Lungenerkrankungen und Herzfunktion

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Schwerpunkt: Das Herz bei Inneren Erkrankungen
Internist 2006 · 48:276–283
DOI 10.1007/s00108-006-1763-z
Online publiziert: 20. Dezember 2006
© Springer Medizin Verlag 2006
Schwerpunktherausgeber
B. E. Strauer, Düsseldorf
K. Rasche1 · M. Orth2 · A. Kutscha1 · H. W. Duchna2
1 Zentrum für Innere Medizin,Schwerpunkt Pneumologie, Allergologie,
Schlaf- und Beatmungsmedizin, Kliniken St. Atonius, Akademisches
Lehrkrankenhaus der Universität Düsseldorf, Wuppertal
2 Berufsgenossenschaftliche Klinken Bergmannsheil,
Medizinische Klinik III (Pneumologie, Allergologie, Schlaf- und
Beatmungsmedizin), Universitätsklinikum Bochum
Lungenerkrankungen
und Herzfunktion
Die Auswirkungen von Lungenerkrankungen auf die Herzfunktion
sind vielfältig. Primär ist aus pathophysiologischer Sicht die durch eine
Lungenerkrankung erfolgende akute oder chronische Druckbelastung
des rechten Herzens, insbesondere der rechten Herzkammer, zu nennen. Akute und chronische Lungenerkrankungen können aber auch über
die Belastung der rechten Herzkammer indirekt den linken Herzventrikel
in seiner Pumpfunktion beeinträchtigen. Darüber hinaus sind die bei Lungenerkrankungen regelhaft vorliegenden Veränderungen der arteriellen Blutgase mit Hypoxämie und Hyperkapnie prinzipiell dazu in der Lage, auch die Funktion des linken Herzens zu beeinträchtigen oder aber
komplexe Herzrhythmusstörungen
auszulösen, insbesondere wenn eine
weitere kardiale Grunderkrankung
vorliegt. Lungenerkrankungen können somit sowohl eine Auswirkung
auf die Funktion des rechten wie auch
des linken Herzens haben.
Lungenerkrankungen und
Rechtsherzfunktion
Pulmonale Hypertonie
und Cor pulmonale
Definitionen
Die gravierendste Auswirkung von Lungenerkrankungen auf das Herz betrifft
den rechten Herzventrikel. Chronische
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Lungenerkrankungen können zu einem
Cor pulmonale führen. Dieser Begriff
wurde erstmals 1931 von White bei Vorliegen einer Hypertrophie des rechten
Ventrikels in Folge von Lungenerkrankungen benutzt [44]. Darunter versteht
man die klinische Entität einer Hypertrophie und/oder Dilatation der rechten
Herzkammer aufgrund einer primären
Beeinträchtigung der Lungenfunktion
und/oder -struktur. Neben pulmonal-vaskulären bzw. -parenchymatösen Erkrankungen können auch Störungen der Thoraxwand, neuromuskuläre Erkrankungen
sowie Atmungsstörungen ein Cor pulmonale zur Folge haben [29]. Die nachfolgenden Ausführungen sollen sich beschränken auf das chronische Cor pulmonale (Cor pulmonale chronicum) als Folge
zweier sehr häufiger und klinisch bedeutender pneumologischer Erkrankungen,
der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung („chronic obstructive pulmonary disease“, COPD) und dem obstruktiven
Schlafapnoesyndrom (OSAS).
Epidemiologie
Die Häufigkeit des chronischen Cor pulmonale beträgt 5 bis 10% aller Erkrankungen des Herzens [29]. Die Prävalenz
bei COPD ist deutlich erhöht. Hier findet sich autoptisch in 40 bis 50% der Fälle ein Cor pulmonale [7]. Umgekehrt liegt
bei 80% der Patienten mit chronischem
Cor pulmonale als Ursache eine COPD
zu Grunde [15]. Die COPD stellt somit
die häufigste Ursache eines chronischen
Cor pulmonale dar. Beim OSAS beträgt
die Prävalenz einer pulmonal-arteriellen
Hypertonie als Wegbereiter für ein chronisches Cor pulmonale unter Auschluss
pulmonaler Begleiterkrankungen höchstens 20% [5, 18]. Bei Vorliegen eines OSAS
in Kombination mit einer COPD ist die
Prävalenz eines chronischen Cor pulmonale deutlich höher und beträgt je nach
Untersuchungskollektiv mehr als 80%
[18].
