Seminar Algebra II SS 2005 Endlichdimensionale Schiefkörper über R Tanja Penner 25.05.2005 Inhaltsverzeichnis Einleitung 2 1 Grundbegriffe aus der Theorie der Quaternionen 1.1 Die Hamiltonsche Quaternionenalgebra H . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3 2 Satz von Frobenius 2.1 Zur Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Satz von Frobenius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 4 4 Anhang 9 Literaturverzeichnis 10 1 Einleitung Hyperkomplexe Systeme von Zahlen heißen seit Beginn des 20. Jahrhunderts reelle Algebren. Ist die Division eindeutig ausführbar, so spricht man von Divisionsalgebren. Die klassische - von R und C verschiedene -Divisionsalgebra ist die vierdimensionale Quaternionenalgebra. In dieser Ausarbeitung wird zunächst ein Einblick in die Theorie der Quaternionen gegeben und anschließend, im Kapitel 2, der berühmte Satz von Frobenius über die Einzigkeit der Quaternionen bewiesen. 2 Kapitel 1 Grundbegriffe aus der Theorie der Quaternionen 1.1 Die Hamiltonsche Quaternionenalgebra H Die Quaternionen bilden einen 4-dimensionalen reellen Vektorraum mit einer Basis (1, i, j, k), auf dem ein assoziatives und distributives Produkt so erklärt ist, dass 1 Einselement ist und dass die Relationen i2 = j 2 = k 2 = −1 und ij = −ji = k, jk = −kj = i, ki = −ik = j gelten. Das ist die sogenannte Hamiltonsche Multiplikationstafel. Wegen ij 6= ji ist klar: Die Quaternionen-Algebra H ist nicht kommutativ. Die weiteren Produkte der Basisquaternionen entstehen aus ij = k durch die zyklische Vertauschung von i, j, k. Durch distributives Ausrechnen erhält man damit die Produktformel: e +γ e = (αe e (α + βi + γj + δk)(e α + βi ej + δk) α − β βe − γe γ − δ δ) e + (αδe + βe +(αβe + β α e + γ δe − δe γ )i + (αe γ − β δe + γ α e + δ β)j γ − γ βe + δ α e)k. L Auf C = R iR erhält man die gewohnte Multiplikation der komplexen Zahlen, indem man γ = 0 = δ und γ e = 0 = δe setzt. H ist ein Beispiel für einen nicht kommutativen Ring mit Einselement, in dem jedes Element 6= 0 invertierbar ist. (Sei q = α + βi + γj + δk 6= 0. Mit q = α − βi − γj − δk 6= 0 hat man qq = α2 + β 2 + γ 2 + δ 2 und damit für q 6= 0 q −1 = α − βi − γj − δk q = 2 . qq α + β 2 + γ 2 + δ2 = 1 und q −1 q = In der Tat gilt dann wegen qq = qq: qq −1 = qq qq Also qq −1 = q −1 q = 1.) Solche Ringe heißen auch Schiefkörper oder Divisionsalgebren. qq qq = 1. Definition 1.1.1 Eine assoziative Algebra D über dem Körper R der reellen Zahlen mit Einselement mit der Eigenschaft, dass alle Elemente 6= 0 ein Inverses haben, heißt Divisionsalgebra. 3 Kapitel 2 Satz von Frobenius 2.1 Zur Geschichte In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden neben den Quaternionen viele weitere hyperkomplexe Systeme entdeckt und erforscht. Die Flut neuer hyperkomplexer Systeme überschwemmte die gesamte Algebra. Einen ersten präzisen Einzigkeitssatz bewies 1877 Ferdinand Georg Frobenius (geb. 1849 in Berlin; Schüler von Weierstrass, 1875 Professor am Polytechnikum in Zürich, ab 1892 Professor an der Universität in Berlin; förderte die abstrakte Betrachtungsweise in der Algebra, wichtige Anwendungen seiner Darstellungstheorie ergaben sich in der Quaternionentheorie; gest. 1917 in Charlottenburg)(s. Anhang). In seiner im Crelleschen Journal