische Erkrankungen, Lungenkrebs und andere rauchbedingte Krebse, hat aber fast keinen Effekt auf andere ursachenabhängige Todesrisiken. Die Daten [2] legen eine Assoziation von Rauchen und erhöhtem Sterberisiko an kolorektalen Krebsen, aber nicht an Eierstockkrebs nahe. Kommentar In der 2003 publizierten Iowa-Frauengesundheitsstudie [1], einer prospektiven Studie mit 41 836 Teilnehmerinnen, wurden für Lungenkrebs ähnliche Resultate gefunden: Das Lungenkrebsrisiko für Raucher und ehemalige Raucher war erhöht und für Letztere mit zunehmender Dauer der Abstinenz sinkend, wobei dieser Prozess im Vergleich zu anderen Studien verlangsamt ablief, speziell für sehr starke Raucherinnen. In [8] wurde gezeigt, dass allgemein unter Nichtrauchern Frauen ein höheres Risiko haben, an Lungenkrebs zu erkranken als Männer, wobei Ursachen nicht ausgemacht werden konnten. Die Erhöhung der HR der Lungenkrebsmortalität in der vorliegenden Studie ist mit 21,87; 95%-KI = [17,85; 26,80] im Vergleich Raucher/Nichtraucher und HR = 4,93; 95%-KI = [4,00; 6,08] im Vergleich ehemalige Raucher/ 610 Nichtraucher sehr deut­lich, wobei eher davon auszugehen ist [7], dass Nichtraucher-Lungenkrebs sich auch zellbiologisch mit inhärenten niedrigen Risiken von Raucherlungenkrebs unterscheidet. Eine Erhöhung des Todesrisikos durch Rauchen untermauert auch eine Studie über squamöse Karzinome im Kopf-Hals-Bereich [5]. Das krankheitsbedingte relative Todesrisiko lag dort bei 3,98; 95%-KI = [1,11; 14,33]; p = 0,034 und auch die Rekurrenz der Erkrankung und das Gesamttodesrisiko waren signifikant erhöht. Bei Brustkrebs, der nicht gesondert in der besprochenen Analyse ausgewiesen war, ließ sich in einer schwedischen Studie [3] keine signifikante Erhöhung des relativen Risikos bei jedwedem Raucherstatus gegenüber Nichtrauchern finden, auch Intensität, Beginn und bei ehemaligen Rauchern das Rauchintervall Strahlenther Onkol 2008 · No. 11 © Urban & Vogel Literatur kommentiert spielten keine Rolle. Ein Ergebnis, das auch in einer britischen Studie [6] bestätigt wurde, wobei sich dort zusätzlich kein Zusammenhang zum Passivrauchen finden ließ. Ein früher Rauchbeginn ist in der vorliegenden Studie mit einem erhöhten Todesfallrisiko assoziiert, wobei ganz allgemein die Raucherkarrieren wesentlich vom Elternhaus und dem kindlichen Experimentieren mit Tabak abhängen [4]. Die Daten zeigen eindeutig, dass Rauchen das kanzerogene Potenzial der Zellen erhöht und dieser Einfluss erst durch jahrzehntelange Rauchabstinenz normalisiert werden kann. Fazit: Das Risiko, an einem durch Rauchen verursachten Krebs zu sterben, ist bei Rauchern verglichen mit Nichtrauchern mehr als siebenfach und bei ehemaligen Rauchern 2,3-fach signifikant erhöht und bei Rauchern zusätzlich auch noch abhängig von der Intensität (bis zum 12,8-Fachen). Während für kardiovaskuläre Erkrankungen ein Rauchstopp sofort eine Besserung des Risikoprofils bedeutet, vergehen bei Krebserkrankungen bis zu zwei Jahrzehnte, bevor sich das Risiko den Nichtrauchern annähert. Die Risiken des Tabakkonsums müssen besser kommuniziert werden und die Prävention sollte schon bei der Kindererziehung verstärkt einsetzen. Literatur 1. Ebbert JO, Yang P, Vachon CM, et al. Lung cancer risk reduction after smoking cessation: observations from a prospective cohort of women. J Clin Oncol 2003;21:921–6. 2. Kenfield SA, Stampfer MJ, Rosner BA, et al. Smoking and ­Smoking Cessation in Relation to Mortality in Women. JAMA 2008;299:2037–47. 3. Magnusson C, Wedrén S, Rosenberg LU. Cigarette smoking and breast cancer risk: a population-based study in Sweden Br J Cancer 2007;97:1287–90. 4. Paul SL, Blizzard L, Patton GC, et al. Parental smoking and smoking experimentation in childhood increase the risk of being a smoker 20 years later: the Childhood Determinants of Adult Health Study. Addiction 2008;103:846–53. 5. Pytynia KB, Grant JR, Etzel CJ, et al. Matched-pair analysis of survival of never smokers and ever smokers with squamous cell carcinoma of the head and neck. J Clin Oncol 2004;22:3981–8. 6. Roddam AW, Pirie K, Pike MC, et al. Active and passive smoking and the risk of breast cancer in women aged 36-45 years: a population based case-control study in the UK. Br J Cancer 2007;97:434–9. 7. Toh CK, Gao F, Lim WT, et al. Never-smokers with lung cancer: epidemiologic evidence of a distinct disease entity. J Clin Oncol 2006;24:2245–51. 