COPD – eine Volkskrankheit

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LUNGENHEILKUNDE
COPD – eine Volkskrankheit
Ursachen, Behandlungprinzipien und Prävention
COPD ist eine Krankheit der Atemwege und des Lungengewebes, die vor allem durch
den Risikofaktor Rauchen bedingt und in allen Ländern der Welt auf dem Vormarsch ist.
Prof. Dr. med. Ulrich Wagner, Chefarzt der Medizinischen Klinik Pneumologie I in
Löwenstein, beschreibt im Folgenden den Krankheitsverlauf und dessen Ursachen,
Folgen und Behandlungsprinzipien. Außerdem nennt er Untersuchungs- und Therapie­
Prof. Dr. med. Ulrich
möglichkeiten und zeigt auf, welche präventiven Maßnahmen ergriffen werden können.
Wagner ist Facharzt für
Innere Medizin, Lungenund Bronchialheilkunde
Die chronisch obs truk tive L un-
Symptome und Risikofaktoren
Schlaganfall bedingte Sterblichkeit
sowie spezielle interni­s­
generkrankung COPD (Chronic Obs-
Erste Anzeichen der Erkrankung sind
abnimmt. Zunehmend sind Frauen von
tische Intensivmedizin.
tructive Pulmonary Disease) ist eine
chronischer Husten und Schleimpro-
COPD betroffen. Ursache hierfür ist der
Zudem besitzt er die
Volkskrankheit, die erst in einem schon
duktion. Diese Symptome müssen sehr
zunehmende Tabakwarenkonsum. Das
Zusatzbezeichnung
fortgeschrittenen Stadium zu Atemnot­­­­
ernst genommen werden und sollten
generelle Auf treten (Prävalenz) der
beschwerden führ t und deswegen
einen Arztbesuch mit Lungenfunktions-
COPD in unserer Bevölkerung ist mit
meist zu spät erkannt wird. Dabei ist
messung nach sich ziehen.
14,7 % bei den über 40-Jährigen we-
der Med. Klinik Pneumo-
die COPD aber prinzipiell eine vermeid-
Die COPD zählt zu den Hauptursachen
sentlich höher als bisher angenommen
logie I mit Beatmungsme-
bare und behandelbare Erkrankung.
der Morbidität (Krankheitswahrschein-
und sollte deshalb als alarmierendes
dizin an der Klinik Löwen-
Typische begleitende Nebenerkran-
lichkeit) und Mortalität (Sterblichkeit)
Signal dafür gesehen werden, die Früh-
kungen außerhalb der Lunge erschwe-
in unserer modernen Gesellschaft wie
erkennung zu verbessern.
ren das individuelle Krankheitsbild der
auch welt weit. Während COPD 1990
Wesentliche Risikofaktoren der COPD
COPD. Die Lungenerkrankung ist durch
weltweit die sechsthäufigste Todesur-
sind aktives und passives Zigaretten-
dizin und Notfallmedizin.
Seit 2004 ist er Chefarzt
stein gGmbH.
eine Einschränkung des Atemflusses
rauchen, Schadstof fbelastungen am
gekennzeichnet, die nicht mehr kom-
Arbeitsplatz sowie die zunehmende,
plett rückbildungsfähig ist. Diese Atem-
allgemeine Luftverschmutzung. Diese
fluss-Limitierung schreitet chronisch
inhalativen Schädigungen verursachen
fort und wird durch eine schleichende,
die beschriebenen, schleichenden
entzündliche Reaktion der Lunge und
Entzündungsvorgänge, die den so ge-
Atemwege gegenüber Luf tschadstoffen verursacht. Der am meisten verbreitete und relevante Schadstoff ist
der Zigaret tenrauch. Die Entzündung
der größeren und kleineren Atemwege
verursacht eine Zerstörung des Lungengewebes und führt zur dauerhaften
Überblähung, dem Emphysem. Mi t
© Dino O, www.shutterstock.com
Somnologie, Intensivme-
nannten A ntiproteasen-Schut z wall
schwächen, wodurch die Lunge einem
Selbs tandauungsprozess durch die
Proteasen (Eiweiß abbauende Enzyme)
schutzlos ausgeliefert wird, der letztendlich zum Emphysem führt.
Folge des Emphysems ist der gleichzeitige Schwund von Lungengewebe und
einem einfachen Lungenfunktionstest,
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Lungenkapillargefäßen mit Erhöhung
der Spirometrie, wird die COPD in vier
sache war, wird sie bis 2020 zur dritt-
des Blutdruckes im Lungenkreislauf
Schweregrade eingeteilt: mild (I), mä-
häufigsten aufsteigen. Eigenartigerwei-
(pulmonale Hypertonie) und Belastung
ßig (II), schwer (III) und sehr schwer
se nimmt die Mortalität durch COPD zu,
des rechten Herzens. Bei stetiger Zu-
(IV), je nach dem Einschränkungsgrad
während die durch andere Krankheiten,
nahme kommt es schließlich zur Über-
der Ausatemkapazität.
