Markt Biogas Beim Substratkauf langfristig denken! Betreiber größerer Biogasanlagen müssen mangels Fläche häufig Substrate, wie z.B. Mais, zukaufen. Foto: Höner Günstige Rohstoffe sind das A und O bei der BiogasProduktion. Wie Sie sich die aktuell niedrigen Preise für Silomais und Co. langfristig sichern können, zeigt Dr. Uwe Steffin, Berlin. H and aufs Herz: Planen Sie als Betreiber einer Biogasanlage den Rohstoffeinkauf langfristig, oder gehören Sie zu denen, die sich von Jahr zu Jahr hangeln? Die meisten Biogas-Erzeuger gehen frühestens zur Aussaat – meist aber erst im Sommer – auf „Maissuche“, und kurz vor der Ernte werden Kauf und Preis per Handschlag besiegelt. Längerfristige Lieferverträge scheitern häufig daran, dass man sich nicht auf den richtigen Preis einigen kann. Die Folge: Vor plötzlichen Preissprüngen können Sie sich nicht schützen. Und Sie müssen damit rechnen, eventuell sogar tiefrote Zahlen zu schreiben, wenn Ihnen die Substratkosten voll aus dem Ruder laufen. Denn Ihre Stromerlöse sind für 20 Jahre festgeschrieben, während die Substratpreise neben der Gasausbeute über Wohl und Wehe der Anlage entscheiden – und leider jährlich schwanken können (siehe Übersicht. 1). Welche Möglichkeiten es trotzdem gibt, das Preisrisiko beim Substrateinkauf zu senken, die Einkaufskosten über mehrere Jahre „im Rahmen“ zu halten oder sich gegen mögliche Preisanstiege an der Warenterminbörse abzusichern, zeigen wir auf den folgenden Seiten. Substratpreise mit TerminKontrakten absichern Eine Preisabsicherung über die Terminbörse funktioniert auch für BiogasSubstrate, wie z. B. Silomais, obwohl dieser an Handelsplätzen wie der Pariser Matif gar nicht gelistet ist. Dabei muss der Rohstoff nicht über die Börse gekauft werden – die bewährten Lieferbeziehungen können bestehen bleiben. Sie kaufen an der Börse lediglich einen Kontrakt, 128 top agrar 5/2010 z.B. für Körnermais. Dieser ist in Veredlungsgebieten sowieso der Leitpreis für den Silomais, für den es keine Notierung gibt. In reinen Ackerbauregionen gibt dagegen der Weizen den Preis für den Silomais vor. Weizen ist vielerorts die wettbewerbsstärkste Kultur, weshalb sich dort der Preis der meisten Substrate – von der Biogasrübe bis zum Silomais – fast Eins zu Eins an der Preiskurve für Weizen orientiert. Die Weizenkontrakte an der Matif haben aber noch einen weiteren Vorteil: Sie verzeichnen die größten Tagesumsätze (teils über 500 000 t/Tag) und haben damit eine große Aussagekraft über die tatsächliche Marktlage. Zudem kann der Weizenpreis dadurch besonders weit im Voraus abgesichert werden (aktuell bis November 2011). Die eigentliche Preisabsicherung funktioniert so: Parallel zum tatsächlichen Einkauf von Silomais kaufen Sie für die Übersicht 1: Mit einer mehrjährigen Absicherungsstrategie lassen sich Preisspitzen brechen 300 Weizenpreis €/t 280 260 240 220 200 180 160 ? 140 120 100 Jan ’04 Jan ’05 Jan ’06 Jan ’07 Jan ’08 Jan ’09 Jan ’10 Jan ’11 Jan ’12 Wer Anfang 2007 den Einkaufspreis für Biogas-Substrate festzurren oder absichern konnte, sparte während der Hochpreisphase viel Geld. Grafiken: Driemer Verschiedene Strategien für den Substrat-Einkauf Das Ziel, die günstigen Substratpreise möglichst über das nächste Preishoch zu retten, können Sie auf verschiedene Arten erreichen: ■ Sie verlassen sich auf Ihr Verhandlungsgeschick und die Verkaufsbereitschaft des Anbauers. Vorteil: Es entstehen keine zusätzlichen Kosten. Nachteil: Die Gefahr, Spitzenpreise zahlen zu müssen, die die Wirtschaftlichkeit der Anlage bedrohen, besteht weiterhin (Experten sehen übrigens die Wirtschaftlichkeitsgrenze bei vielen Anlagen bei 28 €/t Silomais (ab Feld) erreicht). Gegen Verkäufer-Argumente, wie z. B. :„Wenn ich keine 1 800 €/ha für meinen Mais bekomme, wird er eben gedroschen“ haben Sie nichts in der Hand. ■ Sie legen größere Vorräte an und lagern z. B zugekauften Silomais über mehrere Jahre ein. Vorteil: Leicht umsetzbar – eine ausreichend große Silo- platte und Anbau- bzw. Zukauffläche vorausgesetzt. Nachteil: Viel Liquidität wird gebunden, die zum Teil durch ansteigende Lagerverluste aufgezehrt wird. ■ Sie schließen mehrjährige Lieferverträge zu vorher ausgehandelten Festpreisen ab (siehe Kasten S. 130). Vorteil: Sie wissen für einen längeren Zeitraum im Voraus, wie hoch die Substratkosten sind. Nachteil: In der aktuellen Niedrigpreisphase lassen sich kaum Verträge abschließen. Lieferanten hoffen auf steigende Preise und warten ab. ■ Sie sichern günstige Preise mittels Terminkontrakten ab. Vorteil: Später steigende Substratpreise können Sie mit Börsengewinnen ausgleichen. Der Kauf und Verkauf von Kontrakten ist hochflexibel an jedem Börsentag möglich. Nachteil: Zusätzlich zum SubstratEinkauf müssen Sie Geld für das Börsengeschäft vorstrecken. notwendigen Substratmengen über einen Makler Kontrakte an der Warenterminbörse. Dafür wird im Vergleich zur mehrjährigen Einlagerung von Extra-Substratmengen aber deutlich weniger Kapital benötigt, weil normalerweise nur die so genannten Margins in Höhe von 10 % des Kontraktwertes fällig werden. In der Regel entwickeln sich die Erzeugerpreise für den Silomais und die Börsenkurse in etwa gleich. D.h., wenn die Substratpreise steigen, verteuern sich auch die Kontrakte. Die steigenden Kosten für den Mais können Sie daher mit Gewinnen aus dem späteren Verkauf der Kontrakte ausgleichen. Bei fallenden Notierungen entstehen zwar Verluste beim Kontraktgeschäft. Diese können aber durch dann ebenfalls niedrigere Substratpreise ausgeglichen werden. Die richtige Strategie wählen Soweit zur Theorie, doch wie läuft eine Absicherung über die Terminbörse in der Praxis? Wir stellen dazu zwei Strategien anhand einer typischen 500 kW-Biogasanlage auf Silomaisbasis vor. Die Modellanlage ist 2005 in Betrieb gegangen und top agrar 5/2010 129 Markt verbraucht jährlich rund 10 000 t Silomais. Dies bindet bei einem Hektar-Ertrag von 50 t Frischmasse rund 200 ha Fläche. Strategie 1: Vollab- sicherung ein Jahr im Voraus Jeweils Anfang April eines Jahres wird der komplette Substratbedarf für das Folgejahr über Matif-Terminweizenkontrakte abgesichert. Bei einem Ertrag von 10 t/ha auf dem Anlagenstandort müssen rund 2 000 t Matif-Weizen (40 Kontrakte zu je 50 t) abgesichert werden. Die Gebühren und Zinsen für Margins dafür kosten rund 2 000 €. Die Kontrakte werden jeweils 12 Monate gehalten und anschließend zum dann aktuellen Börsenpreis wieder verkauft. Um Verluste nicht schon beim Einkauf quasi „festzuschreiben“, gibt es eine Zusatzregel: Der Substratbedarf für das Folgejahr wird nur dann abgesichert, wenn der Matif-Weizen weniger als 150 €/t kostet. 2010 können die relativ günstigen Substratpreise daher über die Börse abgesichert werden. Die Vollabsicherung von 2006 bis 2010 jeweils für ein Jahr im Voraus hätte vor allem 2008 einen hohen Börsengewinn geliefert, da die€/t Weizenkontrakte im Weizenpreis April 300 2007 noch billig eingekauft werden 280 konnten, die Preise dann aber regelrecht explodiert sind. Im Frühjahr 2008 hätten für dieselben Kontrakte 202,75 €/t bezahlt werden müssen. Deshalb wurde gemäß der Zusatzregel (Börsenpreis beim Einkauf unter 150 €/t) auf eine Absicherung für 2009 vollständig verzichtet. Über den Fünfjahreszeitraum wäre damit ein Börsengewinn von 213 460 € (Handelskosten und Zinsansatz berücksichtigt) erzielt worden. Mit diesem Betrag wäre der zwischenzeitliche Höhenflug der Substratpreise finanziell ausgeglichen worden (siehe Übersicht 