J. Müller , LV SS04 LV 2323.01 Marktregulierung und Wettbewerb in Europa Weitere Hinweise auf http.//www.userpage.FU-Berlin/~JMueller/) Ziele der Wettbewerbspolitik Grundbedingung effizienten Wettbewerbs: Vertragsfreiheit → Spezialisierung → höhere Produktivität 1) Gründe für staatliche Regulierung (d.h. eingeschränkte Vertragsfreiheit): 1.1 Staatliche Rahmenbedingungen sind für die Arbeitsteilung von zentraler Bedeutung. Illustration anhand des 3-Stufen-Modells von C.C. von Weizsäcker: Stufe I: Tauschgesellschaft 2 - Währung - Marktplatz Stufe II: Produktion und Tauschgeschäfte Zusätzlich braucht man: - Institutionen wie z. B. juristische oder persönliche Gesellschaften (hier auch die Rolle des BGB) - Eigentumsrechte für Güter - Eigentumsschutz durch den Staat (z. B. staatlicher bzw. privater Schutz, z.B. Kopierschutz) - Teilweise hier schon Korrektur von statischem Marktversagen (natürliches Monopol, öffentliche Güter, asymmetrische Information usw.) durch den Staat nötig. Stufe III: Forschung, Entwicklung, Produktion und Tausch usw. Hierfür brauchen wir nun zusätzlich: - Eigentumsrechte für Ideen (Patente, d. h. Korrektur von dynamischem Marktversagen) usw. 3 In diesen drei Stufen sieht man, daß durch die zunehmende Arbeitsteilung mehr Spezialisierung möglich ist und dadurch die Produktivität steigt (im Grunde auch die Wettbewerbsintensität). Diese Arbeitsteilung und die dem zugrunde liegende Vertragsfreiheit erfordert aber einen funktionsfähigen rechtlichen Rahmen. Ziel einer sozialen Marktwirtschaft sollte (im Rahmen eines allgemeinen, alles umfassenden rechtlichen Rahmens) ein Maximum an Spezialisierung sein, um diese Produktivitätsgewinne statisch und dynamisch zu ermöglichen. 1.2 Grundbedingung effizienten Wettbewerbs: Vertragsfreiheit → Spezialisierung → höhere Produktivität Wettbewerbspolitik schränkt die Vertragsfreiheit und damit den Handlungsspielraum der Unternehmen ein. Im Sinne effizienten Wettbewerbs ist dies gut, um 4 Marktversagen, z.B. durch Monopole oder Kartelle zu verhindern. Wir werden versuchen, Kriterien zu entwickeln, wann die Vertragsfreiheit durch Wettbewerbspolitik einzuschränken ist. Diese Kriterien richten sich an diesen normativen Zielen (allokative, technische, dynamische Effizienz) der Wirtschaftspolitik aus. A. Normative Ziele 1. allokative Effizienz (AE) → pareto-optimale Allokation Monopolistische Strukturen verletzen wegen überhöhter Preise die Bedingung effizienten Ressourceneinsatzes beim Übergang von der Produzenten- auf die Konsumentenseite. _ Staatliches Eingreifen erforderlich. Die drei Bedingungen allokativer Effizienz: a) Haushaltsseite: Optimierungsprozeß bei beschränktem Budget 5 → Nutzenmaximierung → Ausgleich der Grenznutzen: GdS = GdS b) Produktionsseite: Optimierungsprozeß bei beschränktem Budget → effiziente Kombination der Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit c) Zwischen der Produzenten- und der Konsumentenseite: Preise = Opportunitätskosten der Produktion1 PM > PW → Pareto-Ineffizienz Nur der Wettbewerbspreis PW ist pareto-effizient. Die Effizienzkosten einer solchen Politik kann man teilweise messen (AE, TE). Die dabei ermittelten Wohlfahrtsverluste sind ein wichtiges Kriterium für die Vergleiche alternativer Industriestrukturen: Wohlfahrtsverluste entstehen durch allokative Ineffizienz. 1 Daneben tauchten hier folgende Bedingungen auf: Preis = Grenzkosten Faktoreinsatz = Opportunitätskosten → Grenzrate der Substitution GdS Faktorpreise = Löhne bzw. Zinsen. 6 (d. h. einige Kunden müssten auf schlechtere Substitute ausweichen, die teurer produziert werden, d. h. mehr Ressourcen verbrauchen als die erst beste AE-Lösung). Wohlfahrtsverluste: Unter Wohlfahrts- oder Allokationsverlust, gelegentlich wird auch die engl. Bezeichnung dead-weight loss verwandt, versteht man den durch eine Marktstörung (z.B. Monopol) im Vergleich zur Situation vollkommener Konkurrenz verursachten Verlust an Rente (Konsumentenrente, Produzentenrente). Die Ursache für den Verlust an Wohlfahrt ist jeweils, dass die gehandelte (=produzierte) Menge von der pareto-optimalen Menge abweicht, die sich auf einem vollkommenen Konkurrenzmarkt im Gleichgewicht einstellt. Das grüne Dreieck stellt den Effizienzverlust durch das Monopol dar. p GK 7 KR C pM W pW PR GE N xM xW x Umverteilungsaspekte einer solchen Politik sind schwieriger zu bewerten, z. B. der Transfer des Monopolgewinns vom Kunden zum Produzenten. 2 technische Effizienz (TE) → Kostenminimierung bei gegebener Technologie im Sinne einer optimalen, d.h. der produktivsten Kombination der Produktionsfaktoren. Die allokative Effizienz auf Produzentenseite geht faktisch davon aus, daß technische Effizienz gegeben ist. Modellhaft: gegebene Technologie, wird abgebildet in der Produktionsfunktion. 