4 I Wirtschaftspolitische Entscheidungsfelder 1 Beschäftigung und Einkommen Schulbuch S. 10 ff. 1.1 Strukturelle Ungleichgewichte auf dem Arbeitsmarkt Lösungen Aufgabe 1, Seite 13: 9 Die Bundesagentur für Arbeit ermittelt die Höhe der Arbeitslosigkeit, indem sie die Arbeitslosenquote nach folgender Formel berechnet: Arbeitslosenquote = registrierte Arbeitslose zivile Erwerbspersonen x 100 % Die Arbeitslosenquote ergibt sich also aus dem Verhältnis von registrierten Arbeitslosen zur Zahl aller Erwerbspersonen. Als Erwerbspersonen gelten alle Menschen, die eine Arbeit haben (Erwerbstätige = Selbstständige + abhängig Beschäftigte), und diejenigen, die eine Arbeit suchen (registrierte Arbeitslose). Auswirkungen der Arbeitslosigkeit auf den Einzelnen: • materielle Einbußen, da zumindest ein Teil des Einkommens wegfällt • psychische Belastung, Existenzängste • eventuell Spannungen innerhalb der Familie • geringere soziale Anerkennung: vermindertes Selbstwertgefühl, Selbstzweifel • schlechte Perspektiven: Hoffnungslosigkeit, Depression Auswirkungen der Arbeitslosigkeit auf die Volkswirtschaft: • Verringerung des Wohlstands: weniger Güterproduktion als möglich; Nichtauslastung des Faktors Arbeit; sinkendes Pro-Kopf-Einkommen • Gefahr der Verstärkung der Arbeitslosigkeit: geringere Einkommen → sinkende Nachfrage → sinkende Produktion → sinkende Beschäftigung … Auswirkungen der Arbeitslosigkeit auf den Staat: • staatliche Mindereinnahmen: Rückgang der Einkommensteuer, der Sozialversicherungsbeiträge und der Steuern auf den Konsum (indirekte Steuern, z. B. Mehrwertsteuer) 6574: Erarbeitet von Carina Freytag, Thomas Freytag, Dr. Franz Heckl, Ulrich Mehrer und Simone Voit: Wirtschaft und Recht, Jahrgangsstufe 12. Lösungsband • Stand: Druckdaten • 06.12.10 • Seite 4 Beschäftigung und Einkommen 5 • staatliche Mehrausgaben: Arbeitslosengeld, Sozialhilfe • gegebenenfalls negative Auswirkungen der Belastung des Staatshaushalts: Verringerung des staatlichen Konsums bzw. der staatlichen Investitionen Aufgabe 2, Seite 13: 9 Hinweis: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Grafiken systematisch auszuwerten und zu interpretieren. Zu der in der gegebenen Aufgabe angeführten Möglichkeit ist anzumerken: • Das Thema lässt sich meist aus dem Titel der Grafik (Überschrift), eventuellen Untertiteln bzw. Zwischenüberschriften und der Abbildungsbezeichnung (unter der Abbildung) erschließen. • Bei der Beschreibung des Aufbaus geht es vor allem um die Art der Grafik (z. B. Säulendiagramm) und die möglichst vollständige Benennung der in der Grafik enthaltenen Größen. Oft bauen Grafiken auf einem Koordinatensystem auf, sodass festzuhalten ist, welche Größen auf der x- und auf der y-Achse dargestellt sind. • Nun lässt sich der Verlauf einzelner Größen oder deren Bedeutung im Verhältnis zu anderen Größen leicht beschreiben und mit konkreten Zahlen veranschaulichen. • Nach der ausführlichen Analyse der Grafik sollte eine zusammenfassende Wertung der Ergebnisse bzw. des in der Grafik dargestellten Sachverhalts nicht mehr schwerfallen. Lösung (Vorschlag): Thema: Die Grafik thematisiert die Veränderung der Erwerbstätigkeit in Deutschland bezogen auf die Wirtschaftsbereiche bzw. auf die Stellung im Beruf. Aufbau: Die Abbildung ist in zwei Hälften geteilt. Jede Hälfte besteht aus einem komplexen Säulendiagramm, wobei die beiden x-Achsen jeweils eine Zeitachse mit dem Zeitraum von 1950–2008 darstellen. Mit den Werten der y-Achse der linken Abbildungshälfte werden in vier übereinandergelagerten Abschnitten mit den Wirtschaftsbereichen „Land- und Forstwirtschaft / Fischerei“, „Produzierendes Gewerbe“, „Handel und