wie koronare Herzerkrankung oder
lastung des rechten Herzens mit den
medizin für manager Stuttgart 2008
Anzeichen einer zunehmenden Atemnot
und Blutstauung vor dem rechten Herzen. Des Weiteren kommt es zu einer
vergrößer ten Stauungsleber und zu
Beinödemen (Schwellungen durch Flüssigkeitseinlagerungen). Darüber hinaus
verursacht ein wachsendes Emphysem
eine Instabilität der kleinen und mittleren Atemwege mit Luftfesselung in der
Lungenperipherie, was die Überblähung
weiter verstärk t und einer enormen
Atemnot Vorschub leistet. Hier müssen
im Rahmen von Rehabilitationsprogrammen spezielle Atemtechniken erlernt
werden, um eine bessere Ausatmung
zu gewährleisten. Bei einer Zunahme
des Emphysems kommt es auch zur
fortschreitenden Störung des Gasaustausches, d. h. Sauerstoff tritt nur noch
(CO 2 ) kann nicht mehr genügend abgeatmet werden (respiratorische Globalinsuffizienz). Ein weiterer Rückstau
von CO 2 kann schließlich lebensgefährlich werden, da dieser zu einer zunehmenden Schläfrigkeit (vergleichbar mit
einer „Selbstnarkose“) und letztendlich zum Atemstillstand führt. Um dies
abzuwenden, müssen moderne Beatmungsverfahren mit einer so genannten
nicht-invasiven Maskenbeatmung angewendet werden.
Für eine frühzeitige oder zumindest
© Sebastian Kaulitzki, www.shutterstock.com
vermindert ins Blut und Kohlendioxid
rechtzeitige Diagnose der COPD müs-
Therapie der stabilen copd
auf den Gesamtorganismus nahezu kei-
sen Symptome wie chronischer Husten,
Inzwischen gibt es sehr wirksame Be-
ne negativen Auswirkungen haben. Ab
schleimiger Auswurf und Atemnot ins-
handlungsmöglichkeiten. Im Vorder-
Stufe IV (sehr schwer) wird bei zusätz-
besondere bei den Risikofaktoren des
grund steht die Reduktion der Risiko-
licher Sauerstof funtersät tigung eine
Zigaret tenrauchens und der Luf t ver-
fak toren, insbesondere die Aufgabe
dauerhafte Sauerstoffgabe notwendig.
schmutzung am Arbeitsplatz sehr ernst
des Zigarettenrauchens! Die Patienten
Hierfür werden Sauerstoffgeräte ver-
genommen werden. Hier müssen sofort
müssen eingehend und nachhaltig über
wendet, die heutzutage sehr klein sind
Lungenfunktionsmessungen erfolgen.
die Erkrankung aufgeklärt werden.
und elegant überall hin mitgenommen
Zu dem wesentlichen begleitenden
Die medikamentöse Therapie wird nach
werden können. Wenn diese Maßnah-
Risikoprofil der COPD gehören Erkran-
einem internationalen Stufenschema
men nicht ausreichend sind, kann bei
kungen wie Herzinfarkt, Osteoporose
ausgewählt, welches sich den einzel-
Erfüllung der nötigen Voraussetzungen
(Knochenschwund) , Zuckerkrankheit
nen Schweregraden anpasst. Bei allen
eine Lungentransplantation durchge-
und Lungenkrebs. Bei schwerer COPD
Schweregraden werden kurz wirksame
führt werden.
finden sich als systemische Erschei-
inhalierbare Bronchodilatatoren (bron-
nungs f or men Gew ich t s ver lus t bis
chialerweiternde Substanzen) ange-
zur schweren Mangelernährung und
wendet. Ab Stufe II (mäßig) werden
Schwäche der Skelettmuskulatur. Diese
ergänzend langwirksame Bronchodila-
Ursachen und Therapie der
akuten Verschlechterung
(Exazerbation) der COPD
Schwäche kann letztendlich auch zur
tatoren eingesetzt und Rehabilitations-
Die häufigsten Ursachen der Exazer-
chronischen Schwächung der Atem-
programme durchgeführt. Ab Stufe III
bation sind virale und / oder bakterielle
pumpe führen und die erwähnte Mas-
(schwer) werden zusätzlich inhalier-
Infektionen der Atemwege. Dennoch
kenbeatmung notwenig machen.