8 Auf der technischen Seite gibt es Produktivitätsunterschiede. _ Die technische Effizienz beschreibt die produktivste Faktoreinsatzkombination bei gegebener Technologie. 3 dynamische Effizienz (DE) → Umsetzung des technischen Fortschritts, damit die produktiveren Faktoren eingesetzt werden. Beispiel: Erfindung → Patent Das Patent gibt mir die Möglichkeit, eine Monopolrente zu erwirtschaften → Rückzahlung der hohen F&E-Kosten → Anreiz, überhaupt F&E zu betreiben Ein Patent ist jedoch allokativ ineffizient: → Widerspruch allokative ↔ dynamische Effizienz B. Positive Modelle 9 Hier sind Gründe für staatliche Eingriffe in die Vertragsfreiheit beschrieben, die nicht auf den obigen normativen Zielen beruhen. Diese zusätzlichen Ziele verfolgt die Politik: 1. Fairneß (level playing field) → kein ruinöser Wettbewerb → keine Wucherzinsen bei Not 2. New Political Economy NPE 3. Public Choice 4. Aktive Unterstützung der internationalen Expansion einheimischer Unternehmen. 5. Konsumentenschutz (Verhinderung von Monopolen oder auch asymmetrischen Informationen) 6. Schutz und Unterstützung der infant industries 7. Anti-Dumping (→ Predation) 8. Förderung der KMU (SME) 9. Abbau von Handelshemmnissen und Marktzutrittsbarrieren 10 2) Regulierung in wettbewerblichen Ausnahmebereichen: 2.1 Struktur vs Verhaltenskontrolle Hier geht es um zusätzliche Einschränkungen der Vertragsfreiheit, z. B. eine Kontrolle der Marktstruktur - wie Produktionsverbot für Dritte (z. B. durch das legale Monopol öffentlicher Unternehmen). - Beschränkter Marktzutritt (durch Lizenzvergabe im Bereich Luftfahrt, Telekommunikation usw.) Daneben gibt es auch Verhaltensregulierung: - Preisregulierung (z. B. von Betrieben im Bereich der Elektrizitätswirtschaft, kommunale Bereiche usw.) - Kontrahierungszwang um Rosinenpicken zu verhindern (z. B. beim Taxi, bei der Gelben Post, im Energiebereich usw.). 11 - Qualitätsregulierung z. B. bei der Post, Telekom, Flugverkehr (Sicherheit) usw. Ziel solcher wettbewerblichen Rahmenbedingungen ist Marktversagen so weit wie möglich zu korrigieren und andererseits Vertragsfreiheit nicht übermäßig einzuschränken. 2.2 Nützliche Konzepte bei der Abwägung staatlicher Eingriffe: - Allokative Effizienz (AE) - Technische Effizienz (TE) - Dynamische Effizienz (DE) Zusätzliche politische Ziele: - Fairer Wettbewerb und faire Entlohnung der Produktionsfaktoren (z. B. durch Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb ,Verbot von Wucherzinsen bei Not) - Konsumentenschutz (Verhinderung von Monopolen oder asymmetrischen Informationen) 12 → Korrektur v Marktversagen (noch normativ) - Kontrolle der Einkommensverteilung (z. B. durch Mindestlöhne und dgl.) - Industriepolitische Überlegungen z. B. durch Unterstützung der einheimischen Wirtschaft bei der internationalen Expansion - Unterstützung neuer innovativer Branchen (INFANT-Industrie) - Sektorale und marktstrukturelle Überlegungen (Präferenz für SME/KMU) 3) Mögliche Staatseingriffe im Rahmen der Regulierungspolitik 3.1 Strukturelle Eingriffe - Abbau der Marktzutrittsbarrieren (institutionelle, technische und strategische Barrieren) - Marktstrukturkontrolle durch Fusionskontrolle bzw. Entflechtung oder Lizensierung 13 Strukturelle Kontrolle: → nur punktuelle Eingriffe z. B. Abbau von Marktzutrittsbarrieren (MZB) → institutionelle MZB´s: staatliche Lizenzen, Auflagen etc. → strategische MZB´s: Markennamen, Excess Capacity, Reputationen → technische MZB´s: z.B. Telefonnetz, MES, Vertriebsnetz etc. oder Fusionskontrolle → antizipatorisch, d.h. ex ante oder Entflechtung von Monopolen → z.B. AT&T, Gesellschaft für Ferngespräche und Orts- bzw. Regionalgespräche (R BOCs wie Nynex) 14 3.2 Verhaltenskontrolle Dies impliziert eine ständige Überwachung gegenüber punktuellen Eingriffen bei 3.1: - Mißbrauchsaufsicht bei Unternehmen mit Marktmacht (in der Regel bei „nichtregulierten“ Branchen, wo die normalen GWB-Regeln gelten) _Mißbrauchsaufsicht (§ 25 GWB, Art 85 EGV) - Regulierung von Marktzugang und Preis- und Qualitätskontrolle in wettbewerblichen Ausnahmebereichen (Telekom, Gas, Elektrizität, Verkehr usw.) → Kartellaufsicht → Regulierung des Marktzugangs durch Regulierungsbehörde Das Structure-Conduct-Performance-Paradigma Hintergrund für die Unterscheidung in Struktur- und Verhaltenskontrolle. 15 Basis: Ein Zusammenhang zwischen Structure: Struktur Conduct: Verhalten Performance: Leistung Effizienzmaße sind wichtige Kriterien beim Abwägen unterschiedlicher Rahmenbedingungen. 