Verkehr“ sowie „Sonstige Dienstleistungen“ die jeweiligen prozentualen Anteile an der Gesamterwerbstätigkeit in Deutschland dargestellt. Identisch aufgebaut ist die rechte Hälfte der Abbildung, jedoch bezogen auf die Stellung im Beruf …“. Verlauf der Größen: • Land- und Forstwirtschaft: starker Rückgang des Erwerbstätigenanteils zwischen 1950– 2008 von 23,3 % auf 2,3 %. • Produzierendes Gewerbe: 1950–1970 Anstieg des Erwerbstätigenanteils von 43 % auf 48,9 %, anschließend Rückgang des Erwerbstätigenanteils auf 29,7 % im Jahr 2008 usw. Zusammenfassung bzw. Wertung: Während in der Landwirtschaft seit 1950 und im produzierenden Gewerbe seit 1970 die Erwerbstätigenanteile deutlich zurückgegangen sind, haben diese im Dienstleistungsbereich ebenso deutlich zugenommen. Auch der Rückgang des Anteils der Selbstständigen an der Erwerbstätigkeit ist auffällig, jedoch geringer als der Rückgang des Erwerbstätigenanteils bei den mithelfenden Angehörigen. Mehr als verdoppelt hat sich der Anteil der Beamten und Angestellten an der Gesamt- 6574: Erarbeitet von Carina Freytag, Thomas Freytag, Dr. Franz Heckl, Ulrich Mehrer und Simone Voit: Wirtschaft und Recht, Jahrgangsstufe 12. Lösungsband • Stand: Druckdaten • 06.12.10 • Seite 5 Beschäftigung und Einkommen 6 erwerbstätigkeit in Deutschland, während der Anteil der Arbeiter seit 1950 beständig abgenommen hat. 2. Teil der Aufgabe: Zuordnung der Entwicklung der Erwerbstätigkeit in der Grafik zu einzelnen strukturellen Ungleichgewichten auf dem Arbeitsmarkt: Land- und Forstwirtschaft: • branchenspezifische (sektorale) Ursachen → Ungleichgewicht durch technologischen Wandel: Maschinen, Dünger • Ungleichgewicht als Folge der Globalisierung: Import von landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus anderen Ländern Produzierendes Gewerbe: • branchenspezifische (sektorale) Ursachen → Ungleichgewicht durch technologischen Wandel: Automatisierung (weniger Arbeiter, mehr Techniker und Ingenieure) • Ungleichgewicht als Folge der Globalisierung: Verlagerung von Teilen der Produktion in Billiglohnländer; Verdrängung deutscher Produzenten durch Konkurrenz auf dem Weltmarkt • Ungleichgewicht durch unzureichende Qualifikation: immer komplexere Produktionsprozesse und Produkte (weniger Arbeiter!) • Ungleichgewicht evtl. auch wegen schwieriger arbeitsrechtlicher Rahmenbedingungen: Nach unten unflexible Löhne und starker Schutz der Arbeit verhindern u. U. Neueinstellungen. Schulbuch S. 14 ff. 1.2 Lohnpolitik – Grundsätzliche Positionen der Tarifpartner Lösungen 9 Aufgabe 3, Seite 17: a) Produktivitätsorientierte Lohnpolitik Grundposition: Keine Erhöhung der Nominallöhne über die Zuwachsrate der Arbeitsproduktivität hinaus! Begründung: Bei steigender Arbeitsproduktivität (gleiche Arbeitszeit → höheres Arbeitsergebnis) sinken die Lohnstückkosten und lassen einen entsprechenden Lohnanstieg zu. Steigen die Löhne stärker als die Arbeitsproduktivität, wachsen die Personalkosten. Nun gibt es zwei Möglichkeiten, zu reagieren: 6574: Erarbeitet von Carina Freytag, Thomas Freytag, Dr. Franz Heckl, Ulrich Mehrer und Simone Voit: Wirtschaft und Recht, Jahrgangsstufe 12. Lösungsband • Stand: Druckdaten • 06.12.10 • Seite 6 Beschäftigung und Einkommen 7 Nominallohnerhöhung über dem Zuwachs an Arbeitsproduktivität Zunahme der Kosten Preiserhöhungen Inflationsgefahr (Lohn-Preis-Spirale); geringere Wettbewerbsfähigkeit; Absatzverlust? oder Gewinnminderung Gefahr geringerer Investitionen; geringere Wettbewerbsfähigkeit Gewerkschaftliche (offensive) Lohnpolitik Grundposition: Die Nominallohnerhöhung muss mindestens den Zuwachs an Arbeitsproduktivität und die aktuelle Inflationsrate