8. Wakelee HA, Chang ET, Gomez SL, et al. Lung cancer incidence in never smokers. J Clin Oncol 2007;25:472–8. Lothar R. Pilz, Heidelberg Erstmals publiziert in InFoOnkologie 2008;11:330–1 (No. 5) Die adjuvante Strahlentherapie erhöht die Überlebenswahrscheinlichkeit von Patientinnen mit Endometriumkarzinom im Stadium IIIC Fragestellung und Hintergrund: Die Datenlage zur postoperativen Therapie des fortgeschrittenen Endometriumkarzinoms, insbesondere bei gesicherter Lymphknotenmetastasierung, ist eher spärlich. So verglich die GOG‑Studie 122 kürzlich bei Patientinnen in den Stadien III und IV eine Ganzabdomenbestrahlung mit einer Chemotherapie, wobei sich nach Chemotherapie ein besseres Gesamtüberleben ergab [4, 5]. Allerdings befand sich in dieser Studie nur knapp die Hälfte der Patientinnen im gesicherten Stadium IIIC, also mit nachgewiesenen pelvinen oder paraaortalen Lymphknotenmetastasen. Studien, die speziell den Effekt der Radiotherapie im Stadium IIIC untersuchen, gibt es zwar auch, jedoch sind die Patientenzahlen so klein, dass daraus keine eindeutigen Schlüsse gezogen werden können. Material und Methodik: In der vorgestellten Arbeit [6] wurden die Daten aus der SEER‑Datenbank (Survival Epidemiology and End Results) von Patientinnen mit operiertem, nodal positivem Endometriumkarzinom unter dem Aspekt der adjuvanten Bestrahlung (externe Bestrahlung [EBRT], Brachytherapie [BT]) bzw. keiner adjuvanten Therapie (NAT) verglichen. Ergebnisse: Zwischen 1988 und 1998 wurden 12 377 Patientinnen mit Lymphknotensampling operiert, davon 737 (6%) im Stadi- Strahlenther Onkol 2008 · No. 11 © Urban & Vogel um IIIC und von diesen wiederum 611 mit registrierter Behandlung. Von diesen 611 Patientinnen erhielten 51% eine alleinige EBRT, 21% eine EBRT + BT und 28% keine Nachbehandlung. Die 5‑Jahres‑Überlebensrate für die Patientinnen ohne Nach­ behandlung betrug 40%, nach EBRT 56% und nach EBRT/BT 64%. Der Unterschied im Überleben nach EBRT und EBRT/ BT war im Vergleich zu NAT mit p < 0,001 hochsignifikant. Eine Analyse der Subgruppe mit lokal begrenztem Primärtumor (n = 293) ergab ein 5‑Jahres‑Überleben von 50% für NAT, 64% für EBRT und 67% für EBRT/BT. Der Vorteil der Radiotherapie in dieser Subgruppe war mit p = 0,02 also ebenfalls vorhanden. Für Patientinnen mit einem lokal fortgeschrittenen Karzinom (n = 318) betrug die 5‑Jahres‑Überlebensrate 34% für NAT, 47% für EBRT und 63% für EBRT/BT (p < 0,001). Die Bedeutung der zusätzlichen BT zur EBRT war mit p < 0,002 ebenfalls signifikant. Schlussfolgerung: Die SEER‑Analyse von 611 Patientinnen mit operiertem Endometriumkarzinom im Stadium IIIC belegt den Überlebensvorteil für die Patientinnen, die eine Nachbestrahlung erhalten hatten, im Vergleich zu unbestrahlten Patientinnen. Für Patientinnen mit einem lokal sehr ausgedehnten Karzinom brachte die zusätzliche BT einen weiteren Überlebensgewinn. 611 Literatur kommentiert Kommentar Das Endometriumkarzinom ist die häufigste maligne Erkrankung des weiblichen Genitaltrakts. 2003 wurde in der Todesursachenstatistik erstmals für das Endometriumkarzinom eine höhere Letalitätsrate als beim Zervixkarzinom ermittelt. Anerkannte Risikofaktoren sind die Myometriuminvasion des Tumors von > 50%, der histologische Entdifferenzierungsgrad G3, die Serosainfiltration bzw. die extrauterine Ausbreitung einschließlich pelviner und paraaortaler Lymphknotenmetastasen. Etwa 80% aller Neuerkrankungen befinden sich bei Diagnose noch in den operablen Stadien I und II, in denen die Therapie eindeutig definiert ist [1]. Im Stadium III, das in Deutschland bei ca. 1 100–1 400 Neuerkrankungen jährlich vorliegt, ist die Datenlage eher spärlich. Die Tumorstadien IIIA, IIIB und IIIC nach FIGO beschreiben Tumorausbreitungen, die hinsichtlich der Prognose sehr unterschiedlich zu bewerten sind [2]. Das ist wichtig für die Entscheidung, ob eine lokal begrenzte Strahlentherapie oder eher eine systemische Chemotherapie indiziert ist. Die Chemotherapie spielte bis vor kurzem in der Therapie des fortgeschrittenen Endometriumkarzinoms eine nur untergeordnete Rolle [3]. Die Veröffentlichung der Ergebnisse der GOG‑Studie 122, in der Patientinnen im Stadium III oder IV entweder mit einer (zu niedrig dosierten) Ganzabdomenbestrahlung oder einer (sehr aggressiven) kombinierten Chemotherapie mit Doxorubicin und Cisplatin behandelt wurden [4], brachte hier durch das bessere Abschneiden im Chemotherapiearm (50% vs. 38% für die Radiotherapie) eine Wende. Diese sog. Randall‑Studie wird deshalb von gynäkologischen Kollegen immer wieder als Begründung für den Einsatz einer Chemotherapie beim fortgeschrittenen Endometriumkarzinom zitiert. Unter diesem Aspekt ist die vorliegende SEER‑Analyse [6] zum Wert der Radiotherapie in der Behandlung des nodal positiven (und damit lokal begrenzten) Endometriumkarzinoms eine wichtige Argumentationshilfe. Für eine adjuvante Therapie des Endometriumkarzinoms ist die differenzierte postoperative Histologie aus- schlaggebend. Hier reduziert die postoperative Strahlentherapie in der Hochrisiko‑Situation die Lokalrezidivrate und ist für ein rezidivfreies Überleben gegenwärtig nach wie vor unverzichtbar. Interessant ist darüber hinaus die Effizienz der BT, die übrigens auch in der aktuellen Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft unbestritten bleibt. Unbestritten ist aber auch die Rechtfertigung der Chemotherapie, wobei sich die Indikation auf viszeral metastasierte Befunde beschränken sollte. In Zukunft sind auch für das Hochrisiko‑Endometriumkarzinom Studien zur multimodalen Therapie anzustreben, wobei in Anbetracht des für gewöhnlich hohen Patientenalters und der relativ guten Prognose selbst der fortgeschrittenen Karzinome das Augenmerk auf die Reduktion der Toxizität gelegt werden muss. Literatur 1. Aktuelle Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (hrsg. von M. Kaufmann, M.W. Beckmann, G. Emons, P. Dall, A.D. Ebert, P. Hantschmann, G. von Minckwitz, B. Schmalfeld). München–Wien–New York: Zuckschwerdt, 2006. 