bare Kortikoidpräparate eingesetzt, die
kann die Ursache von etwa einem Drit-
medizin für manager Stuttgart 2008
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tel der Exazerbationen nicht identifiziert
gens, die Hyperkapnie und die Hypoxie
hung von Kohlendioxid im Blut) können
werden. Häufig erleiden die Patienten
(O 2 -Mangel im Blut) apparativ unter-
durch Sauerstoffgabe mit einem akuten
eine Erschöpfung der Atmung durch Zu-
schieden werden. So kann der Schwere-
Anstieg des arteriellen CO 2 -Drucks bis
sammentreffen von Atemwegsverengung
grad der respiratorischen Insuffizienz
zur CO 2 -Narkose reagieren. Die Sauer-
(Obstruktion), Schleimhautschwellung
beurteilt werden. Bei der Spirometrie,
stofftherapie ist bei exazerbierter COPD
falls überhaupt durchführbar, zeigt sich
zwar unverzichtbar, Sauerstoff sollte
meist eine schwere Obstruktion. Die
aber unbedingt kontrolliert verabreicht
Laboruntersuchungen beinhalten die
werden. Anfänglich wird mit einer nied-
Messungen des C-reaktiven Proteins,
rigen Gabe von 0,5 Litern O 2 pro Minute
rauchen, Schadstoffbelastungen am
Kreatinins, Blutzuckers, der Elektrolyte
begonnen. Diese Dosis wird so gestei-
Arbeitsplatz sowie die zunehmende,
und der Blutkörperchensenkungsge-
gert, dass eine Sauerstoffsättigung von
schwindigkeit sowie die Anfertigung
90 % bzw. ein arterieller Sauerstoff-
eines Blutbildes. Außerdem fertigt der
druck von ca. 60 mmHg erreicht wird.
Arzt in der Regel ein EKG und eine Rönt-
Sind die bisher genannten Maßnahmen
Wesentliche Risikofaktoren der COPD
sind aktives und passives Zigaretten-
allgemeine Luftverschmutzung.
nicht ausreichend, so muss der Arzt eine Beatmungstherapie in die Wege lei© Duard van der Westhuizen, www.shutterstock.com
ten. Die konventionelle Beatmung über
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einen Tubus (Beatmungsschlauch) geht
mit einer hohen Letalitätsrate (Tödlichkeit) von ca. 30 % einher, und die Patienten sind nur schwer vom Beatmungsgerät zu entwöhnen. Deshalb sollte die
künstliche Beatmung zunächst vermieden werden. Die nicht-invasive Beatmung, also die Atemluf t- und Sauerstoffzufuhr über eine Maske, hat sich
als beste initiale Beatmungsform bei
exazerbierter COPD entwickelt. Bei ineffektiver nicht-invasiver Beatmung mit
nicht beherrschbarer Luftnot, Verwirrtheit oder Bewusstseinstrübung sowie
zunehmender Azidose (Übersäuerung
und einer vermehrten Schleimbildung der
genaufnahme der Brustorgane an. Eine
des Blutes) oder Hyperkapnie trot z
entzündeten Atemwege. Der Sauerstoff-
Auswurfdiagnostik ist, außer bei The-
technisch einwandfreier Maskenbe-
mangel und der Anstieg von Kohlendioxid
rapieversagern und bei Anhaltspunk-
atmung muss dennoch die Intubation
behindern die Atemmuskulatur. Die damit
ten für eine chronische Infektion, meist
erfolgen.
verbundene Hypoventilation (Verminde-
nicht notwendig.
Es gibt eine Reihe von Maßnahmen zur
rung der Lungenbelüftung) manifestiert
Die initiale medikamentöse Therapie der
Prophylaxe von E xazerbationen. Ein
sich in der Blutgasanalyse als hyperkap-
COPD-Exazerbation besteht in der In-
wichtiger Schrit t gegen das Voran-
nisches Atmungsversagen (Hyperkapnie:
tensivierung der bronchodilatatorischen
schreiten der Erkrankung ist auch hier
erhöhter CO2-Gehalt im Blut).
Therapie (für Fachleute: kurz- und lang-
das Einstellen des Rauchens.
Häufig klagen die Patienten über zu-
wirksame Beta-2-Sympathomimeti-
Die Impfung gegen Grippe (Influenza)
nehmende Atemnot, oft begleitet von
ka, Anticholinergika, bei schwereren
ist geeignet, die Morbidität und Morta-
Brustenge, starkem Husten und Schleim-
Exazerbationen Glukokor tikoide. Die
lität sowie die Zahl der Exazerbationen
produktion. Die Luftnot kann bei chro-
Anwendung von Theophyllinen ist um-
günstig zu beeinflussen. Auch die Gabe
nisch hyperkapnischen Patienten auch
strit ten) . Antibiotika sollten nur ge-
von Langzeit-Sauerstoff entsprechend
ausbleiben, dann deuten lediglich eine
geben werden, wenn der Patient bei
den Leitlinien senkt die Zahl von Exazer-
Verwirrtheit oder Schläfrigkeit auf das
gesteigerter Atemnot erhöhte Mengen
bationen. Ferner hat die Teilnahme an
Atmungsversagen hin. Diese Patienten
eitrigen Auswurfs produziert und wenn
Rehabilitationsprogrammen und Patien-
weisen meist eine deutliche Zyanose
er beatmungspflichtige Exazerbationen
tenschulungen einen nachgewiesenen
(Blaufärbung der Lippen) auf, oft auch
erleidet.
Effekt auf die Zahl der Hospitalisie-
Beinödeme.
Patienten mit chronischer respirato-
rungen. Die Wirksamkeit von Immunmo-
Mit einer Blutgasanalyse können die
rischer Globalinsuffizienz (gleichzeitige
dulatoren dagegen ist umstritten.
beiden Formen des Atmungsversa-
Erniedrigung von Sauerstoff und Erhö-
Prof. Dr. med. Ulrich Wagner
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