enthalten! Begründung: In jedem Fall soll ein Gleichbleiben, besser aber eine Erhöhung der Lohnquote mit dem Ziel einer gerechteren Einkommens- und Vermögensverteilung erreicht werden; Erwartung, dass eine Lohnerhöhung Konsum, Produktion, Investitionen und Beschäftigung erhöht (Kaufkrafttheorie). b) Nominallohn: Der Geldbetrag, der vom Arbeitgeber für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zu zahlen ist (vor Abzug von Steuern und Sozialabgaben); der Nominallohn entspricht (in der Regel) nicht der Kaufkraft, da die Inflation (Geldentwertung) nicht berücksichtigt ist. Reallohn: Der Lohn, der wertmäßig der tatsächlichen Kaufkraft entspricht, also die Inflation berücksichtigt. Bruttolohn = Nominallohn vor Abzug von Lohnsteuer und Sozialabgaben Nettolohn: Nominallohn = Bruttolohn abzüglich Lohnsteuer und Sozialabgaben Netto-Reallohn: Das Geld, das nach Abzug von Lohnsteuer, Sozialabgaben und Inflationsrate wertmäßig zum Konsum tatsächlich übrig bleibt. c) • Tariflohn ↑ = Personalkosten ↑ → Gewinne ↓ Wettbewerbsfähigkeit ↓ → Rationalisierungsinvestitionen ↑ → Beschäftigung ↓ … • Tariflohn ↑ = Personalkosten ↑ → Preiserhöhungen → Tariflohn ↑ → Preiserhöhungen → Tariflohn ↑ … Wettbewerbsfähigkeit ↓ → Nachfrage ↓ → Beschäftigung ↓ → Einkommen ↓ → … • Tariflohn ↑ → Nachfrage ↑ → Produktion ↑ → Erweiterungsinvestitionen → Beschäftigung ↑ → Einkommen ↑ → Nachfrage ↑ → … d) Die Lösung ergibt sich aus der Beschäftigung mit den Teilaufgaben a)–c) und der Analyse der Grafiken. Individuelle Argumentation in Abhängigkeit vom Standpunkt. 6574: Erarbeitet von Carina Freytag, Thomas Freytag, Dr. Franz Heckl, Ulrich Mehrer und Simone Voit: Wirtschaft und Recht, Jahrgangsstufe 12. Lösungsband • Stand: Druckdaten • 06.12.10 • Seite 7 Beschäftigung und Einkommen 8 Aufgabe 4, Seite 17: 9 Hinweis: Es kann auch ein Streitgespräch unter mehreren Schülern/-innen stattfinden. Aufgabe 5, Seite 17: 9 Hinweis: vgl. die Verelendung während der Industrialisierung (v. a. 19. Jh.); Weberaufstand; Radikalisierung; extreme Parteien; Unruhen; materielle Not; Überforderung des Sozialstaats … Schulbuch S. 18 ff. 1.3 Wirtschaftspolitische Maßnahmen und Beschäftigung Lösungen Aufgabe 6, Seite 23: 9 Die Worte von Keynes – im Scherz gesagt – lassen das nachfrageorientierte wirtschaftspolitische Konzept, welches dahintersteckt, erkennen: Der Staat gibt Geld aus (Staatlicher Konsum CSt ↑): • Ein Unternehmen, das auf dem freien Markt ausgewählt wird, die Banknoten auszugraben (Produktion ↑), beschäftigt mit dem vom staatlichen Auftraggeber zu bezahlenden Entgelt (bzw. im Blick auf die auszugrabenden Banknoten) Arbeiter (Beschäftigung ↑). Evtl. werden zusätzliche Arbeiter eingestellt. • Steigende Beschäftigung bedeutet, dass mehr verdient wird (Volkseinkommen Y ↑). • Steigendes Einkommen führt in der Regel zu höherer Konsumgüternachfrage (CH ↑). • Höherer Konsum bedeutet, dass mehr produziert wird. • Mehrproduktion führt zu höherer Investitionsgüternachfrage (In ↑) und zur Zunahme der Beschäftigung, was wieder das Volkseinkommen (Y ↑) ansteigen lässt. Insgesamt ergibt sich nach diesem Konzept ein sich selbst tragender expansiver Effekt, in dessen Verlauf die Arbeitslosigkeit durch steigende Beschäftigung theoretisch stetig abnimmt. Grenzen: • Staatsverschuldung mit ihren Folgewirkungen. • Unsicherheit: Reaktionen der Wirtschaftssubjekte: Ist der Anreiz, das Geld auszugraben, groß genug (zu erhaltendes Entgelt im Vergleich zu den Kosten der Ausgrabung: richtige Dosierung)? Konsumneigung der Haushalte (z. B. Angstsparen)? Notwendigkeit der Unternehmen, mehr Arbeiter einzustellen bzw. Mehrarbeit durch mehr Lohn zu