Die Beziehung zwischen der menschlichen Amygdala und

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Interaktion von Emotion und Kognition:
Die Beziehung zwischen der menschlichen Amygdala und Kognitionen
Zusammengefasst von
Sara Anahi Paredes Alcantara (0306156), Romanova Sofia (0305384),
Slowik Agnieszka (0405113)
In den letzten Jahren wurden psychologische Theorien, die sich mit der Beziehung zwischen
Kognitionen und Emotionen befassen, durch die Methoden der Neurowissenschaften stark
beeinflusst. Besonders die Debatte ob Emotionen ohne kognitivem Bewusstsein möglich sind,
wurde durch Studien über die Amygdala geprägt (Phelps, 2005).
In diesem Kapitel stehen also die Amygdala und ihre Beziehung zum kognitiven Bewusstsein
und zu Emotionen im Vordergrund. Zuerst werden die Ergebnisse der Studien über die
Amygdala bei Tieren zusammengefasst, dann wird gezeigt wie die menschliche Amygdala
unabhängig vom kognitiven Bewusstsein funktionieren kann, und schließlich wird
verdeutlicht wie die Amygdala mit dem Bewusstsein interagieren kann. Sowohl der Einfluss
des Bewusstseins auf die Amygdala, als auch der Einfluss der Amygdala auf das Bewusstsein
wird herausgehoben (Phelps, 2005).
Die Amygdala: Studien mit Tieren
Die Amygdala ist eine mandelförmige Struktur im medialen Teil des Temporallappens und
grenzt an den Hippokampus. Ihre Bedeutung für die emotionale Verabeitung wurde das erste
Mal in Studien mit Affen, deren medialer
Temporallappen beschädigt war, deutlich (Kluver &
Bucy, 1939; zit. n. Phelps, 2005). Diese Affen litten
unter „psychischer Blindheit“ – heute bekannt unter
dem Klüver-Bucy-Syndrom. Dieses kennzeichnet der
Verlust von Furcht, Affen die unter dem KlüverBucy-Syndrom leiden, zeigen abnormale emotionale
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Reaktionen, sie erkunden Reize, die normale Affen meiden und fürchten, wie z. B. Schlangen.
Erst zwanzig Jahre später konnte gezeigt werden, dass nur die Schädigung der Amygdala
zentral für dieses Syndrom ist (Weiskrantz, 1956; zit. n. Phelps, 2005).
Neuere Studien zeigen die Rolle der Amygdala für das emotionale Lernen. Die Amygdala
wird zwar nicht gebraucht um emotionales Verhalten auf einen von Natur aus aversiven Reiz
zu zeigen, sie ist aber sehr wohl kritisch für gelernte emotionale Reaktionen. Einige Autoren
zeigten dies mit Hilfe von konditionierter Angst: Ein ursprünglich neutraler Reiz wird
mehrmals mit einem aversiven Reiz gekoppelt und dieser ursprünglich neutraler Reiz löst nun
nach erfolgter Konditionierung dieselben Reaktionen aus, wie der aversive Reiz. Wenn einer
Ratte nur ein Ton präsentiert wird, wird sie sich diesem höchstens kurz zuwenden. Aber wenn
nun der Ratte derselbe Ton, wiederholt gleichzeitig mit einem Stromschlag am Fuß
präsentiert wird, zeigt sie bei den nun folgenden Tönen Angstreaktionen. Der Ton ist also
kein neutraler Reiz mehr, er löst nun konditionierte Angst aus. Solche Studien zeigten, dass
die Amygdala notwendig ist, um Angst zu konditionieren (Phelps, 2005).
Untersuchungen der neuronalen Grundlagen der Angstkonditionierung zeigten, dass es zwei
unterschiedliche Möglichkeiten im Gehirn gibt, perzeptuelle Information zur Amygdala zu
befördern. Wenn also eine der beiden unterbrochen wird, gibt es noch immer einen anderen
Weg die Anwesenheit eines konditionierten Reizes zu signalisieren und eine konditionierte
Reaktion auszulösen.
LeDoux
(1996; zit. n. Phelps, 2005)
vertritt die Meinung dass beide
neuronalen Bahnen adaptiv sind.