3). Strategie 2: Vollabsicherung für fünf Jahre 260 Einen „fairen“ Preis240für beide 220 Seiten finden 200 Biogasanlagen sind auf eine sichere Substratversorgung angewiesen. Die wenigsten Landwirte können ihren Rohstoffbedarf jedoch zu 100 % aus eigenem Anbau decken und sind deshalb auf Zukäufe von Berufskollegen angewiesen. Dabei gibt es für die meisten Substrate keine offiziell notierten Marktpreise. Landwirte sind langfristig nur dann für den Anbau von Biomasse zu gewinnen, wenn sie dafür mindestens den gleichen Preis wie für die wettbewerbsstärkste Marktfrucht erzielen. Wer in der Hochpreisphase 2007/08 Silomais zum (niedrigen) Festpreis geliefert hat, wird sich in Zukunft ungern fest binden. Umgekehrt waren viele Landwirte froh, 2009 zumindest einen Teil der Ernte als Biogassubstrat vermarkten zu können. Ob ein fairer Preis bezahlt wird, lässt sich durch einen Vergleich mit der wettbewerbsstärksten Marktfrucht ableiten. Steigen die Preise für Winterweizen, Raps oder Körnermais, erhöhen sich die Opportunitätskosten der für den Substratanbau beanspruchten Fläche. In Übersicht 2 sind exemplarisch Gleichgewichtspreise zwischen Winterweizen und Silomais dargestellt. Vorsicht: Die Vergleichspreise müssen für jeden Standort neu kalkuliert werden, da Kosten und Erträge sich regional unterscheiden. Um einen fairen Interessenausgleich herzustellen, sollten in einem langfristigen Liefervertrag Preisgrenzen nach oben und unten eingezogen werden. Dem Substratlieferanten wird vertraglich ein Kosten deckender Preis garantiert, z. B. 20 €/t Silomais frei Feld. Um- 130 top agrar 5/2010 180 gekehrt sollte ein solcher Vertrag eine 160 Preisgrenze nach oben enthalten, ab dem 140 die Biogasanlage kein Geld mehr verdient, z. B. 28 €/t für Silomais ab Feld. 120 Dies entspricht einem Preiskorridor zwi100 130 €/t und 180 €/t beim Weizen. schen Jan ’04 Jan ’05 Jan ’06 Weizen Jan ’07 Als Referenzpreis beim haben sich in solchen Lieferverträgen die Mit einer anderen Strategie lassen sich niedrige Substratpreise sogar bis 5 Jahre im Voraus festschreiben: Dazu wird zu Beginn des Absicherungszeitraums der Substratbedarf für 5 Jahre in Form von Kontrakten zusätzlich eingekauft, für unsere Beispielanlage wären dies 10 000 t Weizen (entspricht 50 000 t Silomais). Dafür fallen 10 000 € an Marginzinsen und Gebühren an. Nach 12 Monaten werden wie bei der ersten Strategie nur KonJan ’08 ’09 Jan Jahresbedarfs ’10 Jan ’11 (2Jan trakte Jan in Höhe des 000’12t) verkauft, die übrigen 8 000 t werden ins ? Übersicht 2: Mit einem Korridor Preissicherheit für beide Seiten schaffen 40 Preis für Silomais €/t 35 Gleichgewichtspreise (in €/t) 30 25 Winter- Silomais weizen ab Feld 100 15,26 120 18,46 140 21,66 160 24,86 180 28,06 200 31,26 220 34,46 240 37,66 Preiskorridor Silomais 20 15 Preiskorridor Weizen 10 5 0 50 100 150 Weizenpreis €/t Ein Gleichgewichtspreis und ein garantierter Preisbereich sorgen für mehr Sicherheit beim Biomassehandel – für Ein- und für Verkäufer. Börsennotierungen der Pariser Matif etabliert. Ein solcher Vertrag ist eine gute Ergänzung für die Preisabsicherung an der Börse 200 250 nächste Jahr „gerollt“. Da jedes Jahr 2 000 t der Weizenkontrakte verstromt werden, reduziert sich die Absicherungsmenge innerhalb von fünf Jahren auf Null. Im direkten Vergleich hätte die zweite Strategie einen deutlich größeren Absicherungserfolg (482 600 € gegenüber 213 460 €) gehabt. Der höhere Börsengewinn wäre allerdings auch mit einem deutlich höhe- ren Liquiditätsbedarf erkauft worden. (siehe Übersicht 4). „Worst Case“ einkalkulieren Übers. 