Pathophysiologie
Die Entwicklung einer pulmonalen Hypertonie ist die wesentliche Voraussetzung für die Entstehung eines Cor pulmonale. In . Tab. 1 ist daher die Nomenklatur und Klassifikation der derzeit geltenden Venedig-Klassifikation der pulmonalen Hypertonie aus dem Jahre 2003 in verkürzter Form dargestellt [31]. Die in Gruppe 3 aufgeführten Erkrankungen stellen
die wesentliche Ursache für die Entstehung eines chronischen Cor pulmonale
in Folge von Lungenerkrankungen bzw.
Atmungsstörungen dar. Die der pulmonalen Hypertonieentstehung grundsätzlich zugrunde liegenden Pathomechanismen sind in . Tab. 2 aufgeführt [17].
Abhängig von der jeweils zugrunde liegenden Erkrankung spielen diese einzelnen Pathomechanismen eine sehr unterschiedliche Rolle.
COPD. Bei der COPD spielt der Hypoxiereiz zumindest zu Beginn der Erkrankung eine wesentliche Rolle in der Enstehung einer pulmonalen Vasokonstriktion. Die alveoläre Hypoxämie stellt einen
Schwerpunkt: Das Herz bei Inneren Erkrankungen
Tab. 1 Nomenklatur und Klassifikation der pulmonalen Hypertonie (Venedig-Klassifikation, 2003). (Nach [31])
1. Pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH)
Idiopathisch (IPAH)
Familiär (FPAH)
Assoziiert mit signifikanter venöser oder kapillärer Beteiligung
2. Pulmonal-venöse Hypertonie
Linksatriale oder -ventrikuläre Herzerkrankung
Klappenvitien des linken Herzens
3. PH bei Lungenerkrankungen und/oder Hypoxämie
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)
Interstitielle Lungenerkrankungen
Schlafbezogene Atmungsstörungen (SBAS)
Alveoläre Hypoventilationssyndrome
Chronischer Aufenthalt in großen Höhen
4. PH bei chronischen thrombotischen und/oder embolischen Erkrankungen
Thromboembolische Obstruktion der proximalen Pulmonalarterien
Thromboembolische Obstruktion der distalen Pulmonalarterien
Pulmonale Embolien
5. Verschiedenes
Sarkoidose
Histiozytosis X
Lymphangiomatose
Kompression der Pulmonalgefäße
der potentesten Faktoren für eine pulmonale Vasokonstriktion im Sinne des EulerLiljestrand-Reflexes dar [13]. Diese Vasokonstriktion ist zunächst reversibel, kann
aber bei Chronifizierung zu einem irreversiblen Gefäß-Remodeling führen [17, 43].
Die Vasokonstriktion wird wahrscheinlich multifaktoriell durch den Hypoxämiereiz induziert, und zwar über direkte
Konstriktion (Veränderung des Membranpotenzials, des Redoxstatus und des
Energiehaushaltes), über die Freisetzung
von Mediatoren und durch eine Imbalanz
zwischen Vasokonstriktoren und Vasodilatatoren zugunsten der Vasokonstriktoren. Letzteres steht in engem Zusammenhang mit einer sich entwickelnden Endotheldysfunktion. Hierbei müssen insbesondere die auf die Endothelzelle in Folge der sich entwickelnden pulmonalen
Hypertonie einwirkenden Scherkräfte als
weiterer, wahrscheinlich für die Chronifizierung verantwortlicher Pathomechanismus diskutiert werden. Der Endothelzelle kommt hierbei die Rolle eines „Mechanosensors“ zu, der die physikalische Beanspruchung des Gefäßes in biochemische
Signale übersetzt, die den Gefäßwandtonus erhöhen [8]. Neben der über die Hyp-
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oxie erklärbaren Vasokonstriktion gibt es
auch Hinweise auf eine hyperkapniebedingte pulmonal-arterielle Drucksteigerung [30]. Beim Lungenemphysem führt
zusätzlich der hierfür typische pathomorphologische Umbau des Lungengewebes
über eine Gefäßbettreduktion zu einer
pulmonal-arteriellen Drucksteigerung.