3.3 Grenzen für den Geltungsbereich regulativer Maßnahmen: -Sowohl auf nationaler, teilweise auch auf regionaler Ebene und -auf europäischer Ebene WILLIAMSON: Trade-Off zwischen Marktmacht und Effizienzgewinn Modell von Oliver WILLIAMSON: 2 kleine Unternehmen, es herrscht Wettbewerb. Nun wollen diese Unternehmen fusionieren, um danach 16 ein Monopol zu bilden. → abnehmende Grenzkosten (von 1 auf 0,92) → Was passiert? $ Demand Grenzerlöskurve 1,08 B C A D 1,00 GK vor Fusion 0,92 GK nach Fusion F E Q 90 100 115 Monopol: Grenzkosten = Grenzerlös → Angebotsmenge Abtragen auf der NF-Kurve → Angebotspreis Ergebnis: Wir sparen volkswirtschaftliche Ressourcen → Effizienzgewinn Der Preis ist zu hoch 17 → Marktmacht Die Effizienzverluste auf Grund eines Monopols kann man teilweise messen (AE, TE). Die dabei ermittelten Wohlfahrtsverluste sind ein wichtiges Kriterium für die Bewertung staatlicher Eingriffe. Wohlfahrtsverluste entstehen durch allokative Ineffizienz, (d. h. einige Kunden müßten auf schlechtere Substitute ausweichen, die teurer produziert werden, d. h. mehr Ressourcen verbrauchen als die erst beste AE-Lösung bei P=GK). Umverteilungsaspekte einer solchen Politik sind schwieriger zu bewerten, z. B. der Transfer des Monopolgewinns vom Kunden zum Produzenten. 18 Fusionseffekte a) Umverteilung Konsumenten→ Monopoluntern. B b) Faktoreinsparung, kein Verlust, Faktoren stehen der Volkswirtschaft zur Verfügung D+E c) Wohlfahrtsverlust (dead weight loss) → allokative Ineffizienz C d) Effizienzgewinn (efficiency gain), volkswirtschaftlicher Gewinn A • Es ist nun zu vergleichen: Ressourceneinsparung A ↔ Ressourcenverlust C durch schlechtere Substitutprodukte2 bzw. technische Effizienz ↔ allokative Effizienz →Wenn also bei Fusionen die Ressourcenersparnis A größer ist als der Wohlfahrtsverlust C, dann ist die Fusion o.k., aber allokativ ineffizient. Einige Kunden müssen auf schlechtere Substitute ausweichen, die „teuer“ produziert werden, d.h. bei deren Produktion mehr Ressourcen verbraucht werden. 2 19 • Wäre allokative Effizienz administrativ herstellbar? → Preis =! Grenzkosten = 0,92 → Output ↑ auf 115 → Konumentenrente↑ → Faktoren werden aus weniger produktiven Bereichen abgezogen → allokative Effizienz → technische Effizienz Argumente gegen eine Fusion a) Die technische Effizienz kann im Monopol zurückgehen. b) Wenn die Preiselastizität der Nachfrage höher ist, d.h. die Nachfragekurve flacher verläuft, dann könnte der Wohlfahrtsverlust kleiner sein et vice versa.3 → großer relevanter Markt → geringe Preiselastizität der Nachfrage ηp, x → kleiner relevanter Markt → hohe Preiselastizität der Nachfrage ηp, x 3 Niedrige Preiselastizität → steile Nachfragekurve Hohe Preiselastizität → flache Nachfragekurve Eine hohe Preiselastizität bedeutet: Es gibt viele Substitutsgüter. 20 c) Die Effizienzgewinne, die man sich von einer Fusion erhofft, werden häufig überschätzt. d) Monopolgewinne können zur Ressourcenvergeudung beim „Wettbewerb um Monopole“ führen (TULLOCK), z.B. Ressourcenverlust durch Bestechungsgelder beim Kampf um Bananen-Import-Lizenzen. 4) Kriterien für staatliche Regulierung: 4.1 Definition von Marktmacht Möglichkeit die Preise zu beeinflussen, ohne daß die Nachfrage signifikant zurückgeht (P > GK). Verschiedene Maße der Marktmacht, z. B. nach Lerner P - GK/P. Marktmacht ist abhängig: - von der Preiselastizität der Nachfrage (vorhandene Substitute) und - von der Preiselastizität des Angebots (potentielle Wettbewerber aus verwandten Bereichen, und der Höhe der Marktzutrittsbarrieren). 21 Woran erkennt man ein Monopol? → Maßzahlen: Kapitalrentabilität oder price-cost-margin (LERNER-Index)= p −pGK = p −pmc Hinweis: Man kann unter gewissen Bedingungen zeigen, daß gilt: p − GK 1 =− p η p ,x P – GK/P = -1/e e oder ηp, x = Preiselastizität der Nachfrage d.h. die Marktmacht ist auch abhängig von4 - der Preiselastizität der Nachfrage ηp, x - der Preiselastizität des Angebots εp, x → Je geringer der LERNER-Index, desto höher ist ηp, x. → je größer dieser LERNER-Index ist, je niedriger die Preiselastizität und desto höher die Marktmacht Numerisches Beispiel: -ηp, x -2 , d.h. P = 2 x GK und der L-Index beträgt 0,5 -ηp, x -1oo , so daß der L-Index 0,01 beträgt -ηp, x = - 0,5 so daß der L-Index 20. beträgt 4 Der LERNER-Index spiegelt auch diese Preiselastizitäten wider. 22 Aber der Lerner Index geht nicht eindeutig auf die Wohlfahrtsverluste ein, z.B. bei unterschiedlichem ηp, x . _ Eine Alternative zum Messen von Marktmacht ist der Marktanteil eines Unternehmens. 