vergüten? Investitionsneigung der Unternehmen: auch abhängig von den Erwartungen hinsichtlich künftiger Absatzmöglichkeiten. • Wirkungsverzögerung: Die Maßnahme erfolgt zu spät und zeigt keine nennenswerte Wirkung mehr. • Nachhaltigkeit: Maßnahmen einer nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik wirken in der Regel eher kurzfristig, also nicht auf Dauer. Folge: Handelt es sich bei der in der 6574: Erarbeitet von Carina Freytag, Thomas Freytag, Dr. Franz Heckl, Ulrich Mehrer und Simone Voit: Wirtschaft und Recht, Jahrgangsstufe 12. Lösungsband • Stand: Druckdaten • 06.12.10 • Seite 8 Beschäftigung und Einkommen 9 Aufgabe genannten Krise um eine strukturelle Krise, also um ein dauerhaftes Absatzund Beschäftigungsproblem (vgl. Kohlebergbau), bringt das Vergraben- und wieder Ausgrabenlassen von Geld allenfalls für die Dauer der Maßnahme eine kurzfristige Reduzierung der Arbeitslosigkeit. Mit dem Ende der Maßnahme wird auch die Arbeitslosigkeit nach einiger Zeit wieder angestiegen sein. Aufgabe 7, Seite 23: 9 Das Konzept der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik sieht die Entlastung und Unterstützung der Unternehmen einer Volkswirtschaft vor. Ziel – nach dem Theorem von Say: „Jedes Angebot schafft sich seine Nachfrage“ – ist, die Unternehmen anzureizen, mehr zu produzieren und so auch für mehr Beschäftigung zu sorgen. Maßnahmen einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik Vergleich mit Positionen der Gewerkschaften Produktivitätsorientierte (= defensive) Lohnpolitik: Entlastung der Unternehmen bei den Personalkosten → Sicherung und Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit; Erhaltung der Investitionsbereitschaft (Finanzierung aus Gewinnen!) → Produktion ↑ / Beschäftigung ↑ / Arbeitslosigkeit ↓ Offensive Lohnpolitik, d. h. zumindest keine Reallohnsenkung (also Berücksichtigung der Inflationsrate); Ziel: die Erhaltung der Kaufkraft der Verbraucher und damit die Unterstützung der volkswirtschaftlichen Nachfrage. Lohnsenkungen (flexible Löhne): Entlastung der Unternehmen bei den Personalkosten → Sicherung und Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit; Erhaltung der Investitionsbereitschaft (Finanzierung aus Gewinnen!) → Produktion ↑ / Beschäftigung ↑ / Arbeitslosigkeit ↓ Keine Lohnsenkungen, da geringere Löhne die Kaufkraft der Haushalte mindern und sich somit negativ auf Nachfrage, Produktion, Investitionen und Einkommen auswirken. Reduzierung der Sozialabgaben (= Sozialversicherungsbeiträge): Senkung der Personalkosten → Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit; Verbesserung der Investitionsbereitschaft → Produktion ↑ / Beschäftigung ↑ / Arbeitslosigkeit ↓ Entlastung der Unternehmen bei den Personalkosten (siehe Lohnsenkungen) Senkung der Sozialversicherungsbeiträge nur gleichermaßen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, deren verfügbares Einkommen und Kaufkraft sich dadurch erhöht. Keine einseitige Entlastung der Unternehmen zu Lasten der Arbeitnehmer, deren Kaufkraft dadurch gemindert würde. Deregulierung: Erleichterungen beim Kündigungsschutz, der Regulierung der Arbeitszeit und den bürokratischen Hindernissen bei einer Einstellung: → höhere Flexibilität und Rentabilität → Mehreinstellung → Reduzierung der Arbeitslosigkeit … Erleichterungen beim Kündigungsschutz führen auch zu schnellen Entlassungen → besonders in Krisensituationen nimmt die Arbeitslosigkeit stark zu. Flexible Arbeitszeitregelungen führen dazu, dass in Zeiten mit hoher Nachfrage die Arbeitnehmer eines Betriebes eher überbeansprucht werden, als dass Neueinstellungen vorgenommen werden. 