OSAS. Neben der akuten apnoebedingten
pulmonal-arteriellen Drucksteigerung
durch Hypoxämie und Hyperkapnie müssen bei der Entstehung einer chronischen
pulmonalen Hypertonie beim OSAS weitere Pathomechanismen diskutiert werden. Die für die obstruktive Schlafapnoe
typischen ausgeprägten intrathorakalen
Druckschwankungen führen zu einer Erhöhung des transmuralen pulmonal-arteriellen Druckes [34, 41]. Diese führt zu
einer rechtsventrikulären Nachlasterhöhung. Bei zusätzlich zunehmendem linksventrikulärem Füllungsdruck und Vorlasterhöhung durch vermehrten venösen
Rückstrom resultiert hieraus eine pulmonal-venöse Abflussstörung [41]. Eigene
Untersuchungen belegen einen signifikant
erhöhten pulmonal-arteriellen Druck bei
nicht CPAP-behandelten OSAS-Patienten
mit arterieller Hypertonie gegenüber einer behandelten Kontrollgruppe [12, 26].
Weitere Studien belegen darüber hinaus,
dass ebenso die Freisetzung von Entzündungsmediatoren mit Entwicklung einer
Imbalanz von vasokonstriktorischen und
-dilatorischen zugunsten der vasokonstriktorischen Substanzen sowie die Freisetzung von Faktoren der Gefäßproliferation eine weitere Rolle in der Entwicklung
eines chronischen Cor pulmonale spielen
[37, 38, 39, 46]. Auch hier werden auf die
Endothelzelle einwirkende Scherkräfte als
ein wesentlicher Pathomechanismus in
der Entstehung einer endothelialen Dysfunktion diskutiert.
Prognose
Grundsätzlich stellt die Entwicklung
eines chronischen Cor pulmonale einen
entscheidenen negativen prognostischen
Faktor bei allen chronischen Lungenerkrankungen dar. So leben nur etwa 30%
der Patienten mit COPD und Cor pulmonale länger als 5 Jahre [24]. Wahrscheinlich stellt das Cor pulmonale auch einen
negativen Prognosefaktor bei OSAS dar,
wobei diesbezüglich keine gesicherten
Studien vorliegen. Ganz sicher senkt aber
eine effektive Therapie des OSAS die kardiovaskuläre Mortalität, für die das Cor
pulmonale sicherlich einen relevanten
kausalen Kofaktor darstellt [9]. In jedem
Fall scheint die rechtzeitige Diagnose und
konsequente Therapie einer Lungenerkrankung bzw. einer Atmungsstörung mit
dem Ziel, die Entstehung eines Cor pulmonale zu verhindern, die wesentliche
Maßnahme zur Prognoseverbesserung
dieser Patienten zu sein.
Lungenerkrankungen und
Linksherzfunktion
Die Pathomechanismen der Beeinträchtigung der Linksherzfunktion durch COPD
und OSAS fasst . Tab. 3 zusammen.
COPD
Bisher wenig untersucht ist die Prävalenz
einer systolischen linksventrikulären Dysfunktion bei Patienten mit COPD. In der
Literatur variiert die Prävalenz der linksventrikulären systolischen Dysfunktion bei Patienten mit COPD stark, wobei
Zusammenfassung · Abstract
die höchste Prävalenz (10–46%) bei akuter Exazerbation angegeben wird [33]. Es
ist bisher nicht bekannt, ob es sich hierbei lediglich um eine Koinzidenz handelt
oder ob eine COPD die Entstehung einer
systolischen linksventrikulären Dysfunktion begünstigen kann. Die Tatsache, dass
die höchste Prävalenz bei Patienten mit
exazerbieter COPD vorkommt, weist jedoch auf einen pathophysiologischen Zusammenhang hin [33]. In einer Studie mit
405 Patienten mit COPD und bisher unauffälliger kardialer Vorgeschichte zeigten
83 (20,5%) eine Linksherzinsuffizienz, wobei bei etwa jeweils der Hälfte eine systolische oder eine rein diastolische Linksherzinsuffizienz vorlag. Eine gleichzeitige
Rechtsherzinsuffizienz bestand bei diesen
Patienten nicht [32]. Eine weitere Untersuchung mit geringer Fallzahl ergab den
Hinweis, dass COPD-Patienten mit pulmonal-arterieller Hypertonie tendenziell häufiger eine systolische linksventrikuläre Dysfunktion aufweisen als solche
ohne [45]. In jedem Fall kann beim Cor
pulmonale chronicum der erhöhte rechtsventrikuläre Füllungsdruck zu einer Verschiebung des ventrikulären Septums hin
zum linken Ventrikel führen, wodurch
sich insbesondere die linksventrikuläre
Geometrie in der frühen Diastole verändert. Dies zieht eine erschwerte Füllung
des linken Ventrikels nach sich, während
die systolische linksventrikuläre Funktion
unbeeinflusst zu bleiben scheint. Das Vorliegen dieser Störung ist eng korreliert mit
dem Vorhandensein einer pulmonal-arteriellen Hypertonie [35].