2. Chan JK, Cheung MK, Huh WK, et al. Therapeutic role of lymph node resection in endometrioid corpus cancer: a study of 12,333 patients. Cancer 2006;107:1823–30. 3. Maggi R, Lissoni A, Spina F, et al. Adjuvant chemotherapy vs radiotherapy in high‑risk endometrial carcinoma: results of a randomised trial. Br J Cancer 2006;95:266–71. 4. Nelson G, Randall M, Sutton G, et al. FIGO stage IIIC endometrial carcinoma with metastases confined to pelvic lymph nodes: analysis of treatment outcomes, prognostic variables, and failure patterns following adjuvant radiation therapy. Gynecol Oncol 1999;75:211–4. 5. Randall ME, Filiaci VL, Muss H, et al., Gynecologic Oncology Group. Randomized phase III trial of whole‑abdominal irradiation versus doxorubicin and cisplatin chemotherapy in advanced endometrial carcinoma: a Gynecologic Oncology Group study. J Clin Oncol 2006;24:36–44. 6. Rossi PJ, Jani AB, Horowitz IR, et al. Adjuvant brachytherapy removes survival disadvantage of local disease extension in stage IIIC endometrial cancer: a SEER registry analysis. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2008;70:134–8. Gabriele Hänsgen, Halle/Saale Radioprotektion durch Toll‑like‑Rezeptor‑5‑vermittelte Aktivierung von NF‑kB Fragestellung und Hintergrund: Die akute Normalgewebstoxizität ionisierender Strahlung ist in sensiblen Organen wie dem blutbildenden System und dem Magen‑Darm‑Trakt mit massiver Apoptoseinduktion verbunden. Durch Aktivierung des Tran­ skriptionsfaktors NF‑kB kann eine Protektion gegenüber der strahleninduzierten Apoptose erreicht werden. NF‑kB kann im Rahmen einer Immunreaktion auf eine Infektion über sog. Toll‑like‑Rezeptoren (TLR) aktiviert werden, die Strukturen von Mikroorganismen erkennen und die angeborene Immunantwort 612 stimulieren. In dem vorgestellten Projekt [2] wurde untersucht, ob in Normalgewebszellen des Darms bzw. des hämatopoetischen Systems durch TLR‑5‑Agonisten eine selektive Aktivierung von NF‑kB und damit eine Radioprotektion induziert werden kann. Material und Methodik: Mäuse wurden 24 h bis 45 min vor einer letalen Ganzkörperbestrahlung (9–13 Gy) mit einer Einzeldosis von bakteriellem Flagellin oder des selektiven TLR‑5‑Agonisten CBLB502 behandelt. Anschließend wurden das Überleben der Strahlenther Onkol 2008 · No. 11 © Urban & Vogel Literatur kommentiert Tiere nach Bestrahlung und das Ausmaß der strahleninduzierten Gewebsschädigung im Darm und im hämatopoetischen System evaluiert und der Einfluss von CBLB502 auf die NF‑kB‑Aktivität durch Messung der Expression NF‑kB‑regulierter Proteine (Superoxiddismutase 2, Zytokine) quantifiziert. An Rhesusaffen wurden die Radioprotektion von Thrombozyten im Blut durch CBLB502 sowie das Überleben der Tiere nach Ganzkörperbestrahlung mit 6,5 Gy evaluiert. Um die Auswirkung von CBLB502 auf die Radiosensitivität von Tumoren festzustellen, wurden tumortragende Mäuse an 3 aufeinanderfolgenden Tagen mit CBLB502 vorbehandelt oder nicht und dann dreimal täglich mit 4 Gy ganzkörperbestrahlt. Anschließend wurden über 2 Wochen das Überleben der Mäuse und das verbliebene Tumorvolumen gemessen. Ergebnisse: Ebenso wie Flagellin induzierte das vom Salmonella‑Flagellin abgeleitete Peptid CBLB502 die Aktivierung von NF‑kB. Eine einmalige Injektion von CBLB502 verhinderte die akute Radiotoxizität im Darm und hämatopoetischen System und verlängerte das Überleben der Tiere, allerdings nur nach geringeren Strahlendosen (9 Gy). Dabei wurde die Sensibilität von implantierten Tumoren nicht vermindert, und auch das karzinogene Risiko ionisierender Strahlung veränderte sich nicht. Schlussfolgerung: CBLB502 reduziert die Toxizität einer Strahlentherapie, ohne deren therapeutischen Effekt zu vermindern oder deren karzinogene Wirkung zu fördern. TLR‑5‑Agonisten sind somit potente Radioprotektoren, deren Einsatz in der Strahlentherapie sowie im Strahlenschutz von Interesse ist. Kommentar Im Rahmen einer Strahlentherapie werden nicht nur die Tumorzellen, sondern auch Zellen des umgebenden Normal­ gewebes z.T. erheblichen Strahlendosen ausgesetzt. Die ­Sensibilität des Normalgewebes stellt somit einen dosis­ limitierenden Faktor