Gesunde Ernährung und Diabetes mellitus Typ 2

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Ernährung aktuell 3/2013
EU-Projekt
Gesunde Ernährung und Diabetes mellitus Typ 2
Dr.in Elisabeth Müllner 1 , Dr. Helmut Brath 2,
Univ.-Prof. Dr. Karl-Heinz Wagner 1 ,
1
Department für Ernährungswissenschaften,
Emerging Field Oxidative Stress and DNA
Stability, Universität Wien
2
Diabetes Ambulanz, Gesundheitszentrum
Wien-Süd
Dies führt u. a. zu einem erhöhten Risiko für
kardiovaskuläre
Erkrankungen
im
Vergleich
zu stoffwechselgesunden Personen [3]. Weitere Diabetes-assoziierte Erkrankungen sind
Retinopathie, Nephropathie und Neuropathie.
In zahlreichen Metaanalysen wird auch ein erhöhtes organspezifisches Krebsrisiko bei Typ 2
Diabetikern diskutiert [4,5]. Giovanucci et al.
Die Zahl der an Diabetes mellitus erkrankten
Menschen hat ein alarmierendes Ausmaß erreicht und ist weiter im Steigen begriffen. Faktoren wie Bevölkerungswachstum, steigende Lebenserwartung aber auch mangelnde körperliche
Aktivität und ungesunde Ernährung werden für
diese Entwicklung verantwortlich gemacht. Der
Krankheitsverlauf von Diabetes mellitus Typ 2
und die damit assoziierten Folgeerkrankungen
sind stark durch das Ernährungsverhalten beeinflusst. Aus diesem Grund wurde im Rahmen
des EU Projekts „DIAPLANT“, einer Kooperation
fassten zusammen, dass das Risiko für Leber-,
Pankreas- und Gebärmutterkrebs bei Typ 2 Diabetikern um das 2-fache erhöht ist. Für Darm-,
Brust-, und Blasenkrebs steigt das Risiko um
den Faktor 1,2-1,5 [6].
Da Diabetes mellitus und Krebs sehr heterogene
und komplexe Erkrankungen sind, gestaltet sich
die Untersuchung der ursächlichen Faktoren, die
ein erhöhtes Krebsrisiko bei Typ 2 Diabetikern
verursachen, als schwierig. Insulinresistenz und
Hyperinsulinämie, welche in vielen Fällen schon
Jahrzehnte vor der Diabetesdiagnose auftreten,
zwischen der Universität Wien, der Comenius
werden als Risikofaktoren diskutiert. Insulin wird
Universität in Bratislava, dem Diabeteszentrum
nicht nur für die Einschleusung von Glukose in
Wien-Süd und der SLU in Uppsala, (Schwe-
die Zelle benötigt, sondern hat, in Kombination
den), der Einfluss einer „gesunden Ernährung“
mit dem IGF-Rezeptor (IGF: insulin like growth
auf
Folgeerkrankungen
factor), auch mitogene Eigenschaften und kann
untersucht. Die Ergebnisse sind vielverspre-
somit das Tumorwachstum fördern [7]. Auch Hy-
chend und unterstreichen die Bedeutung ei-
perglykämie kann das Krebswachstum begünsti-
nes ausgewogenen Ernährungsverhaltens u. a.
gen, da Krebszellen Glukose als Hauptenergie-
im Hinblick auf glykämische Kontrolle und oxi-
quelle verwenden [8]. Weitere Faktoren, die bei
dative DNA Schäden.
der Entstehung beider Erkrankungen eine ent-
Risikoparameter
für
scheidende Rolle spielen sind Alter, genetische
Diabetes – Epidemiologie und Folgeerkrankungen
Prädisposition, Übergewicht und Lebensstilfak-
Weltweit leiden in etwa 371 Millionen Menschen
gewohnheiten [6].