Die Amygdala reagiert auf Reize
in der Umgebung, die eine
mögliche Gefahr darstellen
könnten und sendet dann Signale
an andere Hirnregionen und das
autonome Nervensystem, um das
Tier auf eine schnelle Reaktion
vorzubereiten. Die subkortikale
Bahn zur Amygdala kann nur
grobe Schätzungen des wahrgenommenen Reizes weiterleiten, ist jedoch äußerst schnell. Die
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kortikale Bahn lässt eine vollständige Verabeitung des Reizes zu, ist dafür aber viel
langsamer. Die schnellere Bahn ermöglicht dem Tier blitzschnelle emotionale Reaktionen,
wenn sich herausstellt, dass tatsächlich Gefahr besteht (Phelps, 2005).
Die Amygdala hat aber auch eine Bedeutung für andere Arten des Lernens. Sie ist in der Lage
das hippokampale Gedächtnissystem – mitverantwortlich für deklaratives und episodisches
Gedächtnis – zu beeinflussen. Wenn ein Tier erregt ist, werden Erinnerungen, für die der
Hippokampus verantwortlich ist, besser gespeichert. Dafür ist die Amygdala verantwortlich.
Sie moduliert die Speicherung in dem sie Einfluss auf die Konsolidierung ausübt.
Konsolidierung ist ein Prozess der auf die anfängliche Enkodierung folgt, und Erinnerungen
mehr oder weniger dauerhaft macht. Nach McGaugh ist eine mögliche Funktion der
Konsolidierung den neurohormonalen Veränderungen, die Emotionen begleiten, zu
ermöglichen Erinnerungsleistungen zu beeinflussen. So werden Situationen, die Emotionen
auslösen – und diese könnten wichtiger für das Überleben sein – besser erinnert als nichtemotionale Situationen. Eine andere Möglichkeit der Beeinflussung unseres Gedächtnisses
hat die Amygdala also bei der Modulation der Konsolidierung hippokampaler Erinnerungen
(Phelps, 2005).
Die Amygdala und konditionierte Angst beim Menschen
Angstkonditionierung funktioniert im Grunde bei allen Arten gleich, also auch beim
Menschen. Um bei Menschen Angst experimentell zu konditionieren, wird meistens ein
neutraler Reiz, wie z.B. ein blaues Quadrat mit einem aversiven Reiz, wie z.B. einem leichten
Stromschlag am Handgelenk, gekoppelt. Die physiologischen Reaktionen die dem
Stromschlag folgen, entsprechen den Reaktionen auf einen aversiven emotionalen Stimulus.
Zum Beispiel ist eine Erregung des autonomen Nervensystems ein Teil einer Angstreaktion.
Diese kann mithilfe der Hautleitfähigkeitsreaktion (skin coductance response, SCR) gemessen
werden, da die Hautleitfähigkeit sich durch leichtes Schwitzen, das bei Erregung auftritt,
ändert. Wenn nun das blaue Quadrat öfter gleichzeitig mit einem Schock gezeigt wird, löst
bereits das blaue Quadrat alleine eine SCR aus. Diese konditionierte Reaktion zeigt, dass der
ursprünglich neutrale Reiz, aversive Eigenschaften erworben hat (Phelps, 2005).
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Auf diese Art und Weise wurde Angst bei Versuchspersonen konditioniert, deren
Gehirnaktivität gleichzeitig mittels fMRI gemessen wurde. Solche Studien zeigten, dass die
Amygdala durch den konditionierten Reiz aktiviert wird. LaBar et al. (1998; zit. n. Phelps,
2005) fand sogar eine Korrelation zwischen der Stärke der konditionierten Reaktion und dem
Ausmaß der Aktivierung der Amygdala. Es gelang aber nicht Angst bei Patienten mit
geschädigter Amygdala zu konditionieren. Diese Versuchspersonen zeigten keine
konditionierte Angstreaktion auf einen neutralen Reiz, auch wenn dieser zuvor wiederholt mit
einem aversiven Reiz gekoppelt wurde. Solche Patienten reagieren aber völlig normal auf
einen bereits ursprünglich aversiven Reiz (z. B. Stromschlag). Diese Ergebnisse unterstützen
die Annahme, dass die Amygdala eine zentrale Rolle bei Konditionierung einnimmt (Phelps,
2005).
Auch wenn bei Patienten mit geschädigter Amygdala keine physiologischen Anzeichen einer
konditionierten Reaktion beobachtet werden konnten, scheinen sie ein gutes kognitives
Verständnis der Konditionierung zu haben. Sie sind in der Lage über die Beziehung von
neutralem und aversivem Reiz zu berichten, sie sind sich dieser bewusst, sie wissen, dass auf
den neutralen Reiz der aversive Reiz folgt.