> Die COPD scheint die
Entstehung einer systolischen
linksventrikulären
Dysfunktion zu begünstigen
Weiterhin ist zu bedenken, dass die
COPD heute nicht mehr als isolierte pulmonale Erkrankung gilt. Sie wird zunehmend als eine Systemerkrankung aufgefasst, die unter anderem eine systemische
Entzündungsreaktion, einhergehend mit
erhöhtem oxidativem Stress und Aktivierung von Entzündungszellen und -mediatoren, hervorruft [1]. Diese systemische
Entzündungsreaktion wird ebenfalls als
eine mögliche Ursache für die gegenüber
der Normalbevölkerung bei Patienten mit
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Lungenerkrankungen und Herzfunktion
Zusammenfassung
Die gravierendste Auswirkung von Lungenerkrankungen auf die Herzfunktion ist die Belastung des rechten Herzventrikels durch eine pulmonale Hypertonie mit Ausbildung
eines Cor pulmonale. Dieses ist charakterisiert durch eine Hypertrophie und/oder Dilatation der rechten Herzkammer aufgrund einer primären Beeinträchtigung der Lungenfunktion und/oder Lungenstruktur. Die wichtigsten Pathomechanismen der pulmonalen Hypertonieentstehung sind Gefäßobliteration, mechanische Läsionen, primäre vaskuläre und extravaskuläre Inflammation sowie hypoxische Vasokonstriktion. Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)
stellt die häufigste Ursache eines chronischen
Cor pulmonale dar. Eine weitere häufige Ursache ist das obstruktive Schlafapnoesyndrom, insbesondere dann, wenn es in Kombination mit einer COPD auftritt. Hier beträgt
die Prävalenz des Cor pulmonale bis zu 80%.
Die Entwicklung eines chronischen Cor pulmonale stellt einen entscheidenden negativen prognostischen Faktor dar. So leben nur
etwa 30% der Patienten mit COPD und Cor
pulmonale länger als 5 Jahre. Nur die frühzeitige Erkennung der potenziell zum Cor pulmonale führenden Atmungsstörung und deren konsequente medikamentöse und apparative Therapie kann die Prognose dieser
Patienten verbessern. Darüber hinaus können Lungenerkrankungen auch Beeinträchtigungen der Pumpfunktion des linken Herzens oder aber Herzrhythmusstörungen hervorrufen. Lungenerkrankungen können somit eine Auswirkung auf die Funktion sowohl des rechten wie auch des linken Herzens haben.
Schlüsselwörter
Lungenerkrankungen · Pulmonale Hypertonie · Cor pulmonale · Linksherzfunktion
Pulmonary diseases and heart function
Abstract
The most severe cardiac sequel to lung disease is the load on the right ventricle due to
pulmonary hypertension with the development of a cor pulmonale. This is characterized
by hypertrophy and/or dilatation of the right
ventricle because of a primary impairment
of lung function and/or lung structure. The
most important pathomechanisms for the
development of pulmonary hypertension are
vessel obliteration, mechanical lesions, primary vascular or extra-vascular inflammation
and hypoxic vasoconstriction. Chronic obstructive pulmonary diesease (COPD) is one
of the most important reasons for chronic cor
pulmonale. A further very common reason is
obstructive sleep apnea syndrome, especially if combined with a COPD. In this case, the
prevalence of cor pulmonale can reach 80%.
The development of a chronic cor pulmonale
is the most striking negative prognostic factor for these patients. Only 30% of COPD patients with cor pulmonale survive longer than
5 years, and only early detection of the disturbances to respiration which might potentially lead to cor pulmonale and their subsequent therapy are able to improve the patient’s prognosis. Furthermore, pulmonary
diseases may also have an impact on the left
heart side in terms of an impairment of left
heart function or by inducing severe arrhytmias. Thus, lung diseases may have both a
significant impact on right and left heart performance.