an Diabetes mellitus, wovon 90-95 % Typ 2
Abb. 1a: Oxidative DNA Schäden (Kometen) in
Lymphozyten
toren wie Rauchen, Bewegung und Ernährungs-
Auf Basis der Daten epidemiologischer Studien
wurde am Department für Ernährungswissenschaften in Zusammenarbeit mit dem Diabeteszentrum Wien-Süd eine Ernährungsinterventionsstudie mit knapp 100 Probanden - Typ 2
Diabetikern und Gesunden - durchgeführt. Die
Studienteilnehmer verzehrten über 8 Wochen
hindurch täglich 300 g Gemüse und 25 ml Walnussöl, reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Das Pflanzenöl wurde als Ersatz für Produkte reich an gesättigten Fettsäuren verwendet.
Durch die Ernährungsumstellung konnte bei
den Diabetikern eine signifikante Reduktion
des glykosylierten Hämoglobins (HbA1c) erzielt
werden. Die Plasmakonzentrationen von Vitamin K, Folsäure, γ-Tocopherol, Carotenoiden,
Lutein und essentiellen Fettsäuren Linol- und
Linolensäure stiegen durch den erhöhten Gemüse- und Pflanzenölkonsum, wodurch der
Tab. 1: Nährstoff- und Gesundheitsstatus bei Typ 2 Diabetikern
während der Intervention mit Gemüse und Walnussöl1
Woche 0
Woche 8
α-Carotin (µmol/l)
0,08±0,04
0,15±0,07*
β-Carotin (µmol/l)
0,21±0,23
0,31±0,20*
Lutein (µmol/l)
0,20±0,18
0,32±0,24*
Vitamin K (nmol/l)
0,69±0,56
1,93±1,65*
Folsäure, Plasma
(nmol/l)
20,16±9,02
22,5±9,46*
Folsäure, Erythrozyten
(nmol/l)
346±253
418±293*
Linolsäure
(% Gesamtfettsäuren)
24,2±3,48
27,5±4,11*
Linolensäure
(% Gesamtfettsäuren)
0,48±0,16
0,77±0,28*
Zukunftsprognosen der International Diabetes
„Gesunde Ernährung“ zur Reduktion
von Diabetes-assoziierten Erkrankungen
Federation beziffern die Diabetesprävalenz für
Epidemiologische Studien belegen, dass eine
2030 mit 552 Millionen, was einem Anstieg von
ausgewogene und gesunde Ernährung einen
über 45 % entspricht [1]. Alarmierend ist vor
entscheidenden Einfluss auf die Entstehung von
allem der Anstieg an Typ 2 Diabetikern im Kin-
Krankheiten hat. Bei Diabetes mellitus Typ 2
des- und Jugendalter, was durch die steigende
spielen vor allem die Qualität der Fette und Koh-
Zahl an Übergewichtigen in dieser Altersgruppe
lenhydrate eine entscheidende Rolle. Beispiels-
bedingt ist [2].
weise belegen Daten der Nurses‘ Health Study,
Diabetes mellitus Typ 2 ist nicht nur durch eine
dass eine hohe Zufuhr an gesättigten Fettsäuren
CVD-risk
23,3±7,52
20,3±8,74*
Entgleisung des Glukosestoffwechsels gekenn-
und Kohlenhydraten mit hohem glykämischen
HbA1c (%)
7,58±0,93
7,36±0,80*
zeichnet, sondern geht in sehr vielen Fällen
Index mit einer erhöhten Diabetesinzidenz as-
DNA Strangbrüche
(% DNA im Schweif)
5,87±2,38
4,53±1,18*
auch mit der sogenannten „diabetischen Dysli-
soziiert sind [9]. Ebenso wird eine an Gemüse,
22,5±9,35*
Obst und Vollkornprodukten reiche Ernährung
Mikrokerne/1000 Zweikernzellen
20,7±7,44
pidämie“ – charakterisiert durch erhöhte Triglyceride, erhöhte kleine atherogene LDL-Partikel
mit einem verminderten Krebsrisiko in Verbin-
und niedrige HDL-Cholesterin Werte – einher.
dung gebracht [10].