6574: Erarbeitet von Carina Freytag, Thomas Freytag, Dr. Franz Heckl, Ulrich Mehrer und Simone Voit: Wirtschaft und Recht, Jahrgangsstufe 12. Lösungsband • Stand: Druckdaten • 06.12.10 • Seite 9 Beschäftigung und Einkommen 10 Schulbuch S. 24 ff. 1.4 Strukturelle arbeitsmarktpolitische Maßnahmen Lösungen Aufgabe 8, Seite 27: 9 a) Kürzung des Arbeitslosengeldes: Hier steht der sogenannte Niedriglohnsektor zur Debatte. Kritisiert wird verschiedentlich, dass das Arbeitslosengeld II (Hartz IV) im Vergleich zur Höhe der Löhne in den niedrigsten Gehaltsgruppen so hoch sei, dass es sich lohne, arbeitslos zu sein und den Hartz-IV-Satz zu beziehen. So lautet ein Schlagwort: „Hartz-IV-Empfänger haben keine Lust zu arbeiten!“ Dem widerspricht die Bundesagentur für Arbeit. Sie „… macht Vorurteile wie dieses und allgemeine Unkenntnis dafür verantwortlich, dass Hartz-IV-Empfänger sich so schwer tun, Arbeit zu finden. […] Entgegen der landläufigen Meinung seien 40 Prozent der Hartz-IV-Empfänger keine Langzeitarbeitslosen, sondern weniger als sechs Monate arbeitslos. Die Mehrheit sei gut qualifiziert.“ (SZ, 3.7.2009). Zu bedenken ist: − Das Arbeitslosengeld wird schon heute gekürzt, wenn man einen angebotenen Job ablehnt. − Es besteht die Gefahr, dass durch die Zunahme der Arbeitsuchenden im Niedriglohnsektor immer mehr Unternehmen den Drang verspüren, ihre regulären Löhne nach unten anzupassen. Eine Ausweitung des Niedriglohnsektors bietet gegebenenfalls einigen sozialen Sprengstoff. − Es gibt im sogenannten Niedriglohnsektor gar nicht so viele Jobs, wie nötig wären, um die Arbeitslosigkeit nennenswert reduzieren zu können. Nebenwirkungen einer Senkung des Arbeitslosengeldes: − Erhöhung des materiellen Drucks auf Hartz-IV-Empfänger und ihre Familien − weitere Einschränkung der Kaufkraft und damit des Konsums der Haushalte b) Lohnsenkungen – die Position vieler Arbeitgeber: Pro: Geringere Personalkosten und damit geringere Stückkosten bzw. höhere Stückgewinne ermöglichen Neueinstellungen bzw. können Arbeitsplätze sichern, weil dadurch die Konkurrenzfähigkeit erhalten bleibt; höhere Gewinne wiederum ermöglichen Modernisierungsmaßnahmen. Kontra: Die Einschränkung der Kaufkraft und damit des Konsums der Betroffenen führt gegebenenfalls zu einem Rückgang der Binnennachfrage mit Auswirkungen auf Produktion, Investitionen und Beschäftigung. c) Lohnerhöhungen – die überwiegende Position auf Seiten der Gewerkschaften: Solange die Lohnerhöhungen nicht höher sind als der Zuwachs bei der Arbeitsproduktivität, haben Lohnerhöhungen möglicherweise den beschriebenen Effekt, allerdings hängt die Wirkung insbesondere auch davon ab, ob die Reallöhne steigen, also die Inflationsrate geringer ist als der Nominallohnzuwachs. Vgl. hierzu auch die Ausführungen zur Kaufkrafttheorie auf S. 17 im Schulbuch. 6574: Erarbeitet von Carina Freytag, Thomas Freytag, Dr. Franz Heckl, Ulrich Mehrer und Simone Voit: Wirtschaft und Recht, Jahrgangsstufe 12. Lösungsband • Stand: Druckdaten • 06.12.10 • Seite 10 Beschäftigung und Einkommen 11 Weitere Kritikpunkte: Unternehmen, die in Konkurrenz zu anderen Firmen auf dem Weltmarkt stehen, können sich u. U. auch eine moderate Anhebung der Löhne nicht leisten (Problem der Globalisierung); Lohnerhöhungen haben einen eher kurzfristigen Charakter (Laufzeit von Tarifverträgen!) und können strukturell bedingte Arbeitslosigkeit somit auch nur kurzfristig beeinflussen. Zu den Auswirkungen von Lohnerhöhungen, die über die Erhöhung der Arbeitsproduktivität hinausgehen: vgl. die Ausführungen zur „Defensiven Lohnpolitik“ auf S. 14 im Schulbuch. d) Steuersenkungen: Steuersenkungen, um die Nachfrage zu stimulieren, gehören zu den klassischen