Bechera et al. (1995; zit. n. Phelps, 2005) führten eine ähnliche Studie mit Patienten mit
geschädigter Amygdala bzw. Patienten mit geschädigtem Hippokampus, die an einer Amnesie
litten, durch. Der Patient mit geschädigter Amygdala war in der Lage die Beziehung zwischen
neutralem und aversivem Reiz zu schildern, zeigte aber keinerlei physiologischen Beweis
einer gelernten konditionierten Reaktion. Bei Patienten mit geschädigtem Hippokampus
zeigte sich der umgekehrte Fall. Eine normale SCR konnte nach der Konditionierung
gemessen werden. Diese Versuchspersonen wussten aber nichts über die
Angstkonditionierung und konnten daher auch nichts über die Beziehung von neutralem und
aversivem Reiz erzählen.
Beim Menschen verursacht ein geschädigter Hippokampus eine anterograde Amnesie, die
sich in der fehlenden Fähigkeit, sich explizit oder bewusst an Ereignisse zu erinnern,
bemerkbar macht. Während Angst konditioniert wird, arbeiten die Amygdala und der
Hippokampus zwar gleichzeitig, aber unabhängig. Die Amygdala ist verantwortlich für die
Verbindung der automatischen physiologischen Reaktion, die eine Emotion mit sich bringt,
und dem ursprünglich neutralen Reiz. Die konditionierte Reaktion, die automatisch erfolgt
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beruht auf dieser Verbindung. Der Hippokampus macht es möglich sich bewusst an die
Konditionierung der Angst zu erinnern und ein kognitives Verstehen der
Angstkonditionierung zu erwerben. Beim gesunden Menschen funktionieren beide Prozesse
des Lernens. Eine geschädigte Amygdala beeinträchtigt nur die implizite physiologische
emotionale Reaktion, die konditioniert werden sollte – ein kognitives Bewusstsein der
Konditionierung ist gegeben (Phelps, 2005).
Bei Affen mit beschädigter Amygdala zeigt sich das Klüver-Bucy Syndrom, welches
emotionale Reaktionen beeinträchtigt. Bei Menschen mit beschädigter Amygdala zeigen sich
aber keine Symptome dieser Art (Anderson & Phelps, 2002; zit. n. Phelps, 2005). Eine
Erklärung dafür wäre, dass Menschen die Beziehung zwischen Reiz und deren möglichen
averisven Konsequenzen auch ohne Amygdala verstehen. Menschen verlassen sich nicht nur
auf ihre physiologischen Anzeichen bei der Entscheidung welche Reize oder Situationen sie
meiden oder nicht. Auch wenn es Umstände geben könnte, in denen gelernte physiologische
Reaktionen wichtig sind (Damasio, 1999; zit. n. Phelps, 2005), können Patienten mit
geschädiger Amygdala recht gut auch ohne diesen leben.
Diese Studien, die die Rolle der menschlichen Amygdala bei der Konditionierung von Angst
untersuchen, zeigen eine Tatsache, die durch die Studien mit Tieren noch nicht gezeigt
werden konnte. Auch beim Menschen ist die Amygdala für den Erwerb und physiologischen
Ausdruck konditionierter Reaktionen verantwortlich. Sie ist jedoch nicht notwendig um sich
der Angstkonditionierung bewusst zu sein und diese zu verstehen. Es zeigt sich also, dass die
Amygdala auch unabhängig vom kognitiven Bewusstsein operieren kann (Phelps, 2005).
Verbale Instruktion – Einfluss des kognitiven Bewusstsein auf die Amygdala
Um Angst zu konditionieren muss es eine wiederholte Koppelung zwischen dem neutralen
Reiz und dem Angst auslösenden Reiz geben. Es gibt jedoch noch andere Möglichkeiten,
neben der Konditionierung, zu lernen, dass ein neutraler Reiz eine potentielle Gefahr darstellt.
Es kommt zur Angst vor dem Nachbarshund, weil dieser einen gebissen hat oder weil man
gehört hat, dass dieser Hund bissig sei. Im zweiten Fall handelt es sich um verbale
Instruktion. Aber nur weil man sich jetzt kognitiv bewusst ist, dass dieser Hund eine Gefahr
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darstellen könnte, fürchtet man sich nicht ständig. Dazu wird es erst kommen, wenn man auf
den Hund trifft (Phelps, 2005).