Diabetiker sind. In Österreich sind rund 600.000
Menschen von dieser Krankheit betroffen.
5
es handelt sich um einen Auszug der wichtigsten
Ergebnisse, Details siehe 11, 16
* signifikant unterschiedlich von Woche 0
1
Ernährung aktuell 3/2013
EU-Projekt
Ernährungsstatus signifikant verbessert werden
hang zwischen Mikrokernen und dem kardiovas-
konnte (s. Tab. 1) [11].
kulären Risiko (errechnet mittels Framingham
Im Rahmen der Studie wurden auch oxidative
Risc Score, der basierend auf Alter, Geschlecht,
DNA Schäden (sogenannte Kometen, s. Abb. 1a)
Blutdruck, Rauchen, Diabetes, Gesamt- und
und Chromosomenschäden (Mikrokerne, s. Abb.
HDL-Cholesterin, das 10-Jahres-Risiko für einen
1b) gemessen. Mikrokerne entstehen während
Myokardinfarkt abschätzt) festgestellt. Einen
der Zellteilung beispielsweise durch einen Chro-
mechanistischen Erklärungsansatz für diesen
mosomenbruch. Die Anzahl an Mikrokernen ist
Zusammenhang liefern Ergebnisse aus Zellkul-
bei Krebspatienten erhöht und wird, basierend
turstudien, die belegen, dass DNA Schäden in
auf epidemiologischen Studien, als prädiktiver
Plaquezellen das Verhältnis von Zellproliferation
Biomarker für erhöhtes Krebsrisiko gesehen [12].
und Apoptose verändern und dadurch die Ent-
Einige wenige Studien haben bereits das Ausmaß
an oxidativen DNA Schäden und Chromosomenschäden zwischen Typ 2 Diabetikern und Gesunden verglichen und vor allem bei Diabetikern mit
schlechter glykämischer Kontrolle wurde ein erhöhter Schaden festgestellt [13,14].
stehung von Arteriosklerose begünstigen [17].
Abb. 1b: Mikrokerne in Lymphozyten
Gesundheitszustand sein. Auch in einer dänischen Interventionsstudie, bei der die gesunden
Studienteilnehmer
täglich
600 
g
Obst und Gemüse konsumierten, wurde keine
Die vorliegende Interventionsstudie mit Gemüse
und Pflanzenöl führte bei den Diabetikern zu einer Reduktion oxidativer DNA Schäden (s. Tab. 1)
[11], während bei den gesunden Teilneh-
Verbesserung oxidativer DNA Schäden verzeichnet [15].
Das Ausmaß an Chromosomenschäden blieb
während der 8-wöchigen Intervention mit Gemü-
Zusammenfassend konnten die Ergebnisse der
Interventionsstudie die Bedeutung einer gesunden Ernährung bei schon bestehendem Typ 2
Diabetes unterstreichen. Zur Vermeidung von
Folgeerkrankungen ist eine optimale glykämische Kontrolle essentiell und führt in Kombination mit einer guten Vitamin- und Antioxidantienversorgung zu einer Reduktion oxidativer DNA
Schäden.
mern keine signifikanten Änderungen fest-
se und Pflanzenöl unverändert (s. Tab. 1). Aller-
gestellt wurden. Ein Grund weswegen Typ 2
dings konnten Nüchternblutzucker, HbA1c und
einen wertvollen Beitrag zur Vermeidung von
Diabetiker
Ernährungsintervention
Vitamin B12 als Einflussfaktoren auf die Mikro-
Folgeerkrankungen leisten kann, was aber in der
in größerem Ausmaß profitierten als Gesun-
kernrate festgestellt werden [16]. Interessanter-
Therapie von chronischen Erkrankungen oftmals
de, könnte der im Allgemeinen schlechtere
weise wurde auch ein signifikanter Zusammen-
noch stark unterschätzt wird.
von
der
Die Studie zeigt, dass eine gesunde Ernährung
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