dar, insbesondere bei der Therapie von Malignomen mit hoher intrinsischer Strahlenresistenz. Die toxische Wirkung der Strahlentherapie ist in sensiblen Organen wie dem Gehirn, dem Knochenmark, dem Magen‑Darm‑Trakt und der Lunge [8, 10, 12] ebenso wie bei Tumorzellen mit einer massiven Induktion des programmierten Zelltods (Apoptose) verbunden. Kritisch für die beobachtete Organtoxizität ist dabei eine ausgeprägte Sensitivität der Endothelzellen der kleinen Blutgefäße gegenüber der strahleninduzierten Apoptose, auch der Epithelzellen [15]. Die Hämatotoxizität ist dagegen durch eine hohe Apoptosesensitivität der Zellen der lymphatischen Organe sowie der hämatopoetischen Stammzellen bedingt [3, 4]. Im Gegensatz dazu sind Tumorzellen häufig durch eine Resistenz gegenüber der strahleninduzierten Apoptose gekennzeichnet [1]. Eine konstitutive Aktivierung des Tran­ skriptionsfaktors NF‑kB schützt Tumorzellen vor Apoptose [7]. Die Hemmung von NF‑kB und NF‑kB‑regulierten anti­ apoptotischen Proteinen stellt somit ein interessantes „Target“ für die Überwindung von Therapieresistenz in Tumorzellen dar. Der Transkriptionsfaktor NF‑kB ist aber auch für die Regulation der Strahlensensitivität von Normalgewebszellen von zentraler Bedeutung. So führte der Verlust von NF‑kB in NF‑kB‑p50‑Knock-out‑Mäusen zu erhöhter Radio­ sensitivität des Darms [15]. Basierend auf diesen Beobachtungen entwickelte die Arbeitsgruppe um Andrei Gudkov einen völlig neuen Ansatz zur Normalgewebsprotektion. Sie aktivierte gezielt den antiapoptotischen Transkriptionsfaktor NF‑kB in strahlensensiblen Normalgewebszellen des Darms und in Immunzellen [2]. Die Innovation des beschriebenen Ansatzes besteht in der Strategie, wie die selektive Aktivierung von NF‑kB in einem für die Radiotoxizität bei Ganzkörperbestrahlung kritischen Zellsystem, dem Darm, erreicht wurde. Neben der Strahlenther Onkol 2008 · No. 11 © Urban & Vogel oben beschriebenen Wirkung als Überlebenssignal stellt NF‑kB einen wichtigen Transkriptionsfaktor im Rahmen der angeborenen und adaptiven Immunantwort auf bakterielle und virale Infektionen dar. Dabei führt die Aktivierung von TLR über komplexe Signalkaskaden zur Aktivierung von NF‑kB und zur nachfolgenden Expression von NF‑kB‑regulierten Proteinen [5]. TLR gehören zu den sog. Pattern‑Recognition‑Rezeptoren, die konservierte Strukturen verschiedener Mikroorganismen, z.B. bakterielles Endotoxin, Lipoteichonsäuren, virale oder bakterielle DNA und RNA, erkennen. Die Bindung der spezifischen Liganden an die TLR rekrutiert ein nachgeschaltetes Signalnetzwerk, welches in die Aktivierung der Transkriptionsfaktoren AP‑1 und NF‑kB mündet und nachfolgend eine Immunantwort stimuliert [9]. Um nun eine zytoprotektive Aktivierung von NF‑kB im Normalgewebe zu erreichen, ohne gleichzeitig das Immunsystem massiv zu stimulieren, nutzten Burdelya et al. die Beobachtung, dass neben pathogenen Mikroorganismen auch kommensale Bakterien des Darms über TLR‑Stimulation NF‑kB aktivieren und so zur Protektion des Darmgewebes beitragen [9, 11]. Da insbesondere die Apoptose von Endothelzellen im Darm in den meisten Fällen für die letale Wirkung einer Ganzkörperbestrahlung verantwortlich zu sein scheint [8], zielten die Autoren durch Entwicklung eines spezifischen Liganden für TLR‑5 auf eine selektive Aktivierung von NF‑kB im Darmgewebe. TLR‑5 wird auf dendritischen Zellen, Enterozyten und Endothelzellen des Magen‑Darm‑ Trakts exprimiert und erkennt bakterielles Flagellin [6, 13, 14]. Die TLR‑5‑vermittelte Aktivierung von NF‑kB erwies sich tatsächlich als erfolgreiche Gewebsprotektion unter Strahlentherapie. Sowohl Flagellin selbst als auch ein davon abgeleitetes weniger immunogenes Flagellinteilfragment, CBLB502, verbesserten oder verlängerten das Überleben von Mäusen und Rhesusaffen nach letaler Ganzkörperbestrahlung deutlich. CBLB502 war dabei deutlich wirksamer als Amifostin. Die Radioprotektion bestand in einer Aktivie- 613 Literatur kommentiert rung von NF‑kB und einer Reduktion der strahleninduzierten Apoptose in den Gefäßendothelien des Darms. CBLB502 verbesserte auch das Überleben hämatopoetischer Stamm‑ und früher Progenitorzellen. Somit schützt CBLB502 zwei wichtige zelluläre Systeme, ohne bei den eingesetzten Dosierungen auffällige Nebenwirkungen zu verursachen. Insbesondere wurde durch CBLB502 die Strahlensensibilität der Tumoren nicht beeinträchtigt, was die Autoren auf eine bereits maximale Stimulation von NF‑kB im Tumorgewebe und eine Überlebenssignaltransduktion weiterer Systeme wie des PI3K‑PKB‑Wegs zurückführen. Fazit: Die TLR‑5‑vermittelte antiapoptotische Wirkung von CBLB502 ist ein innovativer Ansatz für die Radioprotektion von Normalgeweben bei der Strahlentherapie mit einer gegenüber den bisher eingesetzten Protektoren größeren Wirkung. Die Aktivierung von NF‑kB zeigt die therapeutische Relevanz antiapoptotischer Therapiestrategien zur Limitierung akuter Strahlenschäden am Normalgewebe und ist darüber hinaus sicher auch wertvoll für die Normalgewebsprotektion unter anderen Therapien. Literatur 1. Belka C, Jendrossek V, Pruschy M, et al. Apoptosis‑modulating agents in combination with radiotherapy – current status and outlook. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2004;58:542–54. 2. Burdelya LG, Krivokrysenko VI, Tallant TC, et al. An agonist of toll‑like receptor 5 has radioprotective activity in mouse and primate models. Science 2008;320:226–30. 3. Gudkov AV, Komarova EA. The role of p53 in determining sensitivity to radiotherapy. Nat Rev Cancer 2003;3:117–29. 4. Kolesnick R, Fuks Z. Radiation and ceramide‑induced apoptosis. Oncogene 2003;22:5897–906. 5. Liu G, Park YJ, Abraham E. Interleukin‑1 receptor‑associated kinase (IRAK)‑1‑mediated NF‑{kappa}B activation requires cytosolic and nuclear activity. Faseb J 2008:22:2285–96. 6. Maaser C, Heidemann J, Eiff C von, et al. Human intestinal microvascular endothelial cells express toll‑like receptor 5: a binding partner for bacterial flagellin. J Immunol 2004;172:5056–62. 7. Nakanishi C, Toi M. Nuclear factor‑kappaB inhibitors as sensitizers to anticancer drugs. Nat Rev Cancer 2005;5:297–309. 8. Paris F, Fuks Z, Kang A, et al. Endothelial apoptosis as the primary lesion initiating intestinal radiation damage in mice. Science 2001;293:293–7. 9. Pasare C, Medzhitov R. Toll‑like receptors: linking innate and adaptive immunity. Adv Exp Med Biol 2005;560:11–8. 10. Pena LA, Fuks Z, Kolesnick RN. Radiation‑induced apoptosis of endothelial cells in the murine central nervous system: protection by fibroblast growth factor and sphingomyelinase deficiency. Cancer Res 2000;60:321–7. 11. Rakoff‑Nahoum S, Paglino J, Eslami‑Varzaneh F, et al. Recognition of commensal microflora by toll‑like receptors is required for intestinal homeostasis. Cell 2004;118:229–41. 12. Santana P, Pena LA, Haimovitz‑Friedman A, et al. Acid sphingomyelinase‑deficient human lymphoblasts and mice are defective in radiation‑induced apoptosis. Cell 1996;86:189–99. 13. Tallant T, Deb A, Kar N, et al. Flagellin acting via TLR5 is the major activator of key signaling pathways leading to NF‑kappa B and proinflammatory gene program activation in intestinal epithelial cells. BMC Microbiol 2004;4:33. 14. Uematsu S, Jang MH, Chevrier N, et al. 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Patienten und Methodik: Basis der Analyse waren 1 164 zuvor unbehandelte Patienten (Alter ≤ 21 Jahre, Median 5 Jahre) mit einem Rhabdomyosarkom (888 embryonal [RME], 235 alveolär [RMA], 41 andere), die in den Therapieoptimierungsstudien CWS 81, CWS 86, CWS 91 und CWS 96 mit multimodalen Therapiekonzepten behandelt worden waren. Primär metastasierte Patienten sowie Patienten, die unter der multimodalen Therapie keine komplette Remission erreicht hatten, waren zuvor von der Analyse ausgeschlossen worden. Die Therapie erfolgte risikoadaptiert nach den Vorgaben der genannten Therapieoptimierungsstudien und beinhaltete in allen Fällen eine Polychemotherapie. 614 Ergebnisse: Nach einer medianen Nachbeobachtung von 5,8 Jahren betrug das 5‑Jahres‑Gesamtüberleben 77,1%. Rückfälle traten bei 337 Patienten (29%) auf, in der überwiegenden Anzahl als Lokalrezidive (19%, n = 217) bzw. als kombinierte Lokal‑ und Fernrezidive (3%; n = 35). Alleinige Fernrezidive waren dagegen seltener (7%, n = 85). Die mediane Zeit bis zum Rückfall betrug 1,5 Jahre (0,2–13,5 Jahre). Später als 4 Jahre traten Rezidive nur bei zwölf Patienten auf. In einer multivariaten Analyse waren folgende Risikofaktoren für ein Rezidiv zu erheben: histologischer Typ (RME vs. RMA), Alter (< 10 vs. > 10 Jahre), Tumorgröße (< 5 vs. > 5 cm), postoperativer Status (IRS‑Stadium I vs. IRS­ Stadium III), Lokalisation (Orbita, Kopf/Hals nicht parameningeal, urogenital außer Blase/Prostata vs. andere Lokalisationen), Durchführung einer Strahlentherapie (ja vs. nein). In univariaten Analysen korrelierten darüber hinaus auch Lymphknotenbefall und T‑Kategorie mit dem Rezidivrisiko. Anhand der unter- Strahlenther Onkol 2008 · No. 11 © Urban & Vogel Literatur kommentiert suchten Faktoren wurden drei Risikogruppen definiert (Gruppe 1: RME < 5 cm; Gruppe 2: RME > 5 cm; Gruppe 3: RMA), wobei Patienten der Gruppe 1 ein deutlich geringeres Rezidivrisiko ­sowie ein erhöhtes kuratives Potential im Fall eines Rezidivs ­aufwiesen, insbesondere bei noch vorhandenen Radiotherapieoptionen. Schlussfolgerung: Die Studie konnte Patientencharakteristika definieren, die das Muster und das Rezidivrisiko von Patienten mit lokalisierten Rhabdomyosarkomen einzuschätzen helfen. Kommentar Die vorgestellte Studie [2] präsentiert eindrucksvoll Risikofaktoren für Rezidive bei Patienten mit Rhabdomyosarkomen anhand einer im Hinblick auf die seltene