Keywords
Pulmonary diseases · Pulmonary hypertension · Cor pulmonale · Left heart function
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Schwerpunkt: Das Herz bei Inneren Erkrankungen
Tab. 2 Pathomechanismen der pulmonalen Hypertonieentstehung. (Mod.
n. [17])
Obliteration (z. B. Thromboembolie, Gefäßbettreduktion bei Emphysem)
Mechanische Läsion (z. B. Lungenstauung,
Scherstress)
Primäre vaskuläre Inflammation (z. B. PPH,
Vaskulitis)
Primäre extravaskuläre Inflammation (z. B.
interstitielle Lungenerkrankungen)
Hypoxische Vasokonstriktion (z. B. obstruktive
Lungenerkrankungen, OSAS)
Tab. 3 Pathomechanismen der Beeinträchtigung der Linksherzfunktion durch
COPD und OSAS
COPD
Akute Exazerbation
Septumverschiebung bei chronischem Cor
pulmonale
Systemische Entzündungsrektion
OSAS
Erhöhter Sympathikotonus
Endotheliale Dysfunktion/Atherosklerose
Oxidativer Stress
COPD um den Faktor 2 bis 3 erhöhte Prävalenz kardiovaskulärer Erkrankungen
angesehen [40]. Hinzu kommt der inhalative Nikotingenuss als gemeinsamer Risikofaktor sowohl für die COPD als auch
für kardiovaskuläre Erkrankungen.
OSAS
Pathophysiologisch herausragend ist beim
OSAS die Erhöhung des Sympathikotonus
durch OSAS-bedingte repetitive Weckreaktionen (Arousals) in der Nacht, die bis
in den Tag anhält. Für die Entstehung kardio- und zerebrovaskulärer ischämischer
Krankheiten ist die Entwicklung einer
Atherosklerose von vorrangiger Bedeutung. Hier zeigen neuere Untersuchungen
einen pathophysiologisch relevanten Zusammenhang zwischen Störungen der
endothelzellvermittelten Gefäßtonusregulation, deren Beeinträchtigung als ein
frühes, funktionelles Korrelat der Atherosklerose aufgefasst wird, und dem
OSAS [10, 11, 42]. In einem Subkollektiv
von 1.037 Teilnehmern der Sleep-HeartHealth-Studie konnte erstmals an einem
größeren Kollektiv (Alter 68–96 Jahre) eine lineare Beziehung zwischen schlafbe-
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zogenen Atmungsstörungen und Markern der vaskulären Endothelzellfunktion
demonstriert werden [28]. In zahlreichen
Untersuchungen wurde darüber hinaus
gezeigt, dass das OSAS die Entstehung einer diastolischen linksventrikulären Dysfunktion hervorruft und sich die CPAP
(„continuous positive pressure“)-Therapie
günstig auf eine diastolische Funktionsstörung auswirken kann. Dies drückt sich
aus in einer Umkehr des zuvor inversen E/
A-Verhältnisses (E-Welle: früher passiver
Einstrom in den linken Ventrikel; A-Welle: späte Phase der Ventrikelfüllung durch
die Vorhofkontraktion; [2]). Beides (diastolische Dysfunktion und Besserung derselben unter CPAP) wurde auch für Kinder mit schwerer obstruktiver Schlafapnoe nachgewiesen [3].
Es ist inzwischen weiterhin belegt, dass
die Schlafapnoe eine systolische Funktionsstörung des linken Ventrikels verursachen kann [14, 20]. Wie tierexperimentell
gezeigt werden konnte, führt die Schlafapnoe zu einer strukturellen und funktionellen Veränderung des linken Ventrikels. So konnten eine Größenzunahme
des linken Ventrikels, ein Anstieg des endiastolischen linksventrikulären Drucks
(LVEDP), ein Absinken der Druckanstiegsgeschwindigkeit (dp/dtmax) und
ein vermindertes Schlagvolumen bei Ratten mit experimentell erzeugter intermittierender Hypoxie ermittelt werden. Erhöhte Spiegel von myokardialen Lipidperoxiden und eine erniedrigte myokardiale Superoxiddismutase lassen vermuten,
dass oxidativer Stress hierbei eine wesentliche Rolle spielt [6]. Wie klinische Studien an Patienten weiterhin gezeigt haben,
verschlechtern sich durch eine Schlafapnoe kardiale Funktionsparameter, welche
eine systolische Linksherzinsuffizienz anzeigen, und zwar nimmt die (echokardiografische) Ejektionsfraktion ab, während
die Katecholaminausscheidung im Urin
steigt. Der Pro-BNT (Brain-natriuretisches Peptid)-Spiegel, welcher gewöhnlich bei einer Linksherzinsuffizienz erhöht
ist, scheint indes nicht durch eine schlafbezogene Atmungsstörung beeinflusst zu
werden [4, 14]. In jedem Fall verschlechtert sich die Prognose der Patienten durch
die systolische linksventrikuläre Funktionsstörung [21].