Bei Menschen ist diese Art des Lernens sehr häufig. Wir wissen welche Reize und
Situationen wir meiden sollten, weil wir vor der uns drohenden Gefahr gewarnt wurden. Das
Lernen ohne direkte Koppelung von neutralem und aversivem Reiz basiert also auf
Instruktionen und verbaler Kommunikation (Phelps, 2005).
Auch Patienten mit einer geschädigten Amygdala sind in der Lage, sofern ihr Hippokampus
weitgehend erhalten geblieben ist, durch verbale Kommunikation ein kognitives Verständnis
dafür zu entwickeln welche emotionalen Eigenschaften Stimuli besitzen. Trotzdem stellt sich
die Frage ob nur das kognitive Bewusstsein über die emotionalen Eigenschaften eines Reizes
bereits ausreicht, um die Amygdala zu beeinflussen oder mit ein zu beziehen (Phelps, 2005).
Phelbs et al. (2001) untersuchte die Rolle der Amygdala bei der verbalen Instruktion. Den
Versuchspersonen wurde erklärt, dass sie einen leichten Schock am Handgelenk erhielten,
sobald ihnen ein blaues Quadrat präsentiert werden würde. Alle Personen glauben also daran,
dass ein elektrischer Schlag
auf das blaue Quadrat folgen
würde. Tatsächlich wurden
aber keine Schocks gegeben.
Trotzdem
zeigten
die
Versuchpersonen eine erhöhte
Erregung, als das blaue Quadrat dargeboten wurde, als ob sie einen leichten Schock erhielten.
Die Tätigkeit der Amygdala wurde mittels fMRI bewertet. Es zeigte sich eine gesteigerte
Aktivität der Amygdala, sobald das blaue Quadrat präsentiert wurde. Diese Studie zeigt, dass
die direkte Koppelung von neutralem und aversivem Reiz nicht notwendig ist, dass also nur
ein kognitives Bewusstsein und Verstehen von emotionalen Eigenschaften eines Reizes
ausreicht um zu einer Reaktion der Amygdala zu führen.
Wie bereits erwähnt können sich Patienten mit einer geschädigten Amygdala und einem noch
intakten Hippokampus die emotionalen Eigenschaften von Stimuli merken, auch wenn sie nur
durch verbale Instruktion vermittelt wurden. Sie können dieses Wissen auch wiedergeben,
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wenn sie danach gefragt werden. Die Frage stellt sich ob sie auch eine normale
physiologische Erregung auf diese Art von Reizen zeigen (Phelps, 2005).
Funayama et al. (2001; zit. n. Phelps, 2005) beantworteten diese Frage. Es wurde das gleiche
Versuchsdesign angewandt, wie bereits bei Phelps et al. (2001). Im Unterschied dazu waren
aber die Versuchspersonen Patienten mit einer nicht funktionsfähigen Amygdala. Nachdem
ihnen die Studie vorgestellt wurde, und sie nun glaubten zu wissen, dass auf ein blaues
Quadrat ein aversiver Reiz folgen würde, mussten sie dieses Wissen noch einmal dem
Versuchsleiter wiedergeben. Trotz dieses kognitiven Bewusstseins für die Verbindung von
neutralem und aversivem Reiz zeigten die Patienten aber keine normale physiologische
Reaktion, wie sie sonst bei einem Gefühl der Angst entsteht, als das blaue Quadrat gezeigt
wurde. Dieses Ergebnis lässt die Rolle der Amygdala erkennen, die anscheinend darin
besteht, physiologische Anzeichen gelernter emotionaler Reaktionen zu modulieren.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass kognitives Bewusstsein die Amygdala
beeinflussen kann. Die genannten Studien verdeutlichen die Rolle der Amygdala beim
emotionalen Lernen ohne Konditionierung. Beim Erwerb des Wissens über emotionale
Stimuli durch verbale Instruktion spielt die Amygdala keine Rolle. Ihre Aufgabe zeigt sich
hier, ähnlich wie bei konditionierter Angst, in der Modulation der physiologischen Anzeichen.