Diagnose großen Patientenzahl. Dadurch wird bereits bei Therapieende eine Einschätzung des individuellen Rezidivrisikos eines Patienten ermöglicht, und eine individualisierte Nachsorgeempfehlung schließt sich an. Im Vergleich mit anderen großen internationalen Studien zeigt sich bei gleicher Häufigkeit systemischer Rezidive eine Lokalrezidivrate, die höher als in den amerikanischen IRS‑Studien (Intergroup Rhabdomyosarcoma Study) [6], etwa gleich wie in der italienischen AIEOP‑Studie (Associazione Italiana Ematologia Oncologia Pediatrica) [5] und deutlich geringer als in den SIOP‑MMT‑Studien (Interna­ tional Society of Pediatric Oncology) [8] ist. Sie betrug in den SIOP‑MMT‑Studien > 30% [8], in den italienischen ­AIEOP‑Studien 22% [5] und in den amerikanischen IRS­ Studien lediglich 13% [6]. Es ist gut nachvollziehbar, dass die Autoren diese Unterschiede auf unterschiedlich aggressive Lokaltherapien, insbesondere auch unterschiedliche Indikationen zur Radiotherapie zurückführen. Der Verzicht auf eine Radiotherapie im Rahmen der Primärtherapie führte in der kommentierten Studie [2] zu gehäuften Lokalrezidiven. Im Fall eines Rezidivs und noch verbliebener Radiotherapieoptionen waren jedoch die Ergebnisse der Rezidivtherapie vielversprechend. Aus strahlentherapeutischer Sicht sind in diesem Zusammenhang einige Kritikpunkte zu nennen, die teilweise von den Autoren selbst bereits eingeräumt werden: 1. Art und Ausmaß der Lokaltherapie (Operation, Strahlentherapie und deren Kombination) wurden nicht ausgewertet. Sie sind nur den Vorgaben zur Lokaltherapie in den jeweiligen Studien zu entnehmen [3, 4]. Diesbezügliche Teilanalysen wurden jedoch bereits publiziert [7]. 2. Eine detaillierte Untersuchung der therapeutischen Maßnahmen im Fall eines Rezidivs war nicht Gegenstand der Analyse, doch zeigte sich im Rezidivfall eine Gruppe (RME < 5 cm) mit besseren therapeutischen Optionen und besserem Behandlungsergebnis, insbesondere dann, wenn noch die Möglichkeit der Radiotherapie bestand. 3. Im Diskussionsteil der Arbeit wird zwar wiederholt auf die unterschiedlichen Philosophien in der Lokal‑ und Systemtherapie in den verschiedenen Studien eingegangen, eine weiterführende Diskussion unterbleibt jedoch. Fazit: Die vier großen Studien [2, 5, 6, 8] zeigen, dass mit fortschreitender Konsequenz der Lokaltherapie einschließ- Strahlenther Onkol 2008 · No. 11 © Urban & Vogel lich der Strahlentherapie die Häufigkeit an Lokalrezidiven sinkt, auch wenn die Vergleichbarkeit der Studien mit ihren unterschiedlichen Studienkonzepten eingeschränkt sein mag. Die Behandlungsfolgen einer aggressiven Lokaltherapie, insbesondere der Strahlentherapie, die Grund für die diesbezügliche Zurückhaltung der Studiengruppe waren, werden überhaupt nicht näher beschrieben. Für die Nutzen‑Risiko‑Abwägung der Lokaltherapie sind weitere Studien notwendig [1]. Angesichts der beobachteten Lokalrezidivhäufigkeit, aber einer erfolgreichen Therapieoption für eine günstige Rezidivgruppe (RME < 5 cm) scheinen die Therapieprotokolle der CWS‑Studien derzeit ein vernünftiger Kompromiss zu sein. Doch wünscht man sich weitere Untersuchungen zum Stellenwert der Strahlentherapie einschließlich der erforderlichen Dosis und des Zielvolumens bei Rhabdomyosarkomen. Für die Einschätzung des indi­ viduellen Rezidivrisikos sowie für die Nachbeobachtung ist die diskutierte Arbeit [2] jedoch schon jetzt von großer ­Bedeutung. Literatur 1. Bölling T, Schuck A, Rübe C, et al. Behandlungsassoziierte Spätfolgen nach Strahlentherapie maligner Erkrankungen im Kindes‑ und Jugendalter. Strahlenther Onkol 2006;182:443–9. 2. Dantonello TM, Int‑Veen C, Winkler P, et al. Initial patient characteristics can predict pattern and risk of relapse in localized rhabdomyosarcoma. J Clin Oncol 2008;26:406–13. 3. Koscielniak E, Harms D, Henze G, et al. Results of treatment for soft tissue sarcoma in childhood and adolescence: a final report of the German Cooperative Soft Tissue Sarcoma Study CWS‑86. J Clin Oncol 1999;17:3706–19. 4. Koscielniak E, Jurgens H, Winkler K, et al. Treatment of soft tissue sarcoma in childhood and adolescence: a report of the German Cooperative Soft Tissue Sarcoma Study. Cancer 1992;70:2557–67. 5. Mazzoleni S, Bisogno G, Garaventa A, et al. Outcomes and prognostic factors after recurrence in children and adolescents with nonmetastatic rhabdomyosarcoma. Cancer 2005;104:183–90. 6. Pappo AS, Anderson JR, Crist WM, et al. Survival after relapse in children and adolescents with rhabdomyosarcoma: a report from the Intergroup Rhabdomyosarcoma Study Group. J Clin Oncol 1999;17:3487–93. 7. Schuck A, Mattke AC, Schmidt B, et al. Group II rhabdomysarcoma and rhabdomyosarcomalike tumors: is radiotherapy necessary? J Clin Oncol 2004;22:143–9. 