Erhöhtes Lungenentzündungs-Risiko durch Kortikoide bei COPD Die Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) ist auf dem Vormarsch: Wie die aktuelle BOLD-Studie zur Epidemiologie der Erkrankung belegt, steigt die Prävalenz der Erkrankung weltweit an [1]. Die medikamentöse Behandlung der COPD sollte individuell auf den Schweregrad der Erkrankung abgestimmt sein. Grundsätzlich reicht bei mäßiger Ausprägung (Grad II) – darunter fallen laut BOLD-Studie 87% aller COPD-Patienten (Abb. 1) – meist eine Monotherapie mit einem anti-obstruktiven Wirkstoff aus. Nichtsdestotrotz geht der Trend seit einigen Jahren in eine andere Richtung: Immer mehr Ärzte verschreiben Inhalatoren, die eine Wirkstoffkombination aus Bronchospasmolytikum und entzündungshemmenden Glukokortikoiden enthalten. Letztere verringern zwar die Rate von Exazerbationen, erhöhen jedoch durch ihre immunsuppressive Wirkung auch das Infektionsrisiko der Betroffenen. So verzeichnete bereits die TORCH-Studie [2] für Dosen von über 1000µg Fluticason pro Tag eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit, an einer Lungenentzündung zu erkranken als für Placebo. Nachdem bereits einige Studien in Frage stellten, ob inhalative Glukokortikoide (ICS) überhaupt eine merkliche Besserung der Symptome bei moderater COPD bewirken, stellen nun kanadische Wissenschaftler einen Zusammenhang zwischen der Anwendung von Glukokortikoiden und erhöhtem Pneumonie-Risiko her [3]. In der neuen Untersuchung wurden über einen Zeitraum von 1988 bis 2003 die Daten von 175.906 COPD-Patienten ausgewertet. Man untersuchte bei zu Beginn durchschnittlich 72jährigen Probanden die Beziehung von Lungenentzündungen und Glukokortikoid-Medikation. Patienten mit schwerer COPD nehmen mehr Medikamente ein und haben grundsätzlich ein erhöhtes Risiko, an Lungenentzündung zu erkranken. Um dieser Tatsache Rechnung zu tragen, wurden die Datensätze für den Schweregrad der COPD adjustiert. Das Ergebnis: Unter jenen Patienten, die in den letzten 60 Tagen mit Glukokortikoiden behandelt worden waren, fand sich ein um 70% erhöhter Anteil Pneumonie bedingten Klinikaufenthalte. Von den Patienten, die innerhalb von 30 Tagen nach ihrer Einweisung ins Krankenhaus starben, waren 53% mit ICS behandelt worden. Bei jenen, die täglich über 1000µg Fluticason oder andere, vergleichbare Wirkstoffe entsprechender Dosis erhielten, war das statistische Risiko, innerhalb von 30 Tagen zu sterben um 78% erhöht. Sobald die Steroid-Medikation einige Monate zurück lag, war die Häufigkeit nur geringfügig höher als bei Patienten ohne Kortikoidbehandlung. Vor diesem Hintergrund sollten Glukokortikoide nicht als „nützliches Extra“ der bronchodilatativen Therapie gewertet werden. Hochdosierte Langzeitbehandlungen mit den Entzündungshemmern können die lokale Immunabwehr schwächen. Der Einsatz von ICS sollte sich daher am Schweregrad orientieren und bei Patienten mit moderater COPD nur bei vorübergehend verstärkter Entzündungssymptomatik erfolgen. Fixkombinationen sollten folglich Patienten mit schwerer COPD vorbehalten bleiben. [1] Biust As et al (2008): International variation in the prevalence of COPD (the BOLD Study): a population-based prevalence study. Lancet.; 370(9589):741-50 [2] Calverley PM et al.(2007): Salmeterol and fluticasone propionate and survival in chronic obstructive pulmonary disease. N Engl J Med 22; 356(8): 775-89 [3] Ernst P et al.(2007): Inhaled Corticosteroid Use in Chronic Obstructive Pulmonary Disease and the risk of Hospitalization for Pneumonia. Am J Respir Cirt Care Med; 76(2): 162-6 Abbildung 1: Prävalenz der COPD nach Schweregraden, dargestellt nach Daten der BOLDStudie [1]. Milde COPD (GOLD-Stadium 1) und moderate COPD (GOLD-Stadium 2) zeigen mit Abstand die höchsten Prävalenzen.