Elementen der von Keynes geprägten nachfrageorientierten Wirtschaftstheorie: Sinkt die Steuerlast, steigen die verfügbaren Einkommen der Haushalte bzw. die Gewinne der Unternehmen. Eine erhöhte Konsumgüternachfrage bzw. eine höhere Nachfrage nach Investitionsgütern wäre nach Ansicht der Nachfragetheoretiker die Folge. Bei der genannten Maßnahme besteht die Gefahr, dass Steuerersparnisse mit Blick auf die schlechte Wirtschaftslage und wegen der Angst um den Arbeitsplatz gar nicht ausgegeben werden („Angstsparen“) und so auch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nicht stützen können. Das Gleiche gilt für einen erhofften Anstieg bei den Investitionen. Gravierender jedoch ist, dass nachfrageorientierte wirtschaftspolitische Maßnahmen in der Regel eher kurzfristigen Charakter haben. Strukturelle Probleme können damit nicht gelöst werden. Nebenwirkungen: mögliche Erhöhung der Staatsverschuldung. e) Verlängerung der Arbeitszeit: Eine Verlängerung der Arbeitszeit (ohne Lohnausgleich) wirkt wie eine Lohnsenkung. Für das Unternehmen sinken dadurch die Lohnstückkosten – siehe dazu Teilaufgabe 8b). Aufgabe 9, Seite 27: 9 • Ökonomische Gründe: Arbeitslose zahlen keine Steuern, nutzen aber staatliche Einrichtungen und Infrastruktur (öffentliche Güter). Arbeitslose müssen gegebenenfalls mit Sozialleistungen unterstützt werden, um zumindest existieren zu können, zahlen aber keine Sozialversicherungsbeiträge. Der Nutzen des Staates ist unter normalen Bedingungen höher, wenn er Arbeitslosen zu Beschäftigung verhilft als wenn er darauf verzichtet. Die Pflicht zur Sparsamkeit ist hier zugleich eine Aufgabe des Staates. Eine Qualifizierung von Arbeitslosen ist auch aus Gründen der Wohlfahrt des Gemeinwesens notwendig, da eine Fehlallokation (falsche Verteilung) des Arbeitskräftepotenzials einer Gesellschaft schadet. • Gesellschaftliche Gründe: Hierzu gehört z. B. die Verpflichtung des Staates, die Gesellschaft zusammenzuhalten, das friedliche Zusammenleben der Menschen in der Gemeinschaft zu fördern, also z. B. soziale Ausgrenzung zu verhindern, der Entwicklung extremer Parteien und Strömungen entgegenzuwirken. • Soziale Gründe: Zwar nennt das Grundgesetz der Bundesrepublik nicht ausdrücklich die Soziale Marktwirtschaft als gegebene Wirtschaftsordnung für Deutschland. Jedoch legt die Formulierung des Artikels 20, Abs. 1 – „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein sozialer und demokratischer Bundesstaat“ – dies nahe. Der Grundgedanke der Sozialen Marktwirtschaft ist ein sozialer Ausgleich der Härten völlig freier Märkte. Hierzu gehört insbesondere der Schutz Schwächerer, also auch arbeitsloser Bürger, die in den meisten Fällen ohne eigene Schuld arbeitslos geworden sind. • Weitere Argumente sind möglich! 6574: Erarbeitet von Carina Freytag, Thomas Freytag, Dr. Franz Heckl, Ulrich Mehrer und Simone Voit: Wirtschaft und Recht, Jahrgangsstufe 12. Lösungsband • Stand: Druckdaten • 06.12.10 • Seite 11 Beschäftigung und Einkommen 12 Gegenargumente: • Wem der Staat Beschäftigung verschafft, braucht sich selbst weniger anzustrengen, um eine Stelle zu finden. • Klassische Theorie / Monetarismus / angebotsorientierte Wirtschaftspolitik: Staatliches Eingreifen stört die Selbstheilungskräfte des Marktes! • Auch die Formel „So viel Markt wie möglich!“ (ergänze: „So viel Staat wie nötig!