3: Weniger Risiko bei jährlicher Absicherung Kontrakt Mai 06 EinkaufsVerkaufspreis (Euro) preis (Euro) 112,75 110,00 Menge Ergebnis Kumuliertes (t) Einzeljahre (Euro) Ergebnis (Euro) 2 000 -6 760 -6 760 Mai 07 116,50 148,50 2 000 +62 740 +55 980 Mai 08 Mai 09 Mai 10 134,50 202,75 144,25 233,50 132,00 125,25 2 000 2 000 2 000 +196 740 – -39 260 +252 720 +252 720 +213 460 Zwar lassen sich bei einer Absicherung von Jahr zu Jahr Preishochs kurzfristig umgehen, und der Kapitalbedarf ist niedriger … Übers. 4: Mehr Ertrag bei fünfjähriger Strategie Kontrakt Mai 06 EinkaufsVerkaufspreis (Euro) preis (Euro) 112,75 110,00 Menge Ergebnis Kumuliertes (t) Einzeljahre (Euro) Ergebnis (Euro) 10 000 -33 800 -33 800 Mai 07 116,50 148,50 8 000 +250 960 +217 160 Mai 08 Mai 09 Mai 10 134,50 202,75 144,25 233,50 132,00 125,25 6 000 4 000 2 000 +590 220 -285 520 -39 260 +807 380 +521 860 +482 600 … allerdings sind die Erträge bei einer fünfjährigen Absicherung deutlich größer. 20 €/t auf 117 €/t, muss der Anlagenbetreiber die Preisdifferenz nachschießen, bei 10 000 t Weizen würden also 200 000 € fällig! Zum Ausgleich können Sie den Silomais im Herbst zwar höchstwahrscheinlich billiger einkaufen. Die 200 000 € müssen Sie aber pünktlich überweisen, sonst werden die Kontrakte automatisch „glattgestellt“. Wir halten fest Wer als Biogas-Erzeuger keine großen Substratreserven anlegen oder Festpreisverträge machen will, kann Substratprei- se auch über Kontrakte an der Terminbörse absichern. Je nach betrieblichen Voraussetzungen stehen dabei verschiedene Strategien mit unterschiedlichen Laufzeiten zur Verfügung, die sich in der Hochpreisphase 2007/08 bewährt haben. Mit ihnen kann man künftige Preisspitzen überbrücken, indem man Börsengewinne für den Substrateinkauf in Hochpreiszeiten nutzt. Derzeit sind die Chancen für eine längerfristige, über mehrere Jahre dauernde Substratpreisabsicherung günstig, da sich die landwirtschaftlichen Erzeugererlöse noch auf niedrigem Niveau bewegen. Ein größeres Substratlager ist zwar eine einfache Preisabsicherung, aber auch eine sehr teure. Foto: Dorsch Kommentar Die beiden Beispiele haben Börsengewinne erzielt, weil die Kurse gestiegen sind. Aber was passiert, wenn die Kurse nach dem Kauf der Kontrakte fallen? Gerade bei einer Langzeitabsicherung werden dann große finanzielle Reserven benötigt, wie das folgende Szenario zeigt: Im Frühjahr 2010 startet der Biogas-Erzeuger in eine neue Fünfjahres-Runde. Anfang April wurden Matif-Kontrakte über 10 000 t Weizen mit Liefertermin Mai 2011 zu einem Preis von 137 €/t gekauft, womit die Biogasanlage rentabel betrieben werden kann. Fällt der Weizenpreis an der Matif nach dem Einkauf bis zum Herbst um Unterschätzen Sie nicht den Kapitalbedarf! Klar, ein zusätzlicher, zugekaufter Silohaufen als Maßnahme gegen eventuell steigende Preise bindet enorm viel Kapital. Demgegenüber klingt eine „Versicherung“ gegen steigende Substratpreise zunächst verlockend. Die Preisabsicherung über Terminkontrakte wird als „schützendes Dach“ auf den tatsächlichen SubstratEinkauf aufgesetzt. Und den „Einsatz“ bekommt man (abzüglich der Gebühren) normalerweise zurück. Doch Vorsicht: Wie der Silohaufen bindet dieses reine Finanzgeschäft zunächst viel Kapital. Selbst wenn durch die Margins nur Bruchteile des Kontrakwertes tatsächlich zu zahlen sind, kann eine mehrjährige Absicherung mit einer großen Anzahl Kontrakten schnell den Wert des o.g. Silohaufens erreichen. Damit liegt aber noch keine Tonne Maissilage neben Ihrer Biogasanlage. Im schlimmsten Fall („Worst Case“) müssen Sie zusätzliches Geld für die Kontrakte ausgeben und sich darauf verlassen können, dass die Silomaispreise ebenfalls sinken. Daher: Bevor Sie einen Börsenmakler beauftragen, sollten Sie sich daher unbedingt beraten lassen und mit ihrer Hausbank über den zusätzlichen Kapitalbedarf sprechen. -br- top agrar 5/2010 131