veröffentlichten Arbeit Über lineare Substitutionen und bilineare Formen zeigte er, dass es bis auf Isomorphie nur drei reelle endlichdimensionale, assoziative Divisionsalgebren gibt: R selbst, C und H. Dieser berühmte Satz, der 1881 unabhängig von dem amerikanischen Mathematiker Charles Sanders Peirce (1839-1914, Sohn von Benjamin Peirce) bewiesen wurde, zeigte den Algebraikern erstmals Grenzen ihrer für allmächtig gehaltenen Konstruktionsverfahren. Hätte Hamilton den Satz von Frobenius gekannt, so wären ihm Jahre harter Arbeit bei seiner vergeblichen Suche nach dreidimensionalen, assoziativen Divisionsalgebren erspart geblieben. 2.2 Satz von Frobenius Vorbemerkung 2.2.1 Es sei D 6= 0 eine endlichdimensionale Divisionsalgebra über dem Körper R der reellen Zahlen. Der Fundamentalsatz der Algebra besagt: Falls D kommutativ ist (ein Körper), dann sind zwei Fälle möglich: 1) D ist isomorph zum Körper R der reellen Zahlen. 2) D ist isomorph zum Körper C der komplexen Zahlen. Satz 2.2.2 (Frobenius(1877)) Es sei D 6= 0 eine endlichdimensionale Divisionsalgebra über dem Körper R. Sei D nicht kommutativ, dann gibt es nur eine Möglichkeit: D ist isomorph zur Algebra H der Quaternionen. Man kann den Satz von Frobenius auf zwei Arten beweisen: entweder ist es ein elementarer Beweis mit viel Rechnen, oder man folgert den Satz aus allgemeinen Resultaten über 4 Algebren. Einen besonders einfachen Beweis des Satzes findet man bei R.S.Palais, was hier vorgeführt wird. Bemerkung 2.2.3 Der von 1 und i erzeugte zweidimensionale Untervektorraum von H ist isomorph zum Körper C der komplexen Zahlen. H ist ein Vektorraum über C (man benutzt die Linksmultiplikation für die Skalaroperation). Ferner ist C = {x ∈ H | ix = xi}. (Sei x = α + βi + γj + δk, dann xi = αi + βii + γji + δki = αi + β(−1) + γ(ji) + δ(ki), ix = αi + βii + γij + δik = αi + β(−1) + γ(ij) + δ(ik). Also ix = xi ⇐⇒ γ = 0 = δ.) Und der von j und k aufgespannte zweidimensionaler Raum ist {x ∈ H | ix = −xi}. Beweis des Satzes: Sei 1 das Einselement von D. Denken wir uns R als in D eingebettet per x 7→ x · 1. Sei d ein Element aus D und nicht aus R, so bezeichnet man den zweidimensionalen Untervektorraum R + Rd, aufgespannt von 1 und d, mit Rhdi. Behauptung 1: Rhdi ist eine maximale kommutative Teilmenge von D, die aus allen Elementen von D besteht, welche mit d kommutieren. Ferner ist es ein zu C isomorpher Körper. Beweis der Beh.1: Unter den Untervektorräumen, die Rhdi enthalten und kommutativ sind, sei F einer von maximaler Dimension. Falls x ∈ D mit allen Elementen aus F kommutiert, dann ist F +Rx kommutativ und muss gleich F sein. Also folgt x ∈ F , sodass F eine maximale kommutative Teilmenge von D ist. Falls x 6= 0 aus F ist, dann kommutiert x−1 mit allen Elementen aus F, da xy = yx ⇒ yx−1 = x−1 y. Also ist x−1 ∈ F und F ist ein Körper. Nach dem Fundamentalsatz der Algebra ist F über R isomorph zu C. Insbesondere hat F Dimension 2, also gilt F = Rhdi. Schließlich, falls x ∈ D mit d kommutiert, so kommutiert x mit allen Elementen aus Rhdi = F , gehört also x zu F. ¤ Nach Behauptung 1 kann man ein Element i ∈ D wählen, sodass i2 = −1 ist. Dann kann man Rhii mit C identifizieren. D ist nicht nur ein Vektorraum über R, sondern auch ein 5 Vektorraum über C, und zwar wird die