Auch wenn die Amygdala unabhängig vom Bewusstsein arbeiten kann, hier zeigte sich, dass
kognitives Bewusstsein mit der Amygdala interagiert um normale emotionale Reaktionen in
bestimmten Umständen zu ermöglichen (Phelps, 2005).
Der Einfluss der Amygdala auf das kognitive Bewusstsein
Regulierung/ Anpassung des deklarativen Gedächtnisses
Der Hippokampus des Menschen ist vor allem für die Inhalte des deklarativen Gedächtnisses
zuständig, er wird also, nicht wie die Amygdala dem Emotionssystem, sondern dem
Kognitionssystem zugeordnet (Phelps, 2005).
In dem Moment in dem etwas passiert, wissen wir meistens sehr viel über die Situation, doch
mit der Zeit vergessen wir das meiste davon. Zum Beispiel ist es schwierig sich zu erinnern,
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was man vor genau einer Woche zu Mittag gegessen hat, obwohl man sich zum Zeitpunkt der
Mahlzeit dessen sicherlich bewusst war. Wir können uns also nur an wenige Momente und
Situationen unseres Lebens erinnern, auch wenn wir diese mit vollem Bewusstsein erlebten
(Phelps, 2005).
In dem Ausmaß in dem die Amygdala die Konsolidierung der hippokampalen Erinnerungen
reguliert, beeinflusst sie, welche potentiellen Inhalte des deklarativen Gedächtnisses uns in
Erinnerung bleiben. Das ist eine Möglichkeit der Amygdala kognitives Bewusstsein zu
beeinflussen (Phelps, 2005).
Viele Studien befassen sich mit der Bedeutung der Amygdala hinsichtlich ihres Einflusses auf
das Behalten von hippocampalen Erinnerungen. In diesen Studien müssen sich die
Versuchspersonen an emotionale Reize, die Erregung auslösen, erinnern oder diese wieder
erkennen (Phelps, 2005).
Eine der ersten Studien diesbezüglich (Cahill et al., 1996; zit. n. Phelps, 2005) untersuchte
den Zusammenhang zwischen den Erinnerungen an neutrale bzw. erregende Filme und dem
Glukosemetabolismus der Amygdala mit Hilfe der Positronenemissonstomographie (PET).
Versuchspersonen, die gleich am Anfang des erregenden Films einen höheren
Glukosemetabolismus der Amygdala aufwiesen, konnten sich zwei Wochen später besser an
diesen Film erinnern. Es konnte jedoch keine Beziehung zwischen dem Glukosemetabolismus
der Amygdala und späteren Erinerungen an neutrale Filme gefunden werden. Andere Studien
konnten dieses Ergebnis bestätigen. Wenn ein emotionales Bild bei der ersten Darbietung eine
Aktivierung der Amygdala verursachte, stieg die Wahrscheinlichkeit, dass die
Versuchsperson sich später daran erinnern konnte. Diese Studien, die bildgebende Verfahren
erst möglich machen, lassen erkennen, dass die Reaktion der Amygdala auf emotionale Reize
die Merkfähigkeit dieser voraussagen kann (Phelps, 2005).
Untersuchungen mit Patienten, die eine Beeinträchtigung derAmygdala aufweisen
bestätigen die Bedeutung der Amygdala für die Fähigkeit sich vorrangig bewusst an
erregende Situationen zu erinnern. In einer Studie von Cahill et al. (1995, zit. n. Phelps, 2005)
wurde sowohl gesunden Versuchspersonen, als auch Versuchpersonen mit defekter Amygdala
eine Serie von Dias mit dazugehöriger Erzählung dargeboten. In der Mitte der Serie gab es
besonders negativ erregende Darstellungen, die von beiden Versuchsgruppen als erregender
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als der Rest der Bilder bewertet wurden. Die gesunden Versuchspersonen konnten sich einige
Tage später besser an die emotionalen Dias erinnern. Den Patienten mit geschädigter
Amygdala jedoch brachten die emotionalen Dias keinen Vorteil beim Erinnern.