8. Stevens MC, Rey A, Bouvet N, et al. Treatment of nonmetastatic rhabdomyosarcoma in childhood and adolescence: third study of the International Society of Paediatric Oncology – SIOP Malignant Mesenchymal Tumor 89. J Clin Oncol 2005;23:2618–28. Tobias Bölling, Normann Willich, Münster 615 Literatur kommentiert Nahrungsergänzungsmittel zur Lungenkrebsprävention? Fragestellung und Hintergrund: Obst und Gemüse werden mit einer niedrigeren Inzidenzrate von Lungenkrebs assoziiert, und es werden Wege gesucht, dies für eine Prävention zu nutzen. Obwohl ein erheblicher Anteil der Bevölkerung über längere Zeit Nahrungsergänzungsmittel wie Multivitamine, Vitamine und Folsäure einnimmt – in den USA sind es mehr als die Hälfte –, gibt es nur wenige Informationen über die spezifischen Auswirkungen eines solchen Verhaltens auf das Risiko, an einem Bronchialkarzinom zu erkranken. Hinzu kommt noch die weitverbreitete Meinung, dass solche Supplemente von gesundheitlichem Nutzen seien, zumindest jedoch sicher und nicht schaden können. Es gibt jedoch Hinweise, dass der Nutzen statistisch nicht nachweisbar ist und bei der Verwendung einiger Vitaminzusätze das Sterberisiko sogar steigt. Probanden und Methodik: An einer Untersuchung im US-Bundesstaat Washington, welche die Langzeiteinnahme von Nahrungsergänzungsmitteln wie Multivitamine, Vitamin C und E und Folsäure einerseits und die Inzidenz von Bronchialkarzinomen andererseits analysierte [10], nahmen insgesamt 77 719 Frauen und Männer im Alter von 50–76 Jahren teil. In einer rund vierjährigen Periode wurden die Teilnehmer (99,7%) hinsichtlich des Auftretens von Lungentumoren durch Verknüpfung mit dem regionalen epidemiologischen NCI-Regis­ter monitoriert. Ausgeschlossen wurden 588 Teilnehmer u. a. mit einer vorangegangenen Lungenkrebsdiagnose. Der Supplementgebrauch der letzten zehn Jahre von Multi­vitaminen, Vitamin C und E und Folsäure wurde als kategorielle und Indikatorvariable des Gebrauchs modelliert (vier Kategorien: niemals und bei Gebrauch die drei Tertile bezogen auf die Kohorte), um das Hazard Ratio (HR) von Lungenkrebs zu analysieren. Für die Berechnung des Trends wurde eine kontinuierliche ­Variable genutzt. Als Kovariable wurden Tabakkonsum, Alter, Geschlecht, Ethnie, Familienstand und Bildungsstatus herangezogen. Ergebnisse: Insgesamt erfüllten 77 126 Probanden die Einschlusskriterien und wurden im Mittel 4,05 Jahre (Standardabweichung 0,78 Jahre) beobachtet. 521 Personen entwickelten in diesem Zeitraum Lungenkrebs. Dies entsprach den Erwartungen. 75% der Fälle waren nicht kleinzellige Lungenkarzinome, 14% kleinzellige und 11% nicht weiter spezifizierte Lungenkarzinome. Eine Analyse des Raucherstatus ergab deutlich, dass Tabakkonsum im Verhältnis zu der Nichtrauchergruppe mit einem ansteigenden Lungenkrebsrisiko assoziiert war, wobei sowohl Dauer wie Intensität zur Steigerung des Risikos beitrugen. Nach Adjustierung war der durchschnittliche 10-Jahres-Gebrauch von zusätzlichen Multivitaminen, Vitamin C und Folsäure nicht mit dem Auftreten von Lungenkrebs assoziiert, weder in den vier betrachteten Kategorien noch in der kontinuierlichen Variante. Auch für die vier Kategorien bei der zusätzlichen Einnahme von Vitamin E gab es keinen statistisch signifikanten Zusammenhang zum Lungenkrebsrisiko, wobei die Rate im dritten Tertil erhöht war. Wird das Lungenkrebsrisiko als kontinuierliche Variable über die durchschnittliche 10-Jahres-Einnahme von Vitamin E betrachtet, ist das HR = 1,05 statistisch signifikant erhöht (95%-Konfidenzintervall [KI] = 1,00; 1,09 pro 100 mg/Tag; p = 0,03). Nach Adjustierung von Vitamin E durch die gewöhnliche Nahrungsaufnahme war der Punktschätzer des Vitamin-E-Supplements nahezu gleich geblieben (HR = 1,04; 95%-KI = 1,00; 1,09; p = 0,08), obwohl die statistische Signifikanz verloren ging. Die nahrungsadjustierten HR-Werte von Multivitamin, Vitamin C und Folsäure änderten sich ebenfalls nicht subs­tanziell. Die Morphologie der Tumoren spielte insgesamt keine Rolle. Im kontinuierlichen Modell stieg mit der zusätzlichen Einnahme von Vitamin E auch das Lungenkrebsrisiko an (HR = 1,07 für jede 100 mg/Tag Steigerung; 95%KI = 1,02; 1,12; p < 0,01), was in ein 28% erhöhtes Risiko bei einer Dosis von 400 mg/Tag und für zehn Jahre übersetzt werden kann. Für die Untergruppe der Raucher werden diese Risiken bestätigt: HR = 1,11; 95%-KI = 1,03; 1,19; p < 0,01. Schlussfolgerungen: Die ergänzende Zufuhr von Multivitaminen, Vitamin C, Vitamin E und Folsäure ist nicht mit einer Verringerung des Risikos assoziiert, an Lungenkrebs zu erkranken. Die zusätzliche Einnahme von Vitamin E war mit einer geringen Erhöhung des Lungenkrebsrisikos verknüpft, wobei in der Subgruppe der Raucher das Risiko deutlicher ausgeprägt ist. Zur Vorbeugung von Lungenkrebs ist von der Verwendung von Supplementen abzuraten. Kommentar Diese große prospektive Studie [10] bestätigt einmal aufs Neue, dass eine abwechslungsreiche gesunde