Skalaroperation von C durch die Linksmultiplikation auf D gegeben. Andererseits kann die Rechtsmultiplikation mit i als eine (komplex) lineare Abbildung auf dem komplexen Vektorraum D interpretiert werden. D.h., T x ≡ xi. (2.1) Man hat dann T 2 = −id, daher sind +i und −i die einzig möglichen Eigenwerte von T. Die zugehörigen Eigenräume seien D+ und D− : D+ = {x ∈ D|xi = ix}, D− = {x ∈ D|xi = −ix}. Natürlich gilt D+ T (2.2) D− = {0}. Behauptung 2: D = D+ M D− . (2.3) Dies folgt unmittelbar aus der Zerlegung 1 1 x = (x − ixi) + (x + ixi), 2 2 denn x − ixi ∈ D+ [(x − ixi)i = xi − ixii = xi + ix, i(x − ixi) = ix − iixi = ix + xi =⇒ (x − ixi)i = i(x − ixi)] und x + ixi ∈ D− [(x + ixi)i = xi + ixii = xi − ix, −i(x + ixi) = −ix − iixi = −ix + xi =⇒ (x + ixi)i = −i(x + ixi)]. ¤ Behauptung 3: D+ = C; x, y ∈ D− =⇒ xy ∈ D+ . (2.4) Beweis der Beh.3: Die erste Aussage folgt aus der Behauptung 1. Beweisen wir nun die zweite Aussage: Seien x, y ∈ D− . xyi = −xiy wegen y ∈ D− , ixy = −xiy wegen x ∈ D− =⇒ xyi = ixy =⇒ xy ∈ D+ . 6 ¤ Falls D− = 0 ist, dann gilt nach Beh.2,(2.3) und Beh.3,(2.4) D = C. Also gilt D− 6= 0. Und nun wird gezeigt, dass D zu H isomorph ist. Behauptung 4: dimC D− = 1. (2.5) Beweis der Beh.4: Wähle ein α ∈ D− , α 6= 0. Dann beschreibt die Rechtsmultiplikation mit α eine komplex lineare Abbildung auf D, die umkehrbar ist (Umkehrabbildung ist die Rechtsmultiplikation mit α−1 ) und dabei gilt wegen (2.4): D− · α = D+ , also dimC D− = dimC D+ = 1. ¤ Damit folgt nach Beh.2, Beh.3 und Beh.4: dimC D = 2, also dimR D = 4. Behauptung 5: Für α 6= 0 in D− : α2 ∈ R und α2 < 0. (2.6) Beweis der Beh.5: Nach der Beh.1 ist Rhαi ein Körper, der α2 enthält. Ebenfalls ist α2 ∈ C nach Beh.3,(2.4) und deshalb α2 ∈ C ∩ Rhαi = R. Wir zeigen zuerst: C ∩ Rhαi = R. α 6= 0 in D− , also α2 6= 0 in D+ = C. Andererseits α2 ∈ Rhαi (das ist Körper nach Beh.1). α2 = a + bi ∈ C = u + vα ∈ Rhαi Wäre v 6= 0, so folgte vα = α2 − u = a − u + bi ∈ C, also 1 α = (a − u + bi) ∈ C. v 2 Widerspruch! Daher α = u ∈ R. Falls α2 > 0 wäre, dann würde α2 zwei Quadratwurzeln in R haben, daher drei Quadratwurzeln im Körper Rhαi, was unmöglich ist: in einem Körper hat ein Polynom x2 + a höchstens zwei Nullstellen. ¤ 7 Setzen wir nun j = αr , j ∈ D− mit r ∈ R, sodass r2 = −α2 , so folgt j2 = α2 = −1. r2 Setzt man schließlich k = ij, so bilden j und k eine R-Basis von D− = Cj. Dann sind 1, i, j, k insgesamt eine R-Basis für D. Wegen j, k ∈ D− hat man ij = −ji, ik = −ki. Zusammen mit i2 = j 2 = −1 und k = ij folgt, dass die Multiplikationstafel für die Quaternionen erfüllt ist. ¤ 8 Anhang Abbildung 1: Ferdinand Georg Frobenius “Wir sind also zu dem Resultate gelangt, dass ausser den reellen Zahlen (m = 0), den imaginären Zahlen (m = 1) und den Quaternionen (m = 3) keine andern complexen Zahlen in dem oben definirten Sinne existiren.“ (Frobenius [4], S. 63) 9 Literaturverzeichnis [1] R.S.Palais The Classification of Real Division Algebras, Amer. Math. Monthly 75, 366-368 (1968) [2] Ebbinghaus et al. Zahlen, Springer-Verlag, 1992 [3] W.Fischer, J.Gamst, K. Horneffer Skript zur Linearen Algebra, Band 2, MathematikArbeitspapiere Nr. 14, 1997 [4] F.G.Frobenius Über lineare Substitutionen und bilineare Formen, Journal für die reine und angewandte Mathematik 84, 1-63 (1878) 10