In Studien mit Tieren zur Bedeutung der Amygdala bezüglich der Beeinflussung des
Hippocampus zeigt sich dass die Amygdala die Konsolidierung von Erinnerungen an
erregende Situationen moduliert. Wie bereits erwähnt ist Konsolidierung ein Prozess, der sich
über eine gewisse Zeitspanne hinzieht und bewirkt, dass Erinnerungen mehr oder weniger
dauerhaft werden. Wenn also Erregung die Konsolidierung beeinflusst, sollten die
Auswirkungen der Erregung erst nach einiger Zeit beobachtbar werden. Die Wirkung der
Emotionen auf das Erinnern kann aber nicht mit der Modulation der Konsolidierung erklärt
werden, wenn die Erinnerungsleistung unmittelbar nach dem Lernen beurteilt wird, zu einem
Zeitpunkt, zu dem der Konsolidierungsprozess noch nicht stattgefunden hat. Der Effekt der
Erregung
auf
die
Konsolidierung
kann
nur
gezeigt
werden,
wenn
dem
Konsolidierungsprozess genügend Zeit gelassen wird. Eine gute Möglichkeit ist die
Überprüfung der Vergessensrate (Phelps, 2005).
Einige psychologische Theorien vertreten die Meinung, dass Erregung die Vergessensrate
verlangsamt, wodurch emotionale Reize besser gemerkt werden können. LaBar und Phelps
(1998, zit. n. Phelps, 2005) untersuchten Vergessenskurven von erregenden und nichterregenden Wörtern bei normalen Versuchspersonen und bei Versuchspersonen mit
geschädigter Amygdala. Die gesunden Versuchspersonen vergaßen weniger erregende Wörter
als neutrale Wörter. Die Patienten mit einer geschädigten Amygdala jedoch, zeigten keinen
Unterschied in der Merkfähigkeit von erregenden und neutralen Wörtern. Sie vergaßen die
gleiche Anzahl an erregenden Wörter wie an neutralen Wörtern. Dieses Ergebnis stimmt mit
den Resultaten der Tierstudien überein, nach welchen die Amygdala die Konsolidierung
hippocampaler Erinnerungen an emotionale Reize beeinflusst. Emotionale Ereignisse werden
also im Allgemeinen besser erinnert als neutrale Ereignisse.
Die Modulation perzeptuellen Enkodierens
Eine andere Möglichkeit der Amygdala Kognitionen zu beeinflussen, ist die Modulation der
Informationen, die das Bewusstsein erreichen: Ununterbrochen werden wir mit sensorischem
Input bombardiert. Nur ein kleiner Teil davon erreicht unser kognitives Bewusstsein. Mit
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Hilfe der Aufmerksamkeit können wir beeinflussen welche Information wir bewusst
wahrnehmen. Es scheint so als würden bedeutsame, wichtige Informationen eher unser
Bewusstsein erreichen.
Psychologische Studien bestätigen, dass der emotionale Inhalt eines Stimulus unsere
Aufmerksamkeit und folglich die Information die unser Bewusstsein gelangt, beeinflusst.
Wenn also emotionale Reize leichter in unser Bewusstsein eindringen, dann muss die
emotionale Bedeutung eines Reizes bereits vor dem Eingang ins Bewusstsein verarbeitet
werden.
Oft wurde vorgeschlagen, dass die Vorgänge der Verarbeitung emotionaler Stimuli viel
automatischer ablaufen könnten, also z.B. ohne einer sorgfältigen kognitiven Verarbeitung,
als die Verarbeitung nicht emotionaler Stimuli. Murphy und Zajonc (1993; zit. n. Phelps,
2005) verdeutlichten, dass ein emotionaler Gesichtsausdruck, der zu kurz präsentiert wurde
um bewusst wahrgenommen bzw. identifiziert zu werden, die Beurteilung nachfolgender
neutraler Reize beeinflusst. Es zeigt sich also, dass emotionale Information bereits am Anfang
der Informationsverarbeitung zur Verfügung stehe.
Die Amygdala reagiert automatisch auf die emotionale Bedeutung von Reizen, noch bevor es
zu einem kognitven Bewusstsein des Reizes kommt. Viele Studien, zeigten mittels fMRI eine
Aktivierung der Amygdla, als angsterfüllte Gesichtsausdrücke gezeigt wurden. (Breiter et al.,
1996; zit. n. Phelps, 2005). Whalen et al. (1998, zit. n. Phelps, 2005) präsentierten solche
Gesichtsausdrücke so kurz, dass die Vpn sich derer Präsentation nicht bewusst waren. Die
Studie zeigt, dass die Reaktion der Amygdala auf subliminal gezeigte Gesichter der Reaktion
der Amygdala auf Gesichter entspricht, die lange genug gezeigt wurden um bewusst
wahrgenommen zu werden. Die Amygdala reagiert also auf emotionale Stimuli automatisch
und benötigt keine vorausgehende bewusste Verarbeitung der Reize.