“) lässt nicht zu, dass der Staat für die Beschäftigung Arbeitsloser sorgt. • Eigene Anstrengung und privatwirtschaftliche Vermittlungsanbieter können genauso gut, eventuell sogar besser als der Staat dafür sorgen, dass Arbeitslose wieder eingestellt werden. • Weitere Argumente sind möglich! Schulbuch S. 28 ff. 1.5 Staatshaushalt – Staatsverschuldung und Steuerproblematik Lösungen Aufgabe 10, Seite 31: 9 Hohe Staatsverschuldung belastet vor allem die folgenden Generationen, wenn es nicht gelingt, die Verschuldung rechtzeitig abzubauen. Man spricht hier auch vom Generationenkonflikt. Während der Staat immer weniger Geld ausgeben kann, weil Kreditzinsen und Tilgungsleistungen den Haushalt belasten, müssen längerfristig die Jüngeren die Schulden und die Zinsen schultern. Wenn jedoch Schulden zum Zweck von Zukunftsinvestitionen gemacht werden (zum Beispiel im Bereich Bildung), dann stehen den Schulden reale Zuwächse an Vermögen gegenüber, die auch oder die gerade der jüngeren Generation zugutekommen, sodass Gerechtigkeit gewahrt ist. Aufgabe 11, Seite 31: 9 Beschreibung: Ein Vater sitzt bequem im Sessel und liest Zeitung. Die Tochter steht vor ihm, deutet auf die Zeitung (vermutlich auf eine Schlagzeile) und fragt, wie viel 1,6 Billionen Euro Schulden seien. Der Vater antwortet: „Wirst du schon merken.“ Die Bildunterschrift lautet: „Generationenkonflikt?“ Problem: In seiner Karikatur hebt Thomas Plaßmann die Problematik der hohen Verschuldung Deutschlands hervor. Während das Kind sich die Zahl 1,6 Billionen Euro nicht vorstellen kann – da geht es der Tochter nicht anders als vielen Menschen in Deutschland –, fertigt sie der Vater mit einer Floskel ab, ohne die Frage zu beantworten. Der Vater steht für die Generation der Verantwortlichen im deutschen Staat, durch deren Handeln oder Dulden die zunehmende Verschuldung Deutschlands geschah. Die Tochter steht für die jüngere Generation, die nicht recht weiß, was auf sie zukommt, letztlich aber das Problem der Verschuldung zumindest mit ausbaden muss. Merken würde die jüngere Generation das Ausmaß der Verschuldung dann nicht oder nur wenig, wenn die Schulden in absehbarer Zeit auf ein akzeptables Maß zurückgeführt werden könnten. Ob die „neue Schuldenregel“ (vgl. S. 29 im Schulbuch) dazu beitragen kann, dieses Ziel zu erreichen, muss sich erst zeigen. 6574: Erarbeitet von Carina Freytag, Thomas Freytag, Dr. Franz Heckl, Ulrich Mehrer und Simone Voit: Wirtschaft und Recht, Jahrgangsstufe 12. Lösungsband • Stand: Druckdaten • 06.12.10 • Seite 12 Beschäftigung und Einkommen 13 Aufgabe 12, Seite 31: 9 Steuererhöhungen: Die Erhöhung direkter Steuern (z. B. Lohnsteuer, Einkommensteuer, Körperschaftssteuer) bringt kurzfristig in der Regel mehr Geld in die Staatskasse, da Haushalte und Unternehmen der staatlichen Erhebung nicht ohne Weiteres ausweichen können. Mittel- bzw. längerfristig könnte die Erhöhung direkter Steuern jedoch gegenläufige und damit unerwünschte Auswirkungen haben, wie die folgende Wirkungskette (ausgehend vom Sektor Haushalte) verdeutlicht: Tdir ↑ → verfügbares Einkommen Y ↓ → CH ↓ → Produktion ↓ → Beschäftigung ↓ → Y ↓ → CH ↓ → … (Kontraktiver Prozess) Mögliche Folgen: • Y ↓ → Steuereinnahmen aus Tdir ↓ • CH ↓ → Steuereinnahmen aus Tind ↓ • Produktion ↓ → Gewinne ↓ → Steuereinnahmen aus Tdir ↓ Werden Unternehmenssteuern (Körperschaftssteuer; Einkommensteuer bei Personengesellschaften und Einzelunternehmen) erhöht, sind ebenfalls unerwünschte Auswirkungen möglich: Tdir ↑ → verfügbare Gewinne ↓ → Investitionen ↓ → Produktion ↓ → Beschäftigung ↓ → Y ↓ → CH ↓ → … (Kontraktiver Prozess) Mögliche Folgen (s. o.): • Produktion ↓ → Gewinne ↓ → Steuereinnahmen aus Tdir ↓ • Y ↓ → Steuereinnahmen aus Tdir ↓ • CH ↓ → Steuereinnahmen aus Tind ↓ Auch die Erhöhung indirekter Steuern (z. B. Mehrwertsteuer, Energiesteuern) könnte kurzfristig etwas mehr Geld in die Staatskasse bringen. Durch die Erhöhung indirekter Steuern (= Gütersteuern) steigen