Ernährung mit viel Obst und Gemüse einen guten und genügenden Risikoschutz gegen eine Krebserkrankung bietet, die nicht durch zusätzliche Einnahme von weiteren Multivitaminen, Vitamin C und E und Folsäure verbessert werden kann. Es könnte sogar sein, dass eine zusätzliche Vitaminzufuhr kontraproduktiv wirkt und das Risiko ansteigen lässt. In einer aktuellen Metastudie [1] wurde gezeigt, dass der Gebrauch von Betakarotin, Vitamin A und Vitamin E eher die Mortalität ansteigen lässt und dass weiterer Klärungsbedarf bei Vita­min C besteht. In einer Studie männlicher Raucher [2] wurde die Gabe von 616 zusätzlichem Vitamin E und Betakarotin in einem Zeitraum von fünf bis acht Jahren getestet und festgestellt, dass diese Supplemente keine Risikoverminderung bringen. In [3] sind diese Hinweise zusammengefasst. In [7], einer Metastudie, konnte ebenfalls kein Zusammenhang mit Betakarotin und Vitamin C mit dem Lungenkrebsrisiko hergestellt werden. Lediglich durch Nahrungsmittel mit einem hohen Beta-Cryptoxanthingehalt, einem natürlichen Karotenoid, könnte das Lungenkrebsrisiko abgeschwächt werden. Ein Resultat, das auch in einer kleinen Kohorte in Shanghai, China, [11] bei rauchenden Männern mittleren Alters gefunden wurde. Keine Assozia­tion wurde hinsichtlich des Serumniveaus bei a- Strahlenther Onkol 2008 · No. 11 © Urban & Vogel Literatur kommentiert und γ-Tocopherol (Vitamin E) gefunden, wobei in [5, 6] eine Wirkung von γ-Tocopherol auf Lungenzelllinien in vitro nachgewiesen und als möglicher Hemmstoff für Lungenkrebs ins Gespräch gebracht wurde. Eine Vermutung, die in einer größeren Studie bis jetzt nicht nachgewiesen werden konnte. Ein eher gegenteiliger Effekt durch Betakarotin- und Vitamin-A-Supplemente wird auch in einer weiteren Präventionsstudie [8] konstatiert. In einer Interventionsstudie beim Brustkrebs frühen Stadiums [9] konnte mit einer speziellen Diät mit einem hohen Anteil an Obst und Gemüse und geringem Fettanteil in dem Beobachtungszeitraum von über sieben Jahren weder die Anzahl der Krebsereignisse vermindert noch die Mortalität gesenkt werden. In [4] wird darauf hingewiesen, dass viele Patienten mit Schmerzsymptomen, Stuhlverstopfung und Appetitmangel aus einer mit Obst und Gemüse angereicherten Ernährung Nutzen ziehen können. Der Effekt liegt dann auch eher in einer Stabilisierung oder Verbesserung des Ernährungsstatus, des Körpergewichts und Funktionalstatus. Fazit: Eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Obst und Gemüse reicht für eine allfällige Prävention gegen Lungenkrebs und andere Krebsentitäten vollständig aus und sollte nicht durch zusätzliche Einnahme von Multivitaminen, Vitamin C, Vitamin E und Folsäure ergänzt werden. Die Gefahr ist gegeben, dass durch höhere Vitamin-E-Dosen, was auch für Beta-Karotin und Vitamin A zutrifft, eher das Risiko einer Erkrankung zunimmt. Den Ratsuchenden sollte empfohlen werden, auf die Einnahme von Supplementen zur primären Vorbeugung zu verzichten. on: systematic review and meta-analysis. JAMA 2007;297:842–57. Erratum in: JAMA. 2008;299:765–6. 2. Beta Carotene Cancer Prevention Study Group. The effect of vitamin E and beta carotene on the incidence of lung cancer and other cancers in male smokers. The Alpha-Tocopherol, Beta Carotene Cancer Prevention Study Group. N Engl J Med 1994;330:1029–35. 3. Byers T. Nutrition and lung cancer: lessons from the differing effects of foods and supplements. Am J Respir Crit Care Med 2008;177: 470–1. 4. Doyle C, Kushi LH, Byers T, et al. Nutrition and physical activity during and after cancer treatment: an American Cancer Society guide for informed choices. CA Cancer J Clin 2006;56:323–53. 5. Jiang Q, Elson-Schwab I, Courtemanche C, Ames BN. gamma-tocopherol and its major metabolite, in contrast to alpha-tocopherol, inhibit cyclooxygenase activity in macrophages and epithelial cells. Proc Natl Acad Sci USA 2000;97:11494–9. 6. Jiang Q, Wong J, Fyrst H, et al. gamma-Tocopherol or combinations of vitamin E forms induce cell death in human prostate cancer cells by interrupting sphingolipid synthesis. Proc Natl Acad Sci USA 2004;101: 17825–30. 7. Männistö S, Smith-Warner SA, Spiegelman D, et al. Dietary carotenoids and risk of lung cancer in a pooled analysis of seven cohort studies. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 2004;13:40–8. 8. Omenn GS, Goodman GE, Thornquist MD, et al. Effects of a combination of beta carotene and vitamin A on lung cancer and cardiovascular disease. N Engl J Med 1996;334:1150–5. 9. Pierce JP, Natarajan L, Caan BJ, et al. Influence of a diet very high in vegetables, fruit, and fiber and low in fat on prognosis following treatment for breast cancer: the Women's Healthy Eating and Living (WHEL) randomized trial. JAMA 2007;298:289–98. 10. Slatore CG, Littman AJ, Au DH, et al. 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