Die emotionale Bedeutung eines Stimulus wird automatisch – also ohne kognitivem
Bewusstsein – verarbeitet wird. Diese automatische Verarbeitung der emotionalen Bedeutung
von Reizen kann unsere Aufmerksamkeit und unser Bewusstsein beeinflussen. Ergebnisse der
kognitiven Neurowissenschaften lassen glauben, dass die Amygdala die emotionalen
Eigenschaften eines Reizes bereits vor der expliziten Identifikation aufspürt. Spielt dieses
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automatische Auffinden von Emotionen nun vielleicht eine Rolle bei der Modulation des
Bewusstseins für emotionale Stimuli? (Phelps, 2005)
Um die Rolle der Amygdala für das Bewusstsein zu untersuchen wurde folgendes
Untersuchungsdesign angewandt: 15 Items (Bilder, Wörter,...) wurden den Versuchspersonen
präsentiert, jedes aber nur etwa 100 ms lang. Also lang genug um den Versuchspersonen
bewusst zu machen, dass etwas präsentiert wird, aber zu schnell um das Präsentierte zu
identifizieren. Die Aufgabe der Versuchspersonen war es nun 2 der 15 Items, die besonders
auffällig waren (z.B. grün statt schwarz) zu erkennen. Diese wurden T1 und T2 genannt (von
target). Den meisten Versuchspersonen gelang es diese Aufgabe zu meistern, jedoch sank die
Erfolgsrate erheblich wenn T1 und T2 zu schnell nacheinander präsentiert wurden. Wenn z.B.
T1 an 2. Stelle und T2 an 9. Stelle gezeigt wurde, wurden die beiden Items viel eher erkannt,
als wenn T1 an 2. Stelle und T2 an 4. Stelle zu sehen war. In diesem Fall konnte nur T1
erkannt werden. Wenn also sowohl T1 als auch T2 erkannt werden sollen, muss ihre
Aufeinanderfolge von zumindest 4 unauffälligen Gegenständen unterbrochen werden. Es
scheint also so, als ob das Bemerken und Identifizieren von T1 eine kurze Beeinträchtigung
der Aufmerksamkeit verursacht, die es schwierig macht T2 zu bemerken und zu
identifizieren. Anders gesagt, als ob unsere Aufmerksamkeit blinken würde, weshalb dieses
Versuchsdesign auch „attentional blink“ genannt wird.
Anderson und Phelps (2001) wandten das gleiche
Versuchsdesign an: Zusätzlich veränderten sie
die emotionale Auffälligkeit von T2. Sie
arbeiteten mit erregenden und nicht-erregenden,
neutralen Wörtern. Der gerade geschilderte
Effekt konnte gefunden werden, als nur neutrale
Wörter gezeigt wuden. Die Versuchspersonen
hatten also Schwierigkeiten T2 zu erkennen,
wenn es kurz nach T1 gezeigt wurde. Wenn nun
aber T2 ein erregendes Wort war, verkleinerte
sich
der
„Blinkeffekt“.
Es
fiel
den
Versuchspersonen leichter T2 zu identifizieren, wenn T2 ein erregendes Wort war. Es konnte
aber kein Unterschied bei der Identifizierung von T1 zwischen emotionalen und neutralen
Wörtern gefunden werden. Daraus kann geschlossen werden, dass wenn unsere
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Aufmerksamkeit überfordert ist, eher emotionale als neutrale Reize unser Bewusstsein
erreichen werden.
Um zeigen zu können, ob bei dem Effekt der „blinkenden“ Aufmerksamkeit die Amygdala
eine Rolle spielt, wurde dieses Untersuchungsdesign noch einmal bei gesunden
Versuchspersonen und bei Patienten mit geschädigter Amygdala angewandt (Anderson &
Phelps, 2001) . Die normalen Versuchspersonen bestätigten die vorangegangenen Ergebnisse.