4.2 Bestreitbare Märkte Marktmacht → structure: Marktmacht → conduct Führt ein Monopol quasi automatisch zu monopolistischem Verhalten? Marktzutrittsbarrieren machen den Unterschied! a) hohe Marktzutrittsbarrieren → monopolistisches Verhalten b) geringe Marktzutrittsbarrieren → kein monopolistisches Verhalten → Bestreitbarer Markt 23 4. 3 Natürliche und unnatürliche Monopole • natürliche Monopole: sinkende Durchschnittskosten im relevanten Bereich, das heißt zwei Unternehmen sind in der Herstellung teurer als ein Unternehmen im relevanten Bereich: der Bereich links des Schnittpunktes der Durchschnittskosten mit der Nachfragekurve. → Marktversagen in dem Sinne, daß der Markt zwar existiert (es existiert Angebot und Nachfrage), aber er funktioniert nicht , d.h. → teilweises Marktversagen → Produktion ist allokativ ineffizient. Preisbildung im Monopol P 10 Erlöskurve η=∞ elastischer Nachfragebereich η=1 unelastischer Nachfragebereich Nachfragekurve η=0 Grenzerlöskurve 10 q 24 Zur Preiselastizität bei diesem Beispiel: dq dq p q ηp= = ⋅ dp dp q p p von 8 auf 6 (- 25%) → q von 2 auf 4 (+ 100%) → hohe Preiselastizität im oberen Bereich p von 4 auf 2 (- 50%) → q von 6 auf 8 ( + 33%) → geringe Preiselastizität im unteren Bereich Über die Preiselastizität optimiert der Monopolist seinen Umsatz und damit seinen Gewinn π.5 4.4 Kennzahlen für Marktstrukturen (market structure): → Konzentrationsrate: j Ci, j = ∑ MA i i =1 _ MA: Marktanteil misst die Marktmacht der ersten / größten Unternehmen. 2 MA → HERFENDAHL-Index:HI = ∑ Anzahl Unternehmen .10 000 i 5 Ertrag = Gewinn; Erlös = Umsatz [ohne Gewähr…] 25 Beispiel: 3 Firmen mit MS v50, bzw. 30% und 20 % HH= 3800 (2500 +900+ 400)/3 4.5 Politische vs normative Gründe für Staatseingriffe Normative Gründe: Ökonomische begründete Norm, d. h. eine Bewertung ist möglich (gut bzw. schlecht). Maßstab ist hier die allokative und technische Effizienz. P = GK = gut P ≠ GK = schlecht, d.h. allokatives Marktversagen,z.B. - beim natürlichen Monopol - bei öffentlichen Gütern - bei Externalitäten - bei fehlenden Eigentumsrechten - bei asymmetrischer Information (Hintergrundmaterial in Lit. Liste) 26 Positive Gründe der Regulierung: Positiv, d. h. eine positive Erklärung für das Regulierungsverhalten, eher beschreibend. Dahinter stehen positiv-ökonomische Modelle, die das Verhalten der Regulierungsbehörden, bzw. der Politik der Unternehmen bzw. der beteiligten Interessengruppen erklären. Erklärungsaspekte sind: - Koordinationskosten von Gruppen (Personen, Unternehmen), die sich durch politische Eingriffe Vorteile verschaffen möchten. - Rolle der Politiker und Parteien bei der Umverteilung, die sich daraus einen politischen Vorteil erhoffen (politischer Markt). 5) Schwerpunkte der Regulierung: - Energie (z. B. Elektrizität, Gas, nicht jedoch Öl und Kohle) 27 - Verkehr (Luftverkehr, Bahn, ÖPNV, Taxis) - Kommunikation (Telekommunikation, Rundfunk) Andere Versorgungsmärkte (Wasser, Abwasser, Müllabfuhr) - - Post- und Paketdienste (Schwerpunkte im Kurs teilweise durch wirtschaftliche Bedeutung, politische Aktualität, aber auch spezielles Interesse) Ein Überblick über diese Branchen zeigt, daß für staatliche Eingriffe nicht immer nur Gründe des Marktversagens eine Rolle spielen. Daneben gibt es auch Aspekte der Verteilung, des Schutzes gewisser Gruppen bzw. kulturelle und andere politische Aspekte, welche umfangreiche Regulierung erklären. (Hintergrundfolien von Kiesling und Kruse) 28 6) Marktversagen bei natürlichem Monopol (wird teilweise von Borchers behandelt) 6.1) Preissetzung beim Monopol bzw. beim Vorhandensein von Marktmacht Numerisches Beispiel: wird verteilt Preisfestsetzung in einem natürlichen Monopol: p, K Monopolgewinn ohne Regulierung pM Wohlfahrtsgewinn durch Regulierung 1 2 Monopolverlust durch Regulierung pR3 pR2 pR1 3 DK GE N GK q A E B 29 Situation ohne Regulierung: Menge A, Preis pM → Monopolgewinn Rechteck 1. = das ist allokativ ineffizient. Allokativ effizient wäre es, wenn gilt: p = GK auf der Angebotsseite und p = Grenznutzen auf der Nachfrageseite → Im Monopol ist der Preis zu hoch und die Menge zu gering. → allokative Effizienz wird nicht erreicht → Kunden werden ausgeschlossen, obwohl sie bereit wären, die Opportunitätskosten zu bezahlen → technische Effizienz (Annahme von Kostenminimierung): keine eindeutige Aussage möglich. (Governance Frage der Unternehmensführung) Situation nach Regulierung: 1. Fall: p = GK → Menge B. Preis pR1 → Monopolverlust in Höhe der Fläche 3 30 2. Fall: p wird aus dem Schnittpunkt DK x N bestimmt → Menge E, Preis pR3 → Wohlfahrtsgewinn in Höhe des Dreiecks 2 → Umverteilung der Produzentenrente 1zur Konsumentenrente Der maximale Gewinn des Monopolisten kann durch eine Analyse der Preiselastizität erfolgen. Um den Gewinn zu maximieren setzt der Monopolist Menge bei GE = GK Dann ist die Preiselastizität = !1! Unterscheiden zwischen Gewinnmaximierung und Preismaximierung. Allokative Effizienz impliziert P = GK Aber: Monopolist erhöht den Preis und reduziert die Menge. P = GK als Ziel der AE Aber hier P ≠ GK 6.2 Bewertung staatlicher Eingriffe 31 Wie hoch sind die volkswirtschaftlichen Verluste bei monopolistischem Verhalten? Beispiele: Die Effizienzverluste auf Grund eines Monopols kann man teilweise messen (AE, TE). Die dabei ermittelten Wohlfahrtsverluste sind ein wichtiges Kriterium für die Bewertung staatlicher Eingriffe. Numerisches Beispiel Praktische Beispiele? 