jedoch auch die Güterpreise, wenn nicht die Unternehmen die Steuererhöhungen selbst abfedern. So könnte die Steuererhöhung jedoch ebenfalls gegenläufige und damit unerwünschte Auswirkungen haben: Tind ↑ → CH ↓ → Produktion ↓ → Beschäftigung ↓ → Y ↓ → CH ↓ → … (Kontraktiver Prozess) Mögliche Folgen (s. o.): • Produktion ↓ → Gewinne ↓ → Steuereinnahmen aus Tdir ↓ • Y ↓ → Steuereinnahmen aus Tdir ↓ • CH ↓ → Steuereinnahmen aus Tind ↓ Problematisch ist dabei insbesondere, dass die Erhöhung indirekter Steuern vor allem Haushalte mit niedrigem Einkommen belastet, da sie große Teile ihres Einkommens für Konsumgüter ausgeben müssen. 6574: Erarbeitet von Carina Freytag, Thomas Freytag, Dr. Franz Heckl, Ulrich Mehrer und Simone Voit: Wirtschaft und Recht, Jahrgangsstufe 12. Lösungsband • Stand: Druckdaten • 06.12.10 • Seite 13 Beschäftigung und Einkommen 14 Die Erhöhung indirekter Steuern könnte auch die Wettbewerbssituation der Unternehmen verschlechtern. Werden die Güter teurer, könnte der Export zurückgehen, während Importgüter verstärkt nachgefragt würden. Mögliche Wirkungskette: Tind ↑ → Exporte X ↓ → Produktion ↓ → Beschäftigung ↓ → Y ↓ → CH ↓ → … (Kontraktiver Prozess) Mögliche Folgen (s. o.): • Produktion ↓ → Gewinne ↓ → Steuereinnahmen aus Tdir • Y ↓ → Steuereinnahmen aus Tdir ↓ • CH ↓ → Steuereinnahmen aus Tind ↓ Ausgabenkürzungen: Kurzfristig kommt auch durch Ausgabenkürzungen mehr Geld in die Staatskasse. Mittel- bis längerfristig könnte sich die Wirkung aber ebenfalls umkehren: Staatsausgaben CSt ↓ → Produktion ↓ → Beschäftigung ↓ → Y ↓ → CH ↓ → … (Kontraktiver Prozess) Unterstützungszahlungen an Haushalte ZH ↓ → CH ↓ → Produktion ↓ → Beschäftigung ↓ → Y ↓ → CH ↓ → … (Kontraktiver Prozess) Subventionen ZU ↓ → Investitionen ↓ Produktion ↓ → Beschäftigung ↓ → Y ↓ → CH ↓ → … (Kontraktiver Prozess) Mögliche Folgen: s. o. Aufgabe 13, Seite 31: 9 vgl. Aufgabe 12 Aufgabe 14, Seite 31: 9 vgl. Schulbuch, S. 31, rechte Spalte oben Wenn man davon ausgehen könnte, dass eine Entlastung des Kapitals nicht nur zu einer Erhöhung der Investitionsfähigkeit, sondern auch zu einer Erhöhung der Investitionsbereitschaft führen würde, wäre eine weitere Entlastung des Produktionsfaktors Kapital in einem angemessenen Rahmen akzeptabel. Ein Zusammenhang zwischen Investitionsfähigkeit und Investitionsbereitschaft war in den vergangenen Jahren aber nicht immer erkennbar. Erst wenn die Absatz- und Gewinnerwartungen gestimmt haben, wurde auch investiert. International gesehen führt eine Entlastung des Kapitals zu einer höheren Wettbewerbsfähigkeit. Problematisch ist allerdings ein internationaler Wettbewerb um die günstigsten Bedingungen für Unternehmen. Eine Entlastungsspirale nach unten nützt niemandem und schadet nur den Staatshaushalten. 6574: Erarbeitet von Carina Freytag, Thomas Freytag, Dr. Franz Heckl, Ulrich Mehrer und Simone Voit: Wirtschaft und Recht, Jahrgangsstufe 12. Lösungsband • Stand: Druckdaten • 06.12.10 • Seite 14 Beschäftigung und Einkommen 15 Zur Frage der Gerechtigkeit: Wie die Entwicklung der Lohnquote seit dem Jahr 2000 (vgl. Schulbuch, S. 17) zeigt, fand in der Vergangenheit bereits eine deutliche Umverteilung von Arbeitseinkommen zu Gewinneinkommen statt. Die Senkung der Körperschaftssteuer, die Abschaffung der Vermögenssteuer und vor allem die deutliche Zunahme der Gewinne bei stagnierenden Reallöhnen lassen eine weitere Belastung des Produktionsfaktors Arbeit eigentlich nicht zu. 6574: Erarbeitet von Carina Freytag, Thomas Freytag, Dr. Franz Heckl, Ulrich Mehrer und Simone Voit: Wirtschaft und Recht, Jahrgangsstufe 12. Lösungsband • Stand: Druckdaten • 06.12.10 • Seite 15