Neben einer Verschlechterung der
linksventrikulären Funktion durch das
OSAS tritt hierbei auch gehäuft Vorhofflimmern auf. So wird in der Literatur die Prävalenz von Vorhofflimmern
bei Patienten mit Schlafapnoe zwischen
32 und 49% angegeben [16]. Nur bei etwa einem Drittel aller Patienten mit Vorhofflimmern gelingt es dauerhaft, den Sinusrhythmus zu erhalten; dies gilt insbesondere für solche mit Schlafapnoe. In einer weiteren Untersuchung konnte darüber hinaus gezeigt werden, dass Patienten
mit Schlafapnoe unter CPAP-Therapie
nach einer Kardioversion seltener Vorhofflimmerrezidive aufweisen als solche
ohne CPAP [22].
> Die Schlafapnoe
kann eine systolische
Funktionsstörung des linken
Ventrikels verursachen
Wie von verschiedenen Arbeitsgruppen
gezeigt wurde, führt die CPAP-Therapie
des OSAS zu einer Senkung des erhöhten Sympathikotonus und zu einer lang
anhaltenden vollständigen Wiederherstellung einer intakten Endothelzellfunktion der Gefäße [12, 19, 27]. Die Verbesserung der beim OSAS gestörten Endothelzellfunktion ist essenziell zur Unterbrechung der Kausalkette bestehend aus
OSAS, Störungen des mikrovaskulären
Milieus, endothelialer Dysfunktion, Atherosklerose und resultierender Herz-Kreislauf-Erkrankung. Somit kommt der Therapie des OSAS mit CPAP eine vasoprotektive Funktion zu. Durch CPAP-Therapie verbessert sich aber auch die Symptomatik der Patienten (6-Minuten-Gehtest,
spiroergometrisch gemessene kardiopulmonale Leistungsfähigkeit; [36]). Ebenso kommt es zu einer Verbesserung anderer objektiv messbarer Parameter wie
dem Norepinephrinspiegel, dem Ausmaß
der Dilatation des linken Ventrikels, gemessen am enddiastolischen linksventrikulären Durchmesser (LVEDD), und der
Ejektionsfraktion [4, 23]. Letztendlich zeigen OSAS-Patienten unter CPAP-Therapie eine verbesserte Überlebensrate mit
Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse
wie Apoplex und koronarer Herzkrankheit bzw. Myokardinfarkt [25].
Schwerpunkt: Das Herz bei Inneren Erkrankungen
Fazit für die Praxis
Lungenerkrankungen bzw. Atmungsstörungen können sowohl eine Auswirkung auf die Funktion des rechten wie
auch des linken Herzens haben. Die gravierendste Auswirkung von Lungenerkrankungen auf die Rechtsherzfunktion ist die Ausbildung eines Cor pulmonale in Folge einer pulmonalen Hypertonie. Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) stellt die häufigste Ursache eines chronischen Cor pulmonale
dar. Eine weitere häufige Ursache ist das
obstruktive Schlafapnoesyndrom (OSAS),
insbesondere dann, wenn es in Kombination mit einer COPD auftritt. Die Entwicklung eines chronischen Cor pulmonale stellt einen entscheidenden negativen prognostischen Faktor dar. Darüber hinaus können Lungenerkrankungen
bzw. Atmungsstörungen auch Beeinträchtigungen der Pumpfunktion des linken Herzens oder aber Herzrhythmusstörungen hervorrufen. Nur die frühzeitige
Erkennung der potenziell zu Funktionsstörungen des Herzens führenden Lungenerkrankung bzw. Atmungsstörung
und deren konsequente medikamentöse
und apparative Therapie kann die Prognose des Patienten verbessern.
Korrespondierender Autor
Prof. Dr. K. Rasche
Zentrum für Innere
Medizin,Schwerpunkt Pneumologie, Allergologie, Schlafund Beatmungsmedizin, Kliniken St. Atonius, Akademisches Lehrkrankenhaus
der Universität Düsseldorf
Vogelsangstr. 106,
42109 Wuppertal
[email protected]
Interessenkonflikt. Es besteht kein Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor versichert, dass keine Verbindungen mit einer Firma, deren Produkt in
dem Artikel genannt ist, oder einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt, bestehen. Die Präsentation
des Themas ist unabhängig und die Darstellung der Inhalte produktneutral.
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