6.3 Möglichkeiten staatlicher Eingriffe - Preisregulierung (Verhaltenskontrolle) - Verstaatlichung als extreme Form - Entflechtung (Strukturkontrolle) 6.4 AE: Preissetzung im natürlichen Monopol 32 Möglichkeit 1: Preisregulierung 1. Möglichkeit: P = GK → Monopolverlust da GK < DK → Wohlfahrtsgewinn da GK= P Bei fallenden Grenzkosten entsteht bei P = GK ein Defizit. Wie kann man dies decken? a) Subventionierung durch den Staat. Das ist allerdings nur dann effizient, wenn diese durch eine unverzerrende Kopfsteuer finanziert würde. (FirstBest-Lösung). Beispiel: Regionale Subventionierung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) durch das BMV b) Durch Preisdiskriminierung (Second-Best-Lösung) aa) Denjenigen mit einer niedrigen Preiselastizität ist viel zu nehmen. bb) Denjenigen mit einer hohen Preiselastizität ist wenig zu nehmen. 33 Beispiel: Wie wirkt sich eine Preiserhöhung aus? zu aa): geringe Preiselastizität Man sieht: große Mengenreaktion → Preisdiskriminierung: p neuer Preis alter Preis Nachfrage neue alter q Menge Menge Man sieht: geringe Mengenreaktion zu bb): hohe Preiselastizität p neuer Preis alter Preis A Nachfrage neue Menge alte q Menge Man nehme bei aa) eine starke Preiserhöhung vor und finanziere damit die geringere Preiserhöhung 34 bei bb). → allokative Effizienz nur für einige Kunden erreicht, aber Wohlfahrtverluste werden dabei insgesamt minimiert. (Nebenbedingung ist Kostendeckung) _ d.h. Preisdiskriminierung = Quersubventionierung zwischen Kundengruppen (Es gibt jedoch unterschiedliche Arten der Preisdiskriminierung: ersten, zweiten und dritten Grades) Bei perfekter Preisdiskriminierung (1.Grades) herrscht keine allokative Ineffizienz, aber enorme Umverteilung). siehe LSE Unterlage zur Preisdiskriminierung Vorschlag von Ramsey: Abweichungen von der allokativen Effizienz durch die Vorgabe der Kostendeckung, d.h. minimalste Umverteilung. 35 Ramsey: P = GK + Aufschlag (der die Mengenabweichung von der erst besten Lösung reduziert und dem Unternehmen nur Gewinn läßt). _ Unelastische Nachfrager müssen hier einen höheren Preis bezahlen. 2. Möglichkeit: Preis ergibt sich aus dem Schnittpunkt von DK * N d.h. der regulierte Preis entspricht den Durchschnittskosten. Das ist eine 3. beste Möglichkeit, aber auch allokativ nicht effizient. Ist die Regulierung eines natürlichen Monopols immer notwendig? Nein, auf bestreitbaren Märkten (contestable markets) ist eine Regulierung nicht zwingend erforderlich! Bestreitbarer Markt: 36 → Markt, wo prinzipiell Wettbewerb möglich ist → Markt mit geringem Markteintrittsrisiko Markteintrittsrisiko: geringe versunkene Kosten (sunk costs). Versunkene Kosten= ME-Kosten - MA-Kosten + MAErlöse hohe sunk costs geringe sunk costs Natürliches Monopol Regulierung Wettbewerb Unnatürliches Wettbewerb Wettbewerb Monopol unnatürliches Monopol: → fallende GK-Kurve → aber Platz für mehrere Anbieter, da Nachfrage vorhanden Übergang vom natürlichen zum unnatürlichen Monopol: 37 p K DK1 DK2 q GE1 N1 GE2 N2 Möglichkeit 2: Substitute Güter schaffen → Dadurch kann die Monopolmacht nicht ausgeübt werden. Instrument: Reduzierung der Marktzutrittsbarrieren 38 → Wettbewerber betreten den Markt (der Markt wird bestreitbar) → Substitute gelangen in den Markt Möglichkeit 3: Wettbewerb um das Monopol → z.B. über eine Ausschreibung oder eine Versteigerung um eine 5-Jahres-Lizenz zur Nutzung der „Natürlichen-Monopol“-Ressourcen. (Beispiel Mobilfunk) → Wettbewerb um den Markt, da Wettbewerb im Markt nicht möglich ist. → erzielter Preis: reflektiert auch diskontierten Monopolgewinn für 5 Jahre: Je höher der erzielte Preis ist, desto höher ist der potentielle Monopolgewinn und damit die Abschöpfung durch den Staat. (Aber Problem des winners curse) → Dem Staat kommt nun die Umverteilung zu, die bei Preisdiskriminierung dem Konsumenten zugekommen wäre. → weiterhin: allokative Ineffizienz 39 Problem: Was ist nach Ablauf der Lizenzperiode? Beispiele: - Kabelfernsehnetze - Busverkehr - Telefonfrequenzen Möglichkeit 4: Verstaatlichung Vorteil: Bei einer Verstaatlichung werden die Informationen in eine Hand gegeben, denn die staatliche Regulierung (wie unter Möglichkeit 1) eines Privaten natürlichen Monopols leidet unter asymmetrischen Informationen. Nachteile: - Wasserkopf - Verfolgung anderer (sozialer) Ziele - industriepolitische Fehlentwicklungen (ICE vs SNCF) 40 - Postenschacher (z.B. ist der Manager gleichzeitig Kanzler-Berater, Influence cost ua) Möglichkeit 5: Reduzierung des Monopols auf seinen Kern → Randbereiche öffnen (z.B. Paketpost, Telefonendgeräte) → Regelung des Marktzugangs zum Monopol (Regulierungsbehörde) Beispiele für natürliche Monopole: - Eisenbahn Elektrizität, Gas, Wasser Gas-Pipeline Telekommunikation 6.5 Bestreitbare Märkte ( siehe 4. 2 oben) 41 Muß der Staat bei dem Vorliegen von natürlichen Monopolen immer eingreifen? Gegenargument: bestreitbare Märkte Bestreitbarkeit ist abhängig von der Kostenstruktur der Unternehmen (Kostendegression einerseits, Umfang der versunkenen Kosten andererseits). Definition „Versunkene Kosten“: Differenz zwischen Markteintrittskosten und Marktaustrittserlös, bzw. Differenz zur nächstbesten alternativen Investitionsnutzung (vgl. hierzu auch Kapitel 2.2.1.4 Knieps, Horn, Müller, S. 80). Beispiele bestreitbarer Märkte: - eine Flugverkehrsstrecke zwischen zwei Stadtpaaren - Buslinie Gegenbeispiel: Märkte mit hohen versunkenen Kosten - Kläranlagen 42 - lokale Stromverteilung 6.6) Wettbewerb um das Monopol Man kann auch durch Wettbewerb um das Monopol die Monopolgewinne abschöpfen, z. B. durch Versteigerung von Lizenzen, teilweise vorgesehen im Post- und Telekombereich für nichtprofitable Universaldienste. Vorteil: Keine Information über Kosten notwendig, „selfrevealing process“. Probleme: - Unsicherheit beim Übergabe langlebiger Investitionen an den nächsten Gewinner der Ausschreibung 43 - Bindungen von Seiten der Regulierungsbehörde (in der Regel wird die Lizenzvergabe mit einer späteren Verhaltenskontrolle kombiniert). 7) Probleme bei der Umsetzung der Regulierung 7.1 Informationsprobleme Der Regulator kennt Kostenfunktion des Unternehmens und die Nachfragefunktion der Kunden nicht. Werden mehrere Unternehmen reguliert, so kann man Benchmarking-Kostenstandards erhalten, d. h. es müssen jedoch vergleichbare Unternehmensdaten vorhanden sein. Die Alternative wäre das Offenlegen der Unternehmensdaten und eine transparente Kostenrechnung. 44 Teilweise vorgesehen bei der Regulierungsbehörde RPT, aber große Probleme bei der Zurechnung der Fixkosten beim Mehrproduktunternehmen. Selbst die Verstaatlichung solcher Unternehmen löst das Informationsproblem nicht. Alternativen? 7.2 Anreizprobleme Hintergrund ist die Rentabilitätsregulierung (M/V, Kapitel 4.2) Darstellung der Rentabilitätsregulierung: Die Preisniveauregulierung läßt sich einfach schematisieren. Der zulässige Gesamterlös (R) folgt der Formel (Phillips, 1965, S. 131): R = O + (V – D)s, wobei O = Betriebskosten (operating costs) V = gesamtes Bruttovermögen (gross value) D = Wertberichtigungen (acrued depreciation) 45 s = zulässige Kapitalverzinsung (allowed rate of return). Dabei enthalten die Betriebskosten alle laufenden Aufwendungen der Produktion einschließlich laufender Abschreibungen sowie Kosten, aber auch Gewinnsteuern. Der Ausdruck (V – D) ist die Berechnungsbasis (rate base) für die zulässige Kapitalverzinsung. In sie gehen alle Posten ein, die die Regulierungskommission als aktivierungsfähig ansehen. Im Prinzip handelt es sich also um die linke Seite der Unternehmensbilanz unter Berücksichtigung von Wertberichtigungen. Die Aufteilung in Betriebskosten und Berechnungsbasis ist steuerbar, und zwar einerseits über Finanzierungspraktiken wie Leasing oder Factoring durch die regulierten Unternehmen, andererseits durch die Regulierungsbehörde über Regeln, die Kostenansätze und -zurechnungen festlegen. 46 Von der Definition der Berechnungsbasis werden Preise und Gewinnmöglichkeiten entscheidend beeinflußt. Die hier vorgesehene Gewinnregulierung erfolgt im Grunde über eine Preisregulierung (um das eingesetzte Kapitel marktgerecht zu verzinsen). Dadurch entsteht ein wichtiges Anreizproblem. Nach Averch und Johnson ist das Ziel des Unternehmens nicht mehr die allokative Effizienz, sondern eine Überkapitalisierung (weil dadurch der Gesamtgewinn steigt, „Gold-Plating“). → das Unternehmen hat den Anreiz, zu überkapitalisieren Normale Kapitalisierung: Wertgrenzprodukt des Kapitals = Kapitalverzinsung hier: zulässige Kapitalverzinsung s > r 47 Überkapitalisierung: Grenzproduktivität des Kapitals sinkt. → rate base↑ → Gewinn↑ → Wertgrenzprodukt < s (suboptimal) → Grenzerlös > 0 (optimal für