20 - Virologie Wien

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20/13
”VIRUSEPIDEMIOLOGISCHE INFORMATION” NR._____
Für den Inhalt verantwortlich: Prof. Dr. Franz X. Heinz
Redaktion: Prof. Dr. H. Holzmann, Prof. Dr. Th. Popow-Kraupp
Department f. Virologie d. Med. Universität Wien
1095 Wien, Kinderspitalgasse 15
Tel. +43 1 40160-65500 Fax: +43 1 40160-965599
e-mail: [email protected]
homepage: www.virologie.meduniwien.ac.at
FSME Virus-Infektionen im Säuglingsalter
Eva Geringer und Heidemarie Holzmann
FSME-Infektionen verlaufen bei Kindern zum überwiegenden Teil milder als in
höheren Altersgruppen. In Österreich sehen wir, im Gegensatz zu benachbarten
Ländern, auf Grund der hohen Akzeptanz der FSME-Impfung signifikant weniger
FSME-Infektionen bei Kindern, so dass der Eindruck entsteht, die Morbidität in dieser
Altersgruppe
wäre
vernachlässigbar.
Ein
Blick
ins
benachbarte
Ausland
(Tschechische Republik, Slowenien), wo die FSME-Durchimpfungsraten wesentlich
niedriger sind als bei uns, zeigt jedoch, dass die FSME bei Kindern einen
substantiellen Anteil der gesamten Morbidität ausmacht. Einen Sonderfall stellt die
FSME bei Säuglingen dar, die ja noch nicht geimpft werden können (sind) und
üblicherweise auch ein sehr geringes Expositionsrisiko haben. Tatsächlich wurden in
diesem Alter nur selten FSME Virus-Infektionen beobachtet und es gibt nur wenige
publizierte Fälle. In Österreich waren es von 1990 bis heute insgesamt fünf FSMEFälle im Säuglingsalter, zwei davon noch in der Neugeborenen-Periode (3 und 4
Wochen alt). Das zeigt, dass es auch beim Säugling nach dem Stich einer FSME
Virus-infizierten Zecke zu einer klinisch apparenten Erkrankung mit durchaus sehr
schwerem Verlauf kommen kann. Ein Beispiel dafür aus Österreich war eine FSMEErkrankung eines erst 17 Tage alten Neugeborenen, die sehr schwere, bleibende
neurologische Schäden zur Folge hatte (Jones et al., The Pediatric Infectious
Disease Journal, 2007 Feb;26(2):185-186 und VEI 14/05).
Das Thema der möglichen FSME Virus-Infektion von Säuglingen soll durch die
folgenden Fallbeispiele illustriert werden:
Im Frühjahr des heurigen Jahres erhielten wir Serum und Liquor eines 4 Wochen
alten
Mädchens
mit
dem
klinischen
Bild
einer
Meningoenzephalitis.
Das
Neugeborene war mit seit 48 Stunden bestehendem Fieber und tonisch-klonischen
Krämpfen stationär aufgenommen worden. Ein Zeckenstich war von den Eltern zwar
nicht bemerkt worden, jedoch hatten sie einige Tage vor Fieberbeginn beobachtet,
„wie
eine
Zecke
am
Kind
krabbelte“
(bekanntlich
bleiben
etwa
50%
aller
Zeckenstiche unbemerkt!). Dies gab den Anlass, neben anderen virologischen und
bakteriologischen Untersuchungen auch auf eine mögliche FSME Virus Infektion zu
testen. Sehr zum Erstaunen der behandelnden Ärzte konnte diese Diagnose von uns
Mit Unterstützung der Firmen Baxter, Novartis, Abbott und Roche.
Copyright by Prof. Dr. Franz X. Heinz. Veröffentlichungen auch auszugsweise sind nur mit Genehmigung gestattet.
durch den Nachweis hoher FSME-spezifischer IgM- und IgG-Antikörper sowohl im
Serum, als auch im Liquor gesichert werden. Die Kindesmutter war selbst nicht
gegen FSME geimpft und klinisch völlig gesund. Eine serologische Kontrolle
bestätigte, dass sie keine klinisch inapparente Infektion hatte, sodass eine
Übertragung durch die Muttermilch ausgeschlossen werden konnte. Zum Glück
stabilisierte sich der Allgemeinzustand des Babys, das anfangs auch stationär noch
gekrampft hatte, innerhalb von zwei Wochen und es konnte letztlich klinisch und
neurologisch unauffällig entlassen werden.
Beim zweiten Fall war nicht der wenige Wochen alte Säugling, sondern die
Mutter an einer FSME Virus-Infektion erkrankt. Die 28-Jährige hatte einen für eine
FSME typischen biphasischen Verlauf. Sie klagte zunächst über Fieber und
Kopfschmerzen und musste nach einer Phase der Besserung wegen einer ZNSSymptomatik stationär aufgenommen werden. Auch hier wurde die Diagnose FSME
serologisch in Liquor und Serum bestätigt. Die Patientin hatte erst eine Woche vor
der ersten Erkrankungsphase entbunden und das Neugeborene bis zur zweiten
Erkrankungsphase, also auch während der Virämie, gestillt. Nachdem bekannt ist,
dass
eine
FSME
Virus-Übertragung
auf
oralem
Weg
durch
den
Genuss
unpasteurisierter Milch von infizierten Ziegen, Schafen oder Kühen erfolgen kann
(diese Tiere scheiden das FSME Virus kurzzeitig während des virämischen Stadiums
über die Milch aus; siehe dazu VEI 17/2008), bestand zumindest das theoretische
Risiko einer Ansteckung des Säuglings über die Muttermilch. Bei einer Untersuchung
der Muttermilch, die allerdings aus der zweiten Erkrankungsphase stammte, konnte
keine FSME-Virusnukleinsäure mehr nachgewiesen werden. Das Kind blieb
glücklicherweise klinisch gesund.
Die wenigen publizierten Fälle von FSME-Virusinfektionen im Säuglingsalter
zeigen, dass es keine untere Altersgrenze für diese Erkrankung gibt. Nachdem eine
Impfung in diesem Alter noch nicht möglich ist und generell gegen Ende der
Schwangerschaft ein transplazentarer Antikörpertransfer von der Mutter auf das Kind
erfolgt um einen Nestschutz zu erzeugen, könnte es sein, dass auch ein Säugling
einer FSME-geimpften Mutter von der Impfung profitiert. Dafür spricht auch die
Tatsache, dass bei Neugeborenen FSME geimpfter Mütter FSME-spezifische IgGAntikörper im Serum nachgewiesen werden können. Leider liegen jedoch keine
Studien über die Halbwertszeit und protektive Wirkung dieser Antikörper vor.
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VIR. EP. INF. NR. _______
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Mit Unterstützung der Firmen Baxter, Novartis, Abbott und Roche.
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