Der Effekt der „blinkenden“ Aufmerksamkeit verringerte sich für erregende Wörter. Bei den
Patienten mit geschädigter Amygdala konnte jedoch kein Unterschied, bezüglich der
Fähigkeit erregnde oder neutrale T2 Wörter zu erkennen, festgestellt werden. T2 Wörter
konnten, egal ob sie erregend oder neutral waren, gleich schlecht wiedergegeben werden,
wenn der Abstand zwischen der Präsentation von T1 und T2 zu klein war. Die Amygdala
erkennt also nicht nur die emotionale Bedeutng eines Reizes äußerst früh im Prozess der
Verarbeitung, sie beeinflusst damit auch das Enkodieren.
Die Amygdala hat Verbindungen zu einigen sensorischen kortikalen
Gebieten, wie zum Beispiel zu frühen visuellen kortikalen Arealen.
Diese übertragen Information zur Amygdala, die diese wieder
zurückleitet. Wenn die Amygdala auf eine emotionale Situation
antwortet, zeigt auch der visuelle Kortex erhöhte Aktivierung. Eine
Korrelation zwischen der Aktivierung der Amygdala durch einen
emotionalen Stimulus und der Aktivierung des visuellen Kortex durch
den gleichen Reiz konnte gezeigt werden (Morris, Friston, et al., 1998).
Die Amygdala erhält bereits früh in der visuellen Informationverarbeitung Informationen über
den Stimulus. Sie antwortet und beeinflusst damit den folgenden Prozess der visuellen
Verarbeitung.
Diese Ergebnisse (Anderson & Phelps, 2001) zeigen, dass für das bessere Enkodieren
emotionaler Stimuli die Amygdala verantwortlich gemacht werden kann. Indem die
Amygdala die Information, die in unser Bewusstsein gelangen könnte beeinflusst, kann sie
unsere Kognition beeinflussen. In Situationen, in denen unsere Aufmerksamkeit überfordert
wird, sichert die automatische Verarbeitung emotionaler Reize, dass diese viel eher unsere
volle Aufmerksamkeit bekommen.
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Zusammenfassung
Es wurde der Versuch unternommen, den Zusammenhang zwischen Emotion und Kognition
zu verdeutlichen, indem die Wechselwirkungen zwischen Amygdala und kognitivem
Bewusstsein geschildert wurden. Amygdala und kognitives Bewusstsein können aber auch
unabhängig von einander arbeiten.
Die Amygdala ist notwendig für den Erwerb und den physiologischen Ausdruck
konditionierter Angst, die nicht bewusst werden muss. Kognitives Bewusstsein und
Verständnis der Angstkonditionierung wird unabhängig von der Amygdala und der
konditionierten Reaktion erworben.
Amygdala und kognitives Bewusstsein können sich auch gegenseitig beeinflussen:
Zwar wird die Amygdala nicht benötigt um sich die emotionalen Eigenschaften eines Reizes
bewusst zu machen bzw. sie zu verstehen. Solch ein Wissen kann aber die Amygdala
beeinflussen, was wiederum den physiologischen Ausdruck einer Emotion beeinflusst
(Einfluss des kognitiven Bewusstseins auf die Amygdala).
Aber auch die Amygdala übt Einfluss auf das kognitive Bewusstsein: Erstens kann sie unser
Erinnerungsvermögen an Situationen, die emotional und wichtig sind, beeinflussen. Zweitens
kann sie unsere Perzeption und Aufmerksamkeit modulieren, indem sie die
Wahrscheinlichkeit erhöht, dass emotionale Information der Umwelt in unser kognitives
Bewusstsein gelangt.
Diese Schilderungen der Interaktionen zwischen Amygdala und kognitivem Bewusstsein
zeigen die Komplexität der Beziehung zwischen Kognitionen und Emotionen. Kognitionen
und Emotionen müssen als sowohl unabhängig voneinander als auch als voneinander
abhängig angesehen werden.
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Literaturverzeichnis
Anderson, A.K., & Phelps, E. A. (2001). Lesions of the human amygdala impair enhanced
perception of emotionally salient events. Nature, 411, 305-309
Morris, J. S., Friston; K.J., Buchel, C., Frith, C. D., Young, A. W., Calder, A. J., &Dolan, R.J.
(1998) A neuromodulatory role for the human amygdala in processing emotional facial
expressions. Brain, 121, 47-57.
Phelps, E. A. (2005). The interaction of emotion and cognition: the relation between human
amygdala and cognitive awareness. In R. R. Hassin, J. S. Uleman, & J. A. Bargh (eds), The
new unconscious (pp. 61-76). Oxford: Oxford University Press.
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