Unternehmen) → Anreizproblematik → Average-Johnson-Effect K q GK DK Vergleiche zu dem Thema Überkapitalisierung auch CARLTON + PERLOFF, Abb. 21.5. S.880) - technische Effizienz ist dann nicht mehr das Ziel des Unternehmens, 48 sondern Überkapitalisierung (Gold plating)6 In einer solchen Situation des Anreizes zur Überkapitalisierung ist eine besondere Regulierungsmaßnahme erforderlich: Preisdeckelung (price cap) price cap = [pt-1 - Produktivitätsfortschritt] * Inflationsbereinigung: z.B. 4% Produktivitätsfortschritt, 2% Inflation → Preis muß um 2% sinken Probleme bei der Preisdeckelung: a) regulatory lag: zwischen Antrag und Genehmigung vergeht Zeit (1-2 Jahre), d.h. während dieser Zeit ist der Anreiz zur Kapitalverzerrung nicht so groß. 6 Zuständig für EVU´s (Elektrische Versorgungsunternehmen): die Fach- und Preisaufsicht auf Landesebene. 49 b) werden andere Unternehmenskosten nicht höher sein, z.B. die Arbeitskosten? d.h.: besteht ein Anreiz, nicht kostenminimal zu produzieren? → Nein, weil: 1. die Kosten ohnehin ersetzt werden, und weil 2. mit Zunahme der Kosten der Gewinn geschmälert wird, wodurch sich wiederum der zu erwartende Regulierungsdruck reduziert. Beurteilung des price cap: Vorteil: Price Cap schafft die richtigen Anreize für technische Effizienz. → Anreiz zur Kostenminimierung → kein Anreiz zur Überkapitalisierung Nachteile: a) Gefahr des strategischen Verhaltens: Ziel der Unternehmen: „Nicht ins eigene Fleisch schneiden, sondern dem Wettbewerb schaden!“ 50 Beispiel: ermittelte Preissenkung bei BT: 5% ! Grundgebühr → Monopol → p = const. Ortsgespräche → Monopol → p = const. Ferngespräche → Wettbewerb → p↓ um 45% Warenkorb insgesamt → p↓ um 5% b) Brechen von Verträgen (lack of committment) → Wenn der Gewinn zu hoch wird, wächst der politische Druck auf die Regulatoren, die zulässige Kapitalverzinsung „s“ anzupassen. Fazit zum Price Cap: natürliches Monopol: → Regulierungsbedarf → Rentabilitätsregulierung (Gewinnregulierung) → asymmetrische Informationen / Anreizprobleme 51 → price cap erforderlich → Produktivitätsprognose erforderlich → regelmäßige Kostenanalyse erforderlich → nach wie vor sind Informationen über die Kosten- und Nachfragesituation erforderlich Fazit zur Regulierung Marktversagen → allokative Ineffizienz → Regulierung erforderlich („staatlicher Eingriff“) → Regulierung kostet Ressourcen Kosten-Nutzen-Analyse der Regulierung erforderlich: direkte Kosten: - Behörde, Personal - Subventionierung, wenn p < DK indirekte Kosten: - Wettbewerber nutzen die Regulierungsinstitutionen zu ihren Gunsten aus. 52 z.B. führte MCI so viele Prozesse gegen AT&T, daß MCI als „Rechtsanwalts-Kanzlei mit Nebenstelle“ bezeichnet wurde. - Politiker nutzen die Regulierungsinstitutionen zu ihren Gunsten aus. z.B. schützt die Regierung die gewerkschaftlich organisierten Mitglieder der Dt. Telekom, indem sie die Telekom selbst schützt, dasselbe gilt für die Dt. Post. → regierungsunabhängige Regulierungsbehörde und Regulatoren erforderlich. Nutzen: - Wohlfahrtsumverteilung für alle Kunden durch p↓ - Wohlfahrtszunahme für neue Kunden (Nettokonsumentenrente↑) durch p↓ → Marktversagen ist dann nicht zu regulieren, wenn die Kosten-Nutzen-Analyse keinen NettoNutzen ergibt. 53 Alternative: Preisdeckelung (price cap) auf der Basis vergangener Preise. Preisanpassungen werden genehmigt unter Berücksichtigung der Inflation und der erwarteten Produktivitätsgewinne P1 = P0 (RPI – X). Wichtig ist hier die Wahl des richtigen Warenkorbs bei Mehrproduktunternehmen und ein Hinweis auf die technische Effizienz. (Nach der Liberalisierung sieht man jedoch oft Produktivitätsreserven.) Weitere Möglichkeit der Umgehung des Anreizproblems: "Regulatory lag" da zwischen Antrag und Genehmigung eine gewisse Zeit vergeht, ist der Anreiz zum übermäßigen Kapitaleinsatz nicht zu hoch. Grund: Das Unternehmen kann höhere Kapitalkosten nicht geltend machen und versucht deswegen, sich allokativ effizient zu verhalten. 54 Deswegen werden auch von Regulierungsbehörden intensive Kostenmodelle erarbeitet (BT/OFTEL, Deutsche Telekom, WIK, RAPT). Aber das deckt nun nicht die Nachfrageseite ab (Elastizitäten). 7.3 Gefahr des strategischen Verhaltens Obwohl Preisdeckelung das Anreizproblem in der Theorie löst, zeigt die Praxis, daß man eine Mischung zwischen Preisdeckelung und Rentabilitätsregulierung durchführt (bestes Beispiel ist Telekommunikationsregulierung in Großbritannien, aber auch bei uns bei den EVU’s usw.). Außerdem gibt es ein Problem bei ungenügenden Festlegung („LACK of Committment“ , d.h. fehlende Festlegung oder Bindung der Regulierungsbehörde). 