5/98 Westfälische Wilhelms-Universität Münster Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin Direktor: Univ.-Prof. Dr. Dr. O. Schober Autoimmunentzündungen der Schilddrüse Was sind Autoimmunerkrankungen? Autoimmunerkrankungen sind Krankheiten, die dadurch entstehen, daß das Abwehrsystem des Körpers allergisch gegen körpereigenes Gewebe reagiert. Zellen des Abwehrsystems richten sich dann gegen das körpereigene Schilddrüsengewebe mit einer entsprechenden Entgleisung der Schilddrüsenfunktion. Die wichtigsten Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse sind: die Basedow-Erkrankung, die auf einem eigenen Merkblatt beschrieben ist und für die besondere Gesichtspunkte gelten, die Autoimmunentzündungen der Schilddrüse (Autoimmunthyreoditiden). Bei diesen steht die Entzündung der Schilddrüse im Vordergrund. Die wichtigsten Formen sind die Hashimoto-Krankheit und die postpartale Thyreoiditis, die Wochen bis Monate nach einer Entbindung auftritt. Was sind Symptome der Autoimmunentzündungen der Schilddrüse? Typisch für die Autoimmunentzündungen ist ihr wechselhafter Verlauf: Anfänglich kommt es durch die Entzündung der Schilddrüse zur Freisetzung von bereits produziertem, in der Schilddrüse gespeichertem Schilddrüsenhormon. Dies kann ohne Symptome einhergehen, oder mit den Symptomen einer meist mild ausgeprägten Schilddrüsenüberfunktion: innere Unruhe, Nervosität, Fahrigkeit, Schlafstörungen, Zittrigkeit, Schweißausbrüche, Unbehaglichkeit in warmen Räumen, Gewichtsverlust trotz gesteigerten Appetits, Durchfälle, Haarausfall, Muskelschwäche, Müdigkeit oder Erschöpfung. Sind die Speicher an gebildetem Schilddrüsenhormon erschöpft, so stellt sich wieder eine normale Schilddrüsenfunktion ein. Bei einem Teil der Patienten führt die entzündungsbedingte Zerstörung der Organfunktion zu einer Schildddrüsenunterfunktion. Diese setzt zumeist sehr allmählich und oft vom Patienten unbemerkt ein und kann sich äußern durch durch Abgespanntheit, Lustlosigkeit, Müdigkeit, depressive Stimmung, Kälteempfindlichkeit, Gewichtszunahme trotz verminderten Appetits oder Stuhlverstopfung. Bei einem Teil der Patienten kann es zu einer schmerzlose Vergrößerung der Schilddrüse (Kropf) kommen. Viele Patienten klagen dann über ein Kloßgefühl im Hals und können enge Kragen oder Halsketten nicht vertragen. Augensymptome mit Hervortreten der Augen, Augenbrennen oder -tränen, Fremdkörpergefühl und Lichtscheu sind typisch für die Basedow-Krankheit, nicht jedoch für die Autoimmunentzündungen der Schilddrüse. Wie behandelt man Autoimmunentzündungen der Schilddrüse? Während der Phase der Schilddrüsenüberfunktion in erster Linie durch Zuwarten oder Gabe von Betablockern, in der Phase der Schilddrüsenunterfunktion durch Gabe von Schilddrüsenhormon: (1) Die Schilddrüsenüberfunktion ist Folge der entzündungsbedingten Freisetzung von in der Schilddrüse gespeichertem Hormon. Leider gibt es keine Medikamente, die die entzündungsbedingte Freisetzung von bereits produziertem Hormon hemmen könnten; die üblichen Schilddrüsen-Medikamente, die die Produktion von Hormon blockieren, greifen zu spät und sind daher ohne Wirkung. Die Behandlung der Schilddrüsenüberfunktion erfolgt daher durch einfaches Abwarten oder, je nach Schwere der Symptome, durch Gabe eines Betablockers (z. B. Propranolol) mit dem Ziel, die Streßhormonvermittelten Folgen einer Schilddrüsenüberfunktion zu mildern. Eine Radiojodbehandlung der Schilddrüse ist nicht angebracht, da die Schilddrüsenüberfunktion nur vorübergehende Folge der Entzündung der Schilddrüse ist. (2) Die Behandlung der Schilddrüsenunterfunktion erfolgt nebenwirkungsfrei durch Gabe von Schilddrüsenhormontabletten (LThyroxin, z. B. Euthyrox®, L-Thyroxin Henning®, Eferox®). Da die Aufnahme des LThyroxins durch Nahrungsbestandteile und insbesondere andere Medikamente gehemmt werden kann, sollte es idealerweise regelmäßig mindestens 30 min vor dem Frühstück auf nüchternen Magen eingenommen werden. Ziel der Behandlung ist ein niedrig normales TSH; nach jeder Änderung der L-ThyroxinDosis sollte dieses ca. 4 bis 6 Wochen später noch einmal kontrolliert werden. Was ist sonst noch zu beachten? (1) Lassen Sie Ihre Schilddrüsenfunktionslage regelmäßig, mindestens aber einmal pro Jahr kontrollieren. Nur bei wenigen Patienten stellt sich die Schilddrüsenunterfunktion schon nach dem ersten Schub der Erkrankung ein. Manchmal tritt die Schilddrüsenunterfunktion auch nur vorübergehend auf. Auch kann es bei einer erneuten Entzündung zu einer erneuten Phase der Schilddrüsenüberfunktion kommen. Nicht immer werden die Symptome von Ihnen rechtzeitig bemerkt. Eine unbehandelte Schilddrüsenfehlfunktion ist aber auf Dauer schädlich für den Körper. (2) Im Falle einer Schwangerschaft muß die Schilddrüsenfunktion engmaschiger kontrolliert und die Dosis des L-Thyroxin an den gesteigerten Hormonbedarf in der Spätschwangerschaft angepaßt werden (siehe auch separates Merkblatt). © WWU Münster 1998