55 Wenn der Gewinn bei Preisdeckelung zu hoch wird, steigt der politische Druck auf die Deregulierungsbehörde, die eine schärfere Preisregulierung durchzuführen sollen. Bei unvorhergesehenen Kostensteigerungen würde das Unternehmen ebenfalls Druck auf die Regulierungsbehörde ausüben, um den Konkurs zu verhindern. 8) Indirekte Kosten einer Regulierung Die Korrektur von Marktversagen ist nicht kostenlos. Die Effizienzvorteile sollten durch zusätzliche administrative Kosten und Lobbyaktivitäten nicht völlig aufgefressen werden. 8.1) Administrative Kosten - Administrative Kosten der Behörde - Administrative Kosten in den Unternehmen 56 - Verzerrung im Faktoreinsatz aufgrund von Anreizproblemen - zusätzliche Kosten für Lobbyaktivitäten dies führt zu 8.2 8. 2) Zur politischen Ökonomie der Regulierung - Deregulierung findet oft nicht statt, weil die Minderheit der potentiellen Verlierer besser organisiert ist, wie die Mehrzahl der potentiellen Gewinner (Kosten der politischen Organisation). Diese Art der Umverteilung symbolisiert auch die indirekten Kosten der Regulierung. - Wettbewerber nutzen die Regulierungs- institutionen zu ihren Gunsten. Deswegen das Ziel, eine unabhängige Regulierungsbehörde zu schaffen, evtl. auch Wettbewerb zwischen Institutionen schaffen (Regulierungsbehörde einerseits, Bundeskartellamt andererseits). 57 Interessenkonflikte bei Privatisierung im Fall der Deutschen Telekom durch das Interesse des Finanzministers einerseits und der Regulierungsbehörde andererseits. 9) Universaldienst und seine Umsetzung Universaldienst impliziert: - Kontrahierungszwang bei national einheitlichen Tarifen. - Quersubventionierung von rentablen auf defizitäre Dienste oder Produkte Braucht man hier immer eine Marktzutrittsbeschränkung? Es gibt einen Zielkonflikt zwischen Universaldienst einerseits und den Vorteilen erhöhter allokativer und technischer Effizienz durch Wettbewerb. Man braucht hier, wenn man zwei wirtschaftspolitische Ziele hat, auch zwei Instrumente. 58 Option: Unterstützung strukturell schwacher Gebiete einerseits, und andererseits in den ganzen Breiten Wettbewerb. Bedeutet aber Abkehr von der Tarifeinheit im Raum. Gegebenenfalls müssen regionale Versorgungsziele (Daseinsfürsorge) durch andere Instrumente sichergestellt werden. (Hintergrund Universaldienst Post, WiK, Elsenblast ) 10) Gründe für die zunehmende Liberalisierung und Privatisierung in wettbewerblichen Ausnahmebereichen - Produktivitätsvorteil öffentlicher und privater Unternehmen? - Hohe Kosten staatlicher Eingriffe? 59 - Hoher Schutz der betroffenen Produktionsfaktoren? - Technischer Fortschritt (natürliches Monopol geht zurück, Produktvielfalt steigt wie z. B. im Bereich der Telekommunikation). _Alternative Technologien machen Monopolmärkte bestreitbar. Fazit: Wettbewerbliche Ausnahmebereiche müssen immer überprüft werden, nicht nur in der Form ihrer Angebote, sondern auch ob Marktzutrittsbarrieren und die bestehende Regulierung auch zeitgemäß sind. 10.1) Erfahrungen mit Liberalisierung und Deregulierung in einzelnen Branchen. a) Grundsätzlich ist der Übergang von einem regulierten Monopol zu einer wettbewerbsfähigen Marktstruktur ein langer Weg. Deswegen auch 60 während der Liberalisierungsphase ein verstärkter Trend zur b) Re-Regulierung, d. h. eine Reihe von Parametern, die in regulierten Monopolunternehmen intern festgelegt wurden, müssen nun extern für alle festgelegt werden (Sicherheit, Standards usw.). Darüber hinaus muß die Möglichkeit des dominanten Anbieters, Wettbewerber zu behindern, beschränkt werden. (Z. B. Regulierung des Netzzugangs und der übrigen Engpässe, Festlegung von Durchleitungsgebühren, Zugang zu Informationen usw.) Darüber hinaus muß das Monopolunternehmen weiter reguliert werden, bis der Wettbewerb stark genug ist (Retabilitätsregulierung in vielen Teilbereichen). c) Umstrukturierung folgt der Liberalisierung 61 Die Marktstruktur in liberalisierten Bereichen wird sich ändern. Erstens kann durch Marktzutritt der Marktanteil des dominanten Anbieters zurückgedrängt werden. Zweitens wird die Anpassung der Unternehmen an die neuen Wettbewerbsbedingungen zu einer vertikalen und horizontalen Umstrukturierung führen. _ Aus horizontaler Sicht waren regulierte Unternehmen oft auf den regionalen oder nationalen Monopolmarkt beschränkt. Bei Deregulierung kann sich das Unternehmen geographisch neu positionieren. _ Das Gleiche gilt für die Neuorientiertung innerhalb der Wertschöpfungskette: Einige Dienste werden nun ausgelagert, andere kommen hinzu. Erst mittelfristig kommt man zu einer funktionsfähigen Wettbewerbsstruktur, in der die sektorspezifische Regulierung durch die allgemeine Wettbewerbsregulierung durch das GWB ersetzt wird.